TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/19 2000/20/0318

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Veröffentlicht am 19.12.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §30 Abs1;
AsylG 1997 §6 Z4;
AsylG 1997 §6;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des am 1. Jänner 1971 geborenen A in W, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Juni 2000 (mündlich verkündet am 21. Juni 2000), Zl. 203.361/10-II/04/00, betreffend § 6 Z 4 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 16. November 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte einen am 20. November 1995 beim Bundesasylamt eingelangten (schriftlichen) Antrag auf Gewährung von Asyl, den er bei seiner Vernehmung am 19. Dezember 1995 wie folgt näher begründete:

"Ich bin seit 1992 Mitglied der Pakistan Muslim Liga (PML) und hatte deswegen Schwierigkeiten in meiner Heimat.

(...)

Am 5.11.1994 fand in Lahore eine Versammlung der PML statt, im Zuge dieser Versammlung kam es zur Auseinandersetzungen mit den Mitgliedern der Pakistan Peoples Party (PPL), welche die Versammlung störten und auf die Teilnehmer geschossen haben. Die Polizei schritt ein und löste die Versammlung auf.

Am 5.9.1995 kam es anlässlich einer ähnlichen Versammlung wieder zu Ausschreitungen zwischen den Mitgliedern der PPP und PML. Die Polizei schritt wieder ein und verhaftete 5 Personen darunter auch mich. Ich war bis 29.10.1995 in Haft. Die Polizei wollte von mir Namen und Adressen von anderen PML-Mitgliedern wissen. Während meiner Haftzeit kam es zu einer Gerichtsverhandlung, cirka 15 Tage nach meiner Verhaftung, ich wurde jedoch nicht schuldig gesprochen oder sonst irgendwie verurteilt. Ich glaube daß meine Haftentlassung gegen Kaution abgelehnt wurde. Nach meiner Entlassung am 29.10.1995 habe ich beschlossen, meine Heimat zu verlassen ..."

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1995 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass polizeiliche Maßnahmen wie die Festnahme und die Anhaltung von Teilnehmern an verbotenen Demonstrationen keine Verfolgungshandlungen im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 darstellten.

In seiner dagegen erhobenen Berufung vom 8. Jänner 1996 führte der Beschwerdeführer unter anderem aus:

"Tatsache ist, daß gegen mich ein Bericht an das Gericht über die polizeilichen Erhebungen ... existiert, welchen ich in Kopie diesem Berufungsantrag beilege. Darin ist ersichtlich, daß der erhobene Vorwurf das Organisieren von politischen Konferenzen ist, daß es sich dabei um die typischen Vorwürfe im Zuge politischer Verfolgung gegen politisch Oppositionelle handelt. Dies habe ich in der Einvernahme dargetan, doch es wird im angefochtenen Bescheid unterdrückt, verschwiegen.

Wahrscheinlich ist der normalerweise zu erwartende Haftbefehl mittlerweile auch schon ausgestellt.

Bei einer Rückkehr in mein Heimatland hätte ich mit der sofortigen Verhaftung zu rechnen. Da ich Mitglied der von der pakistanischen Regierung bekämpften Muslim Liga bin, kann ich in Pakistan kein ordentliches Gerichtsverfahren erwarten, sondern würde nach meiner Verhaftung tot aufgefunden werden. Typischerweise würde es dann heißen, ich sei 'auf der Flucht erschossen worden'. So ist es bereits vielen Mitgliedern der Muslim Liga (ergangen).

Nach einer etwaigen Rückkehr nach Pakistan hätte ich zu gegenwärtigen, festgenommen und wie andere Mitglieder der politischen Opposition gefoltert und getötet zu werden.

Ich hätte nach der in Pakistan gepflogenen Vorgangsweise gegen politisch Andersgesinnte keinerlei Chance, den gegen mich erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen in einem auch nur den Mindestanforderungen an die Justizförmlichkeit entsprechenden Gerichtsverfahren entgegenzutreten."

Mit Bescheid vom 15. Februar 1996 wies der Bundesminister für Inneres den Asylantrag (in Erledigung der Berufung) gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 des Asylgesetzes 1991 "ab".

Die gemäß § 44 Abs. 2 AsylG in Verbindung mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1998, Zl. 96/20/0446, zur Entscheidung zuständig gewordene belangte Behörde richtete am 7. Oktober 1998 an den Beschwerdeführer folgende Verfahrensanordnung:

"In Angelegenheit Ihrer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes v. 20.12.1995 ... erhobenen Berufung ... ergeht

... die Aufforderung, binnen vier Wochen ... glaubhaft zu machen

..., daß Ihnen, der Sie behauptet haben, wegen ihrer Mitgliedschaft in der Pakistan-Muslim-Liga in Pakistan von asylrelevanter Verfolgung bedroht zu sein, nunmehr noch, dass heißt nach dem Sieg Ihrer Partei bei den Wahlen v. 3.2.1997, 'Verfolgung' iSd. § 7 AsylG drohe."

