TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/7 99/08/0097

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Veröffentlicht am 07.08.2002
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §914;
ArbVG §3;
ArbVG §9;
ASVG §44 Abs1;
ASVG §49 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/08/0098 99/08/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden der Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 19. April 1999,

1. Zl. MA 15-II-E 1/97 (hg. Zl. 99/08/0097), betreffend Beitragsnachbelastung für das Jahr 1994 (mitbeteiligte Partei: d GmbH & Co KG in W, als Gesamtrechtsnachfolgerin der E GmbH & Co KG), 2. Zl. MA 15-II-E 8/97 (hg. Zl. 99/08/0098), betreffend Beitragsnachbelastung für das Jahr 1995 (mitbeteiligte Partei: d GmbH & Co KG in W, als Gesamtrechtsnachfolgerin der E GmbH & Co KG), 3. Zl. MA 15-II-E 2/97 (hg. Zl. 99/08/0100), betreffend Beitragsnachbelastung für die Jahre 1991 bis 1994 (mitbeteiligte Partei: EDGmbH & Co KG in W, als Gesamtrechtsnachfolgerin der ED GmbH), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 1995 bei den mitbeteiligten Parteien Beitragsprüfungen durchgeführt. Hiebei ist sie davon ausgegangen, dass auf Grund einer Betriebsvereinbarung auf das Dienstverhältnis der Angestellten der mitbeteiligten Parteien der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie, Fachbereich Elektroindustrie, zur Anwendung komme. Nach der Betriebsvereinbarung samt dem ersten Zusatz und den Bestimmungen des Kollektivvertrages seien - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - bei der Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes die Nacht- und Mehrschichtarbeitszuschläge zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin hat daher die mitbeteiligten Parteien mit Bescheid zur Entrichtung von Sonderbeiträgen und Umlagen in einer bestimmten Höhe für die in der Anlage zum jeweiligen Bescheid namentlich angeführten Dienstnehmer für die jeweiligen Beitragszeiträume verpflichtet.

Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Einsprüchen der mitbeteiligten Parteien teilweise stattgegeben und die mitbeteiligten Parteien lediglich verpflichtet, Sonderbeiträge und Umlagen nur für die Mehrschichtarbeitszulagen in einer bestimmten Höhe für die in der Anlage der Bescheide genannten Dienstnehmer für die jeweiligen Beitragszeiträume zu bezahlen. Hiebei ist die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Die mitbeteiligte Partei zu den hg. Zlen. 99/08/0097, 0098 (in der Folge: KG) sei früher ein Teilbetrieb der mitbeteiligten Partei zur hg. Zl. 99/08/0100 (in der Folge: GmbH) gewesen. Der Teilbetrieb sei mit 31. Dezember 1993 ausgegliedert und von der KG betrieben worden; die Dienstnehmer seien ab 1. Oktober 1994 mit sämtlichen Rechten und Pflichten in die KG übernommen worden.

Die Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1976 enthalte allgemeine Bestimmungen sowie die wichtigsten Rechte und Pflichten, die sich aus dem Dienstverhältnis unter anderem zur GmbH ergeben. Personell gelte diese Betriebsvereinbarung für alle Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge. Mit 1. Zusatz zur Betriebsvereinbarung sei deren § 7 (Entgelt) geändert worden und laute wie folgt:

"§ 7 Entgelt

Für die Dienstnehmer im Bereich der Datenverarbeitung findet der Kollektivvertrag für die Angestellten der Industrie, Fachbereich Elektroindustrie, in seiner jeweils gültigen Form vollinhaltlich Anwendung. ..."

Auf das Dienstverhältnis der Angestellten der KG sei der Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes anzuwenden. Auf Grund einer betrieblichen Übung werde jedoch seit jeher der Kollektivvertrag für die Elektroindustrie auf alle Dienstverhältnisse angewendet. In den Einzelverträgen sei mit den Dienstnehmern vereinbart worden, dass der Kollektivvertrag für die Elektroindustrie zur Anwendung komme. In der genannten Betriebsvereinbarung sei allerdings nur bezüglich des Entgeltes die vollinhaltliche Anwendung dieses Kollektivvertrages vereinbart worden. Im Betrieb der mitbeteiligten Parteien seien im gegenständlichen Beitragszeitraum nur Angestellte beschäftigt gewesen. Diejenigen Dienstnehmer, die Schichtarbeit geleistet haben, haben eine Schichtzulage bekommen. Es sei auch in der dritten Schicht - zwischen 22 Uhr und 6 Uhr - gearbeitet worden, diesfalls hätten die Dienstnehmer zusätzlich zur Schichtzulage eine Nachtschichtzulage bekommen.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde ausgeführt, auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der mitbeteiligten Parteien finde prinzipiell der Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes Anwendung. Nach § 9 ArbVG könne die Anwendung eines bestimmten Kollektivvertrages durch Betriebsvereinbarung nicht zulässig vereinbart werden. Aus § 3 ArbVG ergebe sich, dass die Bestimmungen in Kollektivverträgen durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden dürfen, es sei denn, es handle sich um Angelegenheiten, die im Kollektivvertrag nicht geregelt seien oder um für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen.

