TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/20 2002/08/0007

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2002
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §56;
AMSG 1994 §16;
AMSG 1994 §17;
AMSG 1994 §24 Abs3;
AMSG 1994 §24;
AVG §18 Abs4;
AVG §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. Johannes Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Pfarrplatz 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 16. November 1999, Zl. 4/1289/Nr.0393/0394/99-11, betreffend Widerruf und Rückzahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund ihres Antrages vom 15. Juli 1996 wurde der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. August 1996 bis 20. November 1996 Arbeitslosengeld zuerkannt. In der Folge stellte die Beschwerdeführerin Anträge auf Gewährung von Notstandshilfe am 18. November 1996 und am 18. November 1997, woraufhin ihr Notstandshilfe vom 21. November 1996 bis 18. November 1998 zuerkannt wurde.

Bei der Antragstellung betreffend das Arbeitslosengeld legte die Beschwerdeführerin eine Arbeitsbescheinigung der MM KG vor. Demnach sei sie bei diesem Unternehmen vom 1. Jänner 1995 bis 3. Juli 1996 als Angestellte beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis habe durch fristlose Entlassung geendet.

Im weiteren Verlauf erging das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. November 1998, 8 ObA 279/98g, mit dem einer Revision der Beschwerdeführerin nicht Folge gegeben wurde. Die Beschwerdeführerin hatte Dr. P K auf insgesamt S 473.248,45 als Nettogehalt für die Monate Juli 1996 bis Oktober 1997 geklagt. Den Entscheidungsgründen des Urteiles des Obersten Gerichtshofes ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

Die Beschwerdeführerin habe am 21. Dezember 1994 einen als "Beteiligungskaufvertrag" bezeichneten Vertrag unterfertigt, womit sie ihre Mitgliedschaft an der MM KG dem Beklagten Dr. P K übertrug. Am selben Tag sei ein "Dienstvertrag" zwischen der Beschwerdeführerin und Dr. P K unterzeichnet worden, wonach die Beschwerdeführerin von Dr. P K ab 1. Jänner 1995 bis 31. März 2002 zu näher festgelegten Bedingungen als Buchhändlerin angestellt worden sei. Bei Unterfertigung des Dienstvertrages sei zwischen den Parteien darüber gesprochen worden, dass die Beschwerdeführerin Frau R B und ihre Nachfolgerin in der Buchhandlung in den Schulen des Ortes vorstellen sollte. In der Folge sei es aber zu keinerlei Tätigkeiten der Beschwerdeführerin für Dr. P K bzw. die gegenständliche Buchhandlung gekommen. Dr. P K habe bis Juni 1996 seine finanziellen Verpflichtungen aus dem "Dienstvertrag" erfüllt.

Nachdem Dr. P K die zweite Kaufpreisrate nicht fristgerecht per 31. Dezember 1995 bezahlt hätte, habe die Beschwerdeführerin diesen Betrag klagsweise geltend gemacht. Die Klage sei Dr. P K am 30. Mai 1996 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 10. Juni 1996 habe Dr. P K durch seinen Vertreter die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den "Dienstvertrag" aufgefordert, bis Montag, 1. Juli 1996, das Dienstverhältnis an dem im Vertrag angegebenen Dienstort anzutreten. Nachdem die Beschwerdeführerin dieser und einer weiteren schriftlichen Aufforderung vom 1. Juli 1996 keine Folge geleistet hätte, habe Dr. P K mit Schreiben vom 3. Juli 1996 die fristlose Entlassung der Beschwerdeführerin ausgesprochen.

Das Beweisverfahren habe ergeben, dass von Anfang an keine Arbeitsleistung der Klägerin als Gegenleistung vereinbart war, sondern dass das aus dem "Dienstvertrag" geschuldete Entgelt Teil des Kaufpreises für das Unternehmen der Beschwerdeführerin gewesen sei. Da die geltend gemachten Geldforderungen nicht als Gegenleistung für von der Beschwerdeführerin erbrachte bzw. zu erbringende Arbeitsleistungen geschuldet worden seien, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit aber das wesentliche und zentrale Merkmal eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses sei, versage der von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsgrund "Gehalt aus einem befristeten Dienstverhältnis".

