TE UVS Burgenland 2006/10/16 B02/11/06007

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Veröffentlicht am 16.10.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Latzenhofer über die Berufung vom 20 07 2006 der *** Gesellschaft mbH, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 07 07 2006, Zl  ND-BA-107-104/6-5, wegen Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage nach der Gewerbeordnung zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 13 Abs 8, § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991, §§ 74 Abs 2, 353 Gewerbeordnung (GewO) 1994, § 93 Abs 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) wird der in Berufung gezogene Bescheid betreffend Genehmigung der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage ?Servicestation und Selbstbedienungsbox am Standort ***, KG ***, Grundstücksnummer ***, der *** GmbH, ***, zur Gänze und ersatzlos aufgehoben.

Text

Die *** GmbH, Sitz in *** (in der Folge Berufungswerberin), betreibt unter anderem eine Servicestation und Selbstbedienungsbox am Standort ihres Unternehmenssitzes. Mit Ansuchen vom 13 06 2006 beantragte sie die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung ihrer Betriebsanlage durch Umbau der Hebebühnen. Über dieses Ansuchen führte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See am 03 07 2006 eine mündliche Verhandlung am Ort der Betriebsanlage durch. In der Verhandlungsschrift über diese Verhandlung ist ausdrücklich festgehalten, dass vom Antragsteller hinsichtlich der Art des geplanten Betriebs ausdrücklich angeführt wird, dass ?die gegenständliche Werkstatt derzeit nur vom Betriebsanlageninhaber selbst und von keinen Arbeitnehmern betrieben wird?. Es wird weiters festgehalten, dass ?auf Grund der fehlenden, sozialen und sanitären Räumlichkeiten keine Genehmigung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz erteilt wird. Sollten Arbeitnehmer für die Tätigkeit herangezogen werden, so wäre vorher um entsprechende Genehmigung einzukommen?. Ferner wird hinsichtlich der Betriebszeiten festgehalten, dass diese Montag bis Freitag von 08 00 Uhr bis 21 00 Uhr und Samstag  08 00 Uhr bis 17 00 Uhr sein sollen. Diese Verhandlungsschrift wurde vom zur Verhandlungsteilnahme bevollmächtigten Sohn der Geschäftsführerin des Berufungswerbers, Herrn ***, eigenhändig unterfertigt (vgl Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 03 07 2006, Zl ND-BA-107-104/6-4).

 

Am 11 07 2006 wurde der Berufungswerberin der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See über die Genehmigung der Betriebsanlage unter Vorschreibung näher spezifizierter Auflagen zugestellt. In der Betriebsbeschreibung dieses Genehmigungsbescheides wurde wie bereits in der Niederschrift festgehalten, dass die Werkstatt nur vom Betriebsanlageninhaber selbst und von keinen Arbeitnehmern betrieben wird. Insbesondere deshalb, da der für die Kfz-Werkstätte genehmigte Aufenthaltscontainer entfernt wurde. Weiters wurden die Betriebszeiten, wie sie in der Verhandlungsschrift bereits festgelegt wurden, im Bescheid festgehalten. Mit Schriftsatz vom 20.07.2006 erhob die Berufungswerberin ihre Berufung, beantragte die Abänderung des Bescheides bezüglich der Betriebszeiten und der Beschäftigung von Arbeitnehmern und führte begründend im Wesentlichen wie folgt aus:

 

