TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/19 99/08/0054

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Veröffentlicht am 19.02.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/03 GesmbH-Recht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1155;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §35 Abs1;
ASVG §35;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
GmbHG §15 Abs1;
GmbHG §61 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in Linz, vertreten durch Mag. Markus Hager und Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwälte in 4040 Linz/Urfahr, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 4. März 1999, Zl. 120.709/2-7/98, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. R in G, vertreten durch Dr. Georg Schwab, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 3/1; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;

3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Landesgeschäftsstelle, 4021 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Gesellschaftsvertrag vom 9. Mai 1988 ist eine LP GmbH gegründet worden. Laut Generalversammlungsbeschluss vom 13. Oktober 1993 ist diese GmbH in die O. Immobilien- und Bauträger GmbH (in der Folge nur: GmbH) umgewandelt worden. Sitz der GmbH war in Innsbruck, u.a. wurde in Linz ein Büro unterhalten. Alleingesellschafter und einziger handelsrechtlicher Geschäftsführer war Walter L-P (in der Folge nur: Alleingesellschafter-Geschäftsführer). Am 18. Juni 1995 verunglückte er tödlich.

Mit Bescheid vom 1. April 1997 hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ausgesprochen, die Erstmitbeteiligte unterliege auf Grund ihrer Beschäftigung zur GmbH ab 19. Juni 1995 nicht der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung; das Versicherungsverhältnis sei mit 18. Juni 1995 beendet worden.

In der Begründung hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, am Todestag des Alleingesellschafter-Geschäftsführers sei die Erstmitbeteiligte als einzige Dienstnehmerin gemeldet gewesen. Zur Abwicklung der offenen Gehaltsansprüche der Erstmitbeteiligten aus diesem Dienstverhältnis sei mit Beschluss des Landes- als Handelsgericht Innsbruck vom 13. Mai 1996 Dr. S., Rechtsanwalt in Innsbruck, zum Notgeschäftsführer der GmbH bestellt worden. Die Erstmitbeteiligte habe mit Schreiben vom 29. Mai 1996 ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung erklärt. Der Notgeschäftsführer habe die Austrittserklärung zur Kenntnis genommen.

Die Erstmitbeteiligte habe mit Klage vom 5. Dezember 1996 ihre offenen Gehaltsansprüche geltend gemacht. Darüber sei ein Versäumungsurteil ergangen.

Mit dem Ableben des Alleingesellschafter-Geschäftsführers am 18. Juni 1995 sei der Geschäftsbetrieb eingestellt worden. Die provisorische "Verlassenschaftsverwalterin" habe einen Konkursantrag eingebracht, der mangels Hinterlegung eines Kostenvorschusses abgewiesen worden sei. Die "Verlassenschaftskuratorin" habe mit der Erstmitbeteiligten keinen Kontakt aufgenommen. Die Erstmitbeteiligte habe von der "Verlassenschaftskuratorin" auch keine Aufträge namens der GmbH erhalten. Der die Verlassenschaft nach dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer abhandelnde Notar habe weder Kontakte zur GmbH noch zur Erstmitbeteiligten gehabt.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, die Erstmitbeteiligte sei ab 19. Juni 1995 an keine Ordnungsvorschriften des Dienstgebers hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit, des arbeitsbezogenen Verhaltens sowie an die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse gebunden gewesen. Die Versicherungspflicht sei daher mit 18. Juni 1995 zu beenden gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe keine persönliche Abhängigkeit der Erstmitbeteiligten bestanden.

In dem dagegen erhobenen Einspruch hat die Erstmitbeteiligte ausgeführt, ihr Dienstgeber sei vom 20. Juni 1994 bis 6. Juni 1996 (Zugang des vorzeitigen Austritts an den Notgeschäftsführer) die GmbH gewesen. Diese sei nach wie vor im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck registriert. Die GmbH übe an der Adresse in Innsbruck nach wie vor eine geschäftliche Tätigkeit aus. Das Dienstverhältnis der Erstmitbeteiligten sei daher bis 6. Juni 1996 aufrecht gewesen. An den Bestand des aufrechten Dienstverhältnisses knüpfe aber die Pflichtversicherung an. Die Pflichtversicherung erstrecke sich daher jedenfalls auf den Zeitraum 20. Juni 1994 bis 6. Juni 1996 bzw. 29. Mai 1996. Sie sei vom 20. Juni 1994 bis 6. Juni 1996 bei der GmbH beschäftigt gewesen.

