TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/24 2000/07/0068

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Veröffentlicht am 24.04.2003
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Index

L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §879;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art7;
FlVfGG §15 Abs1;
FlVfGG §15;
FlVfGG §17;
FlVfGG §21;
FlVfGG §31 Abs2;
FlVfGG §34;
FlVfGG §35 Abs1;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §31 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §36 Abs7;
FlVfLG Vlbg 1979 §71;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
FlVfLG Vlbg 1979 §80;
FlVfLG Vlbg 1979 §84 Abs1;
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft Stocklosungsfonds L, vertreten durch den Obmann, dieser vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 3. Mai 2000, Zl. 711.076/3-OAS/00, betreffend Mitgliedschaft in einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Margit Ö in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: AG) ist eine Agrargemeinschaft, die mit in Rechtskraft erwachsenem Regulierungsbescheid der Agrarbezirksbehörde (ABB) vom 17. Oktober 1961 als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinn des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes gebildet wurde. In ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 23. Juli 1976 wurde eine Verwaltungs- und Nutzungssatzung beschlossen, die mit Bescheid der ABB vom 28. März 1977 aufsichtsbehördlich genehmigt wurde.

Diese im Folgenden als "Satzung 1977" bezeichnete Satzung enthielt (laut dem vorliegend angefochtenen Bescheid) u.a. folgende Bestimmungen:

"Mitgliedschaft

§ 3

Mitglieder des Stocklosungsfonds sind die mit dem Tage des Inkrafttretens dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommenen Personen.

Diese Satzung und die Mitgliederliste als Liste der Parteien im Sinne des § 55 FLG wurden mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz vom 28. März 1977, Zl. AGR-32/2, rechtskräftig genehmigt. Die Mitgliederliste ist nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft auf dem Laufenden zu halten.

Erwerb der Mitgliedschaft

§ 4

Die Mitgliedschaft wird erworben durch Aufnahme in die Mitgliederliste.

Der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste wird, sofern die Voraussetzungen für die tatsächliche Ausübung von Nutzungsrechten gegeben sind, begründet durch

a) eheliche Abstammung von einem männlichen Mitglied (§ 3), oder von einer Person, die zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Mitgliederliste die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste erfüllt hätte; durch nachfolgende Ehe legimitierte Kinder gelten als ehelich im Sinne dieses Statutes. Adoption und Namensgebung gelten nicht als Erwerbs- oder Verlusttitel der Mitgliedschaft.

b) Heirat mit einem männlichen Mitglied; Witwen aus einer solchen Ehe behalten für die Dauer dieses Witwenstandes die Mitgliedschaft.

Verlust der Mitgliedschaft

§ 5

Die Mitgliedschaft zum Stocklosungsfonds verliert:

a) wer die österreichische Staatsbürgerschaft aus irgend einem Grunde verliert;

b) wer selbst allenfalls einschließlich seiner Vorfahren das Mitgliedschaftsrecht durch mehr als 30 Jahre nicht mehr ausgeübt hat;

c) wer gem. § 4 lit. b die Mitgliedschaft erworben hat und sich von diesem Mitgliede durch Ehescheidung trennt. Die Kinder aus dieser Ehe hingegen bleiben im Genuß der Mitgliedschaftsrechte;

d) Töchter von Mitgliedern durch Verheiratung. Ruhen der Mitgliedschaft

§ 6

Die Mitgliedschaft ruht bei Mitgliedern, die den ordentlichen

Wohnsitz nicht in L haben."

Am 19. April 1996 wurde von der Vollversammlung der AG eine neue Satzung (im Folgenden: "Satzung 1996") beschlossen, die mit Bescheid der ABB vom 15. Mai 1996 genehmigt wurde. Diese enthält u. a. folgende Regelungen:

"Mitgliedschaft

§ 3

Mitglieder des Stocklosungsfonds sind die mit dem Tage des Inkrafttretens dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommenen Personen. Die Mitgliederliste ist nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft auf dem Laufenden zu halten.

Erwerb der Mitgliedschaft

§ 4

Die Mitgliedschaft wird durch Aufnahme in die Mitgliederliste erworben. Der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste wird, sofern die Voraussetzungen für die tatsächliche Ausübung von Nutzungsrechten gem. § 27 gegeben sind, begründet durch

a)

Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft,

b)

direkte Abstammung von einem Mitglied (Sohn oder Tochter) gem. § 3,

              c)              Heirat mit einem Mitglied

zu c) ...

d)

Adoption ist der direkten Abstammung (lit. b) gleichzustellen.

Eine Namensgebung gilt nicht als Erwerb der Mitgliedschaft.

