TE UVS Tirol 2005/01/17 2004/23/224-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Beschwerde von Frau M. W., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. L. S., XY, gegen die Bundespolizeidirektion Innsbruck, nach öffentlich mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c Abs 1, § 67d AVG und § 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wird die Beschwerde von Frau M. W., dass sie am 25.11.2004 um 17.30 Uhr durch das Betreten ihrer Wohnung durch einen verdeckt ermittelnden Polizeibeamten, sowie durch das nachfolgende Betreten durch einen zweiten Polizeibeamten in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens gemäß Art 8 Menschenrechtskonvention, sowie des Schutzes des Hausrechtes gemäß Art 9 Staatsgrundgesetz und in ihren Rechten nach § 88 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz verletzt worden sei, als

unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 79a Abs 1 und 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer der obsiegenden belangten Behörde den Ersatz für den Vorlageaufwand in Höhe von Euro 51,50, den Ersatz für den Schriftsatzaufwand in Höhe von Euro 220,30 sowie den Ersatz des Verhandlungsaufwandes in Höhe von Euro 275,30, somit zusammen Euro 547,10, binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu ersetzen.

Text

Am 3.12.2004 langte eine Maßnahmenbeschwerde von Frau M. W. vom 2.12.2004 beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol ein. Ihrer Maßnahmenbeschwerde legte die Beschwerdeführerin zugrunde, dass am 25.11.2004 um ca 17.30 Uhr ein Herr in Zivil und ohne sich als Sicherheitsbeamter zu erkennen zu geben, zur Wohnungstür der Beschwerdeführerin in der XY, die sie gemietet habe, kam und geläutet habe. Nachdem sie die Türe geöffnet habe, habe er sich erkundigt, was es koste. Die Beschwerdeführerin habe dem Herrn erklärt, sie wolle derartige Gespräche nicht im Stiegenhaus führen und habe ihn gebeten, in die Wohnung zu kommen. Dort habe sie ihm einen Sitzplatz angeboten und die Wohnungstüre, welche von außen mit einem Türknopf versehen sei, geschlossen. Nachdem sich der Herr gesetzt habe, habe es abermals geläutet und der Herr sei aufgestanden, ohne dass ihn die Beschwerdeführerin dazu aufgefordert habe, und sei zur Türe gegangen und habe einen zweiten Herrn, den die Beschwerdeführerin, nachdem er ohne Aufforderung durch sie und ohne zu fragen, ob er eintreten dürfe, die Wohnung betreten habe, sofort als einen Polizeibeamten der belangten Behörde erkannt. Dieser habe sofort angefangen, Notizen zu machen und den ersten Herrn gefragt, von dem aus dem Gespräch der beiden der Beschwerdeführerin klar wurde, dass es sich ebenfalls um einen Polizisten handle, ob ihm die Beschwerdeführerin einen Preis genannt habe, was dieser wahrheitsgemäß verneinte. Der zweite Beamte erklärte darauf hin, dass er die Beschwerdeführerin anzeigen werde, weil sie im Internet und in einer Zeitschrift namens ?XY? inseriert habe und habe er sie aufgefordert, sich zu legitimieren, was sie mit ihrem Führerschein getan habe. Nach Abschluss dieser Amtshandlung haben beide Beamten die Wohnung verlassen.

 

Durch diese Amtshandlung erachtete sich die Beschwerdeführerin dadurch, dass der erste eintretende Polizist ohne gesetzliche Grundlage die Beschwerdeführerin nicht darüber informiert habe, dass er zum Zweck polizeilicher Ermittlungen in ihre Wohnung käme, sondern ihr vorgespielt habe, er sei eine Privatperson, die Einwilligung zum Betreten ihrer Mietwohnung in der XY, erschlichen, sie in der Folge betreten, und sie damit ohne rechtliche Grundlage in ihren einfach gesetzlichen und verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem Hausrecht verletzt. Die belangte Behörde habe weiters dadurch, dass der erste eintretende Polizist ohne Aufforderung oder Einwilligung der Beschwerdeführerin und auch ohne sonstige rechtliche Grundlage zur Tür gegangen und den zweiten Polizisten, der an der Tür geklingelt habe, und ihm dadurch Zutritt zur genannten Wohnung der Beschwerdeführerin verschafft habe, den ihm die Beschwerdeführerin nicht gewährt hätte, also ohne rechtliche Grundlage die Beschwerdeführerin in ihren einfach gesetzlichen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem Hausrecht an der genannten Wohnung, verletzt. Abschließend habe die Behörde dadurch, dass der zweite Beamte ohne Einwilligung der Beschwerdeführerin und in Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis der Tatsache, dass sie ihm in Kenntnis dessen, dass sie ihm als Beamten zu Ermittlungszwecken den Zutritt zur Wohnung verwehren würde, ohne rechtliche Grundlage die Beschwerdeführerin in ihren einfach gesetzlichen und verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem Hausrecht an der Wohnung, verletzt.

