TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/23 2002/08/0041

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Veröffentlicht am 23.10.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AHG 1949 §1;
AlVG 1977 §17 Abs1;
AlVG 1977 §23;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §46;
AlVG 1977 §56;
AlVG 1977 §8 Abs1;
AMSG 1994 §16;
AMSG 1994 §17;
AMSG 1994 §24;
AVG §13a;
AVG §18 Abs4;
AVG §59 Abs1;
AVG §66;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 13. März 2000, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2000, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2002 mit Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen der Vertreterin der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Edeltraud Fichtenbauer, und der Vertreterin der belangten Behörde, Mag. E, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 25. Juni 1999 bis 21. November 1999 nicht zuerkennt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 2.224,69 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 23. November 1999 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 17 iVm §§ 44 und 46 AlVG das Arbeitslosengeld ab dem 22. November 1999 gebühre. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Abgabefrist bis zum 21. Juni 1999 nicht eingehalten und den Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld erst am 22. November 1999 beim Arbeitsmarktservice abgegeben.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er habe sich am 7. Juni 1999 beim Arbeitsmarktservice erstmals als arbeitslos gemeldet. Bei einem zweiten Termin beim Arbeitsmarktservice sei ihm mitgeteilt worden, dass erst dann ein Antrag notwendig sei, wenn sein ebenfalls gestellter Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension seitens der Pensionsversicherung einer Entscheidung zugeführt worden wäre. Am 25. Juni 1999 sei der Beschwerdeführer zum dritten Mal beim Arbeitsmarktservice gewesen und habe eine Kopie des Antrages auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt hätte er darauf hingewiesen werden müssen, dass noch kein Antrag auf Arbeitslosengeld abgegeben worden sei. Am 19. November 1999 habe der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Invaliditätspension erhalten. Letztendlich habe er bei seiner Vorsprache beim Arbeitsmarktservice am 22. November 1999 vorgebracht, dass auf sein Konto noch kein Arbeitslosengeld überwiesen worden sei. Es sei ihm erklärt worden, dass noch kein diesbezüglicher Antrag abgegeben worden sei. Dies habe auch nicht stattfinden können, es sei dem Beschwerdeführer ja gesagt worden, dass "alles laufe".

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Nach Wiedergabe des Inhaltes von Rechtsvorschriften sowie des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 7. Juni 1999 persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld vorgesprochen habe. Das dazu erforderliche Antragsformular sei ihm ausgehändigt worden. Für die Rückgabe des Antrages sei eine Frist bis 21. Juni 1999 gesetzt worden. Im Antragsformular sei der Hinweis angebracht gewesen, dass der Antrag bei der Abteilung Service Versicherungsleistungen,

