TE Vfgh Erkenntnis 2000/2/29 B1169/98

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Veröffentlicht am 29.02.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
ASVG §341 ff
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Zuständigkeit der Landesschiedskommission im Weg der Devolution zur Entscheidung über Honorarrückforderungen eines Sozialversicherungsträgers gegenüber einem Arzt gegeben; ausreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und ausreichende Bescheidbegründung; Verletzung im Gleichheitsrecht jedoch durch Ignorierung eines wesentlichen Parteienvorbringens hinsichtlich des Einlangens der Abrechnungen des Beschwerdeführers beim Sozialversicherungsträger

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird hinsichtlich dieser Spruchpunkte aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für innere Medizin in Niederösterreich und hat mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) einen Einzelvertrag abgeschlossen.

2. Mit Antrag vom 12.5.1997 begehrte die SVA bei der paritätischen Schiedskommission für NÖ die Rückzahlung eines Betrages von ingesamt S 213.044,46 an Honoraren (samt Verzugszinsen) für den Zeitraum des ersten Quartals 1994 bis zum dritten Quartal 1995, mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe gegen die Honorarordnung und den Gesamtvertrag verstoßen. S 120.309,60 wurden aus dem Grunde unökonomischer Behandlungsweise, S 92.734,88 aus dem Grunde von Fehlverrechnungen begehrt. Letztere bestünden einmal darin, daß der Beschwerdeführer für Gastroskopieuntersuchungen entgegen einem Zusatzprotokoll zum Gesamtvertrag je Untersuchungsgang zwei Positionen der Honorarordnung nebeneinander verrechnet habe. Ferner habe er für rein rechnerische Ermittlungen von LDL-Cholesterin-Werten eine dafür nicht vorgesehene Position der Honorarordnung in Rechnung gestellt, ohne, was dafür Voraussetzung wäre, diesbezüglich in Ringversuche eingebunden zu sein. Schließlich habe er hinsichtlich der Laborgruppen "Stoffwechseluntersuchungen" und "Enzyme" Laborlimitierungsregelungen umgangen.

Darüber hinaus beantragte die SVA die Feststellung, daß der Beschwerdeführer durch die Ablehnung einer Teilnahme an einer kollegialen Aussprache bzw. an einem Schlichtungsausschuß gegen die gesamtvertragliche Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten verstoßen habe und verpflichtet sei, eine derartige Vorgangsweise in Zukunft zu unterlassen.

3. Dagegen führte der Beschwerdeführer vor der paritätischen Schiedskommission in einer Äußerung vom 2.6.1997 aus, daß es weder zu einer unökonomischen Behandlungsweise noch zu den behaupteten Fehlverrechnungen gekommen sei. Was die angebliche Umgehung von Laborlimitierungsregelungen hinsichtlich der Laborgruppen "Stoffwechseluntersuchungen" und "Enzyme" betreffe, sei die Auslegung bzw. praktische Handhabung dieser Regelungen Gegenstand eines vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahrens, dessen Ausgang diesbezüglich Klarheit bringen würde.

4. Da infolge Stimmengleichheit eine Entscheidung in der paritätischen Schiedskommission nicht zustandekam, ging über Antrag der SVA die Kompetenz zur Entscheidung auf die Landesberufungskommission für NÖ (die belangte Behörde) über.

5. Mit Schriftsatz an die Landesberufungskommission vom 15. September 1997 brachte der Beschwerdeführer mit näherer Begründung vor, daß die stittigen Forderungen mangels substantiierten und gesamtvertragskonformen Einspruchs der entsprechenden Honorarabrechnungen seitens der SVA verfristet seien. Die SVA räumte mit Schriftsatz vom 9.10.1997 unter Hinweis auf eine Entscheidung der Bundesschiedskommission ein, daß der maßgeblichen Bestimmung des Gesamtvertrages "vorsorgliche Einwendungen" (gemeint offenbar:

unsubstantiierte Einwendungen, die für den Fall, daß sie später begründbar sein sollten, erhoben werden) nicht entsprächen, weist aber darauf hin, daß sie gegen Honorarabrechnungen des Beschwerdeführers substantiierte Einwendungen erhoben habe. Der Gesamtvertrag sei aber nicht so auszulegen, daß die Einwendungen hinsichtlich der konkret beeinspruchten Leistung für jeden Versicherten zu spezifizieren und zu begründen seien.

6. In einem weiteren Schriftsatz vom 3.11.1997 erstattete der Beschwerdeführer ein umfangreiches, formal lehrbuchhaftes und belehrendes Vorbringen medizinischen Inhalts auf 35 Seiten zu allgemeinen (intern)medizinischen Fragen unter den Themen "Die Untersuchungsziele des Internisten", "Der medizinische Untersuchungsgang", "Die Anamnese", "Die ärztliche Untersuchung", "Der wissenschaftliche Untersuchungsstandard", "Die Einzeluntersuchungen" und vertritt abschließend die Auffassung, "bei Anwendung dieser Grundsätze" könne keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer unökonomisch vorgegangen sei. Der "aufzunehmende Sachbefund" durch einen Sachverständigen, der über die Qualifikation einer Habilitation verfüge und nicht in einem Naheverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger stehe, werde dies erweisen.