Die Einspruchsbehörde hat mit der Erstmitbeteiligten am 2. Juli 1997 eine Niederschrift aufgenommen und nach Einholung von Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und der Erstmitbeteiligten zu diesem ergänzenden Beweisverfahren mit Bescheid vom 28. Jänner 1998 dem Einspruch keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid bestätigt. In der Begründung ist sie von dem eingangs dargestellten sowie dem im Bescheid der Beschwerdeführerin als erwiesen angenommenen Sachverhalt ausgegangen und hat ergänzend festgestellt, ab dem Todestag des Alleingesellschafter-Geschäftsführers habe die Erstmitbeteiligte keinen Zugang zu den Büroräumen und den Arbeitsunterlagen gehabt. Mit diesem Tage sei der Geschäftsbetrieb de facto eingestellt worden.

Die Erstmitbeteiligte habe laut Besprechungsnotiz der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 1996 anlässlich eines Telefonates angegeben, dass sie ab 18. Juni 1995 bis auf die Absage der vorher fixierten Termine keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe. Sie hätte im Juni 1995 einen "AlG-Antrag" gestellt. Diese ursprüngliche Angabe der Erstmitbeteiligten erscheine glaubwürdiger, zumal sie in keiner Form Beweise dazu vorgelegt habe, welche Arbeiten sie konkret nach dem 18. Juni 1995 ausgeführt habe.

Der Notgeschäftsführer der GmbH sei ausschließlich zur Abwicklung der offenen Gehaltsansprüche der Erstmitbeteiligten bestellt worden. Er habe keine geschäftliche Tätigkeit namens der GmbH vorgenommen. Weder am Sitz der GmbH in Innsbruck noch am Sitz der Einzelfirmen des verstorbenen Alleingesellschafter-Geschäftsführers seien nach dem Juni 1995 Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet gewesen.

Entscheidend sei, ob die Erstmitbeteiligte nach dem 18. Juni 1995 in einem Verhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt als Dienstnehmerin der GmbH tätig geworden sei. Mit dem Tod des Alleingesellschafter-Geschäftsführers sei de facto der Geschäftsbetrieb eingestellt worden. Die Büroräumlichkeiten in Linz seien versperrt gewesen. Ab dem 18. Juni 1995 habe die GmbH keinen Gesellschafter und keinen Geschäftsführer gehabt. Die Erstmitbeteiligte sei daher keinem Weisungs- und Kontrollrecht des Dienstgebers hinsichtlich Einhaltung der Arbeitszeit und des arbeitsbezogenen Verhaltens unterlegen. Die Versicherungspflicht sei daher mit dem Todestag des Alleingesellschafter-Geschäftsführers beendet gewesen. Wann das (zivilrechtliche) Dienstverhältnis beendet worden sei, spiele keine Rolle. Das von der Erstmitbeteiligten erwirkte Versäumungsurteil entfalte keine Bindungswirkung.

Die Erstmitbeteiligte hat Berufung erhoben. Darin hat sie geltend gemacht, sie habe auch noch nach dem 18. Juni 1995 zumindest bis zum berechtigten vorzeitigen Austritt die vereinbarten Termine wahrgenommen und die Kunden, zumal noch Alleinvermittlungsaufträge offen gewesen seien, informiert und weiterbetreut. Auch nach dem 18. Juni 1995 habe ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zur GmbH bestanden. Die Erstmitbeteiligte sei als Angestellte eines Immobilienunternehmens tätig gewesen. Einem solchen Dienstverhältnis sei es zu Eigen, dass der Dienstnehmer Termine selbst einteile und er auch die Arbeitszeit selbst bestimme. Das Kontrollrecht der GmbH sei auch nach dem Tode des Geschäftsführers aufrecht gewesen. Dies hätte durch den Notgeschäftsführer bzw. Verlassenschaftskurator jederzeit wahrgenommen werden können. Der Erstmitbeteiligten sei bei ihren Anfragen beim Verlassenschaftskurator bzw. beim Notgeschäftsführer mitgeteilt worden, dass sie sich bis zum Zeitpunkt, an dem die Verlassenschaft abgewickelt sein werde, zu gedulden habe. Bis zur Bestellung des Notgeschäftsführers habe sie gar keine rechtliche Möglichkeit zur Beendigung des Dienstverhältnisses gehabt. Hätte das Beschäftigungsverhältnis mit dem Tod des Alleingesellschafter-Geschäftsführers geendet, so bestünde jedenfalls noch ein Entgeltanspruch im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. An das Bestehen des Entgeltanspruches sei der Versicherungsträger auf Grund des rechtskräftigen Urteiles gebunden.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung Folge gegeben und festgestellt, dass die Erstmitbeteiligte auch vom 19. Juni 1995 bis zum 6. Juni 1996 der Vollversicherung und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach der Begründung sei auf Grund des Inhaltes der Versicherungs- und Verwaltungsakten der Unterinstanzen sowie den ergänzenden Ermittlungen im Rahmen des Berufungsverfahrens von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Unbestritten sei, dass die Erstmitbeteiligte zumindest in den letzten zehn Jahren (immer wieder mit Unterbrechungen) für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer als Immobilienmaklerin, sowohl im Innen- als auch im Außendienst) gearbeitet habe. Sie habe ihre Beschäftigung bei der GmbH am Betriebsstandort Linz erbracht. Herr L-P sei alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gewesen. Nach seinem Tode seien noch Termine bis über einen Monat fixiert gewesen. Es seien auch noch die Alleinvermittlungsaufträge der Erstmitbeteiligten weitergelaufen. Nach dem Ableben des Geschäftsführers habe die Erstmitbeteiligte das Büro nicht mehr betreten können, weil es versperrt gewesen sei. Sämtliche Unterlagen, die damals im Büro gewesen seien, seien nicht mehr aufgefunden worden. Etwa ein Jahr später habe die Erstmitbeteiligte durch ihren Rechtsanwalt beim Handelsgericht Innsbruck den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers der GmbH gestellt. Dieser sei ausschließlich für die Abwicklung der offenen Gehaltsansprüche der Erstmitbeteiligten zuständig gewesen. Die Erstmitbeteiligte habe mit Schreiben vom 29. Mai 1996 den vorzeitigen gerechtfertigten Austritt aus dem Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung erklärt. Der Notgeschäftsführer habe diese Erklärung zur Kenntnis genommen. Am 5. Dezember 1996 habe die Erstmitbeteiligte eine Stufenklage gegen die GmbH wegen offener Gehaltsansprüche, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und aliquoter Sonderzahlung eingebracht. Hierüber sei das Versäumungsurteil vom 22. Jänner 1997 ergangen. Demnach sei die GmbH verpflichtet worden, der Erstmitbeteiligten S 164.340,19 brutto samt 5,5 % Zinsen seit 1. Juni 1996 zu bezahlen. Die GmbH sei weiters verpflichtet worden, der Erstmitbeteiligten eine ordnungsgemäße Provisionsabrechnung zu legen und ihr dementsprechend die daraus resultierenden Ansprüche zu bezahlen.

