TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/31 2001/15/0063

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Veröffentlicht am 31.01.2002
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

EStG 1988 §22 Z2;
FamLAG 1967 §41 Abs2;
FamLAG 1967 §41 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. U. Zehetner, über die Beschwerde der F Gesellschaft mbH in S, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Juni 2000, GZ. RV/329-06/11/99, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschlag für die Jahre 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom 9. März 1998 u.a. Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen nach § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nach § 57 Abs. 4 und 5 Handelskammergesetz aus den ihrem wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer für die Jahre 1994 bis 1996 gewährten Vergütungen samt den hiemit verbundenen Säumniszuschlägen vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass der Geschäftsführer mit der Beschwerdeführerin einen "freien Dienstvertrag" abgeschlossen habe. Der Geschäftsführer sei an keine feste Arbeitszeit und keinen festen Arbeitsplatz gebunden. Es bestehe kein Anspruch auf ein bestimmtes Urlaubsausmaß oder ähnliche dienstnehmerabhängige Rechte. Weiters bestehe kein Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf eine etwaige Abfertigung. Der zu 99 % an der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer stehe weder unter der Leitung eines übergeordneten Organs, noch habe er Weisungen von irgend einer Seite zu befolgen; er könne sich vertreten lassen. Der Geschäftsführer erhalte ein Pauschalentgelt, bei dessen Bemessung neben dem erforderlichen Zeitaufwand und der Verantwortlichkeit eine besondere Erfolgskomponente zu berücksichtigen sei, die gegebenenfalls zu einer Rückzahlung des gesamten bereits erhaltenen Geschäftsführerbezuges führen könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und festgestellt, dass aus dem zwischen der Beschwerdeführerin und dem Geschäftsführer geschlossenen "freien Dienstvertrag" hervorgehe, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei, Ordnungsvorschriften für die Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zu erlassen und deren Einhaltung zu überwachen, sowie dass dem Geschäftsführer die Führung des Unternehmens obliege. Er sei berechtigt, in den Angelegenheiten, die nicht unmittelbar die Geschäftsführung betreffen, Vertretungen zu bestellen. Für seine Tätigkeit erhalte der Geschäftsführer ein Pauschalentgelt, dessen Höhe dem Leistungsumfang zu entsprechen habe und als angemessen anzusehen sei. Bei der Bemessung sei neben dem erforderlichen Zeitaufwand auch die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers zu berücksichtigen. Als Erfolgskomponente gelte als vereinbart, dass als Obergrenze für den Jahresbezug 10 % vom jeweiligen "Cash flow" festgelegt werde. Sollte sich nach Erstellung des Jahresabschlusses der Umstand ergeben, dass die bereits empfangenen Beträge diese Obergrenze überstiegen hätten, so bestünde für den übersteigenden Betrag für den Geschäftsführer diesbezüglich eine Rückzahlungsverpflichtung. Weiters verpflichte sich die Beschwerdeführerin, alle bei der Verwirklichung der dem Geschäftsführer übertragenen Aufgaben erwachsenden Auslagen zu ersetzen, insbesondere zu einem Ersatz der Kosten für Geschäftsreisen.

Tatsächlich habe der Geschäftsführer eine Vergütung in Höhe von 600.000 S jährlich erhalten. Im Ergebnis vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die Beschäftigung des Geschäftsführers ungeachtet seiner gleichzeitigen Eigenschaft als zu 99 %  beteiligter Mehrheitsgesellschafter mit Ausnahme der Weisungsgebundenheit sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses im Sinn des § 47 Abs. 2 EStG 1988 aufweise. Aus seiner Geschäftsführertätigkeit erziele der Gesellschafter-Geschäftsführer demnach Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988, weshalb er im Sinn der Bestimmung des § 41 Abs. 2 FLAG in der ab dem Jahr 1994 anzuwendenden Fassung Dienstnehmer sei. Dies habe die Pflicht der Beschwerdeführerin ausgelöst, von den Bezügen des Geschäftsführers den Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag abzuführen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Beschäftigung des Mehrheitsgeschäftsführers "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG)" nicht aufweise.

Den am 14. Dezember 2000 vom Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellten Antrag auf Aufhebung bestimmter, im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommender, gesetzlicher Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2001, G 148/00 u.a., als unzulässig zurückgewiesen, weil er über die vorgetragenen Bedenken bereits in einem anderen Verfahren mit dem Erkenntnis vom 7. März 2001, G 110/00, unter Verweis auf das Erkenntnis vom 1. März 2001, G 109/00, entschieden hatte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Auslegung der in der Vorschrift des § 41 Abs. 2 und 3 FLAG angeführten Bestimmungen des § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 nach der Abweisung der vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Anfechtungsanträge durch den Verfassungsgerichtshof sei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hg. Erkenntnisse vom 23. April 2001, Zl. 2001/14/0054, und 2001/14/0052, vom 10. Mai 2001, Zl. 2001/15/0061, und vom 18. Juli 2001, Zl. 2001/13/0063, verwiesen. Wie den Gründen der genannten Erkenntnisse entnommen werden kann (§ 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG), werden Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 vom wesentlich beteiligten Geschäftsführer einer GesmbH dann erzielt, wenn - bezogen auf die tatsächlich vorzufindenden Verhältnisse - feststeht,

-

dass der Gesellschafter-Geschäftsführer zufolge kontinuierlicher und über einen längeren Zeitraum andauernder Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung in den Organismus des Betriebes seiner Gesellschaft eingegliedert ist,

-

dass ihn unter Bedachtnahme auf die Einnahmen- bzw. Ausgabenschwankungen kein ins Gewicht fallendes Unternehmerwagnis trifft und

-

dass er eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche Entlohnung erhält.