7. Die Landesberufungskommission erließ schließlich am 12.11.1997 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"1.) Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragsgegnerin den Betrag von S 120.309,60 zuzgl. 20 % MWSt wegen unökonomischer Behandlungsweise im Zeitraum 1. Quartal 1994 bis 3. Quartal 1995 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Der Antragsgegner ist weiters schuldig, der Antragsgegnerin den Betrag von S 22.702,88 zuzgl. 20 % MWSt wegen Fehlverrechnungen im Zeitraum 1. Quartal 1994 bis 3. Quartal 1995 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

3.) Das Begehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von

S 70.032,- zuzgl. 20 % MWSt wegen Fehlverrechnung im selben Zeitraum sowie das Zinsenbegehren von 4 % aus 1)., 2). und 3). wird abgewiesen.

4.) Der Antragsgegner hat durch die Ablehnung einer Teilnahme an einer kollegialen Aussprache bzw. an einem Schlichtungsausschuß gegen die vertraglich vorgesehene Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten verstoßen."

Diesen Bescheid begründet die belangte Behörde wie folgt:

"Die Antragstellerin beantragte bei der Paritätischen Schiedskommission für NÖ, den Antragsgegner wegen unökonomischer Behandlungsweise sowie Fehlverrechnungen vom 1. Quartal 1994 bis zum

3. Quartal 1995 zur (Rück-)zahlung von insgesamt S 213.044,48 excl. USt. samt 4 % Zinsen zu verpflichten sowie auszusprechen, daß der Antragsgegner durch die Ablehnung einer Teilnahme an einer kollegialen Aussprache bzw. an einem Schlichtungsausschuß gegen die gesamtvertraglich vorgesehene Mitwirkungspflicht zur Schlichtung von Streitigkeiten verstossen habe.

Dem Antrag wurde eine Liste mit 26 Patientennamen und den bei diesen Patienten nach Ansicht der Antragstellerin eine unökonomische Behandlungsweise darstellenden Laborleistungen angeschlossen. Die Behandlungskosten je Patient und Quartal überschreiten beim Antragsgegner die durchschnittlichen Behandlungskosten zwischen 91 und 232 Prozent. Unter Berücksichtung einer Überschreitung von 50 % gegenüber dem Durchschnitt ergebe sich aus der unökonomischen Behandlungsweise im Zeitraum 1. Quartal 1994 bis 3. Quartal 1995 ein Schaden von S 109.622,40 (nach Quartalen aufgeschlüsselt).

Der Antragsgegner habe bei weiteren 11 namentlich angeführten Patienten Einzelleistungen verrechnet, die auf eine unökonomische Behandlungsweise mit einem Schaden von S 10.687,20 schließen lassen.

Weiters habe der Antragsgegner bei 47 namentlich genannten Patienten unzulässigerweise die Positionen 19 o und 19 r plus zweimaligem Regiezuschlag R III verrechnet. Daraus ergebe sich ein Schaden von S 70.032.-.

Bei 55 namentlich genannten Patienten habe der Antragsgegner unzulässigerweise die Position 3.14 für die rein rechnerische Ermittlung des LDL-Cholesterins verrechnet (Schaden S 10.010,88).

Bei 56 namentlich genannten Patienten habe der Antragsgegner die bestehende(n) Laborverrechnungsbeschränkungen bezüglich Stoffwechseluntersuchungen und Enzyme umgangen (Schaden S 12.692,-.

In allen Fällen wurde neben dem Namen des Patienten auch der Behandlungszeitraum, in dem die Fehlverrechnung stattgefunden hätte, angeführt.

Der Antragsgegner bestritt und beantragte Abweisung des Begehrens. Er führte im einzelnen aus:

Eine unökonomische Behandlungsweise sei nicht gegeben. Im Bezirk des Antragsgegners befinde sich kein Krankenhaus, sodaß die Heranziehung der durchschnittlichen Behandlungskosten in anderen, mit einem Krankenhaus ausgestatteten Bezirken unzulässig sei. Darüberhinaus könnten nicht die behaupteten Fehlverrechnungen zusätzlich zu einer unökonomischen Behandlungsweise geltend gemacht werden.

Erst mit dem 51. Zusatzprotokoll zum Gesamtvertrag, inkraftgetreten mit 1.7.1996 sei die Position '19 o' nicht mehr neben der Position '19 r' verrechenbar. Die behaupteten Fehlverrechnungen liegen jedoch vor dem 1.7.1996. Ein Regiezuschlag sei nicht verrechnet worden, sondern von der Antragstellerin aus eigenem überwiesen worden.

Im Gesamtvertrag sei eine Methodenwahl für die Ermittlung des LDL-Cholesterins nicht geregelt. Die Methodenwahl liege daher beim Antragsgegner, der regelmäßig und erfolgreich an sog. Ringversuchen teilnehme. Die Position 3.14 sei daher zurecht verrechnet worden.

Bezüglich der Verrechnung der Enzym- und Stoffwechselparameter verwies der Antragsgegner auf eine beim VfGH anhängige Beschwerde.

Nicht der Antragsgegner, sondern die Antragstellerin habe gegen die gesamtvertragliche Mitwirkungspflicht verstoßen, indem sie den Antragsgegner mit Kleinigkeiten von seiner eigentlichen Aufgabe, der Betreuung seiner Patienten abgehalten hätte.

