TE UVS Tirol 2008/03/04 2007/22/3437-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Frau XY geb. XY, gegen das Straferkenntnis der Bundspolizeidirektion Innsbruck vom 24.10.2007, Zl S-19.730/07, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin folgendes vorgeworfen:

 

?Sie haben am 24.07.2007 um 02.20 Uhr den Pkw XY in Innsbruck, XY gelenkt und sich anschließend um 02.48 Uhr in der Polizeiinspektion Hötting, in Innsbruck, Mariahilfpark 1 etabliert, durch unrichtige Durchführung des Alkomatentestes diesen de facto verweigert, obwohl die Voraussetzung nach § 5 Abs 2 StVO (Aufforderung durch ein ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht) vorlag.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 5 Abs 2 StVO iVm § 99 Abs 1 lit b StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

1) Euro 1300,00, 1) 13 Tage, § 99 Abs 1 lit b StVO?

 

Weiters wurden Beiträge zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten vorgeschrieben.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck  Berufung erhoben und darin vorgebracht wie folgt:

 

?Ich erhebe Berufung gegen dieses Straferkenntnis betreffend Schuld und Strafe. Ich bin überzeugt, dass ich den Polizisten in der Polizeiinspektion Mariahilf ausreichend von meiner Schilddrüsenerkrankung, Atemluftbeschwerden und Blutvergiftung in den Nieren, informiert habe. Dies war zum Zeitpunkt nach dem ersten Blasversuch, da ich mehrmals husten musste. Der Polizist sagte lediglich ich solle aufhören mit dieser ?Blödlerei" und weitermachen. Ich verlangte auch ausdrücklich nach einem Amtsarzt. Diesen Hinweis auf meinen Gesundheitszustand und das Verlangen nach dem Amtsarzt wiederholte ich nach dem nächsten Versuch mehrmals. Der Polizist lachte darüber, fragte dann aber auch, ob ich irgendwelche Papiere betreffend meine gesundheitlichen Probleme habe. Zum diesem Zeitpunkt hatte ich aber überhaupt keine ärztlichen Bescheinigungen dabei.

Wenn mir vorgehalten wird, dass ich um 02.46 Uhr einen gültigen Blasversuch mit dem Messergebnis von 0,55 mg/l Atemluftalkoholgehalt erbracht habe, so sage ich dazu, dass er (Polizist) vor diesem Blasversuch den Raum verlassen hat. Als er zurückkam, drückte er am Automaten herum, nahm den Schlauch in die Hand, hob ihn hoch, drehte sich zu mir und gab ihn mir in die Hand mit der Aufforderung hinein zu blasen. Dann kam es zu diesem Ergebnis.

Anführen möchte ich noch, dass dieser Polizist mich ständig ?trackiert" und ohne Licht mir nachfuhr. Als ich das Licht und Blaulicht sah blieb ich sofort stehen.

Nachdem ich die PI verlassen hatte, ging ich in die Klinik in Innsbruck, MZA (medizinische Notfallaufnahme) um einen Bluttest durchführen zu lassen. Es wurde mit mitgeteilt, dass ich dazu einen Lichtbildausweis brauche. Da ich nur einen Führerschein besitze, ansonsten kein amtliches Dokument mit Lichtbild (habe; wurde mir in der Klinik mitgeteilt, dass eine Kopie des Führerscheines genügen würde. Daraufhin telefoniere ich mit dem Polizisten, dass ich eine Kopie meines Führerscheines benötige und er das herrichten solle. Er teilte mir mit, dass ich das nicht bekommen werde. Dies teilte ich wiederum dem Klinikpersonal (Hr. K.) mit. Diese konnte deshalb kein Blut abnehmen, da sie nicht wussten wer ich bin.?

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erst- und zweitinstanzlichen Akt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Gemäß § 99 Abs 1 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 1.162,-- bis Euro 5.813,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a)

wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

b)

wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

c)

(Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

 

Die 19. StVO-Novelle (BGBl 1994/518) brachte insofern eine wesentliche Änderung des § 5 StVO, als durch diese Gesetzesänderung die Möglichkeit geschaffen wurde, eine Person auch ohne Vorliegen von Symptomen (arg.: ?jederzeit?) zur Durchführung einer Atemalkoholuntersuchung aufzufordern, sofern diese Personen ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen. Weitere Voraussetzung für eine ?jederzeitige? Untersuchung ?an Ort und Stelle? ist jedoch, dass die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt an Ort und Stelle auch möglich ist, sich mithin im Fahrzeug der amtshandelnden Polizeibeamten ein Alkomat befindet.

 

Von einem ?Lenken? (oder den anderen dort angeführten Tätigkeiten) im Sinn des 1.Satzes gemäß § 5 Abs 2 StVO ist dann zu sprechen, wenn die Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe im Zuge einer Amtshandlung erfolgt, die ?unmittelbar? an das Lenken (bzw an die anderen angeführten Tätigkeiten) anschließt. Dieser zeitliche Zusammenhang erhellt daraus, dass der Gesetzgeber in Hinsicht auf diese Tätigkeiten auf die ?Gegenwart? abgestellt hat (vgl VwGH 20.04.2004, 2004/02/0043). In der gegenständlichen Fallkonstellation ist diese Voraussetzung jedenfalls und unstrittig vorgelegen. Weiters führten die Polizeibeamten jedoch keinen Alkomaten im Fahrzeug mit, sodass die Beschuldigte folgerichtig aufgefordert wurde, sich mit den Polizeibeamten in die nächstgelegene Polizeiinspektion zu begeben, um dort den Alkotest durchführen zu können.

 

Die Berechtigung dazu leitet sich aus § 5 Abs 4 StVO ab, wonach die Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.

 

Die zulässige Verbringung zur nächstgelegenen Polizeiinspektion setzt daher voraus, dass die einschreitenden Polizeibeamten bei der Anhaltung Verdachtsmomente in Hinblick auf eine Alkoholisierung des Lenkers (wie etwa gerötete Bindehäute, Alkoholgeruch, lallende Sprache etc) wahrgenommen haben. Im gegenständlichen Fall kann diesbezüglich nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens kein Zweifel bestehen (Alkoholgeruch der Atemluft, eigene Angaben der Beschuldigten vor der Anhaltung).

 

Obwohl nun sachverhaltsmäßig jedenfalls von einer ausreichenden Verdachtslage in Hinblick auf eine Alkoholisierung der Beschuldigten auszugehen war, fand dieser Umstand in der Spruchgestaltung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Berücksichtigung. Die ?Vermutung, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben? ist aber ein wesentliches Tatbestandselement dieser Verwaltungsübertretung (siehe etwa zur vergleichbaren Regelung des § 5 Abs 2 Z 1 StVO, VwGH 27.04.2000, 99/02/0292). Es liegt sohin eine Verletzung des § 44a Z 1 VStG vor (vgl VwGH 28.04.2004, 2001/03/0115).

 

Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist wurde auch keine auf dieses wesentliche Tatbestandselement bedacht nehmende Verfolgungshandlung gesetzt.

 

Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung, hier binnen 6 Monaten, wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.

 

Innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist ist die ?Aufforderung zur Rechtfertigung? vom 03.08.2007 die einzige Verfolgungshandlung. Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, ua wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Die Berichtigung oder Ergänzung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmales erfolgt ist. Auch in der ?Aufforderung zur Rechtfertigung? vom 03.08.2007 wird die oben angesprochene Verdachtslage nicht beschrieben. Es ist sohin Verfolgungsverjährung eingetreten und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Obwohl, nun, sachverhaltsmäßig, jedenfalls, von, einer, ausreichenden, Verdachtslage, in, Hinblick, auf, eine, Alkoholisierung, der, Beschuldigten, auszugehen, war, fand, dieser, Umstand, in, der, Spruchgestaltung, des, angefochtenen, Straferkenntnisses, keine, Berücksichtigung, Die, ?Vermutung, ein, Fahrzeug, in, einem, durch, Alkohol, beeinträchtigten, Zustand, gelenkt, zu, haben?, ist, aber, ein, wesentliches Tatbestandselement, dieser, Verwaltungsübertretung, Es, liegt, sohin, eine, Verletzung, des, § 44a, Z 1 VStG, vor, Innerhalb, der, Verfolgungsverjährungsfrist, wurde, auch, keine, auf, dieses, wesentliche, Tatbestandselement, bedacht, nehmende, Verfolgungshandlung, gesetzt
Zuletzt aktualisiert am
22.10.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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