In der Folge wurde vom Arbeitsmarktservice Vöcklabruck mit Bescheid vom 5. März 1999 der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. August 1996 bis 20. November 1996 gemäß § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 46.794,-- verpflichtet; ebenso wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 21. November 1996 bis 18. November 1998 gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 215.844,-- verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie ausführte, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht ausreichend begründet und kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei vom 1. Jänner 1995 bis 2. Juli 1996 in einem ordnungsgemäßen Dienstverhältnis gestanden. Im Rahmen dieses Dienstverhältnisses habe sie bzw. ihr Dienstgeber Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet. Die Beschwerdeführerin habe daher die zustehenden Versicherungsleistungen zu Recht empfangen.

Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 16. November 1999 keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtslage im Wesentlichen aus, dass nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. November 1998 feststehe, dass zum 1. Jänner 1995 jedenfalls ein Arbeitsvertrag gemäß § 1151 Abs. 1 ABGB nicht zu Stande gekommen sei. Dem schlösse sich der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten in freier Beweiswürdigung an und gehe für die weitere Beurteilung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen davon aus, dass vom 1. Jänner 1995 bis 2. Juli 1996 kein Dienstverhältnis bestanden habe. Im Übrigen lägen im gesetzmäßig in Frage kommenden Zeitraum auch sonst keine anwartschaftsbegründenden Zeiten vor, weshalb die Zuerkennungen des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe zu widerrufen seien. Da der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil ausgeführt habe, dass es sich im vorliegenden Fall nur um den erschlichenen sozialrechtlichen Schutz eines Arbeitsverhältnisses gehandelt habe, sei der Bezug durch unwahre Angaben infolge der Vorlage der Arbeitsbescheinigung über ein nicht bestehendes "Dienstverhältnis" herbeigeführt worden. Aufgrund der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes vertrete auch der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten die Ansicht, dass der Beschwerdeführerin sowohl der Inhalt als auch der wahre Hintergrund der Vereinbarung bekannt und bewusst sein musste, sodass er die Gründe der Verantwortung der Beschwerdeführerin als nicht der Wahrheit entsprechend erachten und daher auch nicht anerkennen könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bemängelt, dass sich die belangte Behörde der Ansicht des Obersten Gerichtshofes angeschlossen habe, ohne sich im Detail mit den dazu in diametralem Widerspruch stehenden Beweisergebnissen auseinander zu setzen. Insbesondere gehe die belangte Behörde mit keinem Wort auf den Widerspruch ein, dass sowohl die Beschwerdeführerin wie auch Dr. P K, die unmittelbar Beteiligten des Arbeitsvertrages, selbst immer gleich bleibend und übereinstimmend ausgesagt hätten, dass ein gültiger Dienstvertrag vereinbart worden sei und dass selbstverständlich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages beiderseits daran gedacht worden sei, dass es auch tatsächlich zu Dienstleistungen kommen werde. Dass der Oberste Gerichtshof zu einem anderen Ergebnis gekommen sei, entfalte keinerlei Bindungswirkung für die belangte Behörde. Vielmehr wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, unter Abwägung aller Umstände und Beweisergebnisse zu eigenständigen Tatsachenfeststellungen zu kommen.

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Diese Voraussetzung ist u.a. dann gegeben, wenn der nunmehr Arbeitslose als Dienstnehmer bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt gewesen ist (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG). Als Arbeit(Dienst)nehmer im Sinne der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung ist anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird (vgl. Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, Seite 38).

Auf Grund der oben genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. November 1998 steht fest, dass der Beschwerdeführerin der von ihr als Nettogehalt eingeklagte Geldbetrag nicht zusteht. In der Begründung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist nachvollziehbar dargelegt, dass aus dem "Dienstvertrag" keine Pflichten zur Leistung eines Entgeltes abgeleitet werden können und dass auch die Geldleistungen von Dr. P K an die Beklagte bis Juni 1996 nicht als Entgelt aus dem "Dienstvertrag" angesehen werden können.

