TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/19 2000/05/0059

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Veröffentlicht am 19.06.2002
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §94;
BauO NÖ 1996 §14 Abs2;
BauO NÖ 1996 §14 Z2;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §15 Abs1 Z15;
BauO NÖ 1996 §15;
BauO NÖ 1996 §16;
BauO NÖ 1996 §35 Z2;
BauO NÖ 1996 §35 Z3;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Ludwig Steinböck in Kirchbach, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Februar 2000, Zl. RU1-B-9919/00, betreffend Antrag auf Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages (mitbeteiligte Partei:

Kurt Krist in Unterkirchbach, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in Wien I, Biberstraße 10/9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 6/2, KG Kirchbach. In nördlicher Richtung schließt daran das Grundstück Nr. 6/1 an, auf dem sich Wohn- und Betriebsgebäude des mitbeteiligten Projektwerbers bzw. seiner Familie befinden. Ostseitig werden beide Grundstücke Nr. 6/1 und Nr. 6/2 von einem 7 m breiten Bach begrenzt, am anderen Ufer befindet sich das Grundstück Nr. 142/1, welches Teil des Gewerbebetriebes des Mitbeteiligten ist. Gegenstand dieses Gewerbebetriebes ist unter anderem die Güterbeförderung sowie der Handel mit Holz und Baustoffen. Der nördliche Teil des Grundstückes Nr. 142/1 liegt im Bauland, Widmungsart Kerngebiet, während der südliche Teil im Grünland, Widmungsart Land- und Forstwirtschaft, gelegen ist.

Am 12. November 1998 zeigte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln (im Folgenden: BH) bezugnehmend auf ein bereits anhängiges gewerbebehördliches Genehmigungsverfahren die Errichtung eines Abstellplatzes im Ausmaß von etwa 9 m x 27 m für maximal zwei LKW, allenfalls mit zwei Anhängern, oder aber für fünf Anhänger, auf dem nördlichen Teil des Grundstücks Nr. 142/1 an. Der Anzeige waren ein Plan und eine Baubeschreibung beigeschlossen. Demnach war beabsichtigt, die Stellfläche auf einer Tiefe von 10 m, gemessen von der Grenze zum öffentlichen Gut, mit Bitukies (Asphalt) standfest und staubfrei auszubilden. Die weitere Fläche des Stellplatzes (Resttiefe ca. 17 m) sollte mit Gradermaterial standfest ausgebildet werden. Auf Grund der Neigungsverhältnisse sei sichergestellt, dass der Wasserübertritt des durch Niederschlag auftretenden Oberflächenwassers auf eine Verkehrsfläche hintangehalten werde. Den Unterlagen ist ein Mindestabstand zwischen dem Abstellplatz und der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers von ca. 95 m zu entnehmen.

Eine Untersagung dieses Vorhabens erfolgte nicht.

Am 4. Mai 1999 beantragte der Beschwerdeführer bei der BH die Einleitung eines baubehördlichen Bewilligungs- oder Entfernungsverfahrens hinsichtlich des Abstellplatzes. Die LKW-Züge in den Planunterlagen seien zu klein gezeichnet, das Grundstück in Wahrheit als Abstellplatz für zwei LKW nicht geeignet, weil dadurch eine Zufahrt zur Säge und zum Geräteschuppen nicht mehr gegeben sei. Folglich würden die von den Schwerfahrzeugen ausgehenden Emissionen (Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung) in Richtung des Grundstückes des Beschwerdeführers verlagert, insbesondere würden sich Rangiervorgänge auf sein Grundstück auswirken. Im Übrigen widerspreche das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan. Dem Antrag angeschlossen war eine an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gerichtete Stellungnahme der Ehegatten S, welche diese in dem bei diesem Bundesministerium anhängigen gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren erstattet hatten. Darin wurde auch vorgebracht, dass der Mitbeteiligte unter anderem einen Sand- und Schotterhandel betreibe.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1999 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Einleitung eines baubehördlichen Bewilligungsverfahrens auf Grund fehlender Antragslegitimation des Beschwerdeführers zurück. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer zum Antrag auf Durchführung eines Entfernungsverfahrens mitgeteilt, dass die BH auf Grund eines lärmtechnischen, eines luftreinhaltetechnischen sowie eines medizinischen Gutachtens aus dem gewerbebehördlichen Verfahren der Ansicht sei, dass keine Sicherungsmaßnahmen zum Immissionsschutz erforderlich seien. Diese Gutachten wurden dem Beschwerdeführer übermittelt und es wurde ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gegeben.