Bei der Verhandlung der Paritätischen Schiedskommission für NÖ am 11.6.1997 kam infolge Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande.

Die Antragstellerin stellte rechtzeitig einen Devolutionsantrag gem §344 Abs3 ASVG. Sie verwies dabei darauf, daß der Antragsgegner bereits anläßlich der Abrechnung für das erste Quartal 1994 zur Stellungnahme zu einzelnen Verrechnungspositionen namentlich genannter Patienten aufgefordert worden sei, eine Äußerung sei jedoch nicht erfolgt. Der Antragsgegner sei der Einladung zur sog. kollegialen Aussprache nicht gefolgt und habe eine Teilnahme am Schlichtungsausschuß abgelehnt.

Der Antragsgegner bestritt und wendete weiters ein:

Sämtliche Ansprüche seien mangels Einwendungen, für die die Grundsätze des §377 HGB heranzuziehen seien, verfristet. Der Vertragsarzt könne sich nicht auf einen allgemeinen Einwand einstellen, wenn nicht erschließbar sei, warum die konkrete Leistung in der jeweiligen Behandlungssituation 'beanstandungswürdig' erachtet werde. Dem Versicherungsträger sei eine Präzisierung seiner Einwendungen leicht zumutbar. Allgemein gehaltene Formulierungen entsprechen nicht dem Gebot des §377 HGB.

Unter Aufzählung der der Medizin zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Anamnese und der Diagnostik und der damit festzustellenden bzw. auszugrenzenden Krankheitsbilder verwies der Antragsgegner darauf, daß keine einzige ärztliche Tätigkeit dem Maß des Ausreichenden und Zweckmäßigen widersprechen und das Gebot des Notwendigen übersteigen könne.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Antragsgegner hat im relevanten Zeitraum bei 26 Patienten Laborleistungen verrechnet (wohl auch durchgeführt), für deren Notwendigkeit keine Begründung gegeben ist. Die Patientenanzahl schwankt im relevanten Zeitraum zwischen 301 und 50 Patienten. Die Behandlungskosten je Patient und Quartal überschreiten beim Antragsgegner die durchschnittlichen Behandlungskosten aller Fachärzte für Innere Medizin im Land Niederösterreich zwischen 91 und 232 Prozent. Unter Berücksichtigung einer Überschreitung von 50 % gegenüber dem Durchschnitt ergibt sich aus der unökonomischen Behandlungsweise im Zeitraum 1. Quartal 1994 bis 3. Quartal 1995 ein Schaden von S 109.622,40.

Der Antragsgegner hat im relevanten Zeitraum bei 11 Patienten Einzelleistungen verrechnet, deren Notwendigkeit er nicht begründete. Es läßt sich daher auf eine unökonomische Behandlungsweise mit einem Schaden von S 10.687,20 schließen.

Der Antragsgegner hat im relevanten Zeitraum bei 55 Patienten die Position 3.14 für die Ermittlung des LDL-Cholesterins verrechnet. Der Antragsgegner nimmt zwar an einem sog. Ringversuch mit Qualitätskontrolle teil, darin ist aber nicht die Position 3.14 enthalten. Der Antragsgegner ermittelt den Wert des LDL-Cholesterins nicht in Form einer Laboruntersuchung.

Der Antragsgegner hat im relevanten Zeitraum bei 56 Patienten die bestehenden Laborverrechnungsbeschränkungen bezüglich Stoffwechseluntersuchungen und Enzyme umgangen (Schaden S 12.692,-).

Der Antragsgegner hat im relevanten Zeitraum bei 47 Patienten die Positionen 19 o und 19 r gleichzeitig verrechnet. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Regiezuschlag 'R III' vom Antragsgegner verrechnet oder von der Antragstellerin aus eigenem hinzugeschlagen wurde. Die Honorierung der Positionen 19 o und 19 r samt Regiezuschlag bei ein und demselben Patienten ergibt in den 47 Fällen den Betrag von S 70.032.-.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 29.9.1994 den Antragsgegner aufgefordert, zu Laborverrechnungen betreffend sechs namentlich genannter Patienten Stellung zu nehmen.

Der Antragsgegner hat lediglich den Erhalt des Schreibens (und eines Urgenzschreibens vom 30.1.1995) bestätigt.

Die Ärztekammer für NÖ hat (offenbar namens des Antragsgegners) mit Schreiben vom 15.2.1995 der Antragstellerin mitgeteilt, daß der Antragsgegner keine Äußerung abgeben werde, solange Juristen (und nicht Mediziner) Auskünfte über Laborwerte von Patienten begehren.

Mit Schreiben vom 22.3.1996 lud die Antragstellerin den Antragsgegner zu einer sog. kollegialen Aussprache für den 24.4.1996, da die medizinische Notwendigkeit der von ihm verrechneten Leistungen auf schriftlichem Weg nicht geklärt habe werden können.

Der Antragsgegner lehnte am 15.4.1996 die Teilnahme an der 'kollegialen Aussprache' ab, da ihm von einem schriftlichen Klärungsversuch nichts bekannt sei.

Am 20.5.1996 erklärte der Antragsgegner, auf die Durchführung eines Schlichtungsversuchs zu verzichten.