Die Rechte und Pflichten eines Mitgliedes beginnen mit dem Tag der Aufnahme durch die Verwaltung, der Anspruch auf Teilnahme an der Nutzung mit dem folgenden Wirtschaftsjahr.

Pro Haushalt kann nur 1 Mitgliedschaftsrecht ausgeübt werden, bei Nichteinigung zwischen den Mitgliedern eines gemeinsamen Haushaltes über die Nutzung ruht das Nutzungsrecht.

Den Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft verliert, wer das Recht auf Mitgliedschaft gem. § 27 erfüllt (Haushaltsgründung in L) und binnen 5 Jahren ab diesem Zeitpunkt keinen Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste stellt.

Der Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste ist ordnungsgemäß belegt in Schriftform an die Verwaltung zu richten.

Verlust der Mitgliedschaft

§ 5

Die Mitgliedschaft bzw. den Anspruch auf Mitgliedschaft zum Stocklosungsfonds verliert:

a)

wer die österreichische Staatsbürgerschaft verliert

b)

Personen, deren Mitgliedschaft durch mehr als 30 Jahre geruht hat

              c)              wer selbst, einschließlich seiner Vorfahren, wegen seines/ihres Wohnsitzes durch mehr als 30 Jahre außerhalb des Gemeindegebietes L die Voraussetzungen für die Ausübung der Mitgliedschaft nicht erfüllt

              d)              Witwen/Witwer die die Mitgliedschaft gem. § 4 lit. c) und d) erwarben, bei Wiederverheiratung mit einem Nichtmitglied.

Der Verlust der Mitgliedschaft wird weiters bewirkt durch

a)

Tod des Mitgliedes,

b)

Ausschluß des Mitgliedes (§ 54 lit. c),

c)

Austritt durch schriftliche Kündigung durch das betreffende Mitglied. Der Austritt bewirkt gleichzeitig das Ausscheiden der Kinder, sofern diese zum Zeitpunkt des Austritts nicht bereits selbst Mitglieder des Stocklosungsfonds sind. Ein Wiedereintritt ist nicht möglich.

Ruhen der Mitgliedschaft

§ 6

Die Mitgliedschaft ruht bei Mitgliedern

              a)              die gem. § 27 den Wohnsitz nicht in L oder den eigenen Haushalt aufgegeben haben,

              b)              bei Nichteinigung zwischen den Mitgliedern eines gemeinsamen Haushaltes über die Ausübung des Nutzungsrechtes, solange bis dieses Einvernehmen hergestellt ist (§ 4).

....

§ 56

Wer auf Grund dieser Satzungsänderung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz sich in seiner/ihrer möglichen Mitgliedschaft betroffen fühlt, weil er/sie nicht oder nicht mehr als Mitglied in der Mitgliederliste geführt wird, kann einen Antrag auf Aufnahme in die Mitgliederliste an den Stocklosungsfonds errichten.

Ein solcher Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste ist schriftlich bis spätestens 31.12.1997 zu stellen.

Die rückwirkende Eintragung in die Mitgliederliste ist auf Rechtsfälle ab dem 12.12.1994 beschränkt; dies bedeutet, dass vor diesem Datum liegende Ansprüche auf die Mitgliedschaft nicht anerkannt werden können.

Eine rückwirkende Teilnahme an der tatsächlichen Nutzung oder ein Barersatz für solche Nutzungsansprüche ist ausgeschlossen. Die Wirksamkeit dieser Nutzung beginnt ab dem dem Antrag folgenden Jahresersten, wenn dem Antrag zu entsprechen war.

Die nutzungsmäßige Anpassung der bisherigen Halblosbezieher erfolgt mit 1.1.1997."

Mit Schreiben vom 14. November 1997 stellte die mitbeteiligte Partei (mP) an die AG (u.a.) den Antrag, sie in die Mitgliederliste der AG aufzunehmen und über diesen Antrag beschlussmäßig zu entscheiden. Sie brachte dazu vor, dass ihr Vater J.B., der Mitglied der AG gewesen sei, am 23. Juli 1986 verstorben sei, sie am 20. März 1941 in L geboren sei, bis 1982 in ihrem Elternhaus in L wohnhaft gewesen sei, seit 1982 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihrer Familie in einem näher bezeichneten Gebäude in L lebe und einen eigenen Haushalt führe. Da sie österreichische Staatsbürgerin und leibliche Tochter des J.B. sei, der bis zu seinem Ableben Mitglied der AG gewesen sei, lägen sämtliche Voraussetzungen für die Aufnahme in die Mitgliederliste der AG nach den gültigen Satzungsbestimmungen vor.

Die AG teilte der mP mit Schreiben vom 29. November 1997 mit, dass ihr Ausschuss dem Antrag vom 14. November 1997 nicht zugestimmt habe, weil § 56 der Satzung (1996) die Mitgliedschaft der mP ausschließe.