Diese Gutachten liegen dem Verwaltungsgerichtshof nicht vor; es handelt sich offenbar um jene Gutachten, die im vorgelegten Bescheid der belangten Behörde im Gewerbeverfahren vom 2. Februar 1999 wiedergegeben sind. Das lärmtechnische Gutachten ging von Messungen vor drei Wohnhäusern (Entfernung vom Zentrum des Abstellplatzes 5, 20 bzw. 105 m) aus, wobei auf dem Abstellplatz mit einem LKW Betriebsgeräusche simuliert wurden. Das umwelttechnische Gutachten enthielt lediglich Aussagen zur Schadstoffbelastung , nicht jedoch hinsichtlich der Geruchs- und der Staubbelastung. Der medizinische Sachverständige zog daraus unter Heranziehung von in den ÖAL-Richtlinien Nr. 3 und Nr. 6/18 für die Widmungsart Bauland-Kerngebiet normierten Grenzwerten zusammengefasst den Schluss, dass beim nächstgelegenen, vom Zentrum des Abstellplatzes 5 m entfernten Wohnhaus Kl. die durch das Vorhaben verursachten Schallereignisse nicht zu erheblichen Belästigungen mit Störung des Wohlbefindens führten. Bezüglich der Luftschadstoffe Kohlenmonoxid, Gesamtkohlenstoff, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Ruß führte er aus, dass die WHO-Grenzwerte nicht erreicht würden. Zu den medizinischen Auswirkungen der Geruchsbelästigung könne er mangels Grundlagen im luftreinhaltetechnische Gutachten keine Aussagen treffen, im Zuge eines Lokalaugenscheines hätten keine Geruchsimmissionen wahrgenommen werden können. Zur Staubbelastung führte auch der medizinische Sachverständige nichts aus.

In seinem Schreiben vom 12. Juli 1999 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, nahm aber zu den Gutachten nicht konkret Stellung. Er machte darin insbesondere geltend, dass der Mitbeteiligte eigenmächtig auf dem rückseitigen (dem Beschwerdeführer näheren) Teil des Grundstückes außerhalb des angezeigten Projektes eine Umkehre errichtet hätte, die geschottert sei, aber keine staubfreie Befestigung enthalte.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1999 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung eines baubehördlichen Entfernungsverfahrens, gestützt auf die Ergebnisse des gewerbebehördlichen Verfahrens, ab. Es sei keines der im § 35 Abs. 2 letzter Satz BO genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt, sodass ein Abbruchauftrag nicht in Betracht komme.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er insbesondere auch die Verlagerung in den rückwärtigen Grundstücksteil rügte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Ein Abstellplatz sei nach § 15 Abs. 1 Z. 15 BO lediglich anzeigepflichtig. Die im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren abgegebenen lärmtechnischen, luftreinhaltetechnischen und medizinischen Sachverständigengutachten hätten unwidersprochen ausgeführt, dass durch die verfahrensgegenständlichen Abstellflächen keine unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn zu erwarten sein würden. Daher sei die Anlage im Bauland-Kerngebiet zulässig und die Erstattung einer Bauanzeige ausreichend. Eine Parteistellung der Nachbarn bei der Behandlung anzeigepflichtiger Vorhaben sei nicht vorgesehen. Umso weniger könne dies in einem sich aus einem Anzeigeverfahren ergebenden Bauauftragsverfahren der Fall sein. Die bloße Konsenslosigkeit oder Konsenswidrigkeit eines Bauzustandes reiche nicht aus, um dem Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu verschaffen, es müsse auch eine konkrete Verletzung seiner Rechte vorliegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die mitbeteiligte Partei auf Grund des in der Beschwerde dargestellten Beschwerdepunktes die Zurückweisung der Beschwerde fordert, ist ihr zu entgegnen, dass es der Verwaltungsgerichtshof für ausreichend erachtet hat, wenn der Inhalt der Beschwerde insgesamt klar erkennen lässt, in welchem subjektiven Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet (s. etwa das Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0185). Aus dem Inhalt der Beschwerde lässt sich unzweifelhaft entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten auf Abbruch von den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung und des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes widersprechenden Baulichkeiten verletzt erachtet.

