TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/20 2002/16/0048

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Veröffentlicht am 20.02.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AbgEO §15;
BAO §229;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Gemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister in O, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 9. Jänner 2002, Zl. 02/04-16/01, betreffend Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis in Angelegenheiten der Getränkesteuer und der Kommunalsteuer sowie Mahnspesen und Säumniszuschlag (mitbeteiligte Partei: Stefan H in M, vertreten durch die Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG, 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 52), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid betreffend Einwendungen gegen den Rückstandsausweis vom 7. Juni 2000 hinsichtlich Getränkesteuer sowie Mahnspesen und Säumniszuschlag wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde wies die Einwendungen der mitbeteiligten Partei gegen den vom Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde ausgefertigten Rückstandsausweis vom 7. Juni 2000 nach Stellung eines Devolutionsantrages der mitbeteiligten Partei vom 24. Jänner 2001 mit Bescheid vom 29. Mai 2001 als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde habe gegen die mitbeteiligte Partei als "Abgabepflichtiger" einen Rückstandsausweis folgenden Inhalts ausgestellt:

"Getränkesteuer 6/96-1/97
S/Stefan H

S

54.919,00

 

 

 

Kommunalsteuer 6/96-1/97
S/Stefan H

S

12.932,00

 

 

 

0,5 % Mahnspesen

S

339,30

2 % Säumniszuschlag

S

1.357,00

 

 

 

Summe

S

69.547,30"

Die mitbeteiligte Partei habe folgende Einwendungen erhoben:

"Der vollstreckbare Rückstandsausweis vom 7. Juni 2000 der (beschwerdeführenden Gemeinde) ... wurde mir nie zugestellt und konnte demnach mir gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten. Auch ein diesbezüglicher Bescheid wurde nie erlassen, da die Wirksamkeit eines Bescheides dessen Zustellung voraussetzt. Diese hat es aber nie gegeben."

In der Begründung heißt es weiters, der behauptete Oppositionsgrund der mitbeteiligten Partei, der Rückstandsausweis könne mangels Zustellung ihm gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten, gehe ins Leere. Rückstandsausweise seien keine Bescheide und ihre Vollstreckbarkeit hänge nicht von der vorherigen Zustellung ab. Auch der weitere behauptete Oppositionsgrund, ein diesbezüglicher Bescheid sei mangels Zustellung nie erlassen worden, sei nicht stichhältig. Gemäß § 35 Abs. 1 EO könnten gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt werde, im Zuge des Exekutionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhten, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten seien. Der eingewendete Zustellmangel sei keine den Anspruch aufhebende oder auch hemmende Tatsache. Die Einwendung des Einschreiters ziele offenbar darauf ab, dass der betriebene Anspruch mangels Bescheidzustellung überhaupt nie wirksam habe entstehen können. Wenn der Einschreiter den Mangel einer Bescheidzustellung einwende, ohne aber näher auszuführen, welchen bestimmten Bescheid er anspreche, so müsse dies dahingehend verstanden werden, dass er damit einen dem Rückstandsausweis vorausgegangenen Bescheid meine. Damit wird vom Einschreiter jedoch keine Tatsache eingewendet, die erst nach dem Entstehen des Exekutionstitels eingetreten sei. Die Einwendung stelle daher insgesamt keine taugliche Grundlage dar, eine Beurteilung dahingehend zu bewirken, ob nach der Entstehung des Anspruches aufhebende oder hemmende Tatsachen eingetreten seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde. Dies mit dem die Aufhebung tragenden Grund, es sei unklar, ob die Abgabenschuld von "S" und "Stefan H" nach den besonderen gesetzlichen Bestimmungen auf die mitbeteiligte Partei übergegangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtaufhebung des angefochtenen Bescheides im Aufsichtsweg verletzt.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Die beschwerdeführende Gemeinde erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift.

Die belangte Behörde zog den in der Gegenschrift gestellten Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, mit Schriftsatz vom 23. April 2002 wieder zurück.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zulässig erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 AbgEO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nach Maßgabe des Abs. 2 sinngemäß auch in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, sind die landesgesetzlichen Abgabenverfahrensvorschriften auch im Vollstreckungsverfahren anzuwenden.

Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.

Als Grundlage für die Einbringung ist nach § 177 Burgenländische LAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das abgabenbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben.

Gemäß § 2 Abs. 2 lit. a AbgEO gilt, im Verfahren nach diesem Bundesgesetz bei den in Abs. 1 genannten Behörden nachstehende Abweichung: Betreibender Gläubiger ist die abgabenberechtigte Körperschaft.

