TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/6 B99/99

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Veröffentlicht am 06.10.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
AsylG 1997 §32

Leitsatz

Aufhebung eines Bescheides infolge Anwendung einer aufgehobenen, nicht mehr anzuwendenden Bestimmung des AsylG 1997

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Unabhängige Bundesasylsenat (im folgenden: Bundesasylsenat) wies mit Bescheid vom 8. Jänner 1999 die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. November 1998, mit dem der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag gemäß §6 Z3 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (im folgenden: AsylG 1997), abgewiesen wurde, gemäß §32 Abs1 AsylG 1997 als verspätet zurück. Diese Berufungsentscheidung wurde unter Bezugnahme auf die in dieser Gesetzesstelle festgelegte Rechtsmittelfrist von zwei Tagen im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Bescheid am 1. Dezember 1998 persönlich übernommen, die Berufung aber erst mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 per Telefax erhoben habe.

Gegen den am 14. Jänner 1999 zugestellten Bescheid des Bundesasylsenates wendet sich die vorliegende, nach Bewilligung der Verfahrenshilfe aufgrund eines am 22. Jänner 1999 (Postaufgabe 21. Jänner 1999) eingebrachten Antrages erhobene Beschwerde nach Art144 B-VG, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß einer anderen Beschwerde am 17. Oktober 1998, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" in §32 Abs1 erster Satz AsylG 1997 von Amts wegen zu prüfen; sie war auch Gegenstand mehrerer Gesetzesprüfungsanträge des Bundesasylsenates, der die Aufhebung als verfassungswidrig begehrte.

Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G210/98 ua., hob der Gerichtshof die zitierte Gesetzesbestimmung sodann als verfassungswidrig auf und verfügte, daß diese nicht mehr anzuwenden ist; diese Aussprüche wurden am 4. Feber 1999 kundgemacht (BGBl. I Nr. 41/1999).

2. Durch den erwähnten, auf Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG gestützten Ausspruch wurde die Anlaßfallwirkung dahin erweitert, daß die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Das gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB. VfGH 22.2.1999, B1125/98) auch für Beschwerdeverfahren, die beim Gerichtshof erst nach der Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens anhängig gemacht wurden. Daraus folgt, daß hier eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes vorliegt, weil die Behörde bei ihrer Entscheidung (u.a.) die als verfassungswidrig befundene Gesetzesvorschrift angewendet hat und es nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen - aber vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht im einzelnen zu prüfen - ist, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Es war vom Gerichtshof hiebei auch nicht zu prüfen, ob (in Anbetracht der Zustellung des bekämpften Bescheides am 14. Jänner 1999) auf die am 8. Jänner 1999 im Bundesgesetzblatt I unter Nr. 4 kundgemachte Novelle des AsylG 1997 (insbesondere auf dessen (dem §44 AsylG 1997 einen Abs7 anfügenden) Z12) - unmittelbar oder auch bloß in sinngemäßer Gesetzeshandhabung - Bedacht zu nehmen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

III.           Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 4.500 S enthalten.

IV.                                     Von der Durchführung

einer mündlichen Verhandlung wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

Schlagworte

VfGH / Aufhebung Wirkung, Asylrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B99.1999

Dokumentnummer

JFT_10008994_99B00099_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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