Im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Antragstellung auf Erlassung eines Entfernungsauftrages galt die Niederösterreichische Bauordnung 1996 in der Fassung der Kundmachung LGBl. Nr. 8200-2. Diese Fassung findet hier Anwendung, da die am 17. September 1999 in Kraft getretene Novelle LGBl. Nr. 8200-3 eine Übergangsbestimmung mit dem Inhalt enthielt, dass in diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage fortzuführen seien.

Davon ausgehend haben gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO in Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 BO die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben oder von diesem durch eine öffentliche Verkehrsfläche, ein Gewässer oder einen Grüngürtel mit einer Breite bis zu 14 m getrennt sind (Nachbarn), Parteistellung. Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in § 6 Abs. 2 BO erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. § 6 Abs. 2 BO lautet:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Die Nachbareigenschaft des Beschwerdeführers nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO ergibt sich eindeutig aus der Lage seines Grundstücks und wird weder von der belangten Behörde noch vom Mitbeteiligten in Frage gestellt. Gegenstand des angefochtenen Bescheides war der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines "Entfernungsauftrages", also eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 35 BO.

Der Beschwerdeführer macht vom Abstellplatz ausgehende Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen, somit Immissionen nach § 6 Abs. 2 Z. 2 BO geltend.

Die weiteren im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmung

der BO lauten:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

(...)

3. Bauwerk: ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist;

4. bauliche Anlagen: alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind;

(...)

§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1.

Neu- und Zubauten von Gebäuden;

2.

die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

(...)

§ 15

Anzeigepflichtige Vorhaben

(1) Folgende Vorhaben sind mindestens 8 Wochen vor dem Beginn ihrer Ausführung der Baubehörde schriftlich anzuzeigen:

(...)

15. die regelmäßige Verwendung eines Grundstückes oder -teils im Bauland als Stellplatz für ein Fahrzeug oder einen Anhänger;

(...)

§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesonders die Räumung von Gebäuden oder deren Teilen anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

(...)

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

( das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder ( der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung

erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Für andere Vorhaben gilt Z. 3 sinngemäß.

(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten.

§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

1.

das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;

2.

Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Bauwerke und deren Benützung verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen auswirken. Die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart ist dabei zu berücksichtigen."

§ 16 Abs. 1 Z. 2 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl. 8000-10 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0073) lautet:

"§ 16

Bauland

(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:

(...)

2. Kerngebiete, die für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Wohngebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen;

(...)"

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/05/0835, zu dem neben § 35 BO in § 6 Abs. 1 BO gleichfalls aufgezählten § 33 Abs. 2 BO ausgesprochen, dass der Nachbar in einem solchen Verfahren Parteistellung (Anspruch auf Entscheidung) hat, wenn er wegen der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 2 BO) die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages beantragt hat (s. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6 (2001), S. 396, Anm. 12 zu § 33 BO).

Dass die vom Beschwerdeführer reklamierten Rechte durch den gegenständlichen Abstellplatz gar nicht berührt würden, eine Verletzung also gar nicht möglich erscheint, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Damit ist der Beschwerdeführer im gegenständlichen baupolizeilichen Verfahren jedenfalls Partei.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zunächst damit begründet, dass es sich bei dem Abstellplatz lediglich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben nach § 15 Abs. 1 Z. 15 BO handle und die vom Mitbeteiligten erstattete Anzeige zur Kenntnis genommen worden sei. Der Beschwerdeführer behauptet hingegen, es handle sich um ein bewilligungspflichtiges Vorhaben nach § 14 Z. 2 BO.