Die Erstmitbeteiligte sei bis 18. Juni 1996 weiterhin für die GmbH tätig gewesen und zwar im Wesentlichen mit Vermittlungstätigkeiten.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die belangte Behörde ausgeführt, dem Standpunkt der Einspruchsbehörde, der Geschäftsbetrieb sei de facto eingestellt gewesen, die Büroräumlichkeiten seien versperrt gewesen und es sei weder ein weiterer Gesellschafter noch ein Geschäftsführer vorhanden gewesen und daher könne die Erstmitbeteiligte keinem Weisungs- und Kontrollrecht des Dienstgebers unterlegen sein, sei Folgendes entgegenzuhalten:

Die Erstmitbeteiligte sei zumindest in den letzten zehn Jahren beim Alleingesellschafter-Geschäftsführer als Immobilienmaklerin sowohl im Innendienst als auch im Außendienst beschäftigt gewesen. Sie habe bei ihrer Einvernahme im Rahmen des Berufungsverfahrens u.a. angegeben, dass sie nach dem Tode des Alleingesellschafter-Geschäftsführers der Meinung gewesen sei, dass jenes Büro weitergeführt werde. Zum damaligen Zeitpunkt habe sie auch geglaubt, dass dies unter Umständen durch den Sohn des Alleingesellschafter-Geschäftsführers geschehen werde. Sie habe weiterhin Termine, die über ein Monat nach dessen Tode fixiert gewesen seien, wahrgenommen. Des Weiteren habe sie sowohl ihre Alleinvermittlungsaufträge als auch jene des Verstorbenen betreut. Darüber hinaus sei sie auch bemüht gewesen, neue Aufträge zu erhalten. Dies obwohl sie keine Geschäftspapiere besessen habe und sich dessen bewusst gewesen sei, dass sie keine konkreten Abschlüsse tätigen könne. Es könne daher der Standpunkt der Einspruchsbehörde nicht geteilt werden, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt worden wäre. Die belangte Behörde sei vielmehr der Ansicht, dass die Erstmitbeteiligte bemüht gewesen sei, den Geschäftsbetrieb der GmbH aufrecht zu erhalten, und zwar nach ihrem damaligen Wissensstand zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die "GmbH von jemandem übernommen" werden würde. Dafür spreche auch, dass die Erstmitbeteiligte sowohl mit der Verlassenschaftskuratorin als auch mit dem Notar Kontakt aufgenommen habe, um zu erfahren, wie es mit der GmbH weitergehen würde.