Der Beurteilung der belangten Behörde, der Gesellschafter-Geschäftsführer sei in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft eingegliedert, einem auf die Geschäftsführungstätigkeit bezogenen Unternehmerwagnis nicht ausgesetzt und werde laufend entlohnt, haftet auf dem Boden der von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit an.

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2001, G 109/00, wird unter Anführung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf hingewiesen, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Anzeichen für ein Dienstverhältnis seien, im Fall der - auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden - Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsungebundenheit ihre Indizwirkung zur Bestimmung des durch eine Mehrzahl von Merkmalen gekennzeichneten Typusbegriffes des steuerlichen Dienstverhältnisses verlieren, gehören vor allem eine feste Arbeitszeit, ein fester Arbeitsort, die arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Tätigkeit, Anwendbarkeit typischer arbeitsrechtlicher Vorschriften, wie Arbeits- und Urlaubsregelung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 12. September 2001, Zl. 2001/13/0180, und vom 19. Dezember 2001, Zl. 2001/13/0242, mwN). Das Beschwerdevorbringen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer keinen arbeitsrechtlichen Schutz genieße, vor allem hinsichtlich eines 13. und 14. Monatsgehaltes, hinsichtlich Abfertigungsansprüchen und Mindestentlohnung, hinsichtlich Vorrechte im Konkurs und eines Insolvenzausfallgeldes, ist demnach unerheblich. Gleiches gilt für die Möglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführer, die Arbeitszeit frei einzuteilen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 2001/13/0104).

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sich der Gesellschafter-Geschäftsführer vertreten lassen könne, ist dem entgegen zu halten, dass es nicht unüblich ist und einem Dienstverhältnis nicht entgegensteht, wenn sich leitende Angestellte, insbesondere Geschäftsführer, bei bestimmten Verrichtungen vertreten lassen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 2001/13/0197).

Auf die umfangreichen Ausführungen in der Beschwerde, dass mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein freier Dienstvertrag abgeschlossen worden sei, genügt es darauf hinzuweisen, dass es auf die zivilrechtliche Einstufung der Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit als Geschäftsführer nicht ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 2001/13/0151, mwN).

Die zum Bestehen eines Unternehmerwagnisses in der Beschwerde angeführten gesetzlichen Haftungsrisken im Zusammenhang mit einer schuldhaften Verletzung der Geschäftsführerpflichten (vor allem der §§ 9 und 80 BAO) begründen kein bedeutsames Unternehmerwagnis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, Zl. 2001/13/0203); sie treffen auch jenen Geschäftsführer, der in einem "klassischen" Dienstverhältnis zur GesmbH steht.

Ob bzw. in welcher Ausprägung im einzelnen Fall die maßgeblichen Kriterien, wie etwa das Unternehmerwagnis vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage. Auf die besonderen Schwierigkeiten der Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes, die sich bei den in Rede stehenden Leistungsverhältnissen insbesondere aus dem hier häufig vorzufindenden Umstand des Selbstkontrahierens ergeben, hat der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis vom 1. März 2001, G 109/00, hingewiesen. Dieser Gesichtspunkt hat zur Folge, dass bei der Sachverhaltsfeststellung, um dem Objektivierungserfordernis hinreichend Rechnung zu tragen, der nach außen in Erscheinung tretenden tatsächlichen Abwicklung der Leistungsbeziehung die wesentliche Bedeutung beizumessen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2001, Zl. 2001/14/0115). Das Vorliegen eines bedeutsamen Unternehmerrisikos hat die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht ausgeschlossen, weil über den gesamten Zeitraum von 1994 bis 1996 gleich bleibende jährliche Geschäftsführervergütungen ausbezahlt worden sind. In welchem Umfang die von der Beschwerde herangezogene Obergrenze der Geschäftsführervergütung, deren Überschreiten im Nachhinein eine Rückzahlungsverpflichtung zur Folge hätte, in der tatsächlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens für den Gesellschafter-Geschäftsführer schlagend geworden wäre (oder vernünftigerweise hätte werden können), hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan.

Ausgabenseitig ist die belangte Behörde unbestritten davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin dem Geschäftsführer sämtliche Auslagen zu ersetzen hat.

Somit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 31. Jänner 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001150063.X00

Im RIS seit

23.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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