TE UVS Tirol 2008/09/15 2008/20/1443-2

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Veröffentlicht am 15.09.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung des Herrn T. P., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. K. H., I., betreffend die Spruchpunkte 2), 3) und 4) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 26.03.2008, Zl S-22.448/06, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51 Abs 1 und 51e Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte 2) und 4) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis insoweit jeweils behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs 1 Z 2 (bezüglich Spruchpunkt 2) bzw Z 3 (bezüglich Spruchpunkt 4) eingestellt. der Berufung in Bezug auf den Spruchpunkt 3) insoweit Folge gegeben, als dem Berufungswerber vorgeworfen wird, dass er die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten hat und wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die über ihn verhängte Geldstrafe von Euro 250,00 auf Euro 150,00, Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage, herabgesetzt wird.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG beträgt dementsprechend der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens Euro 15,00.

 

Die Verhängung der Geldstrafe zu Spruchpunkt 3) erfolgt gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber Folgendes vorgeworfen:

 

?Sie haben

am 9.9.2006 zw 04.32 Uhr und 04.34 Uhr als Lenker des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XY in Innsbruck

1)

an der Kreuzung K. , J. unterlassen, die bevorstehende Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen und sind nach links in die J. abgebogen sowie anschließend an der Kreuzung mit der Grillparzerstraße nach rechts in diese sowie an der Kreuzung mit der D. nach links in die D. abgebogen und haben es dabei jeweils unterlassen die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung anzuzeigen.

2)

die oa Fahrtrichtungsänderungen durchgeführt, ohne sich vorher davon überzeugt zu haben, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

3)

auf der Dreiheiligenstraße in Richtung Osten fahrend die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich (um min 50 km/h) überschritten sowie

4)

in Innsbruck, Langstraße 26 vor der PI P., nach der Aufforderung zur Durchführung eines Alkomattestes durch ein ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht, diesen de facto verweigert, indem Sie vor der Durchführung zu Fuß geflüchtet sind.?

 

Dadurch habe der Berufungswerber gegen folgende Rechtsvorschriften verstoßen:

zu 1) gegen § 11 Abs 2 StVO

zu 2) gegen § 11 Abs 1 StVO

zu 3) gegen § 20 Abs 2 StVO

zu 4) gegen § 5 Abs 2 iVm § 99 Abs 1 lit b StVO

 

Aufgrund dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber Geldstrafen verhängt, nämlich zu 1) und 2) jeweils Euro 60,00, zu 3) Euro 250,00 und zu 4) Euro 1.400,00. Als Strafnorm wurde jeweils § 99 Abs 1 StV (gemeint wohl StVO) angeführt. Es wurden auch Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt und Verfahrenskostenbeiträge vorgeschrieben.

 

Gegen dieses Straferkenntnis wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Der Berufungswerber habe demnach die ihm angelasteten Übertretungen nicht begangen. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sei es ausgeschlossen bzw unmöglich, dass der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug 100 km/h oder mehr gefahren sei. Beim angelasteten Geschwindigkeitswert handle es sich um eine ungefähre Schätzung.

 

Der Berufungswerber sei nicht zum Alkotest aufgefordert worden. Es habe seitens der Polizeibeamten keinerlei Einwände gegeben, dass er nicht hätte gehen dürfen. Der Berufungswerber sei weder derart alkoholisiert gewesen, dass das Fahren eines Fahrzeuges verboten gewesen wäre, noch habe er den Alkotest verweigert.

 

Im Übrigen sei das Verfahren der Erstinstanz mangelhaft geblieben. Es sei gegen § 37 AVG verstoßen worden. Die Erstbehörde sei auch bei der Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses fast ein Jahr säumig gewesen und wäre aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

 

Aufgrund dieser Berufung wurde am 08.09.2008 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Bei dieser ließ sich der Berufungswerber durch seinen Rechtsfreund vertreten.

 

Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme des Zeugen RI A. S., weiters durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.

 

Im Zuge der Verhandlung wurde die Berufung gegen Spruchpunkt 1) zurückgezogen.

 

Zu Spruchpunkt 2):

 

Auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens können die diesbezüglichen Verstöße nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit als erwiesen angesehen werden. In diesem Zusammenhang äußerte etwa der einvernommene Zeuge, dass es der Berufungswerber selbst beurteilen müsste, ob er sich überzeugt habe, ob die Fahrtrichtungsänderung ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich gewesen wäre.

 

Zu Spruchpunkt 3):

 

Auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens ist es als erwiesen anzusehen, dass der Berufungswerber am angeführten Tatort (auf der D., nach dem Einbiegen von der G. und bis zur P. B.) die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten hat, wobei ein Überschreiten um mindestens 50 km/h nicht nachgewiesen werden kann.