Zu den wiederholten Behauptungen der Erstmitbeteiligten, in den Filialen Wien, Salzburg und Innsbruck sei weitergearbeitet worden und demgemäß habe sie bis zum berechtigten vorzeitigen Austritt u.a. ihre Termine wahrgenommen, sei auf die Erhebungen beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zu verweisen, wonach im Juni und März 1995 die letzten Dienstnehmer der GmbH abgemeldet worden seien. Demnach seien zumindest "offiziell" keine Geschäftstätigkeiten der GmbH im streitgegenständlichen Zeitraum vorgenommen worden.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde ausgeführt, der Erstmitbeteiligten sei bezüglich ihres Einwandes, sie habe arbeitsrechtlich bis zur Bestellung des Notgeschäftsführers gar nicht die Möglichkeit gehabt, das Dienstverhältnis zu beenden, insoferne zuzustimmen, als es sich bei der Auflösungserklärung, hier habe es sich um einen vorzeitigen berechtigten Austritt gehandelt, um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handle. Es sei in diesem Zusammenhang jedoch festzuhalten, dass das arbeitsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das sozialversicherungsrechtliche Dienstverhältnis voneinander zu trennen seien. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 ASVG sei darauf zu verweisen, dass die Bestimmung nur unter der Voraussetzung anzuwenden sei, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch das arbeitsrechtliche Beschäftigungsverhältnis der Erstmitbeteiligten erst durch die Annahme des vorzeitigen berechtigten Austrittes seitens des Notgeschäftsführers beendet worden. Dieser sei ausschließlich zur Abwicklung der offenen Gehaltsansprüche der Erstmitbeteiligten bestellt worden. Seine Bestellung sei nicht auf ein etwaiges Kontrollrecht ausgerichtet gewesen. Dem gemäß hätte der Notgeschäftsführer dieses Recht gar nicht ausüben können. Der Erstmitbeteiligten sei aber zuzustimmen, dass eine persönliche Abhängigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dann vorliegen könne, wenn der Beschäftigte auf Grund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art seiner Beschäftigung Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weiterhin selbst bestimmen könne. Die Erstmitbeteiligte habe ihre tägliche Arbeitszeit zum Teil selbst bestimmen können. Dies ergebe sich schon allein auf Grund ihrer Tätigkeit als Immobilienmaklerin, bei der es von vornherein keine fixe Arbeitszeiten gebe, sondern sich die Termine nach den jeweiligen Geschäftspartnern zu richten hätten. Da die Büroräumlichkeiten in Linz versperrt gewesen seien, habe keine Bindung an den Arbeitsort bestanden. Diese Bindung sei jedoch für die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten nicht unbedingt notwendig gewesen, weil sie ihre Tätigkeit ab dem Zeitpunkt des Todes des Alleingesellschafter-Geschäftsführers überwiegend im Außendienst erbracht habe. Notwendig wäre der Arbeitsort in erster Linie für die Beschaffung der notwendigen Geschäftsunterlagen gewesen.

Für die Annahme der persönlichen Abhängigkeit müssten nicht sämtliche Merkmale vorliegen, vielmehr müsse die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten nur weitgehend ausgeschaltet sein. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass sich ab dem Zeitpunkt des Todes des Alleingesellschafter-Geschäftsführers in der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten im Wesentlichen nicht viel geändert habe. Der Unterschied sei lediglich gewesen, dass sie nicht mehr entsprechend den Vorgaben ihres Vorgesetzten ins Büro gekommen sei bzw. dort verblieben sei. Es sei jedoch auf Grund der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer und ihrer damit zusammenhängenden Berufserfahrung davon auszugehen, dass sie keine ständigen Weisungen und Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung einer bestimmten Arbeitszeit bzw. des arbeitsbezogenen Verhaltens gebraucht habe, um im Sinne des Unternehmens tätig zu sein. Aus dem festgestellten Bemühen der Erstmitbeteiligten ergebe sich, dass sie die Kontinuität des Geschäftsbetriebes gewahrt habe, bis von zuständiger Stelle eine Entscheidung über die Zukunft des Betriebes getroffen werde. In besonderen Fällen wie diesen könne die unmittelbare Weisungs- und Kontrollbefugnis, die üblicherweise einer Person zustehe, durch die Verpflichtung, das im Dienstvertrag Vereinbarte einzuhalten, ersetzt werden. Das Recht zur Weisung und Kontrolle wäre einem - wenn hier auch nicht bestellten - Notgeschäftsführer zugekommen. Die Bestimmungsfreiheit der Erstmitbeteiligten in ihrer Tätigkeit ab dem Zeitpunkt des Todes des Alleingesellschafter-Geschäftsführers sei daher weitgehend ausgeschaltet gewesen. Es bleibe nur noch die Frage offen, wie lange die Bestimmungsfreiheit der Erstmitbeteiligten weitgehend ausgeschaltet gewesen sei. Hiezu sei zunächst festzuhalten, dass sich die Erstmitbeteiligte hinsichtlich ihres Berufungsantrages, sie sei vom 20. Juni 1994 bis 6. Juni 1996 pflichtversichert gewesen, verschrieben habe. Da der Alleingesellschafter-Geschäftsführer am 18. Juni 1995 verstorben sei, sei der Zeitraum vom 20. Juni 1994 bis 18. Juni 1995 unstrittig. Wie bereits ausgeführt, seien Besichtigungstermine für über ein Monat nach dem Tode des Alleingesellschafter-Geschäftsführers hinaus vereinbart gewesen. Des Weiteren habe die Erstmitbeteiligte die Alleinvermittlungsaufträge des verstorbenen Alleingesellschafter-Geschäftsführers, welcher dieser kurz vorher abgeschlossen hatte bzw. ihre eigenen bis zum Schluss betreut. Daher sei die belangte Behörde der Ansicht, dass die Erstmitbeteiligte zumindest bis 6. Juni 1996 einem unmittelbaren Weisungs- und Kontrollrecht unterlegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die Erstmitbeteiligte und Viertmitbeteiligte haben in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, dass das Ende des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses der Erstmitbeteiligten zur GmbH mit 6. Juni 1996 gegeben ist. Während die belangte Behörde das Ende des (sozialversicherungsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses der Erstmitbeteiligten zur GmbH und damit auch das Ende der Pflichtversicherung mit 6. Juni 1996, also gleichzeitig mit dem Ende des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses angenommen hat, erblickt die Beschwerdeführerin das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und damit der Pflichtversicherung bereits im Zeitpunkt zu dem der Alleingesellschaft-Geschäftsführer verstorben ist (dem 18. Juni 1995).

