TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/12 WI-5/98

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Veröffentlicht am 12.12.1998
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Tir GdWO 1994 §65
VfGG §67 Abs1

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; keine hinreichende Substantiierung des Vorbringens

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 15.3.1998 fanden die von der Tiroler Landesregierung mit Kundmachung vom 2.12.1997, LGBl. 1997/84, ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Landes Tirol, darunter die Gemeinde Seefeld in Tirol, statt.

Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §45 Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 (im Folgenden: GWO), LGBl. 88 idF 1995/94, abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:

Liste 1: Bürgerliste Aktiv für Seefeld (BAS)

Liste 2: Junge Seefelder

Liste 3: Für Wirtschaft und Arbeit

Liste 4: Lebendiges Offenes Seefeld (L.O.S.)

Liste 5: Pro Seefeld (PS).

Die Wählergruppen "L.O.S." und "PS" haben ihre Wahlvorschläge gemäß §37 GWO gekoppelt.

Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Seefeld in Tirol vom 16.3.1998 entfielen von den insgesamt 1.541 abgegebenen gültigen Stimmen - 74 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf

   Bürgerliste Aktiv für Seefeld  669 Stimmen (7 Mandate),

   Junge Seefelder                268 Stimmen (3 Mandate),

   Für Wirtschaft und Arbeit      267 Stimmen (2 Mandate),

   Lebendiges Offenes Seefeld      95 Stimmen (1 Mandat),

   Pro Seefeld                    242 Stimmen (2 Mandate).

2.1. Mit ihrer am 10.4.1998 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrt die Wählergruppe "Für Wirtschaft und Arbeit", der Verfassungsgerichtshof wolle

"das Verfahren zur Wahl (der Mitglieder) des Gemeinderates der Gemeinde Seefeld am 15.3.1998 vom Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden an für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben."

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

a. Zum Anfechtungsgegenstand wird ausgeführt: Bei der Gemeinderatswahl am 15.3.1998 in der Gemeinde Seefeld in Tirol sei die GWO in dem Maße verletzt worden, dass diese Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis von Einfluss sein können und tatsächlich auch von Einfluss waren. Daher werde diese Gemeinderatswahl gemäß Art141 B-VG wegen Rechtswidrigkeit angefochten und beantragt, das Verfahren vom Ermittlungsverfahren an (Feststellung des Ergebnisses) aufzuheben. Der Wahlvorgang selbst werde ausdrücklich nicht angefochten.

b. Zur Anfechtungslegitimation wird ausgeführt: Das Wahlergebnis sei am 16.2.1998 (richtig wohl: 16.3.1998) kundgemacht worden. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkenne der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl. Nach §68 Abs1 VerfGG müsse die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides, eingebracht sein.

Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Seefeld beim Verfassungsgerichtshof ausschließenden Instanzenzug richte die GWO nur gegen die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses ein. Da es bei der vorliegenden Wahlanfechtung jedoch um Rechtswidrigkeiten gehe, die die Frage der Gültigkeit bzw. Ungültigkeit einzelner Stimmzettel betreffen, sei die unmittelbare Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gegeben.

Aus Vorsichtsgründen habe die Anfechtungswerberin jedoch auch gegen die ziffernmäßige Richtigkeit einen Einspruch bei der Bezirkswahlbehörde Innsbruck eingebracht. Dieser Einspruch sei richtigerweise abgewiesen worden. In diesem Verfahren sei eine Niederschrift verfasst worden, in der die Rechtswidrigkeiten dokumentiert wurden. Aus diesem Grund werde auf diesen Akt verwiesen. Eine Vorlage dieses Aktes sei der Antragswerberin selbst nicht möglich, weshalb beantragt wird, den Akt einzuholen.

c. Die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wird mit folgenden Argumenten behauptet: In der erwähnten Niederschrift der Bezirkswahlbehörde sei festgehalten, dass in beiden Wahlsprengeln idente Stimmzettel teilweise für gültig und teilweise für ungültig erklärt wurden.

Insbesondere in den §§61 ff GWO sei genau geregelt, wann ein Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates ungültig ist. Diesbezüglich bleibe für die Wahlbehörde kein Ermessen, eine Stimme für gültig oder ungültig zu erklären. Trotzdem habe die Wahlbehörde, offenbar willkürlich, Stimmen für gültig oder ungültig erklärt, obwohl es sich um idente Stimmzettel handelte. Ein derartiges Vorgehen sei rechtswidrig und widerspreche den elementarsten Bestimmungen der GWO.