 

Das Betreten einer Wohnung sei der belangten Behörde nur aufgrund eines richterlichen Befehls oder in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen zulässig. Dies aber auch nur in der Art und Weise, dass es für den Betroffenen ex ante klar erkennbar ist, dass es sich um einen polizeilichen Zugriff handelt. Es sei der Behörde ebenso verboten, sich den Zutritt zu erschleichen, wie es einem Beamten, der sich den Zutritt erschlichen habe, verboten sei, die Tatsache, dass er dadurch den Zutritt zu einer Wohnung erlangt habe, auszunützen und weitere Beamte hereinzulassen. Hätte die Beschwerdeführerin gewusst, dass es sich um Polizisten handle, hätte sie dem ersten Beamten das Betreten der Wohnung untersagt, weil sie grundsätzlich weder Polizisten in ihrer Wohnung haben will, noch andere Leute, die sich für jemand anderen ausgeben. Außerdem dulde sie grundsätzlich nicht, dass andere Leute ohne ihren ausdrücklichen Auftrag fremde Leute in ihre Wohnung lassen.

 

Aus all diesen Gründen wurde der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle feststellen, dass die belangte Behörde durch ihr Einschreiten am 25.11.2004 um ca 17.30 Uhr das Recht der Beschwerdeführerin verletzt habe, dass die von ihr gemietete Wohnung in der XY, nicht ohne gesetzliche Grundlage von Polizeiorganen betreten wird. Der belangten Behörde wolle weiters die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

 

Von der Bundespolizeidirektion Innsbruck wurde eine Gegenschrift sowie eine Stellungnahme der beiden beteiligten Beamten und eine Ablichtung der verwaltungsstrafrechtlichen Anzeige gegen die Beschwerdeführerin vorgelegt.

 

Weiters wurde eine Ausgabe der Zeitschrift ?XY? (Nr XY) vorgelegt. Abschließend übermittelte die Bundespolizeidirektion Innsbruck noch auszugsweise eine gerichtliche Strafanzeige gegen 4 Personen aufgrund des Verdachtes des Zuführens zur Prostitution, Verdacht der Zuhälterei, Verdacht des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels und Verdacht der Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs.

 

Weiters wurde am 17.1.2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer neben der Beschwerdeführerin auch die beiden einschreitenden Polizeibeamten als Zeugen vernommen wurden. Dargetan wurden aus dem Internet von der Homepage ?www.XY.at? heruntergeladene und ausgedruckte Lichtbilder der Beschwerdeführerin sowie der dazugehörige Text.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol folgender Sachverhalt:

 

Im Jahre 2004 führte die Bundespolizeidirektion Innsbruck eine groß angelegte Schwerpunktaktion durch, die der Auslotung der Wohnungsprostitution dienen sollte. Ausgelöst wurde diese Schwerpunktaktion durch die Meldungen mehrerer Sicherheitsdienststellen im gesamten Bundesgebiet. Im Zentrum dieser Ermittlungen wurde gegen 4 namentlich feststehende Personen wegen des Verdachtes der Zuhälterei sowie des Menschenhandels ermittelt. Wesentlicher Teil dieser Schwerpunktaktion war beginnend mit November 2004 eine verstärkte Kontrolle von Wohnungen, die für die Ausübung der Prostitution genutzt wurden. Hierzu wurden in den Zeitschriften ?XY? und ?XY? Anzeigen, die sich auf Wohnungen in Innsbruck bezogen, herausgesucht und ebenso wurden Angebote von der Internetseite ?www.XY.at? mit einem Bezug zu Innsbruck herausgesucht. In weiterer Folge nahmen verdeckte Ermittler telefonisch Kontakt mit den dort angegebenen Nummern auf und verabredeten Termine. Sinn dieser Erhebungen war es, einen Überblick über diese Szene zu erlangen und die dahinter stehenden Personen auszuforschen.

 

Am 25.11.2004 suchte der Kriminalbeamte K. aus dem Kontaktmagazin ?XY? die Nummer der Beschwerdeführerin heraus. Nach einem ersten Anruf wurde er zum Apartment der Beschwerdeführerin in die XY, bestellt. In weiterer Folge begab sich der Kriminalbeamte K. gemeinsam mit dem zweiten Kriminalbeamten H. zur Wohnung der Beschwerdeführerin. Den Kontakt mit der Beschwerdeführerin selbst nahm der Kriminalbeamte H. auf. Nachdem er an der Haustüre geläutet hatte, wurde ihm diese geöffnet und begab er sich zur Wohnung der Beschwerdeführerin. Mit dieser führte er vorerst ein Anbahnungsgespräch als potentieller Freier indem er sie nach dem Preis fragte. In weiterer Folge bat die Beschwerdeführerin den Kriminalbeamten in ihre Wohnung. Nach einem kurzen Gespräch legitimierte sich der einschreitende Kriminalbeamte als solcher. In weiterer Folge wurde dem zweiten Kriminalbeamten, der an der Tür läutete, von ihm die Türe geöffnet. In der nun folgenden Amtshandlung wurde die Beschwerdeführerin von den beiden Kriminalbeamten befragt sowie ihre Identitätsdaten aufgenommen. Bereits nach wenigen Minuten verließen beide Kriminalbeamten die Wohnung der Beschwerdeführerin.

 

Für die Zulässigkeit einer Beschwerde im Sinne des Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG ist ausschlaggebend, dass sich das Imperium der Behörde und der angefochtene Akt sinnbildlich unmittelbar gegenüberstehen. Dazu hat auch der Verwaltungsgerichtshof unmissverständlich ausgesprochen, dass die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt dann vorliegt, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung eindeutig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine vor dem UVS bekämpfbare faktische Amtshandlung vor (VwGH vom 15.11.2000, Zl 98/01/0452).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof beispielsweise in der Entscheidung vom 07.12.1987, VfSlg 11.568, festgehalten hat, ist ein ?Wunsch? der Gendarmerie einem ?Befehl? nicht gleichzuhalten. Im vorliegenden Fall hat der Gendarmeriebeamte weder einen Befehl erteilt, noch hat er Zwang ausgeübt.