Es sei daher zunächst zu prüfen, ob der Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes eine Einbeziehung der Nachtschicht- und Mehrschichtzulage in das 13. und 14. Monatsgehalt vorsehe. Eine solche Regelung bestehe in diesem Kollektivvertrag nicht. Nach der Judikatur (Arb 9662) liege der Regelung des 13. und 14. Monatsgehaltes im Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes der engere Gehaltsbegriff des Angestelltenrechts, also festgelegte, nach bestimmten Zeiträumen bemessene Geldbezüge ohne Zulagen zu Grunde. Eine Einbeziehung der genannten Zulagen in das

13. und 14. Monatsgehalt sei aber zweifelsfrei für die Dienstnehmer günstiger. Eine derartige Sondervereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer sei daher in jedem Falle zulässig.

Nach § 12b des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie seien Vergütungen im Sinne des § 6 in die Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes einzubeziehen. Gemäß dem verwiesenen § 6 gebühre den Angestellten nur dann eine Sondervergütung (Nachtschichtzulage), wenn eine derartige Sondervergütung den Arbeitern des Betriebes gewährt werde. Auf Grund des Wortlautes dieser Bestimmung, die offenbar nur der Gleichstellung von Angestellten mit Arbeitern diene, erhalten Angestellte für die Verrichtung einer Nachtschicht nur dann eine Sondervergütung, wenn auch die Arbeiter dafür eine solche bekommen. In den Beschwerdefällen seien im Betrieb der mitbeteiligten Parteien keine Arbeiter beschäftigt gewesen. Eine Gleichstellung der Angestellten der mitbeteiligten Parteien mit deren Arbeitern sei daher nicht erforderlich gewesen. Die Angestellten der Mitbeteiligten hätten zwar auf Grund vertraglicher Regelung bzw. betrieblicher Übung Nachtschichtzulagen bekommen. Es habe jedoch weder ein einzelvertraglicher noch ein kollektivvertraglicher Anspruch darauf bestanden, diese Zulage auch in das 13. und 14. Monatsgehalt einzubeziehen.

§ 12b des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie sehe auch für den Fall, dass auf Grund eines Zusatzkollektivvertrages Zuschläge für Mehrschichtarbeiten gewährt werden, die Einbeziehung in das 13. und 14. Monatsgehalt vor. In § 6a des ersten Zusatzkollektivvertrages für die Angestellten der Elektroindustrie von 1983 (Zulage für die zweite Schicht) werde die Gewährung einer Schichtzulage für Angestellte geregelt, wobei sich die Höhe der Zulage nach der den Arbeitern gewährten Zulage richtet, mindestens aber S 1,-- pro Stunde zu betragen habe. Daraus lasse sich ableiten, dass auch in den Fällen, in denen im Betrieb keine Arbeiter beschäftigt werden, den Angestellten eine Zulage von mindestens S 1,-- pro Stunde für die zweite Schicht zu gewähren sei. Diese sei dann gemäß § 12b des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie vom Dienstgeber auch bei Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde sei die Beitragsnachbelastung bezüglich der Mehrschichtzulage zu Recht erfolgt. Die Beitragsnachbelastung bezüglich der Nachtschichtzulage sei aber mangels Vorliegens der in § 6 des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie genannten Voraussetzungen nicht zulässig gewesen.