Da eine von der Anfechtungswerberin gewünschte Kontrolle bei der Stimmenauszählung verwehrt und nur die ziffernmäßige Übereinstimmung kontrolliert worden sei, könne die Anfechtungswerberin hinsichtlich der weiteren Konkretisierung der Rechtswidrigkeit nur auf den Akt der Bezirkswahlbehörde verweisen und beantragen, dass dieser Akt eingeholt wird. In diesem Akt werde insbesondere konkretisiert, dass "idente Stimmzettel teilweise für gültig und teilweise für ungültig erklärt wurden". Dabei seien Stimmzettel betroffen gewesen, die im Vorzugsstimmenfeld angekreuzt waren. Hievon seien Stimmzettel von nahezu allen wahlwerbenden Listen betroffen, insbesondere jedoch der Liste "Bürgerliste für Seefeld".

Der Einspruch an die Bezirkswahlbehörde habe sich lediglich gegen die ziffernmäßige Feststellung gerichtet. Wie bereits ausgeführt, sei jedoch die ziffernmäßige Feststellung richtig gewesen, weshalb der Einspruch richtigerweise abgewiesen wurde. Trotzdem sei in diesem Verfahren die Rechtswidrigkeit des Auszählvorganges festgestellt und in der Niederschrift dokumentiert worden. Für eine weitergehende Beurteilung des Wahlergebnisses sei die Bezirkswahlbehörde Innsbruck nicht zuständig gewesen.

Eine weitere Rechtswidrigkeit liege darin, dass Stimmen teilweise unrichtig zugeordnet wurden. Wie in einer Kontrolle, die die Anfechtungswerberin selbst durchgeführt habe, festgestellt werden konnte, sei eine Stimme fälschlicherweise der Anfechtungswerberin und nicht der Liste "Junge Seefelder" zugeordnet worden. Dieser Fehler sei korrigiert, die gewünschte weitere Kontrolle jedoch abgelehnt worden.

Da die Niederschrift der Bezirkswahlbehörde die gesetzwidrige Gültig- bzw. Ungültigerklärung von Stimmen dokumentiere, lägen bei der Ergebnisermittlung Rechtswidrigkeiten vor, die auch tatsächlich für das Wahlergebnis von Einfluss sind, weil es bei einer richtigen Wertung der Stimmen zu einem anderen Mandatsergebnis gekommen wäre. Da im gegenständlichen Fall die Verschiebung von nur einer Stimme zu einer Mandatsverschiebung führte, sei die "Anfechtungswerberin auch dann betroffen, wenn sie von den Rechtswidrigkeiten auch nur am Rande betroffen ist".

2.2. Die Gemeindewahlbehörde Seefeld in Tirol hat die Wahlakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie Folgendes ausführt:

Das Wahlverfahren sei, so wie in früheren Jahren auch, ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass "'der Anfechtungswerberin eine gewünschte Kontrolle bei der Stimmenauszählung verwehrt wurde'" und dass "'die Wahlbehörde offenbar willkürlich Stimmen für gültig oder ungültig erklärt hatte'". Bei der Stimmenauszählung wäre genügend Gelegenheit gewesen, Anfragen zu stellen oder auch Nachkontrollen zu verlangen. Dies sei jedoch von Seiten keiner wahlwerbenden Partei geschehen. Das Wahlverfahren sei ordnungsgemäß abgeschlossen, das Ergebnis und die Verteilung der Mandate festgestellt und der Wahlakt geschlossen worden. Auf das Verlangen einer Nachkontrolle nach diesem Zeitpunkt einzugehen, wäre unzulässig und somit rechtswidrig gewesen.

Die Mitglieder beider Wahlbehörden und die Hilfsorgane hätten sich die größte Mühe gegeben, die Stimmen korrekt auszuzählen. Ob daher diesbezüglich teilweise gewisse Fehlentscheidungen, wie die Bezirkswahlbehörde andeutungsweise durchblicken lässt, vorliegen, könne nicht beurteilt werden.

II. Über die - zulässige - Wahlanfechtung wurde erwogen:

1. Auf das Wesentliche zusammengefasst, behauptet die Anfechtungswerberin, das Wahlverfahren bei der Gemeinderatswahl in der Gemeinde Seefeld in Tirol sei rechtswidrig gewesen, weil

a) - wie in einer Niederschrift der Bezirkswahlbehörde Innsbruck, die aus Anlass der Entscheidung über einen Einspruch der Anfechtungswerberin gegen die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses verfasst wurde, festgehalten sei - in den beiden Wahlsprengeln der Gemeinde Seefeld in Tirol "idente Stimmzettel teilweise für gültig und teilweise für ungültig erklärt wurden",

b) Stimmen teilweise unrichtig zugeordnet worden seien, wobei in einem Fall - nach Kontrolle durch die Anfechtungswerberin - der Fehler korrigiert, die von ihr gewünschte weitere Kontrolle jedoch abgelehnt worden sei.