Der Beschwerdeführer machte von dieser Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme keinen Gebrauch, sodass die belangte Behörde die Berufung mit dem Bescheid vom 19. November 1998 gemäß § 7 AsylG abwies.

Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil die Berufungsbehörde - ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen - eigene Ermittlungen zur (mittlerweile) geänderten politischen Lage in Pakistan vorgenommen und daraus gewonnene neue Sachverhaltsfeststellungen getroffen hatte. In der Beschwerde, über die dieses Erkenntnis erging, hatte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin modifiziert, dass er einer von der PML abgespaltenen Gruppe angehöre, die zur Regierung unter dem von der PML gestellten Ministerpräsidenten Nawez Sharif in Opposition stehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag nunmehr nach § 6 Z 4 AsylG ab. Der Beschwerdeführer sei zur mündlichen Berufungsverhandlung am 21. Juni 2000 trotz nachweislicher Zustellung der Ladung an den Zustellungsbevollmächtigten am 29. Mai 2000 ohne Angabe von Gründen nicht gekommen. In der in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführten Berufungsverhandlung seien mehrere, näher bezeichnete Berichte zur aktuellen politischen Lage in Pakistan "eingeführt" worden. Nach teilweiser Wiedergabe eines Berichtes der österreichischen Botschaft in Islamabad vom 10. November 1999, wonach die Machtübernahme durch General Pervez Musharraf (Mitte Oktober 1999) im ganzen Land, einschließlich der gesamten Anhängerschaft der PPP und der "Masse" der PML-Anhänger, Zustimmung gefunden habe, führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zusammenfassend aus, auch die übrigen Unterlagen ließen eine gegenwärtige Verfolgung von - nicht dem allerengsten Kreis um Nawez Sharif angehörenden - Anhängern der PML nicht erkennen.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe durch sein unentschuldigtes Fernbleiben von der Berufungsverhandlung im Sinne des § 6 Z 4 AsylG "an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht ..... mitgewirkt." Der Tatbestand dieser Gesetzesstelle sei damit erfüllt, zumal der Beschwerdeführer in der ihm zugegangenen Ladung auf diese Rechtsfolge ausdrücklich hingewiesen worden sei. Im übrigen habe er es bereits unterlassen, in den beiden "früheren Berufungsrechtsgängen" mitzuwirken. Auch ein "sonstiger Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat" im Sinne des Einleitungssatzes des § 6 AsylG sei im Entscheidungszeitpunkt nach den erwähnten Unterlagen nicht erkennbar. Wenn schon keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung von Angehörigen der PML-N, also der Partei des am 12. Oktober 1999 aus dem Amt des Ministerpräsidenten gedrängten Nawez Sharif (außer von Personen im allerengsten Kreis um ihn), vorlägen, gebe es noch weniger Grund, gegenwärtig eine Verfolgung von Angehörigen einer von Sharif abgespaltenen und in Opposition zu diesem gestandenen Gruppe anzunehmen. Der Asylantrag sei somit als "offensichtlich unbegründet" abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorweg ist zu der Erklärung des Beschwerdeführers vom 25. Juli 2001 gegenüber dem Bundesasylamt, wonach er den Asylantrag mit sofortiger Wirkung zurückziehe, Stellung zu nehmen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens - mag auch das Verfahren über eine diesbezügliche Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof noch nicht erledigt sein - kann zwar eine solche Zurückziehung des Asylantrages nicht mehr rechtswirksam erklärt werden (vgl. dazu und auch zu den weiteren Ausführungen das hg. Erkenntnis vom 26. April 2001, Zl. 2000/20/0022, mwN). Eine derartige Erklärung ist aber - mangels gegenteiliger Äußerung - regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Beschwerdeführer kein (rechtliches) Interesse mehr an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die von ihm erhobene Beschwerde hat (vgl. etwa zuletzt den hg. Beschluss vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0455). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer dieser Annahme in der ihm ermöglichten (von seinen Rechtsvertreterinnen verfassten) Stellungnahme - auf die trotz Versäumung der eingeräumten Frist Bedacht zu nehmen ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 500 ff zu § 45 AVG, wiedergegebene hg. Rechtsprechung) - aber mit näherer Begründung entgegengetreten, sodass trotz der erwähnten Erklärung des Beschwerdeführers nicht von der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auszugehen und das Verfahren entgegen der in der Stellungnahme der belangten Behörde vom 15. November 2001 vertretenen Meinung und entgegen dem Antrag der belangten Behörde vom 27. August 2001 nicht einzustellen, sondern über die Beschwerde meritorisch zu entscheiden ist.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung - unter Abstandnahme von Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgebrachten Fluchtgründen (und einer diesbezüglichen Beweiswürdigung) - ausschließlich mit der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 6 Z 4 AsylG begründet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verletzt es den Asylwerber nicht in seinen Rechten, wenn die Abweisung des Asylantrages in einem Fall wie dem vorliegenden erstmals im Berufungsverfahren auf § 6 AsylG gestützt wird (vgl. das Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zlen. 98/20/0508, 0509, in dem auf das zu § 4 AsylG ergangene Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0165, verwiesen wird; vgl. auch das die erstmalige Anwendung des § 6 Z 3 AsylG im Berufungsverfahren behandelnde Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/01/0417).