Der Antragsgegner hat mit der Antragstellerin unter Zugrundelegung des zwischen der österr. Ärztekammer und dem Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger als Vertreter der Antragstellerin vereinbarten Gesamtvertrages einen Einzelvertrag abgeschlossen. Die Honorarordnung der Antragstellerin, welche Bestandteil des Gesamtvertrages ist, sieht bei den Laboruntersuchungen Verrechnungsbeschränkungen vor und zwar in der Gruppe 3 (Stoffwechseluntersuchungen) derart, daß von den Positionen 3.01, 3.0-4, 3.05, 3.06, 3.09., 3.11 und 3.12 höchstens vier Positionen gemeinsam verrechenbar sind. Von den Positionen 3.15 bis

3.23 sind höchsten drei Untersuchungen gemeinsam verrechenbar, in der Gruppe 4 (Enzyme) sind von den Positionen 4.01, 4.02, 4.04, 4.05, 4.07, 4.08, 4.09, 4.10, 4.11, 4.13, 4.14 höchstens vier Untersuchungen gemeinsam verrechenbar.

Bei den Verrechnungspositionen der Gruppe 3 (Stoffwechseluntersuchungen) handelt es sich um folgende Untersuchungen:

...

(Es folgt eine Tabelle.)

...

Mit dem 51. Zusatzprotokoll zum Gesamtvertrag, inkraftgetreten mit 1.7.1996, wurde festgelegt, daß die Position 19 o nicht neben der Position 19 r verrechenbar ist.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Gesamtvertrag, die Honorarordnung sowie die vorgelegten Berechnungsunterlagen. Der Antragsgegner weigerte sich, die Behandlungsunterlagen der namentlich genannten Patienten, derenthalben ihm eine unökonomische Behandlungsweise vorgeworfen wurde, vorzulegen.

Der Antragsgegner hat sich nicht nur geweigert, an der sog. kollegialen Aussprache und am Schlichtungsversuch teilzunehmen, er weigerte sich auch, die Patientenkarteien und ähnliche Unterlagen über seine Behandlungen der Kommission vorzulegen. Ein zu bestellender Sachverständiger, der die (Mindest-)qualifikation einer Habilitation aufweisen sollte, sollte Befund und Gutachten über das Maß des Ausreichenden und Zweckmäßigen, das Notwendige nicht überschreitende Tätigsein erstatten, ohne die Untersuchungsergebnisse (bei den Patienten) zu kennen. Da aber eine Einschätzung einer ärztlichen Tätigkeit, ob sie im konkreten Fall ausreichend und zweckmäßig ist, das Maß des Notwendigen nicht überschreitet, nur anhand eines konkreten Beschwerdebildes eines Patienten getroffen werden kann, war mangels Vorlage der Patientenkarteien von den Angaben der Antragstellerin auszugehen. Das Vorbringen des Antragsgegners über die Untersuchungsziele des Internisten und den Untersuchungsgang durch Anamnese und Diagnostik ist als allgemeingültig unbestritten anzusehen, ohne daß auf das konkrete Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen und das konkrete Verhalten des Antragsgegners Bezug genommen wird.

Die Feststellungen beruhen daher auf den unbedenklichen und nicht konkret bestrittenen, anhand namentlich konkreter Behandlungsfälle aufgestellter Berechnungen der Antragstellerin.

Der Antragsgegner hat sich am Beweisverfahren nicht beteiligt, er hat ausdrücklich die Teilnahme an den vorgeschalteten Verfahren wie kollegiale Aussprache Schlichtungsstelle verweigert.

Die Honorarordnung der Antragstellerin ist Bestandteil des zwischen der österr. Ärztekammer und der Antragstellerin geschlossenen Gesamtvertrages. Für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern über die Auslegung oder Anwendung von Gesamtverträgen sind gemäß §345a Abs2 ASVG die Landesschiedskommissionen zuständig.

Die Anfechtung von Gesamtverträgen durch einzelne betroffene Ärzte ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die streitgegenständliche Verrechnungsbeschränkung könnte also nur von der österr. Ärztekammer und der Antragstellerin bei der NÖ. Landesschiedskommission angefochten werden.

Die Landesberufungskommission ist daher nicht befugt, die Honorarordnung aufzuheben oder abzuändern. Sie muß sich bei der Beurteilung des Falles auf die Interpretation der bestehenden Honorarordnung beschränken. Nach §342 Abs2 ASVG ist die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen. Diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütung bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe) enthalten. Damit soll eine Begrenzung der Ausgaben des Krankenversicherungsträgers für die vertragsärztliche Tätigkeit nach oben vorgenommen werden. Die Krankenversicherungsträger sollen dadurch von dem Risiko entlastet werden, daß das Beitragsaufkommen nicht ausreicht, die Honoraransprüche der Ärzte zu decken. Das technische Mittel, eine Honorarrichtlinie zu verwirklichen, ist die anteilsmäßige Honorarkürzung sobald das Limit überschritten wird. Die Limitierung geht zu Lasten der Ärzte. Ihnen wird damit grundsätzlich das Risiko auferlegt, daß ein höherer Behandlungsbedarf der Anspruchsberechtigten entsteht, als er prognostiziert war. Sie müssen jedoch ihrer Behandlungspflicht genügen, auch wenn das Honorarlimit bereits ausgeschöpft ist (Selb in Tomandl, System, 7. Ergänzungslieferung 603).