Die Berufungswerberin betreibe am Standort bereits eine gastgewerbliche Betriebsanlage sowie eine Tankstelle. Sie habe nunmehr die Kfz-Werkstätte übernommen, die früher an die Firma *** vermietet gewesen sei und sei in deren aufrechte Betriebsanlagengenehmigung eingetreten. Die Werkstätte solle nach Beendigung des Vertrags mit der Firma *** nunmehr im Rahmen des Tankstellenbetriebes als Servicestation durch die Berufungswerberin selbst betrieben werden. Da geplant sei, die Servicestation im Rahmen der Tankstelle zu führen, sei es notwendig, dass Tankstelle und Servicestation gleiche Öffnungszeiten aufweisen. Daher störe die Berufungswerberin, dass ihr ohne Begründung Betriebszeiten vorgeschrieben worden seien, welche sie nicht beantragt habe. Sie beantrage die ersatzlose Streichung dieser Vorschreibungen. Ferner beruhten die Ausführungen in der Betriebsbeschreibung des Bescheides über die Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern offenbar auf einem Missverständnis. Der Sohn der Geschäftsführerin der Berufungswerberin, Herr *** jun., solle im Betrieb als Dienstnehmer tätig werden. Eine nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz erforderliche Genehmigung scheitere nicht an fehlenden sozialen und sanitären Räumlichkeiten, weil diese in der lediglich zehn Meter von der Werkstatt entfernten Gaststätte vorhanden seien. Es werde daher ersucht, diesen Teil des Bescheides auch dahingehend abzuändern, dass in der Werkstätte Mitarbeiter beschäftigt werden können.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Für die Entscheidung waren folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

 

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), Stammfassung: BGBl Nr 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 10/2004, Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 314/1994 idF BGBl I Nr 84/2006, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) BGBl Nr 450/1994 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 147/2006

(alle im Folgenden wiedergegebenen Rechtstexte werden in der anzuwendenden Fassung angegeben)

 

Im Einzelnen (neben den lediglich die Zuständigkeit des UVS als Berufungsbehörde begründenden § 66 Abs 4 AVG und § 51 Abs 1 VStG):

 

§ 13 Abs 8 AVG und §§ 74 Abs 2, 353 GewO und § 93 ASchG lauten:

 

§ 13 AVG:

 

?(1) [?]

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

(9) [?]?

 

§ 74 GewO:

 

?(1) [?]

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

(3) [?]?

§ 353 GewO:

?Dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage sind folgende Unterlagen anzuschließen:

1. in vierfacher Ausfertigung

a) eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen

[?]?

 

§ 93 ASchG:

?Ausnahmen von der Bewilligungspflicht

(1) Eine Arbeitsstättenbewilligung ist nicht erforderlich für

1. genehmigungspflichtige Betriebsanlagen im Sinne der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194,

2. bewilligungspflichtige Bergbauanlagen im Sinne des Mineralrohstoffgesetzes,

3. genehmigungspflichtige Apotheken im Sinne des Apothekengesetzes, RGBl Nr 5/1907,

4. Eisenbahnanlagen, die einer Betriebsbewilligung im Sinne des § 37 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl Nr 60, bedürfen,

5. bewilligungspflichtige Schifffahrtsanlagen im Sinne des § 47 und bewilligungspflichtige sonstige Anlagen im Sinne des § 66 des Schifffahrtsgesetzes, BGBl I Nr 62/1997,

6. bewilligungspflichtige Bäder im Sinne des Bäderhygienegesetzes, BGBl Nr 254/1976,

7. genehmigungspflichtige Abfall- und Altölbehandlungsanlagen im Sinne der §§ 28 bis 30 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl Nr 325/1990,

8. bewilligungspflichtige Anlagen und Zivilflugplätze im Sinne des Luftfahrtgesetzes 1957, BGBl Nr 253,

9. genehmigungspflichtige Betriebsanlagen und Verbrauchslager im Sinne des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, BGBl Nr 196/1935.

(2) In den in Abs 1 angeführten Genehmigungsverfahren sind die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Dem jeweiligen Genehmigungsantrag sind die in § 92 Abs 3 genannten Unterlagen anzuschließen. Die genannten Anlagen dürfen nur genehmigt werden, wenn sie den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen und zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden geeigneten Bedingungen und Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden werden. Für die Vorschreibung von Auflagen ist § 92 Abs 2 letzter Satz anzuwenden.

(3) Abs 2 gilt auch für die Genehmigung einer Änderung oder einer Sanierung von in Abs 1 angeführten Anlagen. Änderungen, die nach den in Abs 1 angeführten Rechtsvorschriften keiner Genehmigung bedürfen, der Behörde nach diesen Vorschriften jedoch anzuzeigen sind, dürfen von der Behörde nur dann mit Bescheid zur Kenntnis genommen werden, wenn zu erwarten ist, dass sich die Änderung auch nicht nachteilig auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer auswirkt. [?]?