 

In Summe kann also festgestellt werden, dass Maßnahmen als verfahrensfreie Verwaltungsakte dadurch gekennzeichnet sind, dass ?sie weder Bescheide (im engeren Sinne) noch Bescheidkonkretisierungsakte noch Titel oder deren Konkretisierung sind, für deren weitere Vollziehung eine Bindung an verhältnismäßig prozessförmliche Vorgansweisen der Verwaltung vorgesehen ist. Die Verfahrensfreiheit kann von vorn herein gegeben oder aber eine Fehlerfolge des betreffenden Aktes sein. Die Erscheinungsformen des verfahrensfreien Verwaltungsaktes sind der individuelle, sofort befolgungsbedürftige Befehl, bei dessen Nichtbefolgung unverzügliche physische Zwangsvollstreckung oder die unverzügliche Erlassung eines anderen, so vollstreckbaren Befehls oder aber Verwaltungsstrafe im Sinne des VStG drohen; ferner Akte physischer Zwangsvollstreckung selbst; sowie schließlich Akte, die selbst weder als Befehl noch als Zwangsvollstreckungsakte deutbar sind, die aber einseitige Eingriffe in Rechte der Einzelperson darstellen und einen Befehl zum sofortigen Duldensollen oder eine Feststellung des Duldenmüssen impliziert.? Diese letzte Gruppe wird in der Rechtsprechung und Lehre unter dem Begriff ?implizierter (Duldungs-)befehl? zusammengefasst (siehe FUNK Der verfahrensfreie Verwaltungsakt, Die ?faktische Amtshandlung? in Praxis und Lehre, Springer Verlag, Seite 115).

Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch auf den erweiternden Rechtschutz des Sicherheitspolizeigesetzes hinzuweisen.

 

Es können nicht nur Akte unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt mit Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden, sondern hat dieser nach § 88 Abs 2 SPG auch über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist, zu entscheiden

 

Aus dem sicherheitspolizeilichen Charakter einer Verhaltensweise folgt einerseits, dass sie im Weg des § 88 Abs 2 SPG 1991 in jedem Fall mit Beschwerde an den UVS bekämpft werden kann, selbst wenn sie sich nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen sollte; es erübrigt sich daher insoweit eine nähere Prüfung ihrer Rechtsnatur (Hinweis E vom 29. 7. 1998, 97/01/0448). Andererseits steht damit fest, dass diese Maßnahme nur dann rechtens war, wenn sie in den der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden Befugnissen Deckung fand (VWGH vom 30.1.2001 Zl 2000/01/0018).

 

§ 88 Abs 2 SPG 1991 eröffnet ausdrücklich eine Beschwerdemöglichkeit gegen Behördenhandeln ohne Maßnahmencharakter in Besorgung der Sicherheitsverwaltung. Die Anfechtung eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt kommt nach § 88 Abs 2 SPG (arg "auf andere Weise") nicht in Betracht (VWGH vom 15.1.1000 Zl 98/01/0452).

 

Die gegenständliche Beschwerde ist nicht gegen einen Akt der unmittelbaren Befehls und Zwangsgewalt gerichtet, sondern bezieht sich vielmehr auf ein Behördenhandeln ohne Zwangsgewalt. Insgesamt erweist sich die vorliegende Beschwerde zweifelsfrei als zulässig.

 

Zur behaupteten Verletzung des Art 9 Staatsgrundgesetz:

 

Das Hausrecht des Art 9 StGG unterscheidet sich vom Recht auf Achtung der Wohnung nach Art 8 EMRK im Ansatz dadurch, dass es nicht die Funktion einer Wohnung, sondern die Freiheit einer räumlichen Sphäre schützt. Art 9 StGG geht insoweit über Art 8 EMRK hinaus, als er nicht nur Wohnungen erfasst, sondern sich auf andere, zum Hauswesen gehörende Räumlichkeiten bezieht, und daher Kellerabteile, Betriebsräume, Gartenhütten und Ähnliches einschließt. Er bleibt jedoch hinter Art 8 EMRK zurück, weil er ausschließlich gegen Hausdurchsuchungen schützt.

 

Gemäß Art 9 Staatsgrundgesetz ist das Hausrecht unverletzlich. Das bestehende Gesetz vom 27.10.1862 zum Schutze des Hausrechtes ist Bestandteil dieses Staatsgrundgesetzes.

 

Vom Schutz des Hausrechtes werden nach § 1 Hausrechtsgesetz die Wohnung sowie die sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten erfasst. Somit dient Art 9 Staatsgrundgesetz dem Schutz der Intimsphäre. Durch dieses Grundrecht soll ?ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers in Dinge, die man im Allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen? hintangehalten werden (Verfassungssammlung 5182/1965 und 10897/1986 sowie VwGH vom 23.9.1998, Zl 1997/01/1086).

 

Obschon im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte als Staatsbürger platziert, stellt Art 9 StGG ein Menschenrecht dar. Inländer und Ausländer können sich auf dieses Grundrecht gleichermaßen berufen. Neben natürlichen Personen kommen auch juristische Personen als Träger in Frage (Verfassungssammlung 11981/1989).