Gegen diese - im Wesentlichen gleich lautenden - Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machenden Beschwerden mit den Begehren, sie kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die seit 1976 in Geltung stehende Betriebsvereinbarung samt der Zusatzvereinbarung sei auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der mitbeteiligten Parteien anwendbar. Selbst wenn man der belangten Behörde darin folge, dass diese Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die Bestimmungen des § 9 ArbVG unzulässig wäre, bleibe es unbestreitbare Tatsache, dass die in der Betriebsvereinbarung samt Zusatzvereinbarung enthaltenen Bestimmungen günstiger als die eigentlichen kollektivvertraglichen Regelungen seien. Solche Vereinbarungen seien auch gemäß § 3 ArbVG zulässig. Nach dem ersten Zusatz der Betriebsvereinbarung sei der Schichtplan im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erstellen, die Schichtzulagen seien im § 7 geregelt. Nach diesen Bestimmungen gebühre den Dienstnehmern, die zur Schichtarbeit eingeteilt werden, in der zweiten Schicht (14 Uhr bis 22.30 Uhr) eine tägliche Zulage von S 100,-- und in der dritten Schicht (22 Uhr bis 6.30 Uhr) eine solche von S 200,--. Eine derartige Zulage werde den Dienstnehmern seit Jahren ausbezahlt und sei somit bei der Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen.

Aus dem Wortlaut des § 12b des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie gehe eindeutig hervor, dass unter anderem Vergütungen im Sinne des § 6 dieses Kollektivvertrages (z.B. Nacht- und Nachtschichtzuschläge) in die Berechnungsgrundlage des 13. und 14. Monatsgehaltes einzubeziehen seien. Davon, dass diese Vergütungen lediglich dann bei den Sonderzahlungen zu berücksichtigen seien, wenn im Betrieb auch Arbeiter beschäftigt werden, sei keine Rede.

Nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Angestellte der Industrie, Fachbereich Elektroindustrie, gebühre den Angestellten eine Weihnachtsremuneration in der Höhe des Novembergehaltes sowie ein Urlaubszuschuss in der Höhe des gebührenden Entgeltes. Schon aus diesem Grunde seien die genannten Zulagen zweifelsohne bei der Berechnung der Sonderzahlungen zur Gänze einzubeziehen. Für welche Schicht die Zulage selbst gebühre, sei bedeutungslos.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und lediglich in zwei Verfahren eine Gegenschrift erstattet, aber die kostenpflichtige Abweisung aller Beschwerden beantragt. Die mitbeteiligten Parteien haben ebenfalls in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (Allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6.

Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Nach § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.

Da § 49 Abs. 2 ASVG auf den ersten Absatz dieser Gesetzesbestimmung verweist, sind trotz der Wendung "gewährt werden" unter Sonderzahlungen nicht nur solche Geld- und Sachbezüge zu verstehen, die dem pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen tatsächlich "zukommen", sondern entweder Geld- und Sachbezüge, auf die er aus dem Dienst(Lehr)verhältnis "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen" Anspruch hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt oder in der gebührenden Höhe zukommen, oder die er darüber hinaus in diesen Zeiträumen auf Grund eines Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten tatsächlich erhält (vgl. aus der ständigen Judikatur etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 94/08/0007, m.w.N.).

Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen, wobei in jenen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen - entsprechend dem § 3 ArbVG - zumindest das nach diesen Vereinbarungen den Dienstnehmern zustehende Entgelt die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge zu bilden hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, 97/08/0439).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen - wie auch in einem Bericht der Prüfungsabteilung der Beschwerdeführerin vom 25. September 1998 festgehalten - davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien ihren Angestellten eine Pauschale von monatlich S 800,-- (Schichtzulage) bzw. S 1.000,-- (Schichtleiterzulage) als Abgeltung für die zweite Schicht unabhängig von der Anzahl der geleisteten Schichten bezahlen. Die dritte Schicht wird pro geleisteter Nachtschicht mit S 450,-- vergütet.

Im Beschwerdeverfahren ist ausschließlich strittig, ob die pro geleisteter Nachtschicht gewährte Nachtschichtzulage in die Berechnung der Sonderzahlungen einzubeziehen ist oder nicht.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien lehnen eine Einbeziehung der Nachtschichtzulage in die Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes mangels Vorliegens der im § 6 des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie genannten Voraussetzungen ab. Hingegen meint die Beschwerdeführerin, die Einbeziehung der Nachtschichtzulage in die Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Kollektivvertrages und auch auf Grund der Betriebsvereinbarung.