2. Stock, Zimmer Nr. 2, von 9.00 bis 12.00 Uhr abzugeben sei. Weiters sei auf die Rechtsfolge der Versäumung der Rückgabefrist hingewiesen gewesen. Am 18. Juni 1999 habe der Beschwerdeführerr beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen und gesundheitliche Einschränkungen für eine Vermittlung angegeben. Er sei von der Beraterin auf die Möglichkeit zur Einreichung um eine Invaliditätspension hingewiesen worden. Eine Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle habe ergeben, dass dem Beschwerdeführer nicht gesagt worden sei, dass der Antrag auf Arbeitslosengeld hinfällig sei. Lediglich betreffend die Invaliditätspension sei ihm gesagt worden, es sei alles erledigt. Am 25. Juni 1999 habe der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice eine Kopie der Bestätigung seines Antrages auf Zuerkennung einer Invaliditätspension vorgelegt. Erst am 22. November 1999 - und somit außerhalb der gesetzten Rückgabefrist - habe der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich abgegeben. Niederschriftlich habe er angegeben, er habe nicht gewusst, dass er den Antrag abgeben müsse. Er habe nicht gelesen, was auf dem Antragsformular stehe. Er habe geglaubt, die Anweisung des Arbeitslosengeldes würde länger dauern. Der Beschwerdeführer habe den Antrag somit nicht innerhalb der gesetzten Frist bis 21. Juni 1999, sondern erst am 22. November 1999 abgegeben. Ein triftiger Grund für die Versäumung der Rückgabefrist liege nicht vor, zumal der Beschwerdeführer bei aufmerksamem Lesen des Antragsformulars hätte erkennen müssen, dass der Antrag innerhalb der gesetzten Frist abzugeben sei. Im Übrigen würden Kunden auch bei jeder "Antragsausgabe" genau über die erforderlichen Formalitäten der Geltendmachung und über die Rechtsfolgen ihrer Nichteinhaltung informiert. Das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer sei informiert worden, dass ein Antrag erst dann notwendig sei, wenn seitens der Pensionsversicherungsanstalt über seine Invaliditätspension entschieden worden sei, habe nicht verifiziert werden können. Eine Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle habe ergeben, dass eine solche Information nicht erteilt worden sei, und auch aus der Aktenlage sei diesbezüglich kein Anhaltspunkt ersichtlich. Bei Vorlage der Bestätigung der Antragstellung auf Invaliditätspension habe kein Anlass bestanden, sich zu vergewissern, ob der Beschwerdeführer den Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld abgegeben habe. Das Arbeitslosengeld könne somit erst ab dem Tag gewährt werden, an dem der Antrag persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle abgegeben worden sei, sohin ab dem 22. November 1999.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird bemängelt, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht angeführt seien. Die belangte Behörde hat nach dem Spruch des Bescheides der Berufung keine Folge gegeben. Damit hat sie aber den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt ihres Bescheides gemacht. Dabei bedarf es keiner Wiederholung des erstinstanzlichen Bescheidspruches (vgl. die bei Walter/Thienel, a. a.O., Seite 1301 unter E 312 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides sind aber die vom Beschwerdeführer nunmehr vermissten §§ 17, 44 und 46 AlVG genannt. Das Beschwerdevorbringen kann daher insofern keine Rechtswidrigkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides aufzeigen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt der angefochtene Bescheid auch erkennen, von welcher Behörde er stammt, nämlich von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, die durch den Ausschuss für Leistungsangelegenheiten entschieden hat (vgl. dazu § 56 Abs. 1 und 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 179/1999).

In der Beschwerde wird ferner in Abrede gestellt, dass die Abteilungsleiterin, die den angefochtenen Bescheid unterfertigt hat, zu dieser Unterfertigung rechtlich befugt gewesen ist. Diesbezüglich ist auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Unterfertigung der Bescheide, die im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten beschlossen wurden, durch den Landesgeschäftsführer oder eine dazu ermächtigte Person rechtmäßig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0007).

Auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994, kann der Landesgeschäftsführer im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbehandlung die ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zustehenden Befugnisse hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten auf seinen Stellvertreter oder Träger von bestimmten Funktionen oder namentlich bezeichnete Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle zur selbstständigen Erledigung übertragen. Nach der genannten gesetzlichen Bestimmung können Bedienstete daher durch verwaltungsinterne Akte zur Unterfertigung von Bescheiden ermächtigt werden (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage für die Ämter der Landesregierungen vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 91/10/0151).

Im vorliegenden Fall hat der Landesgeschäftsführer, der die Gegenschrift persönlich unterfertigt hat, in dieser Gegenschrift bestätigt, dass die Abteilungsleiterin, die den angefochtenen Bescheid unterfertigt hat, dazu befugt war. Es bestehen daher keine Bedenken, dass der angefochtene Bescheid deshalb an einem Mangel leiden könnte, weil er von einem nicht approbationsbefugten Vertreter der belangten Behörde unterfertigt worden wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/01/0119, Slg.Nr. 13.166/A).

Der Beschwerdeführer rügt des Weiteren, dass der Regionalbeirat vor der Entscheidung der belangten Behörde nicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG angehört worden sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass die Anhörung dieses Regionalbeirates nach der genannten gesetzlichen Bestimmung nur vor einer Entscheidung über die Nachsicht vom Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 10 Abs. 2 AlVG sowie vor Erlassung einer Entscheidung über den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Falle der in § 10 Abs. 1 AlVG genannten Tatbestände vorgesehen ist. Die belangte Behörde hat jedoch keine Entscheidung nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen getroffen.

Gemäß § 17 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 297/1995 gebührt das Arbeitslosengeld, sofern sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind und dieser Anspruch nicht gemäß § 16 AlVG ruht, ab dem Tag der Geltendmachung.