Keiner dieser Auffassungen ist zu zustimmen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Nach § 4 Abs. 2 leg. cit. (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor Änderung durch die 54. ASVG-Novelle, BGBl. I Nr. 139/1997) ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Beschäftigung (z.B. auf Grund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer, im Regelfall freilich auch vorliegender Umstände, wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers, dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt.

Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch an sich nicht unterscheidungskräftige Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 1997, 93/08/0171). Für ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG genügt schon das Überwiegen der Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit. Die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle gemeinsam vorliegen und können auch in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten. Das Fehlen eines an sich unterscheidungskräftigen Merkmales persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit lässt daher noch keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass die zu beurteilende Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterliegt; es kommt vielmehr darauf an, ob unter Berücksichtigung aller im Einzelfall gegebenen Umstände die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet ist.

Nach § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der in § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen, soweit in den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.

Zunächst ist der - schon in der Begründung des Bescheides erster Instanz vertretenen - Auffassung der Beschwerdeführerin, die Erstmitbeteiligte habe ab dem Todestag des alleinigen Geschäftsführer und Gesellschafters der GmbH nicht mehr abhängig beschäftigt sein können, Folgendes entgegenzuhalten:

Die GmbH, welche Dienstgeber der Erstmitbeteiligte gewesen ist, wurde als solche durch den Tod ihres einzigen Gesellschafters und Geschäftsführers zwar "führerlos", nicht aber inexistent. Insoweit unterscheidet sich der hier vorliegende Fall des Todes des (wenngleich einzigen) Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH von anderen vom Verwaltungsgerichthof entschiedenen Fällen betreffend Tod (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Juli 1979, 1172/78, und vom 23. April 1987, 82/08/0066) oder Abwesenheit (vgl. das Erkenntnis vom 19. September 1989, 89/08/0105) des Dienstgebers. Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass der Tod des (wenn auch einzigen) Geschäftsführers den Bestand des Dienstverhältnisses zur GmbH berührt hätte. Es mag eine GmbH in dieser Konstellation zwar zumindest bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers außer Stande sein, Weisungen zu erteilen bzw. eine auf die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis relevanten Umstände bezogene Kontrolle auszuüben.

Nichtsdestoweniger wird ein Dienstnehmer (zunächst) mit dem Fortgang des Unternehmens sowie damit rechnen können, dass er dem zu bestellenden neuen Geschäftsführer für die zwischenzeitige Erfüllung der Dienstpflichten verantwortlich zu sein haben wird.