 

Der Schutz des Hausrechtes ist zwar jeder Person eingeräumt, er bezieht sich jedoch nicht auf Wohnungen und Räumlichkeiten schlechthin, sondern nur auf ?ihre? räumliche Sphäre. Im Grundsätzlichen ist damit die Zuordnung von Räumen zu Personen definiert. Der Schutz des Art 9 StGG knüpft nicht an sachenrechtliche und schuldrechtliche Kategorien an, sondern geschützt ist vielmehr der soziale Tatbestand der Innehabung eines bestimmten Raums.

 

Der Verfassungsgerichtshof erkennt Eigentümer, Mieter und Untermieter als Träger des Hausrechts an (Verfassungssammlung 9491/1982). Er steht aber seit jeher zu Recht auf dem Standpunkt, dass nicht nur Eigentümer und unbestrittene Besitzer, sondern auch bloße Inhaber sich auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Hausrecht berufen können, weil es andernfalls genügen würde, das Recht zum Besitz zu bestreiten, um zivilrechtliche Streitigkeiten in die Prüfung des Hausrechts hineinzutragen bzw dem Inhaber den Schutz des Hausrechtes zu entziehen (Verfassungssammlung 5182/1965). Er bejaht daher den Eingriff auch in Bezug auf Personen, denen weder ein dingliches noch ein obligatorisches Recht auf die von ihnen innegehabten Räumlichkeiten zusteht und begnügt sich regelmäßig mit einer Mitinhaberschaft (Verfassungssammlung 1906/1950, Verfassungssammlung 6560/1971 und 9491/1982).

 

Der Verfassungsgerichtshof setzt in ständiger Rechtsprechung den Schutzbereich von Art 9 StGG mit dem Anwendungsbereich des Hausrechtsgesetzes gleich. Unter der Unverletzlichkeit des Hausrechts so die seit Verfassungssammlung 872/1997 ständig wiederkehrende Feststellung ist nur der Schutz gegen willkürliche Hausdurchsuchungen zu verstehen.

 

Zur Abgrenzung von Hausdurchsuchungen von anderen den Art 9 StGG nicht berührenden Eingriffen in Haus und Wohnung bedient sich der Verfassungsgerichtshof einer Reihe von Formeln. Diese gehen auf eine strafrechtliche Plenarentscheidung des OGH aus dem Jahre 1898 zurück und setzen an der Deutung des Begriffs ?Durchsuchen? an (KH 2285/1898).

 

Nach dieser aufgezeigten Judikatur setzt das Durchsuchen einer Räumlichkeit das ?Suchen nach einer Person oder einem Gegenstand voraus, von denen es unbekannt ist, wo sie sich befinden? (Verfassungssammlung 1486/1932, 5080/1965 und 5738/1968). Einen Raum durchsuchen bedeutet, ?dessen einzelne Bestandteile und die darin befindlichen Objekte zu dem Behufe beaugenscheinigen und festzustellen, ob in diesem Raum und an welcher Stelle desselben sich ein bestimmter Gegenstand befindet? (Verfassungssammlung 6328/1970 und 8642/1979). Davon kann nach einer inneren Ergänzung der Formel erst dann gesprochen werden, wenn das einschreitende Organ ?eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objekts? vorgenommen hat (Verfassungssammlung 3351/1958).

 

Der Zweck des Hausrechtsgesetzes liegt nicht darin, schon das bloße Betreten einer fremden Wohnung zu verhindern, weil damit ?eine ganze Reihe für die Staatsverwaltung ganz unerlässliche Maßregelungen lahmgelegt? wären; verhindert werden sollte nur ?ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers in Dinge, die man im Allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen und davor zu schützen (Verfassungssammlung 1487/1932 und 5182/1965).

 

Aufgrund der ausgeprägten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes scheidet eine ?Durchsuchung? im Sinne des Art 9 Staatsgrundgesetzes auch dann aus, wenn es sich nicht um die Ergreifung von Personen oder Gegenständen, sondern um die Aufnahme eines Sachverhaltes handelt. Insbesondere die Vornahme eines Augenscheines oder die Besichtigung von Räumlichkeiten zur ?Konstatierung gewisser Verhältnisse? stellt keinen Grundrechtseingriff dar (Verfassungssammlung 1486/1932, 3352/1958 und 6736/1972).

 

Auf die Aussagen der Beschwerdeführerin und die der beiden vernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat aufbauend konnte kein Eingriff in das nach Art 9 StGG geschützte Recht festgestellt werde. Von allen Beteiligten wurde ein ?Suchen? auch im weitesten Sinn ausgeschlossen. Die beiden Beamten beschränkten sich bei ihrer Amtshandlung auf eine Befragung der Beschwerdeführerin in ihrer Wohnung und verließen diese unmittelbar nach Abschluss der Befragung. Insofern ist eine Verletzung des Hausrechtes auszuschließen.