Zur Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld enthält § 46 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 folgende Bestimmungen:

"§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist vom Arbeitslosen persönlich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das hiefür bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular zu verwenden. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn das Antragsformular innerhalb der von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzten Frist bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich abgegeben wurde. Hat der Arbeitslose die von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrages ohne triftigen Grund versäumt, so ist der Anspruch erst ab dem Tag zu beurteilen, an dem der Antrag bei der regionalen Geschäftsstelle abgegeben wurde. Über die Abgabe des Antrages ist dem Antragsteller eine Bestätigung auszustellen. Die Abgabe des Antrages kann auch durch einen Vertreter erfolgen, wenn der Arbeitslose aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Solidaritätsprämie kann jedenfalls durch einen Vertreter beantragt werden.

...

(3) Abweichend von Abs. 1 gilt:

1. Hat der Arbeitslose zwecks Geltendmachung von Arbeitslosengeld bei einer regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen und stellt sich später heraus, daß hiefür nicht diese, sondern eine andere regionale Geschäftsstelle zuständig ist, so gilt als Tag der Geltendmachung der Tag der Vorsprache bei der erstgenannten regionalen Geschäftsstelle, sofern der Arbeitslose seinen Antrag binnen angemessener Frist bei der an sich zuständigen regionalen Geschäftsstelle einbringt.

2. Hat der Arbeitslose zwecks Geltendmachung von Arbeitslosengeld bei einem Amtstag der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen, so gebührt das Arbeitslosengeld bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sofern die Vorsprache an dem auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit nächstfolgenden Amtstag erfolgt ist.

3. Hat der Arbeitslose seinen Wohnsitz (Aufenthaltsort) nach Eintritt der Arbeitslosigkeit in den Zuständigkeitsbereich einer anderen regionalen Geschäftsstelle verlegt, so gebührt das Arbeitslosengeld bei Erfüllung, der sonstigen Voraussetzungen ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sofern der Arbeitslose binnen angemessener Frist bei der nunmehr zuständigen regionalen Geschäftsstelle zwecks Geltendmachung des Arbeitslosengeldes vorspricht.

(4) Der Arbeitslose hat seinen Anspruch bei der regionalen Geschäftsstelle nachzuweisen. Er hat eine Bestätigung des Dienstgebers über die Dauer und Art des Dienstverhältnisses, die Art der Lösung des Dienstverhältnisses und erforderlichenfalls über die Höhe des Entgeltes beizubringen. Die Bestätigung über die Höhe des Entgeltes ist über Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle beizubringen, wenn keine Jahresbemessungsgrundlage (§ 21 Abs. 1) vorliegt. Der Dienstgeber ist zur Ausstellung dieser Bestätigung verpflichtet. Die näheren Bestimmungen hierüber erläßt der Bundesminister für soziale Verwaltung durch Verordnung. Wenn die regionale Geschäftsstelle dem Arbeitslosen keine zumutbare Arbeit vermitteln kann, hat sie über den Anspruch zu entscheiden.

..."

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 7. Juni 1999 bis zum 21. November 1999 verletzt. Der von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Bescheid vom 23. November 1999 spricht dem Beschwerdeführer lediglich einen Arbeitslosengeldanspruch ab dem 22. November 1999 zu, ohne den davor liegenden Teil des Anspruchs formell abzuweisen. In der Begründung wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 22. November 1999 beim Arbeitsmarktservice abgegeben habe. Der Wortlaut des - durch den angefochtenen Bescheid mit einer entsprechenden Begründung übernommenen - Spruches des erstinstanzlichen Bescheides ist daher im Sinne einer Abweisung des Anspruches auf Arbeitslosengeld für den besagten Zeitraum zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/08/0387).

Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars innerhalb der auf § 46 Abs. 1 AlVG beruhenden Fristen an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 97/08/0428, mwN).