Unterbleibt die Erteilung von (nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an sich unterscheidungskräftigen) Weisungen betreffend die Arbeitszeit, den Arbeitsort und das arbeitsbezogene Verhalten, z.B. aus dem Grund, dass der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich "im Betrieb" des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat, so lässt sich diese Weisungsgebundenheit z.B. aus den damit korrespondierenden Kontrollrechten (insbesondere der Art und Weise von deren tatsächlicher Ausübung durch den Dienstgeber oder die von ihm Beauftragten) erkennen. Dieses, durch Kontrollrechte zwar abgesicherte, sich aber zufolge der dargelegten Umstände nicht immer in konkreter Form äußernde (aber dennoch für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit relevante) Weisungsrecht des Arbeitgebers wird von der Rechtsprechung mit der Bezeichnung "stille Autorität des Arbeitgebers" umschrieben (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0152, mit weiteren Judikaturhinweisen sowie das Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 91/08/0026).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann im Beschwerdefall die Frage der persönlichen Abhängigkeit nicht schon deswegen verneint werden, weil die GmbH der Erstmitbeteiligten nach dem Tod des Geschäftsführers keine Weisungen mehr erteilen konnte, wie dies in der Beschwerde vertreten wird: Es macht in rechtlicher Hinsicht im hier maßgebenden Zusammenhang zunächst keinen Unterschied, ob die Erteilung von Weisungen unterbleibt, obwohl der Dienstgeber dazu in der Lage wäre, oder weil der Dienstgeber dazu mangels Handlungsfähigkeit nicht in der Lage ist, weil in beiden Fällen jedenfalls das (auch im Nachhinein wirksam ausübbare) Kontrollrecht fortbesteht, wie dies die belangte Behörde zu Recht hervorhebt, welches nach Bestellung eines neuen Geschäftsführers jederzeit effektuiert werden kann. Es genügt daher auch in einem Fall wie dem vorliegenden, dass ein sich zwar nicht in konkreter Form äußerndes, aber durch Kontrollrechte abgesichertes Weisungsrecht besteht, welches mit dem Begriff "stille Autorität" des Dienstgebers umschrieben werden kann. Der Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin, dass nach dem Tod des einzigen Geschäftsführers einer GmbH ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht mehr möglich sei, kann daher in dieser Allgemeinheit nicht beigepflichtet werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, Slg. Nr. 12848/A näher begründet hat, gehört zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis i.S. des § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG eine beiderseitige Willensübereinstimmung darüber, dass auf der einen Seite abhängige Dienste entgeltlich geleistet und auf der anderen Seite diese Dienste entgegengenommen werden. Auch der einseitige Wegfall dieses Willens - insbesondere auf Seiten des Dienstgebers (also wenn dieser die entgeltlichen abhängigen Dienste nicht mehr in Empfang nehmen möchte) - beendet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. Im Gegensatz dazu wird ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis dadurch allein nicht einseitig aufgelöst. Bleibt allerdings die Willenseinigung, Dienste zu leisten bzw. zu empfangen, weiterhin aufrecht, berührt die Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit den Weiterbestand des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht. Eine Ausnahme hievon ist - wie im oben zitierten Erkenntnis unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt wurde - bei den sogenannten "diktierten Rechtsverhältnissen" gegeben. Diese liegen vor, wenn der weggefallene Wille des Dienstgebers, weiterhin Leistungen in Empfang zu nehmen, durch Gesetz oder Richterspruch substituiert wird: in diesen Fällen besteht ein Beschäftigungsverhältnis, solange der Arbeitnehmer, wenn auch gegen den Willen des anderen Teiles, abhängige Arbeit leistet oder - sofern ihm dies verwehrt wird - in Arbeitsbereitschaft verharrt. Die Arbeitsbereitschaft als solche könnte demnach für sich allein für die Fortdauer eines Beschäftigungsverhältnisses nur dann genügen, wenn einer der erwähnten Ausnahmefälle, so insbesondere ein diktiertes Rechtsverhältnis vorläge (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1962, 1923/61).

Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis außerhalb der erwähnten "diktierten Rechtsverhältnisse" kann somit durch einseitige (unter Umständen sogar den Arbeitsvertrag oder das Gesetz verletzende) Handlungen des Dienstgebers, aber auch durch solche des Dienstnehmers beendet werden.

Die hier zu beurteilende Rechtsfrage unterscheidet sich von der soeben erörterten jedoch dadurch, dass der Tod des - wenn auch einzigen - Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH (selbst wenn als Folge davon die Erstmitbeteiligte, abgesehen von der Absage von Terminen u.ä., nicht mehr in der Lage gewesen ist, vertragsgemäße Arbeitsleistungen für das Unternehmen zu erbringen) nicht jener Konstellation gleichgehalten werden kann, in welcher eine dem Dienstgeber zurechenbare Willenserklärung darüber vorliegt, die Dienste seines Dienstnehmers nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Selbst wenn sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass der Dienstgeber auf Dauer nicht mehr in der Lage gewesen ist, die Erstmitbeteiligte weiter zu beschäftigen, kommt - retrospektiv - der Tod des Geschäftsführers selbst dann, wenn die Erstmitbeteiligte danach überhaupt keine Arbeitsleistungen mehr hätte erbringen können, nicht als Zeitpunkt der Beendigung der Pflichtversicherung in Betracht, weil sich dieses Ereignis im Sinne des § 1155 ABGB zweifelsfrei auf Seiten des Dienstgebers ereignet hat und auch für Dienstleistungen, die nicht zu Stande gekommen sind, dem Dienstnehmer in einem solchen Fall das Entgelt gebührt, sofern er zur Leistung bereit war. Für die Dauer eines solchen Entgeltanspruchs besteht die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG auch dann fort, wenn in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung mehr erbracht worden ist.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund schließt zunächst der Umstand, dass die Gesellschaft - wie unbestritten feststeht - eine weitere Geschäftstätigkeit nicht mehr entfalten konnte, eine Fortdauer des Dienstverhältnisses nicht aus. Solche Umstände rechtfertigen allenfalls eine Auflösung des Dienstverhältnisses durch Kündigung i.S. des § 20 AngG. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis konnte daher unter zwei voneinander zu unterscheidenden Voraussetzungen über den Tod des Geschäftsführers hinaus fortbestehen, nämlich (erstens) im Falle der Erbringung von Dienstleistungen durch die Erstmitbeteiligte über den Todestag des Geschäftsführers hinaus sowie (zweitens) für die weitere Dauer eines über diesen Zeitraum hinausgehenden Entgeltanspruchs.

