TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/24 2002/16/0182

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

22/01 Jurisdiktionsnorm;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §1;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
GGG 1984;
JN §54 Abs2;
JN §58 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P GmbH (vormals N GmbH) in Wien, vertreten durch Kraft & Winternitz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien I, Nibelungengasse 11, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Oktober 1999, Jv 5130-33a/99, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt ersichtlich:

Die beschwerdeführende N. GmbH (nunmehr P. GmbH) schloss am 25. Oktober 1996 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Susanne D. einen prätorischen Vergleich folgenden Inhalts ab:

Frau Susanne D. ... ist Hauptmieterin des Geschäftslokals W., W.-gasse 9. Frau D. verpflichtet sich, das Geschäftslokal bis längstens 30. November 1996 geräumt von allen Waren an den Nachmieter N. GmbH zu übergeben.

Für den Fall der nicht fristgerechten Räumung des Geschäftslokals verpflichtet sich Frau D. zur Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe von S 20.000,-- pro Tag.

Mit Zahlungsauftrag vom 2. Juli 1999 wurde der Beschwerdeführerin Pauschalgebühr samt Einhebungsgebühr in Höhe von S 444.243,-- vorgeschrieben.

In dem gegen den Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag wurde eingewendet, bei dem im Vergleich enthaltenen Pönale handle es sich nicht um die Verfügung über ein materielles Recht. Selbst wenn man die Vereinbarung als Disposition über ein materielles Recht ansehen würde, handle es sich nur um eine Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, wenn sich eine Partei neben der Räumung des Bestandobjektes zu einer weiteren Leistung, nämlich zur Bezahlung eines täglichen Pönales für den Fall verpflichtet, dass das Bestandobjekt ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht geräumt übergeben wird, so sei diese weitere Verpflichtung nicht als Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN zu qualifizieren. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Verzugsfall überhaupt eintritt.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 2002, B 1976/99, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt; gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, keine Nachzahlung von Gerichtsgebühren in Höhe von S 444.143,-- auferlegt zu bekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr nach § 18 Abs 2 Z 2 GGG unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen.

Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

Nach § 58 Abs 1 JN ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten und anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei unbestimmter Dauer das Zehnfache der Jahresleistung anzunehmen.

Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl TschugguelPötscher, Die Gerichtsgebühren7, § 1 GGG, E 7 und 8 und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung).

Verpflichtet sich eine Partei in einem Vergleich neben der Räumung des bisher benützten Bestandobjektes zu einer weiteren Leistung, nämlich zur Bezahlung eines täglichen Pönales für den Fall, dass das Bestandobjekt ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht geräumt übergeben wird, so ist diese weitere Verpflichtung nach ständiger hg Rechtsprechung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühr zu berücksichtigen; bei Fehlen einer zeitlichen Begrenzung ist die Verpflichtung zur Bezahlung eines täglichen Pönales mit dem Zehnfachen der Jahresleistung zu bewerten (vgl Tschugguel/Pötscher, aaO, § 18, E 64 und 65, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Damit ist das Schicksal der Beschwerde aber schon entschieden: Im vorliegenden Vergleich hat sich die bisherige Bestandnehmerin ausdrücklich verpflichtet, für den Fall der nicht fristgerechten Räumung des Geschäftslokals eine Konventionalstrafe in Höhe von S 20.000,-- pro Tag zu zahlen. Nach dem eindeutigen und nicht weiter unklaren Wortlaut des Vergleichs wurde eine zeitliche Begrenzung des Vergleichs nicht vereinbart. Die Verpflichtung war damit mit dem Zehnfachen der Jahresleistung zu bewerten.

Die demgegenüber von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, bei der Vereinbarung des Pönales handle es nicht um die "Verfügung über ein materielles Recht" und der Vergleich sei daher gebührenfrei, kann nicht nachvollzogen werden. Vielmehr ist jedwede Leistung, zu der sich eine Partei verpflichtet, bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellt eine Vertragsstrafe auch keine Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN dar (vgl das hg Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl 93/16/0061).

Dem Umstand, dass es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um den Vermieter, sondern um die Nachfolgerin als Bestandnehmer gehandelt hat, kommt für die Leistungsverpflichtung und damit für die Entstehung der Gerichtsgebührenschuld keine Bedeutung zu. Ob es sich bei den vom Verwaltungsgerichtshof bisher entschiedenen Fällen um Vergleiche zwischen Vermieter und Mieter und ob es sich damit - nach Auffassung der Beschwerdeführerin - bei den Vertragsstrafen "in Wahrheit" um versteckte Benützungsentgelte gehandelt hat, ist schon deswegen nicht maßgeblich, weil es für die Gebührenpflicht nur auf den Inhalt des tatsächlich abgeschlossenen Vergleichs ankommt.

Da somit nur dieser Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs maßgeblich ist, geht auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, "nach dem klar erkennbaren Willen" der vergleichabschließenden Parteien habe die Pönalevereinbarung nur für einen kurzen Zeitraum relevant sein sollen, ins Leere. Ebensowenig wie es nicht darauf ankommt, was Gegenstand der zum Vergleichsabschluss führenden Besprechungen war (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl 96/16/0122), kommt es auf einen - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keineswegs erkennbaren - von der Vereinbarung abweichenden "Willen" der Parteien an.

Wenn die Beschwerdeführerin schließlich meint, die belangte Behörde habe das Gesetz nicht verfassungskonform ausgelegt, ist sie auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 2002, B 1976/99-6, zu verweisen, wonach im System der Gerichtsgebühren dem Äquivalenzprinzip nur ein begrenzter Anwendungsbereich zukommt.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe die Bemessungsgrundlage nicht dargestellt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nicht dargelegt hat, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung allfälliger Verfahrensmängel hätte kommen können.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002160182.X00

Im RIS seit

09.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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