Der Beschwerdeführer bringt vor, er wäre von seiner Beraterin beim Arbeitsmarktservice dahingehend informiert worden, dass ein Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld erst dann notwendig sei, wenn über seine Invaliditätspension eine Entscheidung getroffen worden wäre. Die belangte Behörde hätte den diesbezüglichen Sachverhalt klären müssen und die Sachbearbeiterin einzuvernehmen gehabt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob ihm von seiner Beraterin eine entsprechende Information gegeben worden ist. § 46 AlVG stellt nämlich eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterlassener fristgerechter Antragstellungen dar. Die dem Beschwerdevorbringen letztlich zu Grunde liegende Rechtsauffassung, dass die auf einer unrichtigen Rechtsauskunft der zuständigen Sachbearbeiterin beruhende Unterlassung einer dem § 46 Abs. 1 AlVG entsprechenden Antragstellung einer Geltendmachung im Sinne dieser Bestimmung mit der Rechtswirkung des § 17 Abs. 1 AlVG gleichzuhalten sei, findet in den gesetzlichen Bestimmungen keine Deckung (vgl. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 97/08/0428). Infolge der abschließenden Normierung im § 46 AlVG ist der Arbeitslose in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, der durch Anwendung des § 46 AlVG nicht abgewendet werden kann, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche zu verweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1998, Zl. 97/08/0517, und nochmals das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 97/08/0428).

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Auskunftspflicht beruft, geht sein Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil er kein Auskunftsbegehren gestellt hat (vgl. § 2 Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987 idF BGBl. I Nr. 158/1998).

Es ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer das Formular für die Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld am 7. Juni 1999 übergeben worden ist. In diesem Formular ist auch festgehalten, dass der Antragsteller bis spätestens 21. Juni 1999 den Antrag persönlich beim Arbeitsmarktservice abzugeben hat. Außerdem ist der Hinweis enthalten, dass dann, wenn der Antragsteller die Frist nicht einhalten könne, er rechtzeitig eine Terminverlängerung vereinbaren solle, ansonsten die Leistung erst ab dem Tag gewährt werden könne, an dem er den Antrag abgebe.

Die Verwendung dieses bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars, in dem auf die Rechtsfolge, dass dann, wenn der Arbeitslose die von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrages ohne triftigen Grund versäumt, der Anspruch erst ab dem Tag zu beurteilen ist, an dem der Antrag bei der regionalen Geschäftsstelle abgegeben wurde, hingewiesen ist, beruht auf § 46 Abs. 1 AlVG. Wenn jedoch in diesem Formular ausdrücklich auf die entsprechenden Rechtsfolgen hingewiesen wird, so besteht für die Behörde entgegen dem Beschwerdevorbringen kein rechtlicher Anlass zu einer weiteren diesbezüglichen Belehrung (vgl. in diesem Zusammenhang auch die zu Rechtsmittelbelehrungen ergangene, bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I,

2. Auflage, Seite 367 unter E 40 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die bisherigen Ausführungen beziehen sich auf das Verwaltungsgeschehen, für welches die Vorsprache des Beschwerdeführers bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 7. Juni 1999, bei der ihm ein Formular für die Antragstellung auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ausgehändigt wurde, den Ausgangspunkt bilden konnte, also insbesondere auf die Vorsprache des Beschwerdeführers bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 18. Juni 1999. Angesichts des Umstandes, dass die dem Beschwerdeführer für die Rückgabe des Antrages gesetzte Frist am 21. Juni 1999 endete und er bei seiner Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 25. Juni 1999 die Bestätigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vorgelegt hat, dass er am 25. Juni 1999 einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gestellt habe, hätte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice jedoch zu ermitteln gehabt, ob damit ein (neues) Begehren, nämlich auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss im Sinne des § 23 AlVG, vorliegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0097, und vom 10. März 1998, Zl. 97/08/0517, (bezogen auf die damals jeweils vorliegenden Sachverhalte) ausgesprochen, dass ein Arbeitsloser, der sich auf Grund einer unrichtigen Rechtsauskunft des Arbeitsmarktservice ohne Antragstellung entfernt, nur auf die Geltendmachung eines Schadens im Amtshaftungsweg verwiesen ist. Die formalisierte Antragstellung im Sinne des oben zitierten § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthalte, schließe die Bedachtnahme auf den Fall unverschuldet unterbliebener Antragstellung aus.

Der vorliegende Fall ist insoweit anders, als sich der Beschwerdeführer nicht mit einer unrichtigen Auskunft begnügt und ohne weitere Antragstellung entfernt, sondern durch Vorlage einer Beweisurkunde (nämlich einer Bestätigung über die erfolgte Pensionsantragstellung) ein Anbringen im Sinne des AVG erstattet hat, dessen Inhalt dem entgegennehmenden Bediensteten des Arbeitsmarktservice unklar geblieben ist, andernfalls nach den Ausführungen der Vertreterin der belangten Behörde bei der mündlichen Verhandlung ein Formular zur Antragstellung nach § 23 AlVG ausgegeben worden wäre.