 

Zur Achtung des Privat und Familienlebens:

 

Gemäß Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach herrschender Meinung enthält Art 8 EMRK 4 Rechte, die sich zwar in vielfältiger Weise überschneiden, die aber gleichwohl getrennt zu lesen sind. Dem zufolge gewährleistet Art 8 EMRK einen integrierten Schutz der privaten Kommunikationssphäre der durch die Anführung der 4 Pole Privatleben, Familienleben, Wohnung und Briefverkehr zwar beispielhaft erläutert aber nicht abschließend umschrieben ist. Dem zufolge soll Art 8 EMRK als Ganzes mehr garantieren als die Summe seiner Teile (vgl Jakobson/Wilde: European Convention on Human Rights 1996).

 

Dass prinzipiell der Lehre von den getrennten Schutzbereichen zu folgen ist, bedeutet allerdings nicht, dass Privatleben, Familienleben, Wohnung und Briefverkehr beziehungslos nebeneinander stünden. Sowohl ihre inhaltliche Verwandtschaft als auch die Tatsache, dass sie in einer Gewährleistung zusammengefasst wurden, machen vielmehr deutlich, dass hinter ihnen ein einheitliches Schutzgut steht: die menschliche Privatsphäre (vgl EGMR Fall Niemietz). Privatleben, Familienleben, Wohnung und Briefverkehr stellen jeweils verschiedene Aspekte dieser Sphäre unter Schutz. Dies ist im Rahmen systematischer und theologischer Interpretation der 4 Schutzbereiche gebührend zu berücksichtigen. Art 8 EMRK ist ein Freiheitsrecht, das mit den anderen Freiheitsrechten der EMRK eine typische Struktur gemeinsam hat. Zunächst führt Abs 1 jene Bereiche an, in denen grundrechtlicher Schutz gewährleistet wird. Sodann ermächtigt Abs 2 die öffentlichen Behörden zu Eingriffen in diese Schutzbereiche, sofern den dort aufgezählten Bedingungen entsprochen wird.

 

Bei der Prüfung der Verletzung des Art 8 EMRK ist daher zunächst in einem ersten Schritt zu prüfen, ob einer der 4 Schutzbereiche überhaupt für den einschlägigen Sachverhalt relevant ist. Sofern der Grundrechtstatbestand einschlägig ist, wird in einem zweiten Schritt zu prüfen sein, ob die konkrete Maßnahme das einschlägige Schutzgut in einem Maße beeinträchtigt, das sie als Eingriff erscheinen lässt.

 

Art 8 EMRK gewährleistet in erster Linie Schutz gegen willkürliche Eingriffe staatlicher Behörden (EGMR belgischer Sprachenfall Serie A Nr 6 EUGRZ 1975, 298).

 

Solche Eingriffe bestehen üblicherweise in konkreten Maßnahmen gegenüber den Grundrechtsberechtigten, welche die Grundrechtsausübung unmöglich machen oder behindern.

 

Ausgehend von diesen grundlegenden Überlegungen hinsichtlich des Art 8 EMRK ist in Anbetracht des Rechtes auf Achtung der Wohnung festzuhalten, dass dieses jenen Bereich schützt, der den Lebensmittelpunkt einer Person bedeutet, mithin ihr Heim (Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK 1999 Randzahl 584).

 

Im Unterschied zu den anderen Schutzgütern des Art 8 EMRK ist die Wohnung primär räumlich definiert. Der Schutz ist jedoch anders als bei Art 9 StGG, nicht von der Verwendung des Raumes entkoppelt, sondern jenem Zwecke rückgebunden, um den es Art 8 EMRK insgesamt geht. Gewährleistet ist nicht räumliche Sphäre als solche, sondern die Wohnung als persönlicher Entfaltungs und Rückzugsraum. Zur Wohnung zählt jedenfalls das eigene Haus oder abgeschlossene Teile eines Hauses, in denen eine Person ständig lebt (so Villiger, Randzahl 585).

 

Infolge der Überlappung zwischen öffentlichen und privaten Räumen und Sphären wurde versucht, dem Privatleben positive Konturen zu geben. Als Ausgangspunkt dient dabei die Festlegung der Kommission, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens dem Individuum einen Freiraum sichere, innerhalb dessen es seine Persönlichkeit entwickeln und verwirklichen kann (EKMR Fall Brüggemann und Scheuten, EuGRZ 1978, 199). Davon ausgehend ist unter dem Titel des Privatlebens nicht die Autonomie schlechthin geschützt und daher nicht jede Beschränkung der Möglichkeit zu selbstbestimmtem Verhalten in Art 8 EMRK eingreifend. Jedenfalls umfasst das Privatleben auch das Geschlechtsleben. Sexuelle Beziehungen stellen eine wesentliche Ausdrucksmöglichkeit der menschlichen Persönlichkeit dar und sie zählen zu ihren intimsten Aspekten. Das strafbare Verbot, nicht öffentlicher sexueller Betätigung zwischen einverständlich handelnden Beteiligten stellt unbestrittenermaßen einen Eingriff dar. Der Verfassungsgerichtshof hielt schon in VfSlg 8272/1978 fest, dass nicht öffentlich in Erscheinung tretendes Sexualverhalten jedenfalls zur Privatsphäre der Menschen zählt und qualifizierte folglich das Verbot auf nicht gewerbsmäßiger Prostitution als Eingriff in das Privatleben. Der Pönalisierung gewerbsmäßiger Prostitution sowie der Anbahnung von Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle sprach er hingegen mit der Begründung den Eingriffscharakter ab, dass deren Öffentlichkeit es ausschließe, das erfasste Verhalten der Privatsphäre zuzurechnen (VfSlg 8907/1980, 10363/1985 und 11926/1988).

