TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/18 90/03/0253

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §41 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 litc Z2;
VwGG §42 Abs2 litc Z3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Walter T in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. September 1990, Zl. 8V-813/7/90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 9. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. Oktober 1989 um 17.15 Uhr in Klagenfurt, Viktringer Ring 7, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich gegenüber dem einschreitenden besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Polizeibeamten im Wachzimmer Polizeidirektion gegen 17.50 Uhr geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche) verhängt. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz aus, der Beschwerdeführer bestreite die Tat. Man habe ihm am Wachzimmer Alkoholisierungssymptome vorgehalten, weshalb er von Inspektor R. aufgefordert worden sei, sich dem Amtsarzt zur Feststellung des Alkoholgehaltes vorführen zu lassen. Dem sei er nachgekommen. Der Amtsarzt habe eine kaum merkbare Alkoholisierung und die Eignung zum Lenken festgestellt. Er sei vorher keineswegs zur Ablegung einer Atemluftprobe aufgefordert worden. Aus den Angaben des Meldungslegers (RI G.) ergebe sich aber, daß eine solche Aufforderung erfolgt und die Durchführung vom Beschwerdeführer verweigert worden sei. Während der Meldungsleger auf seinen Wachkommandanten gewartet habe, sei dann GRI R. (damals als Funksprecher eingesetzt gewesen) gekommen und habe dem Meldungsleger den Auftrag erteilt, den Beschwerdeführer dem Amtsarzt vorzuführen. Das Ergebnis der Untersuchung durch den Amtsarzt ändere nichts an der Strafbarkeit der Verweigerung der Atemluftprobe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. September 1990 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer bestreite, zur Durchführung des Alkotests aufgefordert worden zu sein. Es habe um 17.15 Uhr ein Auffahrunfall stattgefunden, der Beschwerdeführer sei auf zwei vor ihm verkehrsbedingt haltende Fahrzeuge aufgefahren. RI G. sei mit seinem Dienstmotorrad zur Unfallstelle beordert worden. Es sei nach den Verwaltungsstrafakten und den bei Gericht anhängigen Akten zu entnehmen, daß von Anfang an beim Unfallenker "Alkohol im Spiel" gewesen sein soll und am Unfallsort in Anwesenheit des RI G. von den Unfallsbeteiligten und zufällig anwesenden Beamten von einem "besoffenen Polizisten" gesprochen worden sei. RI G. habe beim Beschwerdeführer starken Alkoholgehalt aus dem Mund, einen schwankenden Gang sowie eine lallende Aussprache festgestellt, was mit Recht eine Alkoholisierung vermuten ließ. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer mit einem Dienstkraftwagen in das Gebäude der Bundespolizeidirektion Klagenfurt gebracht worden. Dort habe ihn RI G., als er mit dem Beschwerdeführer ca. drei bis fünf Minuten allein im Zimmer des Wachkommandanten gewesen sei, in kollegialem Ton - RI G. habe erst dort erfahren, daß es sich tatsächlich beim Beschwerdeführer um einen Kollegen handelte - zur Durchführung des Alkotests aufgefordert. Dies geschah mit den Worten: "Würden Sie einen Alkotest machen", worauf der Beschwerdeführer mit "auf keinen Fall" repliziert habe. Durch diese Verweigerung sei das genannte Delikt verwirklicht. Für die Glaubwürdigkeit der Angaben des RI G. spreche insbesondere seine Zeugenaussage vor dem Landesgericht Klagenfurt vom 11. Jänner 1990 (im Verfahren gegen GRI R. wegen § 302 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der gegenständlichen Angelegenheit), wo er nach vielfachen Befragungen seitens der Bundespolizeidirektion Klagenfurt abermals und unter Belehrung gemäß § 153 StPO den Sachverhalt gleichlautend und vollkommen logisch nachvollziehbar zu Protokoll gegeben habe. Mit seinen äußerst klaren Ausführungen bezüglich der Aufforderung zur Durchführung des Alkotests vermochte er die belangte Behörde von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen und habe damit die eher als vage zu bezeichnenden Angaben der übrigen im Gebäude der Bundespolizeidirektion Klagenfurt anwesenden Sicherheitswachebeamten entkräftet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Gesetz schreibt nicht vor, in welcher Form ein Begehren im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO zu ergehen hat. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, ob die Aufforderung mehr in Befehlsform gehalten ist, oder ob sie in Form einer Frage, ob der Betroffene zur Ablegung des Tests bereit ist, zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1979, Zl. 441/79). Auch eine von einem anderen Beamten in kollegialem Ton gestellte Frage, wie dies gegenständlich nach der Behauptung des RI G. der Fall war, wird dem gerecht. Der anders lautenden Rechtsmeinung des Beschwerdeführers kommt keine Berechtigung zu.