Zur ersten dieser in Betracht kommenden Möglichkeiten hätte die belangte Behörde daher in erster Linie Feststellungen darüber zu treffen gehabt, für welchen Zeitraum die Erstmitbeteiligte - ungeachtet ihres Vorbringens, dass sie ab dem Zeitpunkt des Todes des Geschäftsführers die Betriebsräumlichkeiten nicht mehr habe betreten können - nach der Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft durch den Tod des Geschäftsführers tatsächlich noch Dienste für die Gesellschaft erbracht hat, die ihrer Art nach noch als auf Grund ihres Dienstvertrages (d.h. gemessen an den getroffenen Vereinbarungen, hilfsweise an jenen Arbeitsleistungen, die sie bis zum Tod des Geschäftsführers erbracht hat) geschuldete Arbeitsleistungen und als gegenüber der Gesellschaft erbracht angesehen werden konnten, wofür maßgebend sein wird, ob und auf welche Weise die Erstmitbeteiligte die Ergebnisse dieser Dienstleistungen der Gesellschaft hat zuwenden können, insbesondere ob und in welchem Umfang sie allenfalls berechtigt gewesen ist, für die Gesellschaft zu zeichnen und damit Kunden gegenüber der Gesellschaft zu verpflichten.

Für Zeiträume danach wird die belangte Behörde zu untersuchen haben, in welchem Ausmaß der Erstmitbeteiligten bei Unterbleiben der Dienstleistung aus einem in der Sphäre des Dienstgebers eingetretenen Hinderungsgrund, die Dienstleistung entgegenzunehmen, Entgeltansprüche nach § 1155 ABGB zustanden. Auch die Stilllegung des Betriebes und die dadurch bewirkte Hinderung des Arbeitnehmers, seine gewöhnliche Arbeitsleistung zu erbringen, stellt nämlich einen in die Arbeitgebersphäre fallenden, i.S. § 1155 ABGB zur Fortzahlung des Entgeltes verpflichtenden Umstand dar (OGH SZ 71/64). Diese Frage ist - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - ohne Bindung an das von der Erstmitbeteiligten gegen die Gesellschaft erwirkte Versäumungsurteil vom 22. Jänner 1997 zu beurteilen, wie sich aus § 49 Abs. 6 dritter Satz ASVG ergibt, wonach eine Bindungswirkung nicht eintritt, wenn der Entscheidung kein streitiges Verfahren vorangegangen ist.

Als Besonderheit der hier vorliegenden Konstellation bei Anwendung des § 1155 ABGB erweist sich jedoch, dass das auf Seiten des Dienstgebers eingetretene Ereignis alle Gesellschaftsorgane und damit zugleich die Gesellschaft ihrer Handlungsfähigkeit beraubt hat, sodass die Gesellschaft (zunächst) weder in der Lage gewesen ist, die in ihrer Sphäre eingetretenen, die Entgegennahme der Arbeitsleistung der Erstmitbeteiligten hindernden Umstände zu beseitigen, andererseits die Erstmitbeteiligte auch nicht in der Lage gewesen ist, zumindest gegenüber einem Gesellschaftsorgan ihre Leistungsbereitschaft zu bekunden. § 1155 liegt aber die Vorstellung zu Grunde, dass ein handlungsfähiger Dienstgeber einem leistungsbereiten Dienstnehmer gegenübersteht.

