TE UVS Tirol 1995/05/03 2/54-4/1994

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Veröffentlicht am 03.05.1995
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§24, 51 Abs1 und 51e Abs2 VStG wird der Berufung Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde gegen den Berufungswerber folgender Schuldvorworf erhoben:

 

"Der Beschuldigte, Herr J H, geb. am 06.02., hat als Lenker des LKW-Zuges mit dem Kennzeichen  (LKW) und  (Anhänger) am 18.06.1994 durch den Transport eines Messestandes samt Zubehör, der bei der Schmuckmesse in Vicenza/Italien zur Ausstellung von Schmuck zur Verfügung gestellt wurde, eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke vom Zollamt Brennerpaß zum Zollamt Achenkirch durchgeführt und dabei entgegen den Bestimmungen der §§7b Abs1 Güterbeförderungsgesetz und 102 Abs5 litg KFG, die aufgrund des §7a Abs2 Güterbeförderungsgesetz sowie des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße, BGBlNr823/1992, vorgeschriebene ÖKO-Punkte-Karte mit der erforderlichen Anzahl von geklebten und entwerteten, gültigen ÖKO-Punkten nicht mitgeführt und auf Verlangen der Kontrollorgane des Zollamtes Achenkirch nicht vorgewiesen."

 

Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach §16 Abs1 Z7 iVm §7b Abs1 Güterbeförderungsgesetz und §134 iVm §102 Abs5 litg KFG begangen, weshalb über ihn gemäß §16 Abs1 Einleitungssatz iVm §16 Abs2 Güterbeförderungsgesetz eine Geldstrafe von S 20.000,-- unter gleichzeitiger Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

 

Dagegen wurde seitens des Beschuldigten innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In der Begründung wird zunächst auf Anhang C zur Verwaltungsvereinbarung zur Festlegung des Zeitpunktes und der Modalitäten der Einführung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktesystems (BGBlNr879/1992) verwiesen, wonach laut Punkt 10 bei der gelegentlichen Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung keine ÖKO-Punkte benötigt werden. Weiters wird vorgebracht, daß sich der aufgrund des Artikels 21 des erwähnten Abkommens eingerichtete Transitausschuß mit der Frage der "Messetransporte" mehrmals auseinandergesetzt hat.

 

Zwar sei im Anhang C der Verwaltungsvereinbarung, BGBlNr879/1992, eine gegenüber der Verwaltungsvereinbarung vom 27.06.1951, in der von der Beförderung von "Messe- und Ausstellungsgut" die Rede ist, abweichende Formulierung gewählt worden. Es ergebe sich jedoch aus mehreren offiziellen österreichischen Dokumenten, daß darunter dennoch Transporte von Messegut gemeint seien. Seitens des Berufungswerbers werden diesbezüglich folgende, der Berufung in Ablichtung beigelegten Dokumente angeführt:

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Aktenvermerk des Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28.09.1993 (Mag. St), in dem auf Seite 3 der Punkt 10 des Anhanges C der Verwaltungsvereinbarung ausdrücklich unter dem Begriff "Beförderung von Messematerial" genannt wird;

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Resümeeprotokoll der vorbereitenden (österreichischen) interministeriellen Vorbesprechung (die am 09.07.1993 im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten in Wien stattfand) zur 2. Sitzung des Transitausschusses (TOP 9 - "Klärung der Beförderung von Messematerial");

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Offizielle Zusammenfassung der Ergebnisse der 2. Sitzung des Transitausschusses am 15.07.1993 in Brüssel.

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Die 1. Ergänzung der Dienstanweisung für die Zollämter (DAZ-Güterverkehr-1993) vom 04.03.1994

 

Nach der Dienstanweisung des Bundesministeriums für Finanzen könne, sofern es sich bei Messetransporten um gelegentliche Beförderung handle, die Ausnahmebestimmung für die "gelegentliche Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung" angewendet werden, wenn es sich nicht um eine regelmäßig, sondern um eine gelegentliche (ausnahmsweise) Beförderung handle. Beförderungen eines "Messespediteurs" könnten darunter niemals subsumiert werden. Eine andere amtliche österreichische Auslegung des Begriffes "gelegentliche Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung" als die gegenständliche Dienstanweisung liege nicht vor und könne daher nicht als Rechtsgrundlage für eine Bestrafung herangezogen werden.