Die fachgerechte Herstellung einer standfesten Fläche im Ausmaß von 243 m2, wovon 90 m2 mit Asphalt bedeckt werden, wobei diese Fläche zum Einstellen von LKW dienen soll, erfordert ohne Zweifel ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Juni 1994, Zl. 94/06/0105, und vom 23. April 1991, Zl. 88/05/0129). Der Mitbeteiligte hat in der Anzeige selbst darauf hingewiesen, dass es auf die Neigung der asphaltierten Fläche ankomme, um ein Abfließen des Regenwassers in Richtung Grundstücksmitte zu gewährleisten.

Somit handelt es sich bei dem Vorhaben um ein Bauwerk im Sinne der Definition des § 4 Z. 3 BO. Daraus folgt aber, da die Möglichkeit einer Verletzung von Nachbarrechten von der belangten Behörde nicht verneint wurde, im Sinne des Beschwerdevorbringens eine Bewilligungspflicht nach § 14 Z. 2 BO. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anzeigepflicht des § 15 zum Großteil für Vorhaben besteht, die nicht als traditionelle Bauvorhaben gelten. § 15 Abs. 1 Z. 15 BO spricht aber dementsprechend lediglich von einer Verwendung des Grundstückes als Stellplatz. Eine bloße Verwendung liegt jedoch nicht mehr vor, wenn ein Bauwerk nach § 4 Z. 3 errichtet wird (vgl. Hauer/Zaussinger, aaO, S. 235, Anm. 3 zu § 14 BO; S. 250, Anm. 17 zu § 15 BO).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 93/05/0139, zur Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 die Ansicht vertreten, dass im Falle der unrichtigen Beurteilung der Bewilligungspflicht eines nach § 94 leg. cit. angezeigten Bauvorhabens durch die Baubehörde oder eines späteren Hervorkommens der Baubewilligungspflicht eines angezeigten Bauvorhabens dennoch baupolizeiliche Maßnahmen zulässig sind. Dies gilt auch für den durch das Inkrafttreten der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 neu geschaffenen Anzeigentyp des § 15 BO (§ 16 BO entspricht dem § 94 NÖ. BauO 1976). Denn der Erstattung einer Bauanzeige bzw. deren Kenntnisnahme durch die Baubehörde kommt auch nach der Bauordnung 1996 jedenfalls keine Bescheidqualität zu, sodass keine bindende Entscheidung über die Bewilligungspflicht vorliegt und gemäß § 38 AVG die Frage der Bewilligungspflicht im baupolizeilichen Verfahren nach § 35 BO erneut zu prüfen ist. In Wahrheit liegt in einem derartigen Fall keine Anzeige eines Bauwerkes nach § 15 BO, auf die es nach § 35 Abs. 2 und 3 BO aber ankommt, vor, sondern die im Rahmen des § 35 BO bedeutungslose Anzeige eines nach § 14 BO bewilligungspflichtigen Bauvorhabens, das durch die Erstattung der Anzeige nicht zu einem anzeigepflichtigen Bauvorhaben wird (Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6 (2001), S. 253, Anm. 1 zu § 15 BO).

Somit steht die Erstattung der Bauanzeige für den bewilligungspflichtigen Abstellplatz der Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages nicht entgegen. Dadurch, dass die belangte Behörde das Vorhaben als bloß anzeigepflichtig beurteilte, die Parteistellung des Beschwerdeführers deshalb verneinte und damit eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen eines Abbruchauftrages unterließ, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Zur Frage, ob der Beschwerdeführer wegen der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 2 BO) die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages beantragen konnte, ist auf die §§ 16 ROG und 48 Abs. 2 BO einzugehen. Daraus ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob Nachbarn durch Immissionen örtlich unzumutbar belästigt werden, die im Flächenwidmungsplan für das Baugrundstück festgelegte Widmungsart zu berücksichtigen ist. Hinsichtlich der gegenständlichen Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet nach § 16 Abs. 1 Z. 2 ROG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 96/05/0151, ausgesprochen, dass diese den Nachbarn einen Immissionsschutz und damit ein subjektives Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan gewährt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass die Behörde sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Gefahr oder Belästigung durch einen Betrieb zu befürchten ist, im Allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen zu bedienen hat, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihrer Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 95/05/0286).