Unbestritten ist, dass in der Betriebsvereinbarung die Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte der Industrie bezüglich des Entgeltes vereinbart worden ist und dass zusätzlich in den Einzeldienstverträgen die Anwendung dieses Kollektivvertrages vereinbart worden ist. Schließlich besteht - zutreffend - Einigkeit darüber, dass der vereinbarte Kollektivvertrag in der hier in Rede stehenden Frage der Berücksichtigung der Nachtschichtzulage für die Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes günstigere Regelungen enthält als der primär anwendbare Kollektivvertrag für Angestellte des Gewerbes.

Der Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die Betriebsvereinbarung entfalte die spezifischen Rechtswirkungen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz, kann nicht beigetreten werden. Der Betriebsinhaber hat mit dem Belegschaftsorgan die Anwendung eines anderen als des primär anwendbaren Kollektivvertrages bezüglich des Entgeltes vereinbart. Der Inhalt dieser Vereinbarung ist aber weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung als zulässiger Regelungsgegenstand übertragen worden. Die Vereinbarung ist daher einer solchen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz geschlossenen Betriebsvereinbarung nicht gleichzuhalten. Dennoch kommen auch solchen "freien Betriebsvereinbarungen" nach herrschender Lehre Rechtswirkungen für die von ihr erfassten Arbeitsverhältnisse zu (zu den zum Teil unterschiedlichen Begründungswegen vgl. Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II4, 457 ff; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9, 141 ff jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung); im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass auf die solcherart vereinbarte Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte in der Industrie auch in den Einzelarbeitsverträgen ausdrücklich Bezug genommen wurde. Mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist auch davon auszugehen, dass die Anwendung des Industrieangestelltenkollektivvertrages günstiger ist als die entsprechenden Bestimmungen des für den Betrieb geltenden Kollektivvertrages für Angestellte des Gewerbes, sodass die Vereinbarung auch im Lichte des § 3 ArbVG als zulässig zu erachten ist.

Die Auslegung einer solchen freien Betriebsvereinbarung (als Grundlage der entsprechenden Hinweise in den Einzelverträgen) hat aber nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung zu erfolgen, d. h. es kommt auf den Willen der Vertragspartner an (§ 914 ABGB), für den im vorliegenden Fall auch aus der unumstrittenen gleichmäßigen Handhabung dieser Vereinbarung seit 1976 entscheidende Indizien gewonnen werden können.

Soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung, lautet der erste Zusatz zur Betriebsvereinbarung für den Bereich Datenverarbeitung wie folgt:

"§ 6 Arbeitszeit

...

5.a) Werden Dienstnehmer zur Schichtarbeit eingeteilt, so ist der Schichtplan im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erstellen, die Schichtzulagen sind im Zusatzpunkt 4 zu § 7 festgelegt.

...

§ 7 Entgelt

...

4. Zulagen:

...

b) Dienstnehmer, die gemäß Zusatzpunkt 5. zu § 6 zur Schichtarbeit eingeteilt werden, erhalten in der zweiten Schicht eine tägliche Zulage von S 100,--, in der dritten Schicht eine solche von S 200,--."

Der Rahmenkollektivvertrag für Angestellte der Industrie lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 6. Nachtarbeit

Fällt die normale Arbeitszeit auf Grund der im Betrieb festgelegten Arbeitszeiteinteilung regelmäßig zur Gänze oder zum Teil in die Nachtzeit, so gebührt den zu dieser Arbeit herangezogenen Angestellten eine Sondervergütung in jenen Fällen, in denen eine derartige Sondervergütung auch der Arbeiterschaft des betreffenden Betriebes gewährt wird. Diese Sondervergütung gebührt für jede in die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr bzw. in die betriebsübliche dritte Schicht (Nachtschicht) fallende Arbeitsstunde; ihre Höhe bestimmt sich nach der für die Arbeiter des betreffenden Betriebes geltenden Regelung."

"§ 11. Weihnachtsremuneration (13. Monatsgehalt)

(1) Allen Angestellten ist spätestens am 30. November eines jeden Kalenderjahres eine Weihnachtsremuneration in der Höhe des Novembergehaltes auszubezahlen. Überstundenentlohnungen sind hiebei nicht einzubeziehen.

...

§ 12. 14. Monatsgehalt

(1) Neben dem 13. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration) gemäß § 11 gebührt allen Angestellten einmal in einem Kalenderjahr ein

14. Monatsgehalt. Lehrlinge erhalten als 14. Zahlung einen Betrag in der Höhe der monatlichen Lehrlingsentschädigung. ...