 

Auf der Grundlage der Aussagen des Zeugen RI S. kam es zu einem Nachfahren von der Kreuzung K. bis J. Es steht auch fest, dass sich der Abstand zwischen dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug und dem nachfolgenden Fahrzeug während des Nachfahrens vergrößert hat.

 

Der Zeuge S. sprach davon, dass dabei ein Geschwindigkeitswert von 100 km/h am ungeeichten Tachometer des Dienstfahrzeuges abgelesen worden sei. Dies bedeutet, dass im Hinblick auf die Berücksichtigung allfälliger Unsicherheiten eine Messtoleranz von zumindest 10 prozentig abzuziehen ist. Auch die örtlichen Gegebenheiten sprechen dafür, dass ein Überschreiten des Geschwindigkeitswertes von 100 km/h auszuschließen ist. Immerhin handelt es sich bei der Kreuzung G. , D. um eine solche, die vom Berufungswerber in einem Winkel von 90 Grad zu befahren war. Beim Abbiegen von der D. in die P. S. hatte er als Rechtsabbieger eine Kurve zu bewältigen, deren Winkel deutlich unter 90 Grad liegt, sodass diese zwangsläufig mit einer geringen Geschwindigkeit (und einem vorangegangenem Bremsen) zu befahren war.

Der Berufungswerber hat aber jedenfalls gegen § 20 Abs 2 StVO verstoßen.

 

In Bezug auf die Strafhöhe war dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit in dem im Spruch angeführten Ausmaß nicht erfolgt ist. Ungeachtet dessen hat der Berufungswerber die Verkehrssicherheit mit einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung massiv gefährdet. Es ist ihm auch ein Verschulden anzulasten. Der Berufungswerber wählte eine Geschwindigkeit, bei der er sich im Klaren darüber sein musste, dass er damit gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung verstößt.

 

Im Hinblick darauf, dass im Verwaltungsstrafvormerk aufscheinende Strafen zwischenzeitlich als getilgt anzusehen sind, kommt dem Berufungswerber der Milderungsgrund der Unbescholtenheit zugute.

 

Erschwerend war nichts. Unter Bedachtnahme darauf erweist sich die nunmehr festgesetzte Geldstrafe als nicht unangemessen hoch und ließe sich auch mit ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang bringen.

 

Zu Spruchpunkt 4):

 

Nach den Angaben in der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Anzeige lagen mehrere Alkoholisierungssymptome beim Berufungswerber vor. Der Zeuge RI S. verwies im Zuge seiner Einvernahme vor der Berufungsbehörde auf die Anzeige bzw glaubte sich erinnern zu können, dass er beim Berufungswerber gerötete Augen festgestellt hat.

 

Obwohl sachverhaltsmäßig jedenfalls von einer ausreichenden Verdachtslage in Hinblick auf eine Alkoholisierung der Beschuldigten auszugehen war, fand dieser Umstand in der Spruchgestaltung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Berücksichtigung. Die ?Vermutung, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben? ist aber ein wesentliches Tatbestandselement dieser Verwaltungsübertretung (siehe etwa zur vergleichbaren Regelung des § 5 Abs 2 Z 1 StVO , VwGH 27.04.2000, 99/02/0292). Es liegt sohin eine Verletzung des § 44a Z 1 VStG vor (vgl VwGH 28.04.2004, 2001/03/0115).

 

Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist wurde auch keine auf dieses wesentliche Tatbestandselement bedacht nehmende Verfolgungshandlung gesetzt.

 

Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung , hier binnen 6 Monaten , wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.

 

Innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist ist die ?Aufforderung zur Rechtfertigung? vom 03.08.2007 die einzige Verfolgungshandlung. Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, ua wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Die Berichtigung oder Ergänzung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmales erfolgt ist. Auch in der ?Aufforderung zur Rechtfertigung? vom 03.08.2007 wird die oben angesprochene Verdachtslage nicht beschrieben. Es ist sohin Verfolgungsverjährung eingetreten und war daher spruchgemäß zu entscheiden. (vgl auch den Bescheid des UVS Tirol vom 04.03.2008, Zl uvs-2007/22/3437-3 betreffend eine Berufung gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 24.10.2007, Zl S-19.730/07)

Schlagworte
Die, ?Vermutung, ein, Fahrzeug, in, einem, durch, Alkohol, beeinträchtigten, Zustand, gelenkt, zu, haben?, ist, aber, ein, wesentliches, Tatbestandselement, der, Verwaltungsübertretung, siehe, VwGH, 27.4.2000, 99/02/0292, Verfolgungsverjährungsfrist
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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