 

Die Berufungswerberin wendet sich gegen die Teile der Betriebsbeschreibung im Genehmigungsbescheid, welche die Betriebszeiten festlegen und den Einsatz von Arbeitnehmern im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes ausschließen. Diese Bestandteile der Betriebsbeschreibung beruhen auf der Festlegung des geplanten Betriebes, die in der mündlichen Verhandlung vom 03 07 2006 erfolgt ist. Diese Bestandteile der Betriebsbeschreibung wurden bei dieser Gelegenheit vom Sohn der Geschäftsführerin der Berufungswerberin, dessen Bevollmächtigung zur Teilnahme und Vertretung in der Verhandlung bislang nicht bestritten wurde, unterfertigt. Diese Festlegungen der Betriebsbeschreibung sind daher der Berufungswerberin als Willenserklärung zuzurechnen.

 

Die Berufungswerberin bestreitet weder, dass Gerhard Brunner jun. die Niederschrift unterschrieben hat, noch behauptet sie, dass er dazu nicht bevollmächtigt gewesen wäre. Wenn die Berufungswerberin in ihrer im Zuge des Parteiengehörs zur Niederschrift eingebrachten Stellungnahme vom 5 9 2006 ausführt, Herr Brunner habe in der Hektik nach dem Ende der Verhandlung nicht den gesamten Text durchgelesen, es sei gemeint gewesen sei, dass außer den Gesellschaftern der GmbH kein Dienstnehmer beschäftigt würde und allen Beteiligten bei der Verhandlung klar gewesen sei, dass *** jun in der Werkstatt tätig sein solle, vermag der Berufungswerberin dies ebenso wenig zu helfen, wie ihr Vorbringen, dass die in der Verhandlungsniederschrift festgelegten Öffnungszeiten niemals so beantragt gewesen seien. Auch der Hinweis darauf, dass die Unterschrift auf der Verhandlungsniederschrift lediglich die Anwesenheit eines Vertreters der Berufungswerberin bestätigen solle und nicht die Zustimmung der Berufungswerberin zu den einzelnen Punkten, kann nämlich nichts am Ergebnis ändern, dass eine durch die Unterschrift des bevollmächtigten Vertreters der Berufungswerberin zurechenbare Erklärung vorliegt. Die fraglichen Textstellen sind nämlich in der Verhandlungsniederschrift gerade als Betriebsbeschreibung festgehalten worden und diese Betriebsbeschreibung ist nach § 353 GewO eine Erklärung, die der Genehmigungswerber abzugeben hat. Auf Grund der Unterfertigung der Niederschrift durch ihren bevollmächtigten Vertreter hat die Berufungswerberin die entsprechenden Textpassagen in der Niederschrift zu ihrer eigenen Erklärung gemacht und ist diese Erklärung daher maßgebend im Verfahren.

 

Die von der Berufungswerberin dagegen erhobenen Einwände und Vorbehalte stellen einen vom Text der Niederschrift nicht gedeckten und daher nicht beachtlichen Bedeutungsinhalt dar. Das von der Berufungswerberin ?Gemeinte? kommt nicht objektiv IM Text der Niederschrift zum Ausdruck und ist daher unbeachtlich. Ebenso ist unbeachtlich, wenn die Berufungswerberin ausführt, ihr Vertreter habe den Text der Niederschrift nicht gründlich gelesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt im Falle des Unterfertigens einer Urkunde ohne genaue Vorstellung vom Inhalt dieser Urkunde ein bewusstes Inkaufnehmen des Inhaltes der Urkunde vor. Eine Geltendmachung dieses Irrtums kommt daher nicht in Betracht (vgl VwGH 21 09 2005, 2004/09/0090).

 

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See war daher als Genehmigungsbehörde sowohl berechtigt als auch verpflichtet, die fraglichen Textpassagen als Bestandteil der Betriebsbeschreibung in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen.