Gerade deswegen, weil gemäß § 46 AlVG ein Antrag auf Zuerkennung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung wirksam nur mittels des bundeseinheitlich aufgelegten Formulars gestellt werden kann, welches nach den Ausführungen der Vertreterin der belangten Behörde bei der mündlichen Verhandlung ein potenzieller Antragsteller nur durch Ausfolgung seitens des Arbeitsmarktservice erhalten kann, trifft jedoch die regionale Geschäftsstelle im Fall eines konkreten zu den Akten genommenen Anbringens der Partei, z.B. durch Aufnahme einer Niederschrift, Anfertigung eines Aktenvermerkes oder Vorlage einer für einen Anspruch auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung erforderlichen Beweisurkunde, wenn sie daran zweifelt, ob die Partei einen Antrag auf Zuerkennung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung stellen möchte, die Verpflichtung, die Partei zu befragen, ob sie eine Inanspruchnahme derartiger Geldleistungen anstrebt, und ihr gegebenenfalls das erforderliche Antragsformular auszuhändigen. Diese Ansprüche der Partei können nicht unter Berufung auf organisatorische Maßnahmen des Arbeitsmarktservice - etwa durch verschiedene Einbringungsstellen oder EDV-Zugriffsmöglichkeiten, wie dies im konkreten Fall offenbar gegeben war - in Frage gestellt werden. Legt die Partei - wie hier - eine Bestätigung über die Stellung eines Antrages auf Zuerkennung einer Invaliditätspension vor, so ist dies nicht nur geeignet, gegenüber der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 AlVG und damit das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Sinne des zuvor ausgegebenen, aber nicht fristgerecht bei der regionalen Geschäftsstelle abgegebenen Antragsformulars zweifelhaft erscheinen zu lassen, sondern es legt auch die Annahme nahe, dass die Partei durch die Vorlage dieser Urkunde die ihr in diesem Fall zustehenden Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses gemäß § 23 AlVG) in Anspruch nehmen will.

Kommt die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ihrer Verpflichtung zur Aushändigung eines Antragsformulars (gegebenenfalls nach Klärung der Absicht der Partei) in einer solchen Konstellation nicht nach, so bleibt der Partei dessen ungeachtet zunächst jedenfalls ein Anspruch auf diese Aushändigung gewahrt. Damit ist aber auch - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen, insbesondere rechtzeitiger Abgabe des der Partei auszuhändigenden Antragsformulars - ein Leistungsanspruch für die Zeit ab der ersten Vorsprache weiterhin aufrecht.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 10. März 1998, Zl. 97/08/0517, (wenn auch nur in einem obiter dictum) die Auffassung geäußert hat, auch das Unterbleiben der Ausfolgung eines Formulars in Kenntnis des Begehrens des Arbeitslosen führe nur zur Möglichkeit der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen, wird dies für die hier (erstmals) vorliegende Konstellation eines durch Vorlage einer sich auf einen konkreten Anspruch nach dem AlVG beziehenden Urkunde hinreichend konkreten Anbringens, das zur Verpflichtung der Behörde führt, von sich aus die damit verfolgten Absichten einer Klarstellung zuzuführen, sofern diese der Behörde zweifelhaft sein sollten, nicht aufrechterhalten. Die Behörde hat vielmehr ein Anbringen, das (nicht formgerecht) auf Erlangung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gerichtet ist, jedenfalls als ein auch nach den Bestimmungen des AlVG zulässiges Ansuchen um Ausgabe eines Antragsformulars dadurch zu erledigen, dass sie dem Antragsteller ein solches Formular aushändigt und damit das Verfahren nach § 46 AlVG in Gang setzt.

Soweit die belangte Behörde über den Zeitraum vom 25. Juni 1999 bis 21. November 1999 abgesprochen hat, belastete sie ihren Bescheid auf Grund der obigen Ausführungen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese in den Pauschalbeträgen der genannten

Verordnung bereits enthalten ist. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 23. Oktober 2002

Schlagworte

Intimation Zurechnung von Bescheiden Behördenbezeichnung Behördenorganisation Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080041.X00

Im RIS seit

05.03.2003

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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