Es kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Obersten Gerichtshofes zum Schluss gekommen ist, dass mangels anwartschaftsbegründender Versicherungszeiten die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld und in weiterer Folge für die Notstandshilfe nicht vorgelegen sind.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Auf Grund des § 38 AlVG ist diese Bestimmung sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.

Es ist angesichts des vom Obersten Gerichtshofes festgestellten tatsächlichen Geschehensablaufes, der von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird, nämlich der Gleichzeitigkeit der "Vertragsabschlüsse" über den "Beteiligungskauf" und den "befristeten Dienstvertrag", der Nichterbringung von Dienstleistungen und weiters der Unterlassung der Beschwerdeführerin trotz Aufforderung, den Dienst anzutreten, nicht unzutreffend, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Beschwerdeführerin bewusst sein musste, dass sie Geldleistungen des Dr. P K nicht aus dem Rechtsgrund "Gehalt aus einem befristeten Dienstverhältnis" erhalten hatte, und dass die Angabe dieses "Dienstverhältnisses" daher nur dazu diente, nicht zustehendes Arbeitslosengeld bzw. nicht zustehende Notstandshilfe zu erlangen. Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Rückzahlung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe konnte die belangte Behörde daher zutreffend als erfüllt ansehen.

Soweit die Beschwerde die insofern unklare Begründung des angefochtenen Bescheides rügt, als die belangte Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes ausgeführt habe, dass die Beschwerdeführerin vom 1. Jänner 1995 bis 3. Juli 1996 als Angestellte beschäftigt war und das Dienstverhältnis durch fristlose Entlassung geendet hat, ist ihr entgegenzuhalten, dass damit ein Begründungsmangel nicht vorliegt. Aus den weiteren Ausführungen in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides folgt nämlich eindeutig, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht von diesem Sachverhalt ausgegangen ist. Der in der Beschwerde zitierte Satz dient lediglich dazu, die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Arbeitsbescheinigung näher zu umschreiben.

Die Beschwerde rügt des weiteren, dass im angefochtenen Bescheid die Mitglieder des Ausschusses für Leistungsangelegten nicht namentlich angeführt sind. Die Notwendigkeit der Bekanntgabe der Namen dieser Mitglieder ergebe sich im Hinblick auf die Bestimmungen über die Befangenheit von Verwaltungsorganen, da dem rechtsunterworfenen Bescheidadressaten die Überprüfung von Befangenheitstatbeständen nur dann möglich sei, wenn ihm die Entscheidungsträger bekannt sind.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Unterfertigung der Bescheide, die im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten beschlossen wurden, durch den Landesgeschäftsführer oder eine dazu ermächtige Person rechtmäßig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 98/08/0351). Die Mitglieder müssen im Bescheid nicht genannt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018).

Des weiteren besteht kein Recht der Beschwerdeführerin zur Ablehnung von Mitgliedern des Leistungsausschusses. Nur in diesem Fall aber hätten der Beschwerdeführerin die zur Entscheidung berufenen Mitglieder des Ausschusses bekannt gegeben werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 2000, Zl. 99/07/0215, sowie z. B. auch das Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 2000/09/0006). Dass im vorliegenden Fall befangene Mitglieder an der Entscheidung mitgewirkt hätten, wird in der Beschwerde nicht vorgebracht. Im Übrigen ist die Mitwirkung eines befangenen Organwalters kein Grund für die Aufhebung eines inhaltlich rechtmäßigen Bescheides (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I,

2. Auflage, auf Seite 168 unter E 43 zu § 7 AVG zitierte hg. Judikatur).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Februar 2002

Schlagworte

Ablehnung wegen Befangenheit Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden Behördenbezeichnung Behördenorganisation Intimation Zurechnung von Bescheiden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080007.X00

Im RIS seit

24.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten