TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/28 2001/03/0115

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Veröffentlicht am 28.04.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §24;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M P in R, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstr. 19 a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. Februar 2001, Zl. uvs- 2000/10/089-2, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangen Bescheid der Kammer der belangten Behörde (Spruchpunkt I) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 9. Juli 2000 um 08:02 Uhr in Innsbruck, Südbahnstraße 14, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, am 9. Juli 2000 um 08:02 Uhr in Innsbruck einen nach dem Kennzeichen bestimmten Kombinationskraftwagen gelenkt zu haben.

Er habe dadurch eine Übertretung nach § 99 Abs.1 lit. b i.V.m § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 18.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 9. Juli 2000 um 08.02 Uhr seinen PKW von der Amraser Straße 1 Richtung stadteinwärts gelenkt habe. Dabei sei den beiden hinter ihm nachfahrenden Polizeibeamten aufgefallen, dass der Beschwerdeführer bei der Fahrt auf der Amraser Straße so weit in der Mitte der Fahrbahn gefahren sei, dass er beide Fahrstreifen in Fahrtrichtung Norden benützt habe. Diese Fahrweise habe die beiden Polizeibeamten veranlasst, ihm nachzufahren. Dabei sei das Blaulicht am Funkstreifenfahrzeug eingeschaltet und ein Megafon verwendet worden. In der Südbahnstraße 14 in Innsbruck sei es dann zur Anhaltung des Beschwerdeführers gekommen. Bei der anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle seien beim Beschwerdeführer Alkoholsymptome festgestellt worden, insbesondere stark gerötete Bindehäute und Alkoholgeruch in der Atemluft. Der Beschwerdeführer habe sich unsicher, langsam und träge bewegt. Den Genuss von alkoholischen Getränken vor Fahrtantritt habe der Beschwerdeführer verneint. Nach eigenen Angaben habe er am 8. Juli 2000 bis 24.00 Uhr gearbeitet und sich anschließend bis 08.00 Uhr früh - ohne zu schlafen - in einem Privatcasino aufgehalten. Rev. Insp. S habe dann den Beschwerdeführer aufgefordert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Die Aufforderung habe den Hinweis enthalten, dass der Beschwerdeführer zur Durchführung der Atemluftkontrolle zum nächstgelegenen Wachzimmer mitzukommen habe. Der Beschwerdeführer habe sich zunächst dazu bereit erklärt, habe jedoch zuvor noch mit seinem Handy telefonieren wollen. Er habe sich in seinen PKW gesetzt und habe die Fahrertür schließen wollen. Dies sei jedoch von den Polizeibeamten verhindert worden. Nach einer neuerlichen Aufforderung, in das Funkstreifenfahrzeug einzusteigen und zum nächsten Wachzimmer zwecks Durchführung der Atemluftkontrolle mitzufahren, habe der Beschwerdeführer schließlich erklärt, er werde nicht mitfahren. Hierauf sei die Amtshandlung von Rev. Insp. S für beendet erklärt worden, der Beschwerdeführer von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt worden und sei ihm sein Führerschein vorläufig abgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe sich dann nach einem Telefonat mit der Rechtschutzversicherung in das Gerichtsmedizinische Institut der Universität Innsbruck begeben und habe sich dort um 10.00 Uhr Blut abnehmen lassen. Der zum Zeitpunkt dieser Blutabnahme festgestellte Blutalkoholgehalt von 0,0 Promille ändere jedoch nichts an dem zum Zeitpunkt der Amtshandlung verwirklichten Tatbestand der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung am Anhalteort.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 2 und § 5 Abs. 4 StVO 1960 lauten:

"§ 5. Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol. ...

(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

...

(4) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2), zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.

..."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 2003, 2001/03/0043), ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960, dass eine Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt bereits dann besteht, wenn eine Person bloß "verdächtig" ist, u.a. ein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Dass die Weigerung der so "verdächtigten" Person, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, eine Verwaltungsübertretung bildet, ist im Zusammenhang mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 abzuleiten, wobei der objektive Tatbestand bereits mit der Weigerung, sich dem Test zu unterziehen, vollendet ist.

Es ist der belangten Behörde zu folgen, dass dem Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen Dr. P, dass der Beschwerdeführer am 9. Juli 2000 um 10:00 Uhr keinerlei Alkoholisierungssymptome aufgewiesen habe, nicht zu entsprechen war, weil auf den Zeitpunkt der Amtshandlung abzustellen ist, sodass Angaben dazu, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der rund 2 Stunden später vorgenommenen Blutabnahme derartige Symptome aufgewiesen habe, nicht relevant sind.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2003, Zl. 2002/02/0189) reicht zur Vermutung einer Alkoholisierung einer Person allein das Vorliegen von "geröteten Bindehäuten" - unabhängig von der Ursache - aus, zumal hiezu ein einziges Alkoholisierungsmerkmal genügt. Das Vorliegen von geröteten Bindehäuten hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht bestritten. Gegen die entsprechende Feststellung im angefochtenen Bescheid bestehen keine Bedenken, zumal geschulten Organen der Straßenaufsicht zuzubilligen ist, verlässliche Wahrnehmungen über das Vorliegen von Alkoholisierungsmerkmalen treffen zu können.

Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auch dann strafbar ist, wenn durch die ärztliche Untersuchung das Nichtvorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung festgestellt wurde (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 90/03/0253).

Desgleichen ist kein Verfahrensfehler im Umstand zu erkennen, dass die belangte Behörde keine Beweise zum Ort aufgenommen hat, wo sich das Atemluftalkoholuntersuchungsgerät befunden habe, weil der Tatort des hier in Rede stehenden Deliktes dort anzunehmen ist, wo die Verweigerung gesetzt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 90/03/0059). Das war im vorliegenden Fall der Anhalteort, der auch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zum Ausdruck kommt, sodass diesbezüglich kein Fehler in Richtung § 44a Z 1 VStG anzunehmen ist. Gleiches gilt auch in Ansehung der Tatzeit. Die belangte Behörde hat als Tatzeit der Verweigerung 08.02 Uhr angenommen. Auf Grund des Inhaltes der Verwaltungsstrafakten ist hingegen ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Tathandlung der Verweigerung letztlich erst um 08.14 Uhr setzte. Aus dieser an sich unrichtigen Tatzeitangabe ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen, kommt es doch in einem Fall wie dem vorliegenden hinsichtlich der Tatzeit nicht auf die exakte Angabe der jeweiligen Minute an und ist doch auf Grund der Zusammenschau von Tatzeit und Tatort weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch sonst aus dem Akteninhalt erkennbar, dass er in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/03/0172), sodass er diesbezüglich nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde. Aus dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265 (VwSlg. Nr. 11.466/A), ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall im Spruch des angefochtenen Bescheides bloß Angaben über Zeitpunkt und Ort des der Verweigerung des Alkotests vorausgehenden Lenkens, nicht jedoch - im Gegensatz zum vorliegenden Beschwerdefall - solche über Zeit und Ort der Tathandlung selbst, nämlich der Verweigerung des Alkotests enthalten waren.

Dennoch ist der Beschwerde ein Erfolg beschieden. Nach der Bestimmung des § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat unter Umschreibung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale zu enthalten und es reicht eine Ausführung dieser wesentlichen Tatbestandselemente in der Begründung des Straferkenntnisses nicht aus (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., in Anm. 2 zu § 44a VStG dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 folgt, dass die Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt (u.a.) dann besteht, wenn eine Person verdächtig ist, ein Fahrzeug "in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand" gelenkt zu haben. Dieses wesentliche Element (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 99/02/0292) weist der Spruch des Straferkenntnisses nicht auf, sodass eine Verletzung der Bestimmung des § 44 a Z 1 VStG vorliegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. April 2004

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Alkotest Verweigerung Alkotest Voraussetzung Alkotest Zeitpunkt Ort Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001030115.X00

Im RIS seit

28.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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