 

Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

In diesem Zusammenhang ist auf die von der Bundespolizeidirektion Innsbruck geführten Erhebungen im Hinblick auf die Begehung schwerer gerichtlich strafbarer Handlungen aus dem Bereich des Sexualstrafrechtes hinzuweisen. Beide Zeugen führten in ihren Aussagen glaubhaft an, dass die von ihnen durchgeführte Amtshandlung in erster Linie der Auslotung und Erforschung der ?Wohnungsprostitution? in Innsbruck gedient habe. Sinn dieser Aktion sei es, auf diesem Wege an die Hintermänner der Szene heranzukommen. Die verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung der einzelnen visitierten Damen stünde hierbei im Hintergrund. Diese Angaben decken sich auch mit dem vorgelegten Konzept einer gerichtlichen Strafanzeige gegen vier namentlich erwähnte Personen wegen des Verdachtes der Vergehen bzw Verbrechen nach den §§ 216 ff StGB. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass anlässlich einer früheren Amtshandlung in der Wohnung der Beschwerdeführerin im Oktober 2004 von einem der ermittelnden Beamten ein Bild (als Bildschirmschoner am PC der Beschwerdeführerin) von einem der in der vorgelegten Anzeige erwähnten Personen vorgefunden wurde.

 

Auf Grund dieses Sachverhaltes geht der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol davon aus, dass es sich bei der gegenständlichen Amtshandlung aus dem Blickwinkel des Art 8 Abs 2 EMRK grundsätzlich nicht um einen unstatthaften Eingriff handelte. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang in einer zweiten Stufe ob die einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes eingehalten wurden und allenfalls den Grenzen und Vorgaben der zitierten Bestimmung der EMRK genügen.

 

Die hier relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes lauten:

 

Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung

§ 16

 

(1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1.

bei einem gefährlichen Angriff (Abs 2 und 3) oder

2.

sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278 und 278a Abs 1 StGB, oder

2.

nach dem Verbotsgesetz, StGBl Nr 13/1945, oder

3.

nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl I Nr 112/1997, handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.

 

Mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlung

§ 17

 

Mit beträchtlicher Strafe bedroht sind gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

 

Ermittlungsdienst - Aufgabenbezogenheit

§ 52

 

Personenbezogene Daten dürfen von den Sicherheitsbehörden gemäß diesem Hauptstück nur verwendet werden, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Ermächtigungen nach anderen Bundesgesetzen bleiben unberührt.

 

Zulässigkeit der Verarbeitung

§ 53

 

(1) Die Sicherheitsbehörden dürfen personenbezogene Daten ermitteln und weiterverarbeiten

1. für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 19);

2.

für die Abwehr krimineller Verbindungen (§§ 16 Abs 1 Z 2 und 21);

2a.

für die erweiterte Gefahrenerforschung (§ 21 Abs 3), sofern vor Beginn der Ermittlungen ein Verlangen des Rechtsschutzbeauftragten gemäß § 62a Abs 7 gestellt wurde, erst nach drei Tagen oder nach Vorliegen einer entsprechenden Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten, es sei denn, es wären zur Abwehr schwerer Gefahr sofortige Ermittlungen erforderlich;

 3. für die Abwehr gefährlicher Angriffe (§§ 16 Abs 2 und 3 sowie 21 Abs 2);

 4. für die Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt (§ 22 Abs 2 und 3) oder für die Vorbeugung

gefährlicher Angriffe mittels Kriminalitätsanalyse, wenn nach der Art des Angriffes eine wiederholte Begehung wahrscheinlich ist;

5.

für Zwecke der Fahndung (§ 24);

6.

um bei einem bestimmten Ereignis die öffentliche Ordnung aufrechterhalten zu können.

(2) Die Sicherheitsbehörden dürfen Daten, die sie in Vollziehung von Bundes oder Landesgesetzen verarbeitet haben, für die Zwecke und unter den Voraussetzungen nach Abs 1 ermitteln und weiterverarbeiten; ein automationsunterstützter Datenabgleich im Sinne des § 149i StPO ist ihnen jedoch untersagt. Bestehende Übermittlungsverbote bleiben unberührt.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Dienststellen der Gebietskörperschaften, den anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes und den von diesen betriebenen Anstalten Auskünfte zu verlangen, die sie für die Abwehr gefährlicher Angriffe, für die erweiterte Gefahrenerforschung unter den Voraussetzungen nach Abs 1 oder für die Abwehr krimineller Verbindungen benötigen. Eine Verweigerung der Auskunft ist nur zulässig, soweit andere öffentliche Interessen die Abwehrinteressen überwiegen oder eine über die Amtsverschwiegenheit (Art 20 Abs 3 B-VG) hinausgehende sonstige gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht.

(3a) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung dieses Anschlusses kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluss geführtes Gespräch durch Bezeichnung des Zeitpunktes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen.

(3b) Die Sicherheitsbehörden sind zur Vorbeugung und Abwehr gefährlicher Angriffe gegen die Umwelt berechtigt, von Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden Auskünfte über von diesen genehmigte Anlagen und Einrichtungen zu verlangen, bei denen wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, der Lagerung, Verwendung oder Produktion von Stoffen, der Betriebsweise, der Ausstattung oder aus anderen Gründen besonders zu befürchten ist, dass im Falle einer Abweichung der Anlage oder Einrichtung von dem der Rechtsordnung entsprechenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit mehrerer Menschen oder in großem Ausmaß eine Gefahr für Eigentum oder Umwelt entsteht. Die ersuchte Behörde ist verpflichtet, die Auskunft zu erteilen.