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren genügt diesen Erfordernissen nur im Hinblick auf die durch Lärm verursachten, von der Projektfläche ausgehenden, Immissionen. Diesbezüglich geht aus dem im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren erstellten lärmtechnischen Gutachten und der darauf aufbauenden Beurteilung des medizinischen Sachverständigen, welche die für die Widmungsart Bauland-Kerngebiet heranzuziehenden Schallpegelobergrenzen berücksichtigt hat, nämlich hervor, dass die für das Kerngebiet geltenden Grenzwerte nicht überschritten werden und keine erheblichen Belästigungen mit Störungen des Wohlbefindens zu befürchten seien. Dazu hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen erstattet, welches die gutachterlichen Beurteilungen widerlegen könnte, sodass durch Lärm keine § 48 Abs. 1 Z. 2 BO widersprechenden Belastung des Beschwerdeführers zu erwarten ist.

Soweit sich der Beschwerdeführer jedoch auf die Geruchs- und Staubbelastung beruft, findet die Beurteilung der belangten Behörde in den von ihr bezogenen Gutachten keine Deckung. Zur Geruchsbelastung hat lediglich der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, dass im Zuge des Lokalaugenscheins keine Belästigung festgestellt werden konnte. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Geruchsbelästigung verursacht wird. Zur behaupteten Staubbelastung findet sich in den Gutachten überhaupt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Gerade bei einem Betrieb, dessen Gegenstand nach dem insoweit unwidersprochenen Vorbringen des Beschwerdeführers unter anderem der Handel mit Schotter und Sand ist, können aber derartige Emissionen nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden.

Völlig außer Acht gelassen hat die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei im südlichen Bereich des Grundstücks Nr. 142/1 ein Umkehrplatz errichtet worden.

Tatsächlich lassen einzelne der vorgelegten Fotos darauf schließen; auch das im gewerbebehördlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholte verkehrstechnische Gutachten empfiehlt die Schaffung einer derartigen Umkehrmöglichkeit, damit die Zu- und Ausfahrt zum bzw. vom Abstellplatz im Rückwärtsgang durchgeführt werden könne.

Sollte es sich auch dabei um ein Bauwerk (§ 4 Z. 3 BO) handeln, so hat die belangte Behörde jedenfalls im Sinne des verfahrenseinleitenden Antrages dessen Auswirkungen auf das Grundstück des Beschwerdeführers zu prüfen und bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen einen Auftrag nach § 35 BO zu erlassen. Ob allenfalls die Grenze zum Grünland - Land- und Forstwirtschaft (§ 19 Abs. 2 Z. 1 ROG), überschritten wurde, spielt in dem vom Nachbarn eingeleiteten Bauauftragsverfahren keine Rolle, weil der Nachbar keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Grünlandwidmung hat (siehe die Nachweise bei Hauer/Zaussinger aao, 1040f.).

Zusammengefasst hat die belangte Behörde somit zunächst die Rechtslage verkannt, indem sie das Bauvorhaben als lediglich anzeigepflichtiges Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Z. 15 BO behandelte; soweit sie dennoch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Immissionsbelastung eingegangen ist, sind die aus dem gewerbebehördlichen Verfahren übernommenen Gutachten im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend für die Schlussfolgerung, es komme durch den Abstellplatz auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zu keiner gesundheitsgefährdenden bzw. örtlich unzumutbaren Belästigung. Schließlich hat sie den Umfang der tatsächlichen Errichtung nicht festgestellt

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Juni 2002

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerBauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztBaubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer SachverständigerSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Baurecht NachbarSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisSachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000050059.X00

Im RIS seit

08.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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