2.1. In der Niederschrift über die Sitzung der Bezirkswahlbehörde Innsbruck am 19.3.1998 betreffend die (abweisende) Entscheidung über den Einspruch der Anfechtungswerberin gegen die Feststellung des Wahlergebnisses bei der Gemeinderatswahl in der Gemeinde Seefeld in Tirol ist u. a. Folgendes festgehalten:

"Lediglich im Wahlsprengel I und zu einem geringen Teil auch im Wahlsprengel II wurde festgestellt, daß idente Stimmzettel teilweise für gültig und teilweise für ungültig erklärt wurden."

2.2. Die Niederschriften der beiden - in der Gemeinde Seefeld in Tirol für die in Rede stehende Gemeinderatswahl eingerichteten - Sprengelwahlbehörden sind von sämtlichen Mitgliedern dieser Behörden, darunter auch von den auf Vorschlag der Anfechtungswerberin berufenen Beisitzern und Ersatzmitgliedern unterfertigt worden. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass von einem Mitglied (Ersatzmitglied) der jeweiligen Wahlbehörde eine weitere Kontrolle gewünscht, eine solche jedoch abgelehnt worden wäre.

3. §65 GWO lautet wie folgt:

"(1) Die Wahlbehörde hat sofort nach der Prüfung der Stimmzettel und der Zählung der Stimmen den Wahlvorgang in einer Niederschrift zu beurkunden.

(2) Die Niederschrift hat, bezüglich der lite und h getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters, zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Wahlortes (Gemeinde, Wahlsprengel, Wahllokal),

b) den Wahltag,

c) die Namen der anwesenden und der abwesenden Mitglieder der Wahlbehörde und der Vertrauenspersonen mit Angabe ihrer Wählergruppe,

d) den Beginn und das Ende der Wahlhandlung,

e) die Anzahl der übernommenen und der an die Wähler ausgegebenen amtlichen Stimmzettel,

f) die Entscheidungen der Wahlbehörde über die Zulassung oder die Nichtzulassung von Wählern zur Stimmabgabe,

g) sonstige Beschlüsse der Wahlbehörde, die während der Wahlhandlung gefaßt wurden (z.B. Unterbrechung der Wahlhandlung usw.),

h) die Feststellung der Wahlbehörde nach §60 Abs3 und §61 Abs1 und 2.

(3) Der Niederschrift sind, bezüglich der litd bis f getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters, anzuschließen:

a) das Wählerverzeichnis,

b) das Abstimmungsverzeichnis,

c) die Empfangsbestätigung über die Anzahl der übernommenen amtlichen Stimmzettel,

d) die ungültigen Stimmzettel, die in abgesonderten Umschlägen mit entsprechenden Aufschriften zu verpacken sind,

e) die gültigen Stimmzettel, wobei jene für die Wahl des Gemeinderates nach Wählergruppen und innerhalb dieser nach Stimmzetteln mit und ohne Bezeichnung eines Wahlwerbers und jene für die Wahl des Bürgermeisters nach Wahlwerbern in abgesonderten Umschlägen mit entsprechenden Aufschriften zu verpacken sind,

f) die nicht zur Ausgabe gelangten amtlichen Stimmzettel, die ebenfalls in einem Umschlag mit entsprechender Aufschrift zu verpacken sind.

(4) Die Niederschrift ist von den anwesenden Mitgliedern der Wahlbehörde zu unterfertigen. Wird sie nicht von allen anwesenden Mitgliedern unterfertigt, so ist der Grund hiefür anzugeben.

(6) Die Niederschrift samt ihren Beilagen bildet den Wahlakt der Wahlbehörde."

4. Der Verfassungsgerichtshof vertritt für das Wahlanfechtungsverfahren in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die von der Wählergruppe (Partei) behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in der Anfechtungsschrift hinreichend substantiiert werden muss (vgl. VfSlg. 9650/1983, 10226/1984, 11255/1987, 14556/1996; s. auch VfGH 4.12.1997 WI-8/96). Die oben unter Pkt. II.1. wiedergegebenen Behauptungen entsprechen diesem Erfordernis nicht. Daher ist darauf nicht weiter einzugehen. Im Übrigen haben es auch die auf Vorschlag der Anfechtungswerberin in die jeweilige Wahlbehörde berufenen Beisitzer (Ersatzmitglieder) unterlassen, die nunmehr in der Anfechtungsschrift behaupteten Unregelmäßigkeiten gegenüber den anderen Mitgliedern der Wahlbehörde schon während des Wahlvorganges aufzuzeigen (vgl. VfSlg. 4882/1964, 14556/1996).

5. Die Wahlanfechtung war daher als unbegründet abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:WI5.1998

Dokumentnummer

JFT_10018788_98W00I05_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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