Auch der Einwand des Beschwerdeführers, schließlich habe ihn das Bezirksgericht Klagenfurt lediglich wegen § 88 Abs. 1 StGB - also ohne Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung - verurteilt, geht ins Leere, da es für die in § 99 Abs. 1 lit. b StVO festgelegte Verpflichtung des Fahrzeuglenkers nicht entscheidend ist, ob er tatsächlich durch Alkohol beeinträchtigt ist, sondern nur der Umstand, ob vermutet werden konnte, daß er sich bei der Beanstandung in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1964, Zl. 1709/63, u.v.a.). Selbst der Amtsarzt hat beim Beschwerdeführer noch einen Alkoholgeruch der Atemluft festgestellt, was für eine Vermutung ausreichte. Die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ist auch dann strafbar, wenn durch die ärztliche Untersuchung das Nichtvorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung festgestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1964, Zl. 1060/63). Die Verweigerung einer Atemluftprobe wird durch eine nachfolgende ärztliche Untersuchung nicht straflos (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1975, Zl. 192/75).

Der Beschwerde kommt jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides die Gedankengänge und Eindrücke aufzudecken, die dafür maßgebend waren, daß sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen und eine Tatsache für wahr oder unwahr gehalten hat. Ein Bescheid, der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen nicht klar und übersichtlich zusammenfaßt, bedarf einer Ergänzung (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

4. Auflage, die zu § 60 AVG unter E 1 und 33 wiedergegebene Judikatur, S. 449 bzw. 454).

Der Beschwerdeführer hat von Anfang an bestritten, vom Meldungsleger RI G. im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO aufgefordert worden zu sein. Seine Verantwortung im Verwaltungsstrafverfahren ging dahin, daß er mit dem Beamten RI G. im Wachzimmer nie allein gewesen sei, wie dies den Aussagen der anderen Polizeibeamten zu entnehmen sei, die auch bezeugt hätten, daß an den Beschwerdeführer keine Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO ergangen sei. Die belangte Behörde hat die maßgebenden Feststellungen, insbesondere, daß RI G. im Zeitpunkt der Aufforderung mit dem Beschwerdeführer allein gewesen sei, auf die mehrfachen Zeugenaussagen dieses Polizeibeamten gestützt. Mögen auch verschiedene mit der Amtshandlung zusammenhängende Vorgänge, die sogar zu gerichtlichen Vorerhebungen gegen GRI R. wegen Verdachtes des Verbrechens des Amtsmißbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB führten (das Verfahren wurde allerdings gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt), für das Zutreffen der Angaben des Meldungslegers RI G. sprechen, so wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, sich mit den zahlreichen Aussagen der im Verwaltungsstrafverfahren, vor dem Zentralinspektorat der Sicherheitswache und vor Gericht vernommenen Entlastungszeugen näher auseinanderzusetzen und in einer konkreten, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise darzutun, warum diesen Aussagen dennoch kein Glaube zu schenken sei. Mit dem bloßen Hinweis auf "die eher als vage zu bezeichnenden Angaben der übrigen im Gebäude der Bundespolizeidirektion Klagenfurt anwesenden Sicherheitswachebeamten" wird aber der aufgezeigten Begründungspflicht nicht entsprochen, wozu noch kommt, daß die Aussagen keinesfalls als "vage" bezeichnet werden können. Es wird auch einer Auseinandersetzung damit bedürfen, weshalb der Meldungsleger RI G. vor der vom Polizeibeamten GRI R. veranlaßten amtsärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers nicht eindringlich gegenüber den anderen Beamten auf die bereits erfolgte Aufforderung zum Alkotest verwies. Weiters wird auch darauf einzugehen sein, daß die Angaben des RI G. vom 13. Oktober 1989 vor dem Zentralinspektorat, wonach er von bestimmten Insassen der anderen unfallsbeteiligten Fahrzeuge auf eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers aufmerksam gemacht wurde, von diesen nicht bestätigt wurden (vgl. die Aussagen des Werner K vom 25. Oktober 1989 und der Rozalia M vom 3. November 1989).

Da alle diese Ausführungen zeigen, daß Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die beantragte Mehrwertsteuer, da diese bereits in der in der zitierten Verordnung für den Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalsumme enthalten ist. Ebenso wurden zuviel Stempelgebühren verrechnet.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelAlkotest VerweigerungSachverhalt VerfahrensmängelAlkotest StraßenaufsichtsorganVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030253.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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