(4) Abgesehen von den Fällen der Abs 2 bis 3b sind die Sicherheitsbehörden für Zwecke des Abs 1 berechtigt, personenbezogene Daten aus allen anderen verfügbaren Quellen durch Einsatz geeigneter Mittel, insbesondere durch Zugriff auf allgemein zugängliche Daten, zu ermitteln und weiterzuverarbeiten. Die Ermittlung personenbezogener Daten durch Einholen von Auskünften, Beobachten und Einsatz von Bild und Tonaufzeichnungsgeräten ist jedoch nur unter den Bedingungen des § 54 zulässig.

(5) Die Fundbehörde ist ermächtigt, alle für die Ausfolgung des Fundes an den Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer oder allenfalls an den Finder maßgeblichen personenbezogenen Daten zu ermitteln und weiterzuverarbeiten.

 

Besondere Bestimmungen für die Ermittlung

§ 54

 

(1) Sollen personenbezogene Daten durch Einholen von Auskünften ermittelt werden, so haben die Sicherheitsbehörden auf den amtlichen Charakter sowie auf die Freiwilligkeit der Mitwirkung hinzuweisen. Der Hinweis kann unterbleiben, wenn wegen wiederholter Kontakte über diese Umstände kein Zweifel besteht.

(2) Die Ermittlung personenbezogener Daten durch Beobachten (Observation) ist zulässig

1.

zur erweiterten Gefahrenerforschung (§ 21 Abs 3);

2.

um eine von einem bestimmten Menschen geplante strafbare Handlung gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, ermögen oder Umwelt noch während ihrer Vorbereitung (§ 16 Abs 3) verhindern zu können;

 3. wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre.

(3) Das Einholen von Auskünften ohne Hinweis gemäß Abs 1 (verdeckte Ermittlung) ist zulässig, wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre.

(4) Die Ermittlung personenbezogener Daten mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist nur für die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen zulässig; sie darf unter den Voraussetzungen des Abs 3 auch verdeckt erfolgen. Das Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt. Unzulässig ist die Ermittlung personenbezogener Daten jedoch

1. mit Tonaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliche und nicht in Anwesenheit eines Ermittelnden erfolgende Äußerungen aufzuzeichnen;

2. mit Bildaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliches und nicht im Wahrnehmungsbereich eines Ermittelnden erfolgendes Verhalten aufzuzeichnen.

(4a) Die verdeckte Ermittlung (Abs 3) und der Einsatz von Bild und Tonaufzeichnungsgeräten (Abs 4) sind zur Abwehr einer kriminellen Verbindung nur zulässig, wenn die Begehung von mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlungen (§ 17) zu erwarten ist. Bei jeglichem Einsatz von Bild und Tonaufzeichnungsgeräten ist besonders darauf zu achten, dass Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) zum Anlass wahren.

(5) Ist zu befürchten, dass es bei einer Zusammenkunft zahlreicher Menschen zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen werde, so dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln; sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass es einem möglichst weiten Kreis potentieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich während der Zusammenkunft ereignen, verarbeitet werden.

 

Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

§ 88

 

(1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

(3) Beschwerden gemäß Abs 1, die sich gegen einen auf dieses Bundesgesetz gestützten Entzug der persönlichen Freiheit richten, können während der Anhaltung bei der Sicherheitsbehörde eingebracht werden, die sie unverzüglich dem unabhängigen Verwaltungssenat zuzuleiten hat.

(4) Über Beschwerden gemäß Abs 1 oder 2 entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im Übrigen gelten die §§ 67c bis 67g und 79a AVG.

 

§ 4 Datenschutzgesetz 2000 DSG 2000 idF BGBl I Nr 136/2001 lautet (soweit er hier relevant ist):

 

Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

 

1. ,Daten (?personenbezogene Daten?): Angaben über Betroffene (Z 3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; ,nur indirekt personenbezogen sind Daten für einen Auftraggeber (Z 4), Dienstleister (Z 5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z 12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, dass dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;

2. ?sensible Daten? (?besonders schutzwürdige Daten?): Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben;

3. ?Betroffener?: jede vom Auftraggeber (Z 4) verschiedene natürliche oder juristische Person oder Personengemeinschaft, deren Daten verwendet (Z 8) werden;

 

Der Begriff der personenbezogenen Daten umfasst auch Angaben zu einer bestimmten Person wie Namen, Geburtsdatum, Adresse, Beruf(vgl VfSlg 12.166/1989, VwSlg 13.721A/1992), Geschlecht, Religion, Gesundheit (vgl DSK 26.5.1983,Zl 120.020), Einkommen ( vgl DSK 18.7.1984, Zl 120.034), Vermögen, Zahlungsfähigkeit, Wirtschaftsdaten (VfSlg 12.228/1989, 12880/1991), Leumund, ein konkretes Verhalten und auch Lebensgewohnheiten (SZ 70/42).