Nach § 2 Abs. 2 lit. a AbgEO ist im Beschwerdefall anstelle des im § 15 Abs. 2 AbgEO genannten "Finanzamtes" die abgabenberechtigte Körperschaft für die Aufhebung der gesetzwidrig oder irrtümlich erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit zuständig, die den Exekutionstitel ausgestellt hat. Dies wäre der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gewesen. Auf Grund des zulässig erhobenen Devolutionsantrages hatte der Gemeinderat über die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen zu entscheiden.

Gegenstand der Anträge nach § 15 AbgEO können behauptete Fehler des Rückstandsausweises sein, wie etwa das Nichtübereinstimmen der Rückstandssumme mit dem Leistungsgebot bzw. mit der tatsächlich offenen Schuld oder die Nichtübereinstimmung des materiellen im Abgabenrecht ausgewiesenen Abgabenschuldners mit dem im Rückstandsausweis genannten Vollstreckungsschuldner (Stoll, BAO Kommentar, 2380).

Nach den die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde tragenden Gründen des angefochtenen Bescheides sei unklar, ob die Abgabenschuld auf die mitbeteiligte Partei übergegangen sei.

Nach dem Inhalt der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Akten war der Pächter "S" Schuldner der Getränkesteuer. Er war abgabepflichtig und es wäre ihm oblegen, die Getränkesteuer im Wege der Selbstbemessung offen zu legen und zu entrichten. Die Abgaben waren bei diesem Abgabenschuldner jedoch letztlich nicht einbringbar.

Die "Stefan H GmbH" hatte die Gastwirtschaft an S verpachtet. Geschäftsführer dieser GmbH war Stefan H

Aus den vorgelegten Akten ist nicht zu ersehen, ob Haftungsbescheide an Haftungspflichtige ergangen sind. Weiters kann aus den Akten nicht festgestellt werden, ob ein Abgaben- oder Haftungsbescheid mit einem Leistungsgebot an die mitbeteiligte Partei ergangen ist oder ob diese ohne Erlassung eines solchen Bescheides allenfalls auf Grund einer Gesamtrechtsnachfolge zur Zahlung der Abgaben verpflichtet war.

Die Erlassung eines Rückstandsausweises an die mitbeteiligte Partei setzte jedenfalls ein gegen sie wirkendes Leistungsgebot (Titelbescheid) voraus (vgl. Stoll, aaO, 2378).

Die mitbeteiligte Partei hat bei ihren Einwendungen die Erlassung eines gegen sie wirksamen (Abgaben- oder Haftungs-)Bescheides bestritten.

Wenn der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in seinem Bescheid unter Hinweis auf § 35 Abs. 1 EO die Ansicht vertrat, nur Einwendungen gegen solche Tatsachen wären zulässig, die nach der Entstehung des Exekutionstitels eingetreten seien, dann verkannte er damit die Rechtslage. Die vom Mitbeteiligten erhobenen "Einwendungen" stützten sich keineswegs auf § 35 Abs. 1 EO, sondern waren als Antrag auf Aufhebung des irrtümlich erteilten Rückstandsausweises aufzufassen. Nach § 15 Abs. 2 AbgEO sind auch gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigungen der Vollstreckbarkeit von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben. Eine solche gesetzwidrig erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit wurde vom Beschwerdeführer in seinen Einwendungen mit seinem Vorbringen, es sei gegen ihn kein wirksames Leistungsgebot ergangen, behauptet. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde hat in Verkennung der Rechtslage es unterlassen, in der Begründung seines Bescheides darauf einzugehen.

Die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde durch den angefochtenen Bescheid erweist sich somit als nicht rechtswidrig, weil ungeklärt blieb, ob gegen den Beschwerdeführer überhaupt ein wirksames Leistungsgebot vor Ausfertigung des Rückstandsausweises ergangen ist.

Die im Rückstandsausweis enthaltenen Mahnspesen und der Säumniszuschlag sind ziffernmäßig nicht in einen die Getränkesteuer und einen die Kommunalsteuer betreffenden Betrag geteilt. Auch insofern fehlen Feststellungen im Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde über die rechtmäßige Aufnahme dieser Beträge in den Rückstandsausweis.

Die Beschwerde war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der noch zu ergehenden Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid betreffend Einwendungen gegen den Exekutionsanspruch hinsichtlich Kommunalsteuer vorbehalten.

Wien, am 20. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002160048.X00

Im RIS seit

16.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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