 

Freilich kann eine Erklärung im Laufe eines Verfahrens abgeändert werden, so lange noch kein rechtskräftiger Bescheid ergangen ist. Das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen ist als solche Änderung der Erklärung, also Änderung des Genehmigungsansuchens durch die Berufungswerberin anzusehen, weil klar ist, dass sie nunmehr nicht jene Betriebsbeschreibung haben will, wie sie dem Genehmigungsbescheid zugrunde gelegt wurde. Sohin liegt also eine Änderung des Genehmigungsansuchens durch die Berufungswerberin vor.

 

Zwar sind nach § 13 Abs 8 AVG Antragsänderungen in jeder Lage des Verfahrens, daher auch im Berufungsverfahren, grundsätzlich zulässig. Doch dürfen solche Änderungen nach Satz 2 dieser Bestimmung die sachliche Zuständigkeit der Behörden nicht berühren. Denn durch Änderungen des Antrags soll die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabenverteilung zwischen der ersten Instanz als Genehmigungsbehörde und dem UVS als die Genehmigungsbehörde kontrollierende Berufungsbehörde nicht beseitigt werden.

 

Die sachliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates als Berufungsbehörde ist gemäß § 66 Abs 4 AVG auf die ?Sache? beschränkt. Das bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Berufungsbehörde nicht über ein wesentlich anderes Projekt absprechen darf, als jenes, über das die Behörde der ersten Instanz entschieden hat (vgl Verwaltungsgerichtshof 09 05 2004, 2001/04/0007 zur ? wenn auch eingeschränkt ? weiterhin anwendbaren Rechtsprechung des VwGH zu den Grenzen der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde, sowie nunmehr zur Reichweite zulässiger Änderungen des Genehmigungsansuchens und zum Ausschluss wesentlicher, nämlich gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue Gefährdungen oder Belästigungen usw im Sinn des § 74 Abs 2 GewO 1994 ermöglichende Änderungen ausdrücklich: VwGH 30 6 2006, 2003/04/0185, VwGH 26 4 2006, 2003/04/0190). Änderungen des Genehmigungsansuchens sind daher nur insoweit zulässig, als sich das geänderte Ansuchen im Verhältnis zum ursprünglichen Ansuchen nicht als ein wesentliches verändertes Projekt darstellt. Ab welchem Ausmaß von Änderungen ein solches, wesentlich verändertes Projekt vorliegt, sodass die Berufungsbehörde nicht mehr über dieselbe Sache wie die Behörde der I Instanz entscheiden würde, lässt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur im Einzelfall beurteilen. Nach dieser Rechtsprechung und der dazu vorhandenen wissenschaftlichen Literatur wird eine solche, das Wesen der Sache abändernde Veränderung des Projektes jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn durch die Projektsänderung wesentliche Schutzinteressen des Genehmigungsverfahrens beeinträchtigt werden könnten, die vor der Abänderung nicht der Gefahr einer solchen Beeinträchtigung ausgesetzt waren (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 47; Onz/Kraemmer, Recht der Umwelt 1999, 133, ?Projektänderung im Anlagengenehmigungsverfahren; VwGH vom 4 9 2001, 2001/05/0154 zur Beeinträchtigung der Schutzinteressen (Nachbarrechte) als Maßstab für (un)zulässige Änderungen des Projekts im Berufungsverfahren im Baurecht nach Inkrafttreten des § 13 Abs 8 AVG auf Grund der AVG-Novelle 1998, ferner die oben bereits angeführte Rechtsprechung). Liegt eine solche Abänderung vor, die die Grenzen der Sache des Berufungsverfahrens überschreitet, ist von der Zurückziehung des ursprünglichen Genehmigungsansuchens auszugehen und tritt das geänderte Ansuchen als ?neues Ansuchen? an dessen Stelle. In diesem Fall hat die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid, der über das ursprüngliche Genehmigungsansuchen erlassen wurde, mangels des ? wie sich aus § 353 GewO ergibt ? zwingend erforderlichen Genehmigungsansuchens (dieses ist ja ?weggefallen?) ersatzlos aufzuheben (VwGH 29 10 1996, 95/07/0227; VwGH 1 7 1997, 95/04/0129). Das ?neue Genehmigungsansuchen? ist von der dafür zuständigen Behörde I Instanz zu behandeln bzw hat die Berufungsbehörde dieses Genehmigungsansuchen gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten.