 

§ 53 Abs 1 SPG determiniert die Ermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch die taxative Aufzählung verschiedener sicherheitspolizeilicher Aufgaben (vgl § 19 ff SPG), zu deren Wahrnehmung die Informationshandhabung zulässig ist. Die Informationsverarbeitung ist demnach bloß dadurch beschränkt, dass sie für eine bestimmte Aufgabe, das bedeutet nichts anderes, als ?zum Zwecke? der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe erfolgen muss. § 53 Abs 1 SPG regelt die Zulässigkeit der Ermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Interesse des sicherheitspolizeilichen Ermittlungsdienstes durch taxative Aufzählung der ?Zwecke? (ausdrücklich § 53 Abs 2 SPG), für welche die Daten ermittelt und verarbeitet werden dürfen. Die Zulässigkeit der Datenermittlung und Verarbeitung ist damit in § 53 Abs 1 SPG lediglich finaldeterminiert. Durch § 52 SPG kommt das Erfordernis hinzu, dass die Ermittlung und Verarbeitung der Daten zur Wahrnehmung der genannten Zwecke ?erforderlich? sein muss, aus § 51 Abs 1 SPG resultiert das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Bei § 53 Abs 1 SPG handelt es sich um eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 7 ff Datenschutzgesetz 2000.

 

Auch in Hinblick auf die Bestimmungen des SPG ist abermals darauf hinzuweisen, dass die Amtshandlung der belangten Behörde zweifelsfrei in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen vier namentlich erwähnte Personen steht. Der im Konzept vorliegenden Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck ist zu entnehmen, dass gegen diese Personen wegen Verbrechen mit einem  möglichen Strafrahmen bis zu zehn Jahren (§ 217StGB) ermittelt wird.

 

Zur Frage der Zulässigkeit verdeckter Ermittlungen ist vorab nochmals auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Zusammenhang mit dem Schutz des Privatlebens im Sinne des Art 8 Abs 1 EMRK zurückzugreifen.

 

Zur Abgrenzung jenes autonomen persönlichen Bereiches, der aufgrund seiner engen Verbindung zur persönlichen Identität zum Privatleben zählt, von sonstigen durch Art 8 EMRK nicht geschützten Verhaltensweisen, ist auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Einsatz eines polizeilichen Lockspitzels hinzuweisen (EGMR Fall Lüdi, Serie A Nr 238 und Fall Teixeira de Castro 9.6.1998, Rep 1998-IV1451). Der Gerichtshof gesteht in seiner Entscheidung zu, dass bei besonders schweren Straftaten verdeckte Ermittler eingesetzt werden dürfen. Die Hauptfrage ist, ob dieser Eingriff nach Art 8 Abs 2 EMRK gerechtfertigt war, insbesondere ob er "gesetzlich vorgesehen" und "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" für einen der in diesem Absatz aufgezählten Zwecke war. Der GH wiederholt in Übereinstimmung mit der Kommission im Fall Govell , dass die Formulierung "gesetzlich vorgesehen" nicht nur die Einhaltung des innerstaatlichen Rechts verlangt, sondern sich auf die Qualität dieses Rechts bezieht, welche verlangt, dass es dem Grundsatz der Vorherrschaft des Rechts entspricht (vgl Halford gg das Vereinigte Königreich, Nr 20.605/92, EGMR 1997-III). Im Zusammenhang mit der heimlichen Überwachung (covert surveillance) durch öffentliche Behörden, in diesem Fall durch die Polizei, muss das innerstaatliche Recht Schutz gegen einen willkürlichen Eingriff in die Rechte einer Person nach Art 8 EMRK bieten. Außerdem muss das Recht ausreichend klar sein in seinen Regelungen, um dem Einzelnen einen angemessenen Hinweis in Bezug auf die Umstände und die Bedingungen zu geben, unter welchen die staatlichen Behörden berechtigt sind, zu solchen geheimen Maßnahmen zu greifen (Malone gg das Vereinigte Königreich, Nr 8691/79, EGMR 1984).

 

Zusammengefasst bedeutet dies für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, dass durch den Einsatz zweier verdeckter Ermittler in das Grundrecht der Beschwerdeführerin nach Art 8 Abs 1 EMRK im Rahmen der gesetzlich erlaubten Vorgaben eingegriffen wurde. Eine Verletzung der aus dem Schutzgedanken des Art 8 EMRK  geschützten Sphäre der Beschwerdeführerin ist insofern nicht erfolgt, als sowohl durch das hier vorliegende Verfahren als auch durch ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren (insbesondere unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR zum Fall Teixeira de Castro 9.6.1998, Rep 1998-IV1451) ein durch ein unabhängiges Gericht vollzogener Rechtsschutz gewährleistet ist. Weiters wurde die Beschwerdeführerin durch die verdeckten Ermittler nicht zur Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung verleitet. Durch die Auslobungen der Beschwerdeführerin sowohl in dem Kontaktmagazin ?XY? als auch im Internet ist nicht davon auszugehen, dass durch die Amtshandlungen der verdeckten Ermittler ein Ausführungswille für eine strafbare Handlung geweckt bzw begründet wurde.

 

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 79a Abs 1 und 3 AVG, wonach die im Verfahren nach § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Die Höhe der Beträge richtet sich nach der UVS-Aufwandsersatzverordnung. Die Eingabegebühr stützt sich auf das Gebührengesetz, weshalb insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Beamten, beschränkten, sich, auf Befragungseinsatz, zweier, verdeckter, Ermittler, im Rahmen, der, gesetzlich, erlaubten, Vorgaben
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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