 

Beim gegenständlichen Unternehmen handle es sich keineswegs um eine "Messespedition" die regelmäßig Messegut für diverse Auftraggeber transportiere, sondern um ein Unternehmen, das Messestände herstellt und diese gelegentlich auch im Werkverkehr ins Ausland transportiere. Der Interpretation der Erstbehörde, "auf einer Schmuckmesse werde Schmuck ausgestellt und um diesen geworben und nicht um den Messestand", weswegen im gegenständlichen Falle die erwähnte Ausnahmebestimmung nicht in Betracht käme, könne nicht gefolgt werden. Es existiere keine einzige offizielle Interpretation, die den Begriff "Messegut" oder "Messetransport" (= Transport von Messegut) derart restriktiv auslege, daß darunter nur die reinen Exponate, nicht aber deren Präsentation wie Verpackung, Vitrinen, Messestand usw. verstanden würden. Punkt 10 des Anhanges C der Verwaltungsvereinbarung spreche nur von "Gütern ausschließlich zur Werbung" und bei einem Messestand oder deren Teilen handle es sich zweifelsfrei um Güter, die der Werbung - für die Exponate - dienen.

 

Mit Schreiben vom 28.02.1995 forderte die Berufungsbehörde Herrn H S, Geschäftsführer des Dienstgebers des Berufungswerbers, der Firma H S, Schreinereibetrieb GmbH, Internationaler Messebau, auf, mehrere, zur Sachverhaltsermittlung dienende Fragen zu beantworten.

 

In einem Schriftsatz der Rechtsvertreter des Berufungswerbers vom 21.04.1995 wurden diese Fragen beantwortet, wobei folgendes ausgeführt wurde:

 

"H S ist Tischlermeister (= Schreinermeister) und als solcher selbständig; er ist spezialisiert auf Messebau.

 

Die Tätigkeit ist fast zur Gänze darauf ausgerichtet, für Unternehmen, die Messen beschicken, hochwertige Messestände in jedem Einzelfall herzustellen, sodann in konkreten Anlaßfällen diese Messeaufbauten an den Messeplatz zu transportieren, dort aufzubauen und nach Ende der Messe die Demontage und den Rücktransport wieder vorzunehmen.

 

Die Tätigkeit von J H ist die eines unselbständigen Tischlermeisters (= Schreinermeister) in der Werkstätte des H S.

 

Seine Arbeitsleistung erbringt er zu ca. 80 % in der Werkstätte; die restlichen 20 % verwendet er für Montagetätigkeiten.

 

Es ist dies ein Vergleichswert, der allgemeinen Tischlereibetriebe (= Schreinereibetrieben) entspricht.

 

Nachdem der Betrieb des H S ein Kleinbetrieb ist, muß J H anläßlich der Montagen auch den dafür eingesetzten LKW lenken.

 

Dieser Tätigkeitsbereich bzw.diese Aufteilung der Arbeit des J H für H S besteht seit ca. 15 Jahren.

 

Sämtliche Transporte, die J H für H S (bzw. H S selbst) durchführt, sind Werksverkehr; Güterbeförderung im Sinne des Güterbeförderungsgesetzes liegt ausnahmslos nicht vor. Dieser Sachverhalt ist auch aus den Carnets leicht nachvollziehbar, die anläßlich jedes Grenzübertrittes der Kontrolle der Grenzorgane unterliegen.

 

Es wurde bereits ausgeführt, daß der Betrieb des H S ein Kleinbetrieb ist. Es kommt insgesamt nur ein LKW zum Einsatz (dies im Sinne des oben angeführten Werkverkehrs;

Güterbeförderungsleistungen außerhalb des Werkverkehrs erfolgen überhaupt nicht).

 

Betreffend die Frage, wie oft der (einzige) LKW des H S entweder von J H oder von H S über Österreich gelenkt wird, ist auszuführen, daß dies zweimal pro Jahr der Fall ist. In beiden Fällen wird die Schmuckmesse in Vicenza im Auftrag des Kunden H A T, Pforzheim, in der oben angeführten Form betreut; es erfolgt der Aufbau bzw. die Errichtung eines Messestandes, der Transport (im Werksverkehr) von Geretsried nach Vicenza; dort wird der vorbereitete Messeaufbau aufgebaut und montiert. Am Ende der Messe erfolgt der Abbau und der Rücktransport.

 

Die Schmuckmesse in Vicenza ist 1. im Jänner und 2. im Juni eines jeden Jahres.

 

Im konkreten Anlaßfall fand die Messe vom 11. Juni bis 16. Juni 1994 statt.

 

Der Hintransport erfolgte am 04.06.1994; gelenkt wurde das Fahrzeug von H S.

 

Der Rücktransport war der gegenständliche Transport, der zum vorliegenden Straferkenntnis führte.

 

Sonstige Transporte über Österreich (dies im Sinne des Werksverkehrs) erfolgen seitens des Unternehmens H S - insbesondere aber durch J H - nicht."