Folgt man der von den Antragsgegnern zitierten Meinung Pfeiffers (ÖJZ 1963, 506), kommt man zu dem Ergebnis, daß der Gesamtvertrag einschließlich der Honorarordnung ein Normenvertrag, nämlich ein Gesetz im materiellen Sinne ist. Demnach bleibt aber für die Prüfung dieses Gesetzes im materiellen Sinn im Wege der Streitigkeit vor der Landesberufungskommission (Streitigkeit über den Einzelvertrag) kein Raum.

Folgt man den Meinungen Krejcis (VR 1991, 145 f; FS Schwarz, 401 f; Kassenärztehonorarordnungen rechts- und sittenwidrig 1992, 62), kommt man zu einem Ergebnis einer Nichtigkeitsprüfung nach §879 ABGB. Da das Zivilrecht als solches kein Gebot des iustum pretium kennt und nach allgemeinen Zivilrecht in ihren Positionen freie Vertragsparteien demnach nicht gehalten sind, inhaltlich angemessene und ausgewogene Bedingungen zu vereinbaren, sind auch öffentlich rechtliche Erwägungen des Sozialversicherungsrechts und des Rechts der gesetzlichen Interessenvertretungen einzubeziehen.

Dabei sind insbesondere die Aspekte der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und auch jene der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wobei im Sozialversicherungsrecht hinzukommt, daß die Gesamtverträge dazu beitragen sollen, einerseits das Sachleistungsprinzip zu verwirklichen und andererseits die freie Ärzteschaft zu erhalten (Krejci, Kassenärztehonorarordnungen, 88). Das auszuhandelnde Entgelt soll einerseits die Kosten und Aufwendungen abdecken, die mit der Erbringung der medizinischen Leistungen verbunden sind, andererseits muiß aber auch dafür gesorgt sein, daß die Ärzte und ihre Familien, besonders dann, wenn sie von ihrem Wirken als Kassenärzte wirtschaftlich abhängig sind, ein Einkommen erhalten, das der Qualifikation und Verantwortung der Tätigkeit, dem damit verbundenen Berufsrisiko, der persönlichen Inanspruchnahme und Anstrengung sowie den sonstigen Umständen ihres beruflichen Wirkens unter Beachtung der im gegebenen Zusammenhang maßgeblichen allgemeinen Grundsätze der Arbeitsbewertung möglichst entspricht. Insbesondere wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Arzt mit Abschluß eines Kassenvertrages das Risiko, im vertragslosen Zustand den Patienten zu verlieren, der lieber auf die Behandlung verzichtet, als sich der Kostenschere zwischen Honorarnote und Kostenerstattung durch den krankenversicherungsträger auszusetzen sowie der Insolvenz des Patienten ausschließen kann (Selb in Tomandl, System, 7. Ergänzungslieferung 573). Dem Arzt muß aber auch für den Ausschluß dieses Risikos die Unterwerfung unter die Grundsätze des Sozialversicherungsrechtes, nämlich der Wirtschaftlichkeit der Heilbehandlung zumutbar sein. Unter diesem Blickpunkt ist daher die Honorarordnung der Antragstellerin als den Umständen entsprechend und auf den Einzelfall abgestellt, als nicht nichtig anzusehen.

Wollte man die Honorarordnung insbesondere mit ihrer Verrechnungsbeschränkung in den Gruppen 3 und 4 der Laboruntersuchungen als nichtig ansehen, erhebt sich die Frage, in welcher Form die Lücke zu schließen sei. Hiefür käme, wollte man der Argumentation der Antragsgegner folgen, wohl nur eine angemessene Entschädigung für die einzelnen Leistungen in Frage. Die angemessene Entschädigung für die einzelnen Leistungen wäre aber auf Grund der von anderen Krankenversicherungsträgern gebotenen Tarife für die einzelnen Positionen heranzuziehen. Wie sich aus dem Vergleich der einzelnen Laborleistungskataloge der Krankenversicherungsträger SVA der gewerblichen Wirtschaft, BVA, VA der österr. Eisenbahnen, SVA der Bauern sowie NÖGKK ergibt, können die Antragsgegner unter der Annahme der Nichtigkeit der Verrechnungsbeschränkung der gegenständlichen Honorarordnung und unter Heranziehung einer angemessenen Entlohnung (auf Grund der Laborleistungskataloge anderer Krankenversicherungsträger) im Regelfall weniger Entgelt für ihre Leistungen erhalten, als unter Aufrechterhaltung der gegenständlichen Honorarordnung. Dies zeigt, daß die gegenständliche Honorarordnung der Sachlage entspricht.

Darüber hinaus ist ein Anspruch eines einzelnen Kassenarztes auf Beseitigung einer unerlaubten Honorarordnung im Gesetz nicht ausdrücklich verankert ist. Ebensowenig wie der einzelne Arbeitnehmner gegenüber seinem Arbeitgeber einen durchsetzbaren subjektiven Anspruch darauf hat, daß der Arbeitgeber aus Gründen des Arbeitsschutzes zu Gunsten aller Arbeitnehmer seinen Betrieb umbaut, ebensowenig hat der einzelne Vertragsarzt ein subjektives Recht darauf, daß die Gesamtvertragsparteien einen neuen Gesamtvertrag schließen. Der Arbeitnehmer, dem der gebührende Arbeitsschutz verwehrt wird, hat lediglich das Recht, angesichts der gesetzwidrigen Umstände seine Dienste zu verweigern. Desgleichen hat der einzelne Vertragsarzt das subjektive Recht, auf die partielle Unwirksamkeit des Gesamtvertrages zu verweisen und braucht seine diesbezüglichen Dienste zu den unzulässigen Bedingungen nicht zu leisten. Er hat aber keinen subjektiven Anspruch darauf, daß die Gesamtvertragsparteien einen neuen Gesamtvertrag schließen (Krejci, Kassenärzte, 73, mwN).

