TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/9 2001/04/0007

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Veröffentlicht am 09.05.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs8 idF 1998/I/158;
GewO 1994 §28 Abs1;
GewO 1994 §28 Abs3;
GewO 1994 §94 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des S in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 25. August 2000, Zl. 321.420/2-III/4/00, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29. Mai 2000 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gewerbes "Stukkateur- und Trockenausbauer gem. § 94 Z. 4 GewO 1994" verweigert. In der Begründung wird näher ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei (auch) nicht eine hinreichende tatsächliche Befähigung zur Ausübung des Gewerbes "Stukkateur- und Trockenausbauer" (Fachkalkulation, maßstäbliches Zeichnen von Stukkarbeiten im Grundriss, Aufriss und Schnitt, usw.) aufweise.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung und schränkte hiebei ihren Antrag auf Nachsicht vom Befähigungsnachweis "auf den Trockenausbau" ein.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Abspruch wurde mit einer mangelnden kaufmännischen Befähigung sowie ("im Übrigen") fachlichen Befähigung im Grunde des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 (auch) für den Bereich des Trockenausbaues begründet. "Es sei daher auch entbehrlich gewesen, eine allfällige Nachreichung einer weiteren Bestätigung bezüglich der an der vom Nachsichtswerber absolvierten Schule unterrichteten Fachgebiete abzuwarten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

Vorweg ist auf Folgendes hinzuweisen:

Nach § 13 Abs. 8 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

Die belangte Behörde ist offenkundig davon ausgegangen, dass es sich bei der in der Berufung vorgenommenen Einschränkung des verfahrenseinleitenden Antrages um keine wesentliche Änderung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG handle. Der Verwaltungsgerichtshof kann auf dem Boden der Aktenlage auch nicht finden, dass durch diese Einschränkung die Sache derart geändert worden wäre, dass im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab eine nach ihrem Wesen andere Sache vorgelegen wäre. Im Hinblick auf die Neufassung des § 13 AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 ist auch nicht die diesbezügliche - zur Rechtslage vor der Neufassung des § 13 AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 ergangene - hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. April 1997, Zl. 95/04/0021) in ihrer Allgemeinheit auf einen Fall wie dem vorliegenden zu übertragen. Einer Entscheidung "in der Sache" stand auch § 66 Abs. 4 AVG nicht entgegen, weil die Nachsicht vom Befähigungsnachweis zur Ausübung (auch) des Gewerbes "Trockenausbauer" Inhalt des Spruches der Unterinstanz war.

Die beschwerdeführende Partei macht (u.a.) geltend, die belangte Behörde habe zwar "moniert", dass es ihr nicht möglich gewesen sei, im Detail nachzuvollziehen, ob im Zuge der Ausbildung auch eine hinreichende fachliche Unterrichtung in Bezug auf das Gewerbe "Trockenausbau" und den kaufmännischen Bereich stattgefunden habe, es aber trotzdem als entbehrlich befunden, eine Nachreichung hinsichtlich der Bestätigung der einzelnen unterrichteten Fachgebiete der beschwerdeführenden Partei abzuwarten, obwohl dies in der Berufung angeboten worden sei.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, der beschwerdeführenden Partei ausreichendes Parteiengehör bzw. die Möglichkeit zur Vorlage einer - wie es in der Berufung heißt - detaillierteren Bestätigung über die einzelnen in der (von ihr absolvierten) Schule unterrichteten Fachgebiete vorzulegen. In der Gegenschrift der belangten Behörde wird dazu ausgeführt, dass der Nachweis einer hinreichenden fachlichen Befähigung zu keinem anders lautenden Bescheid geführt hätte, weil die mangelnde kaufmännische Befähigung entscheidungswesentlich gewesen sei. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich dieser Nachweis auch auf die kaufmännische Befähigung bezieht. In der Beschwerde wird auch die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels dargetan, wenn vorgebracht wird, hinsichtlich der kaufmännischen Kenntnisse sei die beschwerdeführende Partei im Rahmen des Besuches des Industriegymnasiums drei Jahre lang in Betriebswirtschaftskunde unterrichtet worden.

Auf Grund des Gesagten bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung und sind Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Infolge dessen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001040007.X00

Im RIS seit

21.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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