 

Der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung, über welche nach Maßgabe des §51e Abs2 VStG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, wie folgt erwogen:

 

Gemäß §44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommen Tat zu enthalten. Dabei ist es erforderlich, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschrieben ist, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Eine den Erfordernissen des §44a Z1 VStG entsprechende Tatumschreibung liegt daher nur dann vor, wenn auch die Tatzeit hinreichend konkretisiert wird. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist im Bezug auf die Tatzeit lediglich der 18.06.1994 angeführt. Eine nähere Angabe dazu, wann der Berufungswerber die in Rede stehende Transitfahrt an diesem Tag durchgeführt hat, fehlt.

 

Da diese genauen Zeitangaben auch nicht Gegenstand einer tauglichen Verfolgungshandlung waren, war der Berufungsbehörde auch eine Ergänzung des Spruches aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung verwehrt. Schon aus diesem Grunde war daher der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Abgesehen davon vermag sich die erkennende Behörde den Argumenten des Berufungswerbers im Bezug auf die Interpretation des Punktes 10 des Anhanges C zur oben erwähnten Verwaltungsvereinbarung, BGBlNr879/1992, nicht zu verschließen. Nach der erwähnten Bestimmung werden "bei der gelegentlichen Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung" keine ÖKO-Punkte benötigt.

 

Im Resümeeprotokoll der 2. Sitzung des Transitausschusses in Brüssel vom 15.07.1993 ist unter "TOP 9" der Punkt "Klärung der Beförderung von Messematerial" erwähnt. Darunter findet sich folgender Text:

 

"Hier geht es inbesondere darum, eine klare Abgrenzung zwischen gelegentlichen und regelmäßigen Messetransporten vorzunehmen.

 

Nach Ansicht des BMFin ist davon auszugehen, daß Messespeditionen keine "gelegentlichen" Transporte iSd Anhanges C der Verwaltungsvereinbarung durchführen (es liegen in diesem Fall eben regelmäßige und keine "gelegentlichen" Transporte vor), wohl aber Unternehmer, die selbst Material zu Messen transportieren."

 

In einem Aktenvermerk des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28.09.1993 betreffend das Transitabkommen EG/Österreich (2. Sitzung des Transitausschusses; Besprechung über die offen gebliebenen Fragen, am 27.09.1993) findet sich der Punkt "Beförderung von Messematerial", wobei weiters festgehalten ist, daß dem Wunsch der EG nach Übermittlung der Dienstanweisung des BMfF betreffend Punkt 10 des Anhanges C der Verwaltungsvereinbarung entsprochen werden kann.

 

In der Dienstanweisung für die Zollämter betreffend den grenzüberschreitenden Güterverkehr auf der Straße (DAZ, Güterverkehr 1993) findet sich unter Punkt 4.4.1 (Fahrten, die von der Entrichtung von Ökopunkten befreit sind) unter anderem folgender Wortlaut:

 

"Sofern es sich bei Messetransporten allerdings um gelegentliche Beförderungen handelt, kann die Ausnahmebestimmung für die "gelegentliche Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung" angewendet werden, wenn es sich nicht um eine regelmäßige, sondern um eine gelegentliche (ausnahmsweise) Beförderung handelt. Beförderungen eines "Messespediteurs" können darunter niemals subsumiert werden."

 

Auch in der Zusammenfassung der Ergebnisse der 2. Sitzung des Transitausschusses vom 15.07.1993 ist davon die Rede, daß in der Frage von Messetransporten noch keine endgültige Einigung erzielt worden sei, jedoch die österreichische Delegation betont habe, daß für die Beförderung von Messematerial eine klare Abgrenzung gefunden werden müsse. Inbesondere dürfe es sich (entsprechend Punkt 10 von Anhang C) nur um gelegentliche Fahrten handeln.

 

Auf der Grundlage dieser Materialien kann davon ausgegangen werden, daß von der gelegentlichen Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung auch Messetransporte, sofern es sich hiebei um gelegentliche Beförderungen handelt, erfaßt sein sollen.

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde stellen Messetransporte nicht nur solche Beförderungen dar, mit denen Ausstellungsstücke zum Ort der Messe transportiert werden, sondern auch jene Beförderungen, mit denen Gegenstände, die der Präsentation der Ausstellungsstücke dienen, zum Ort der Messe verbracht werden.

 

Auf der Grundlage der Fragenbeantwortungen im Schreiben vom 21.04.1995 ist davon auszugehen, daß seitens des Unternehmens, bei dem der Berufungswerber beschäftigt ist, nur gelegentlich Beförderungen von Messegut durchgeführt werden. Dafür spricht insbesondere der Umstand, daß es sich beim vorerwähnten Unternehmen um einen Kleinbetrieb handelt, der überdies nur über einen LKW verfügt.

 

Der Berufungswerber vermag daher nach Ansicht der Berufungsbehörde zu Recht die Begünstigungen des Punktes 10 des Anhanges C zur Verwaltungsvereinbarung, BGBlNr879/1992, für sich zu Anspruch zu nehmen.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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