Mit Abschluß des Einzelvertrages hat sich der Vertragsarzt verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Einrichtungen in der Ordination auszunützen und die medizinisch notwendigen Leistungen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Honorarordnung mit der beteiligten Partei zu verrechnen. Ist der Vertragsarzt auf Grund ihm in der Ordination zur Verfügung stehenden notwendigen Laboreinrichtungen nicht in der Lage, die notwendigen Untersuchungen selbst durchzuführen, hat er diese Untersuchungen in einem Labor oder bei einem hiefür zugelassenen Facharzt durchführen zu lassen.

Bei buchstäblicher Auslegung der Verrechnungsbeschränkungen in Gruppen 3 und 4 der Honorarordnung kann diese bloß als Verbot für den einzelnen Arzt mehr als drei oder vier Laboruntersuchungen pro Patient zu verrechnen, aber nicht als Überweisungsverbot verstanden werden. Es könnte somit sowohl der überweisende Arzt als auch jeder Arzt, an den überwiesen wurde, je 3 oder 4 Laboruntersuchungen verrechnen und somit die Gesamtzahl der verrechenbaren Laboruntersuchungen beliebig erhöhen. Sinnvoll ist daher eine Verrechnungsbeschränkung wie in der vorliegenden Honorarordnung nur dann, wenn sie als Instrument der Kosteneinschränkung verstanden und dahin interpretiert wird, daß die Antragstellerin pro Patient und Behandlung nur 3 oder 4 Laboruntersuchungen zu honorieren hat. Die Vertragspartner der Honorarordnung waren offenbar der Ansicht, daß im allgemeinen mit 3 oder 4 Laboruntersuchungen in den genannten Parametern das Auslangen gefunden und daß in den wenigen Fällen, in denen das nicht zutrifft, die Entgeltsansprüche des Arztes für die die Höchstanzahl überschreitenden Laboruntersuchungen durch die von der Antragstellerin überdurchschnittlich hoch honorierten übrigen Leistungen abgegolten sind.

Stellt man die Zahl der bei der Antragstellerin krankenversicherten Patienten, die die Antragsgegner insgesamt behandelt haben, der kleinen Zahl jener Patienten gegenüber, bei denen die Höchstzahl der verrechenbaren Laborleistungen überschritten wurde, so ist die Richtigkeit dieser Überlegung bestätigt. Jene medizinisch notwendigen Laboruntersuchungen, die ein Arzt nicht selbst durchführen kann oder will, muß er durch ein Labor durchführen lassen. Führt er einen Teil der Laboruntersuchungen selbst durch, so haben er und das Labor die durch die Verrechnungsbeschränkung bewirkte Honorarkürzung anteilig zu tragen.

Ausnahmen von der Verrechnungsbeschränkung sind in Gruppen 3 und 4 der Honorarordnung nicht vorgesehen. Hätten die Vertragspartner eine Überschreitung der Höchstzahl bei medizinischer Notwendigkeit für zulässig erachtet, so hätten sie dies wohl in der Honorarordnung vermerkt, wie dies auch bei Infusionen und Infiltrationen der Fall ist.

Besteht der Verdacht, daß einzelne Vertragsärzte Leistungen über das Maß des Notwendigen hinaus verrechnet haben, kann der Krankenversicherungsträger versuchen, durch nachträgliche Befragungen und Untersuchungen jedes Einzelfalles die medizinische Notwendigkeit der Leistungen zu kontrollieren, und den Nachweis zu führen, daß dies in Wahrheit nicht der Fall war. Dann hätte der Honoraranspruch nicht bestanden. In der Praxis wird dabei auf Durchschnittswerte abgestellt, die in der betreffenden Fachgruppe zur Abrechnung gelangen. Die zur Abrechnung eingereichten Leistungen halten im Regelfall das Maß des Notwendigen ein. Den Normalfall bildet der Durchschnitt der vergleichbaren Ärzte. Stellt sich heraus, daß einzelne diese Norm deutlich überschreiten, entfällt die Vermutung der Richtigkeit der betreffenden Abrechnungen. Es liegt dann wieder am Arzt nachzuweisen, daß in seinem besonderen Fall die Leistungen das Maß des Notwendigen dennoch nicht überschritten haben. Ihm bleibt also die Möglichkeit, die Abweichung mit Konkreten, außergewöhnlichen Umständen zu rechtfertigen. In der Sache handelt es sich somit um einen Prima-Facie-Beweis (Grillberger in Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung, 381 f).