Es erweist sich daher, dass der hier zu entscheidende, besonders gelagerte Fall der zufälligen, ihre sämtlichen Organe erfassenden und daher gänzlichen, Handlungsunfähigkeit einer juristischen Person im Gesetz nicht geregelt ist. Es stellt sich daher die Frage analoger Gesetzesanwendung nach Maßgabe der jeweils zu beachtenden gesetzgeberischen Wertungen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass angesichts der durch den Tod des Geschäftsführers am 18. Juni 1995 eingetretenen Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein Verharren der Erstmitbeteiligten in Untätigkeit durch nahezu ein Jahr nach der Übung des redlichen Verkehrs mit der Annahme, sie sei während dieser ganzen Zeit i.S. des § 1155 ABGB leistungsbereit gewesen, nicht vereinbar ist: insbesondere ist mit einer solchen Annahme nicht in Einklang zu bringen, dass die Erstmitbeteiligte mit ihrem Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers - dem gegenüber sie auch ihre Arbeitsbereitschaft hätte erklären können - so lange zugewartet hat, um erst diesem gegenüber schließlich ihren Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären. Sie intendierte damit, das Entgeltrisiko für diesen Zeitraum zur Gänze auf die handlungsunfähige Gesellschaft bzw. auf den Insolvenzentgeltfonds zu überwälzen (vgl. in diesem Sinne den zu Ansprüchen nach dem IESG ergangenen Beschluss des OGH vom 23. Oktober 2000, 8 ObS 206/00b).

Andererseits steht der Umstand, dass der Tod des Geschäftsführers der Sphäre des Dienstgebers zuzurechnen ist, einer Falllösung entgegen, nach welcher der Erstmitbeteiligten überhaupt kein Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB zustünde, da es damit - entgegen den Wertungsgrundsätzen dieser Bestimmung - von Anfang an zu einer gänzlichen Verlagerung eines an sich den Dienstgeber treffenden Entgeltrisikos auf die Erstmitbeteiligte käme.

Es spricht insbesondere nichts dafür, den Dienstgeber besser zu stellen, als er es wäre, hätte er eine anderweitige Unmöglichkeit, die Erstmitbeteiligte weiterzubeschäftigen, erkennen und danach handeln können: nach der § 1155 ABGB zu Grunde liegenden Risikoverteilung hat der Dienstgeber nämlich auch das Risiko des Zufalls zu tragen, sofern sich dieser Zufall in seiner Sphäre ereignet. Ein Dienstgeber, der erkennt, dass er einen Dienstnehmer ab sofort nicht mehr beschäftigen kann, obwohl dieser arbeitsfähig und arbeitsbereit ist, kann sich aus seiner Verpflichtung zur Lohnzahlung aber im Allgemeinen dadurch lösen, dass er den Dienstnehmer kündigt, sodass diesem trotz allfälliger Arbeitsbereitschaft über diesen Zeitraum hinaus nur die Entgeltansprüche für die Dauer der Kündigungsfrist und die sich aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergebenden Ansprüche erhalten bleiben. An dieser Möglichkeit ist ein Dienstgeber aber gehindert, wenn er in der Weise wie im Beschwerdefall handlungsunfähig wird. Soll daher in einer solchen Konstellation der Entgeltanspruch über den Zeitraum hinausgehen, für den er im Falle einer Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber gebühren würde, so kommt dem Erfordernis der Erkennbarkeit der Arbeitsbereitschaft eines Arbeitnehmers und damit seinem Gesamtverhalten besonderes Gewicht zu.

Eine Berücksichtigung der hier maßgeblichen arbeitsrechtlichen Wertungen des Gesetzgebers führt daher im Beschwerdefall einerseits zum Ergebnis, dass der Dienstgeber wegen der in seiner Sphäre eingetretenen Unmöglichkeit, die Leistung der Erstmitbeteiligten weiter in Anspruch zu nehmen, nicht besser gestellt sein soll, als er es im Falle eines sofortigen Kündigungsausspruches wäre. Andererseits rechtfertigt es das Verhalten der Erstmitbeteiligten nicht, ihr über diesen Anspruch hinaus weitere Entgeltansprüche nach § 1155 ABGB zuzubilligen, da es insoweit an der hiefür erforderlichen, ihr auch durchaus zumutbaren und leicht möglichen Dokumentation ihrer Arbeitsbereitschaft gefehlt hat.

Die Erstmitbeteiligte ist daher hinsichtlich ihres Entgeltanspruchs im Ergebnis so zu stellen, als sie es wäre, hätte die Gesellschaft am 18. Juni 1995 das Dienstverhältnis durch Kündigung beendet. Jedenfalls für die Dauer der sich daraus ergebenden Entgeltansprüche verlängert sich daher die Versicherungspflicht im Sinne des § 11 Abs. 1 ASVG. Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein durch den Insolvenzentgeltfonds für Zeiträume ab dem 18. Juni 1995 tatsächlich geleistetes Entgelt zu einer noch weiterreichenden Dauer der Pflichtversicherung führen kann.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den aufgezeigten Gründen als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Februar 2003

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen EntgeltDienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999080054.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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