§ 12b. Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes

Vergütungen im Sinne des § 6 des Rahmenkollektivvertrages (z.B. Nacht- und Nachtschichtzuschläge), sonstige auf Grund von Zusatzkollektivverträgen für die Angestellten gewährten Zuschläge für Mehrschichtarbeit sowie Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, die den Angestellten auf Grund eines Kollektivvertrages oder einer auf Grund einer kollektivvertraglichen Ermächtigung abgeschlossenen Betriebsvereinbarung gewährt werden, sind in die Berechnungsgrundlagen des 13. und 14. Monatsgehaltes einzubeziehen.

Soweit in den Fachkollektivverträgen nichts anderes geregelt ist, sind derartige Entgeltteile mit dem Durchschnitt der letzten drei Kalendermonate zu berücksichtigen. Durch Betriebsvereinbarungen können auch andere Berechnungszeiträume vereinbart werden.

Gilt nicht für folgende Fachverbände:

Sägeindustrie,

Ledererzeugende Industrie,

Lederverarbeitende Industrie,

Textilindustrie und Bekleidungsindustrie"

§ 6a (Zulage für die zweite Schicht) des ersten Zusatzkollektivvertrages für die Angestellten der Elektroindustrie lautet:

"Angestellten, die zur Mehrschichtarbeit herangezogen werden, gebührt für die zweite Schicht eine Schichtzulage in der Höhe, wie sie kollektivvertraglich für die Arbeiter des Betriebes vorgesehen ist, mindestens jedoch S 1,-- pro Stunde.

Beträge, die ausdrücklich zur Abgeltung für die Arbeit in der zweiten Schicht gewährt werden, sind auf diese Zulagenregelung anrechenbar."

Die belangte Behörde hat Ermittlungen über die tatsächliche Handhabung dieser Vereinbarungen durch den Betriebsinhaber und den Arbeitnehmern angestellt. Demnach ist aber davon auszugehen, dass die Parteien des Dienstvertrages seit Abschluss desselben der Meinung sind, die Nachtschichtzulage sei nicht in die Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes einzubeziehen. Weder die Belegschaftsvertretung als solche noch ein einzelner Arbeitnehmer hat dies jemals gefordert. Auch die Dienstgeber, die mitbeteiligten Parteien, haben sich jeweils gegen eine Einbeziehung der Nachtschichtzulage in die Berechnungsgrundlagen des 13. und 14. Monatsgehaltes ausgesprochen. Dieses Auslegungsergebnis steht auch mit dem Wortlaut des "§ 6 Nachtarbeit" nicht in Widerspruch: die belangte Behörde erkannte nämlich im Ergebnis zutreffend, dass diese Bestimmung nicht in erster Linie eine Sondervergütung für Angestellte bei Nachtarbeit normiert, sondern nur sicherstellen will, dass in jenen Betrieben, in denen Arbeiter eine solche Sondervergütung erhalten, diese auch Angestellten gewährt wird, falls deren Normalarbeitszeit auf Grund der im Betrieb festgelegten Arbeitszeiteinteilung regelmäßig zur Gänze oder zum Teil in die Nachtzeit fällt. § 6 will daher in erster Linie nur sicherstellen, dass eine Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bei der Nachtarbeitsvergütung erfolgt. Ein originärer Anspruch für Angestellte auf Gewährung einer Sondervergütung für Nachtarbeit lässt sich dieser Bestimmung daher nicht entnehmen. Die betrieblichen Vertragspartner konnten des weiteren auch davon ausgehen, dass es sich bei den in § 7 Z. 4 lit. b des ersten Zusatzes zur Betriebsvereinbarung vereinbarten Schichtzulagen nicht um Sondervergütungen i.S.d. § 6 des Industrieangestelltenrahmenkollektivvertrages handelt, da die Gewährung der Schichtzulagen überdies von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 erster Halbsatz nicht abhängt, und dass daher auch die Einbeziehung dieser Zulagen in die Sonderzahlung nicht rechtlich geboten ist. Einer solchen Vereinbarung der betrieblichen Vertragspartner steht daher auch der Wortlaut des § 12b des Industrieangestelltenrahmenkollektivvertrages nicht entgegen. Der belangten Behörde ist daher im Ergebnis zuzustimmen.

Aus diesen Gründen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet; sie waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 7. August 2002

Schlagworte

Entgelt Begriff Anspruchslohn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999080097.X00

Im RIS seit

05.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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