Der Antragsgegner hat sich geweigert, die Behandlungsunterlagen der von der Antragstellerin namentlich genannten Patienten vorzulegen, um allenfalls durch einen Sachverständigen die Notwendigkeit der verrechneten Behandlungen feststellen zu können. Die Kommission konnte daher nur von den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ausgehen, die vom Antragsgegner nicht widerlegt wurden. In Anlehnung an die E des VfGH RdM 1995/20 wurden daher die Durchschnittswerte der FA für Innere Medizin in NÖ für die Höhe der Schadensermittlung herangezogen (§273 ZPO).

Das 51. Zusatzprotokoll zum Gesamtvertrag trat erst mit 1.7.1996 in Kraft, eine Rückwirkung der Vereinbarung wurde nicht festgelegt, eine solche ist auch mit den Grundsätzen unserer Rechtsordnung nicht vereinbar. Die Doppelverrechnung der Positionen 19 o und 19 r kann daher dem Antragsgegner aus dem Wortsinn nicht zum Vorwurf gemacht werden, wiewohl eine Verrechnung beider Positionen bei Durchführung in einem Untersuchungsgang nach Ansicht der Kommission moralisch nicht gerechtfertigt ist, da bei der Gastroskopie gleichzeitig eine Oesophagoskopie durchgeführt werden kann. Darüberhinaus steht nicht fest, ob der Regiezuschlag vom Antragsgegner verrechnet oder von der Antragstellerin sozusagen automatisch zweimal ausbezahlt wurde.

Ein Zuspruch von Verzugszinsen konnte mangels Beginns des Zinsenlaufs nicht erfolgen."

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und beantragt wird, den Bescheid in seinen Punkten 1.), 2.) und 4.) kostenpflichtig aufzuheben. Dies wird unter anderem damit begründet, daß sich die belangte Behörde weder mit dem umfangreichen Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die gegenständlichen Ansprüche mangels fristgerechter und vertragskonformer Einwendungen gegen die Honorarabrechnung verfristet seien, noch mit der behaupteten Nichtigkeit der angewendeten Verrechnungsbeschränkungen auseinandergesetzt und damit wesentliche Parteivorbringen in willkürlicher Weise ignoriert habe. Das Begehren der SVA auf Feststellung von "Tatsachen bzw. rechtlichen Eigenschaften von Tatsachen (rechtswidriges weil vertragswidriges Verhalten des Beschwerdeführers)" sei unzulässig, zumal der SVA an der Feststellung kein rechtliches Interesse zukomme. Die Behörde, die dieses Begehren zurückweisen hätte müssen, habe damit die Rechtslage grob verkannt.

9. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

10. Die mitbeteiligte SVA der gewerblichen Wirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt.

11. Mit am 15.4.1999 - also nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist - zur Post gegebenen Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Beschwerdeführer mit näherer Begründung geltend, auch in seinem "Recht auf Durchführung eines öffentlichen Verfahrens vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht und in seinem Recht auf Durchführung eines 'fair trial' ... (Artikel 6 MRK)" sowie in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter veletzt zu sein, wogegen sich die SVA der gewerblichen Wirtschaft in einer weiteren Äußerung wendete.

12. Schließlich brachte der Beschwerdeführer einen weiteren Schriftsatz vom 11.10.1999 ein, in dem er zu den ihm vorgeworfenen Fehlverrechnungen, jedoch ohne konkrete Bezugnahme auf die Umstände des vorliegenden Falles, unter Berufung auf eine Entscheidung des Verfassungerichtshofes vom 28.9.1999, B3652/96 ein rechtliches Vorbringen erstattete, welches sich in einer wörtlichen Wiedergabe der verfassungsgerichtlichen Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses erschöpft.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die im gegebenen Zusammenhang maßgeblichen Vorschriften lauten:

1.1. §341 ASVG lautet auszugsweise:

"(1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.

...

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

..."

1.2. §342 ASVG lautet auszugsweise:

"(1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

(...)

3. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung;

4. die Vorsorge zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise;

(...)

(2) Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe (§131)) enthalten."

1.3. §§344 und 346 ASVG lauten auszugsweise:

"Paritätische Schiedskommission

§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

(...)

(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.

(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.

Landesberufungskommission

§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. (...)

(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:

1. zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und

2. zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß §344 Abs3.

(...)".

              2.              Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist gemäß §344 ASVG die paritätische Schiedskommission zuständig. Bei Stimmengleichheit in der paritätischen Schiedskommission geht die Zuständigkeit zur Entscheidung von der paritätischen Schiedskommission auf die Landesberufungskommission über (§344 Abs3 i.V.m. §345 Abs2 Z2 ASVG).

Die Zuständigkeit für Streitigkeiten, die in "rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang" mit dem Einzelvertrag stehen, umfaßt auch Honorarrückforderungen wegen Vertragsverletzungen sowie die Feststellung von Verstößen gegen die vertragliche Mitwirkungspflicht an der Schlichtung von Streitigkeiten, wie es im beschwerdegegenständlichen Fall begehrt wurde. Die belangte Landesschiedskommission hat daher ihre Zuständigkeit im Devolutionsweg zurecht wahrgenommen (vgl. zu Fragen des rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs im Sinn von §344 Abs1 ASVG etwa E 28.9.1999, B3652/96 betreffend Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzung; E 13.10.1999, B1121/97 betreffend Honorarrückforderungen wegen Vertragsverletzungen; E 16.12.1999, B3077/97).

3. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, Willkür geübt zu haben.