 

Nach § 93 Abs 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sind im Verfahren betreffend genehmigungspflichtige Betriebsanlagen im Sinne der Gewerbeordnung 1994 die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Ist also für den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage der Einsatz von Arbeitnehmern beabsichtigt, ist Sicherheit und Gesundheit dieser Arbeitnehmer im Genehmigungsverfahren sicherzustellen. In der ursprünglichen Form des Genehmigungsansuchens (wie es in der Verhandlungsniederschrift festgehalten und vom Vertreter der Berufungswerberin unterfertigt wurde) war keine Beschäftigung von Arbeitnehmern vorgesehen. Diese Schutzinteressen waren daher im damaligen Stand des Verfahrens nicht zu berücksichtigen. Durch die nunmehr im Berufungsvorbringen vorgenommene Änderung des Genehmigungsansuchens sind mittlerweile die Belange des Arbeitnehmerschutzes zusätzlich als Verfahrensthema hinzugekommen. Damit ist ein gänzlich neues Schutzinteresse im Verfahren aufgetreten. Es liegt daher eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes des Verfahrens vor. Die Grenzen der Sache des Berufungsverfahrens sind daher überschritten. Wären diese Änderungen im Berufungsverfahren möglich, würde der UVS nicht mehr als kontrollierende Berufungsinstanz sondern de facto als Erstbehörde tätig werden. Bereits diese Änderung ist daher als unzulässig im Sinne der oben stehenden Ausführungen anzusehen.

 

Ebenso liegt im Falle des gänzlichen Verzichtes auf Betriebszeitenbeschränkungen, wie dies die Berufungswerberin offenbar nunmehr wünscht, eine wesentliche Abänderung des Genehmigungsansuchens vor (die Berufungswerberin beantragt ja die ?ersatzlose? Streichung der entsprechenden Vorschreibungen).

 

Ein zeitlich uneingeschränkter Betrieb der Betriebsanlage würde einen nach Umfang wie auch der Art nach (Nachtzeit!) anders geartete, mögliche Beeinträchtigung der nach § 74 Abs 2 GewO in Betriebsanlagen maßgeblichen Nachbarschutzinteressen (etwa Schutz vor Lärm) ergeben. Die mit einem völligen Verzicht auf Betriebszeiteneinschränkungen verbundene Änderung des Genehmigungsansuchens würde daher zu einer wesentlich anders gearteten, möglichen Beeinträchtigung zentraler Schutzinteressen des Betriebsanlagenrechts führen und ist ebenfalls als wesentliche und daher im Sinne der obigen Ausführungen die Sache des Berufungsverfahrens überschreitende Änderung des Genehmigungsansuchens anzusehen. Auch hier gilt: Wären diese Änderungen im Berufungsverfahren möglich, würde der UVS nicht mehr als kontrollierende Berufungsinstanz sondern de facto als Erstbehörde tätig werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt daher eine unzulässige Änderung des Genehmigungsansuchens vor.

 

Die Berufungswerberin würde durch ihre unbedachte Abgabe von Erklärungen bzw deren nachträgliche Änderung die Funktionsverteilung zwischen Bezirkshauptmannschaft als Genehmigungsbehörde und UVS als bundesverfassungsrechtlicher Kontrollbehörde und Gericht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention beseitigen. Solche Projektsänderungen können aufgrund der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung nicht zugelassen werden. Die Berufungswerberin muss sich in Zukunft besser überlegen, welche Erklärungen sie in einem Behördenverfahren abgibt.

Auf Grund der vorgenommenen Abänderung des Genehmigungsansuchens fehlt es an der Grundlage für die in erster Instanz ausgesprochene Genehmigung. Das ursprünglich zugrunde liegende Genehmigungsansuchen ist auf Grund der erwähnten Änderungen als weggefallen anzusehen. Der erstinstanzliche Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

 

Das nach der Änderung nunmehr vorliegende Genehmigungsansuchen der Berufungswerberin ist als neues Genehmigungsansuchen anzusehen, das gemäß § 6 AVG an die zuständige Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See weitergeleitet wird.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Grenzen von Projektsänderungen, Zurechnung von Willenserklärungen im Verfahren
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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