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Das ist nach der von der belangten Behörde herangezogenen Z 4 leg.cit. der Fall, wenn - ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat - die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde zu § 6 AsylG ausgeführt, ein Asylantrag solle "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann". Die Regelung orientiere sich an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und 1. Dezember 1992, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet gelte, wenn eindeutig keines der wesentlichen Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt sei; dies sei nach dieser Entschließung der Fall, wenn die Behauptung des Asylwerbers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehre oder der Antrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruhe oder einen Missbrauch des Asylverfahrens darstelle. In diesem Sinne sei auch im Beschluss Nr. 28 (XXXIII) des UNHCR-Exekutivkomitees (1982) ausgeführt worden, es sollten Überlegungen angestellt werden, um zu gewährleisten, dass derartige Entscheidungen nur getroffen würden, wenn der Antrag in betrügerischer Absicht gestellt worden sei oder sich nicht auf die in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Kriterien für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft beziehe. In Bezug auf § 6 Z 4 AsylG wird in den Erläuterungen noch hervorgehoben, "vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck dieser Bestimmung" sei sie nur dann heranzuziehen, wenn die Verweigerung der Mitwirkung den Schluss zulasse, dass der Asylantrag missbräuchlich gestellt worden sei (686 BlgNR 20. GP 19). Die trotz einer entsprechenden Aufforderung - gegenüber der Unmöglichkeit der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts wegen Abwesenheit des Asylwerbers, die nach § 30 Abs. 1 AsylG lediglich die (vorläufige) Verfahrenseinstellung zur Folge hat - qualifizierte Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Partei nach § 6 Z 4 AsylG, die zur Abweisung des Asylantrages führen kann, muss demnach die Annahme rechtfertigen, der Asylantrag entbehre eindeutig jeder Grundlage.

Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer der Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 21. Juni 2000 keine Folge geleistet hat, kann aber im gegenständlichen Fall entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht der Schluss gezogen werden, § 6 Z 4 AsylG sei erfüllt. Die belangte Behörde hat das Vorliegen von (sonstigen) Hinweisen auf eine, dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zuzurechnende mögliche Verfolgungsgefahr im Sinne des Einleitungssatzes des § 6 AsylG unter Bezugnahme auf die geänderte politische Lage in Pakistan zwar verneint (vgl. zu dieser Voraussetzung für die Anwendung des § 6 Z 4 AsylG das bereits zitierte Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zlen. 98/20/0508, 0509), wobei es für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob diese Argumentation - im Ergebnis bedeutet sie die Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention - überhaupt in § 6 AsylG Deckung findet (vgl. in diesem Zusammenhang das die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung wiedergebende Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496, sowie das zu § 6 Z 3 AsylG ergangene Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0214, jeweils mwN; andererseits das Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0320). Sie hat in ihrer Entscheidung mit der Wiedergabe des Hinweises in der Ladung, wonach ein Fernbleiben von der Verhandlung nur mit Kostenfolgen verbunden sei, wenn (u.a.) "nicht § 6 Z 4 AsylG (Abweisung Ihres Asylantrages als offensichtlich unbegründet) zur Anwendung gelangt", aber nicht dargetan, dass der Beschwerdeführer eine "Aufforderung" im Sinne dieser Bestimmung erhalten habe (vgl. in diesem Zusammenhang Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, 1999, Rz 303), und im angefochtenen Bescheid auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung überhaupt noch von Sachverhaltselementen abhing, zu deren Klärung es der weiteren Mitwirkung des Beschwerdeführers bedurfte.

Was den zuletzt genannten Gesichtspunkt anlangt, so ist der belangten Behörde zwar grundsätzlich beizupflichten, dass grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen können, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten. An der Verpflichtung zur vollständigen Ermittlung dieser von der belangten Behörde relevierten Umstände ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer dazu keine Stellungnahme erstattet hatte und an der Berufungsverhandlung nicht teilnahm. Der Mitwirkungspflicht kommt vielmehr nur dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0246, mwN).

Dies trifft auf die Ermittlung der geänderten politischen Verhältnisse in Pakistan im vorliegenden Fall nicht zu, was sich schon daran zeigt, dass die Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers und darauf gegründete Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur - bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt - aktuellen Lage in Pakistan auch ohne jede Mitwirkung des Beschwerdeführers möglich waren. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2001

Schlagworte

Allgemein Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Parteiengehör Rechtliche Würdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200318.X00

Im RIS seit

11.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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