3.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

3.2. Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorhält, sich nicht mit der behaupteten Nichtigkeit der angewendeten Verrechnungsbeschränkungen der Honorarordnung auseinandergesetzt zu haben, ist ihr zu entgegnen, daß die Behörde dazu nicht verpflichtet war. Anders als er es nun behauptet, hat sich der Beschwerdeführer nämlich weder im Verfahren vor der Paritätischen Schiedskommission, noch in jenem vor der belangten Behörde auf die Nichtigkeit von Bestimmungen der Honorarordnung berufen. Im Hinweis an die paritätischen Schiedskommission (siehe oben Pkt. I.3.), daß hinsichtlich der Laborlimitierungsregelungen ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig sei, das die Frage der Auslegung dieser Regelungen klären werde, liegt jedenfalls kein eine entsprechende Verpflichtung der Behörde begründender Vorwurf.

3.3. Der Beschwerde war auch hinsichtlich des Antrags, auch Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides aufzuheben, nicht zu folgen: Die Behörde hat nicht nur - wie sich schon aus der wiedergegebenen Bescheidbegründung ergibt - ihre in diesem Punkt getroffene Feststellung, daß der Beschwerdeführer durch die Ablehnung einer Teilnahme an einer kollegialen Aussprache bzw. an einem Schlichtungsausschuß gegen die vertragliche Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten verstoßen habe, ausreichend begründet, diese Feststellung war auch im Hinblick auf mögliche, zur vorzeitigen Beendigung des Einzelvertrages berechtigende Gründe im rechtlichen Interesse der SVA der gewerblichen Wirtschaft gelegen.

3.4. Die Beschwerde ist mit ihrem Willkürvorwurf allerdings teilweise im Recht:

3.4.1. Nach §33 Abs6 erster Satz des Gesamtvertrages müssen Einwendungen gegen die Honorarabrechnung von den Parteien des Einzelvertrages bei sonstigem Ausschluß binnen sechs Monaten geltend gemacht werden. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung beginnt die 6-Monate-Frist für die SVA mit dem Einlangen der Honorarabrechnung. Diese Anordnungen haben damit die Wirkung, daß der Versicherungsträger - ungeachtet seiner Verpflichtung, die abgerechneten Honorare vorläufig auszuzahlen - gegen die Abrechnung des Vertragsarztes binnen 6 Wochen nach Zugang der Abrechnung Einwendungen erheben muß, widrigenfalls diese präkludiert sind. Welche Form und Qualität diesen Einwendungen zukommen muß, ist eine Frage der Vertragsauslegung (vgl. dazu etwa Grillberger in Strasser (Hrsg.), Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 1995, 379 f; vgl. zu Fragen der Anwendung einer gleichgelagerten Bestimmung des Gesamtvertrages der SVA der Bauern VfSlg. 14898/1997).

3.4.2. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor der belangten Behörde behauptet, daß die strittigen Forderungen mangels eines substantiierten Einspruchs der entsprechenden Honorarabrechnungen seitens der SVA verfristet seien.

3.4.3. Die belangte Behörde hat sich in ihrem Bescheid zwar damit auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer nicht nur im Vorfeld des behördlichen Verfahrens kollegiale Aussprachen und Schlichtungsversuche verweigert, sondern es auch unterlassen habe, sich am Beweisverfahren - etwa durch die Vorlage seiner Patientenkarteien - zu beteiligen, weshalb die Behörde vom Vorbringen und den vorgelegten Urkunden der SVA ausgegangen sei und diese ihren anspruchsbegründenden Feststellungen zugrunde gelegt habe. Sie läßt aber jegliche Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage, ob die mit Bescheidpunkten 1.) und 2.) zugesprochenen Forderungen allenfalls - wie der Beschwerdeführer behauptet - aufgrund von nicht gesamtvertragskonformen Einwendungen der SVA präkludiert sind, vermissen.

3.4.4. Indem sie jegliche Feststellungen darüber, wann die Abrechnungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der streitgegenständlichen Zeiträume bei der SVA eingelangt sind und zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise die SVA dagegen Einwendungen erhoben hat, unterlassen hat, hat die belangte Behörde ein wesentliches Parteienvorbringen ignoriert und damit gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt.

4. Der Beschwerde war daher insoweit stattzugeben, als der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der strittigen Honorarforderungen verpflichtet wurde, und der Bescheid daher hinsichtlich seiner Spruchpunkte 1.) und 2.) aufzuheben, ohne daß auf das weitere, auf diese Spruchpunkte bezogene Vorbringen der Beschwerde eingegangen werden mußte.

5. Auf das weitere, mit Schriftsätzen vom 15.4.1999 und 11.10.1999 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Vorbringen des Beschwerdeführers ist angesichts des zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Ablaufes der sechswöchigen Beschwerdefrist, innerhalb derer eine Beschwerde auch ausgetauscht oder ergänzt werden könnte, nicht gesondert einzugehen.

Das Verfahren hat aber auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen, insbesondere in den vom Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 15.4.1999 ins Treffen geführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

6. Angesichts des teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens des Beschwerdeführers wurden die Kosten des Verfahrens gemäß §43 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG gegeneinander aufgehoben (VfSlg. 10975).

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Sozialversicherung, Ärzte, Entscheidungspflicht, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist, VfGH / Verfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1169.1998

Dokumentnummer

JFT_09999771_98B01169_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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