Der von der mP dagegen an die ABB erhobenen Beschwerde vom 11. Dezember 1997 wurde mit Bescheid der ABB als Aufsichtsbehörde vom 9. Februar 1998 im Wesentlichen mit der Begründung nicht stattgegeben, dass die Bestimmung des § 56 der Satzung (1996) mit der Stichtagsregelung 12. Dezember 1994 keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstelle. Obwohl die mP offensichtlich sonst sämtliche Voraussetzungen für die Aufnahme in die Mitgliederliste der AG erfülle, sei ihrem Antrag nicht stattzugeben gewesen, weil ihr Vater bereits am 23. Juli 1986 - und somit vor dem Stichtag 12. Dezember 1994 - verstorben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die mP Berufung an den Landesagrarsenat beim Amt der Vorarlberger Landesregierung (LAS), worin sie (u.a.) vorbrachte, dass § 56 der Satzung (1996) vor allem deshalb beschlossen worden sei, um den gleichheitsrechtlichen Erfordernissen, wie sie vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1994, B 2083/93 und B 1545/94, statuiert worden seien, zu genügen. Vor diesem Erkenntnis sei in Satzungen von Agrargemeinschaften beim Erwerb der Mitgliedschaft zwischen Männern und Frauen dergestalt in diskriminierender Weise unterschieden worden, dass Frauen dieser Erwerb, wenn überhaupt, so nur unter erschwerenden Bedingungen möglich gewesen sei. Auf Grundlage der bis zu der am 19. April 1996 beschlossenen Satzungsänderung geltenden Satzung der AG sei der mP die Möglichkeit, erfolgreich einen Antrag auf Eintragung in die Mitgliederliste zu stellen, verwehrt gewesen. Durch § 56 der Satzung (1996) habe der eindeutig verfassungswidrige Zustand der Diskriminierung von Frauen bei der Eintragung in die Mitgliederliste beseitigt werden sollen. Die Auslegung dieser Bestimmung durch die AG und die ABB stehe mit dieser Zielsetzung in direktem Widerspruch und führe im Ergebnis dazu, dass Eintragungen, die vor dem 12. Dezember 1994 auf der Grundlage gleichheitswidriger - und damit von allem Anfang an nichtiger - Satzungsbestimmungen rechtswidrig verweigert worden seien, auch jetzt nicht vollzogen werden könnten, wenn diese Bestimmung eine rückwirkende Eintragung ausschlösse, soweit der Anspruch auf Eintragung vor dem 12. Dezember 1994 entstanden sei. Dies bedeute die bewusste Umgehung der vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich geforderten Herstellung eines gleichheitskonformen Zustandes. Auch sei nicht ersichtlich, worin sich die Situation derjenigen, deren Ansprüche vor dem 12. Dezember 1994 entstanden seien, ohne dass bis dahin eine Eintragung erfolgt sei, von der Situation derjenigen, deren Ansprüche nach diesem Zeitpunkt entstanden seien, unterscheide, und es sei diese Ungleichbehandlung sachlich nicht im Mindesten gerechtfertigt. Schließlich sei § 56 Abs. 2 der Satzung (1996) auch mit § 4 Abs. 1 lit. b dieser Satzung nicht in Einklang zu bringen, weil die Auslegung der AG und der ABB dazu führen würde, dass ein Erwerb der Mitgliedschaft nur durch Abstammung von Mitgliedern möglich wäre, die nach dem 12. Dezember 1994 geboren seien.

Mit Bescheid des LAS vom 25. Juni 1998 wurde der Berufung der mP Folge gegeben und deren Aufnahme in die Mitgliederliste der AG mit Wirkung ab 15. November 1997 verfügt.

Gegen diesen Bescheid erhob die AG Berufung an die belangte Behörde, in der sie den Standpunkt vertritt, dass die Regelung des § 56 der Satzung 1996 nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil sie für weibliche und männliche Bewerber die gleiche Gültigkeit habe und unumgängliche Voraussetzung für die Limitierung der Mitgliederanzahl und den Weiterbestand der AG sei. Ferner sei das Ansuchen der mP auch deshalb unberechtigt, weil sie spätestens 1982 in L einen Hausstand gegründet habe und gemäß § 4 zweitletzter Absatz der Satzung 1996 derjenige den Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft verliere, der nicht binnen fünf Jahren ab Haushaltsgründung einen Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste gestellt habe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Mai 2000 wurde die Berufung der mP gemäß § 1 AgrVG 1950 iVm § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass mit der Beantwortung der Frage, ob der mP ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste der AG zukomme, zwangsläufig eine Frage im Sinn des § 7 Abs. 2 Z. 1 ArgBehG 1950 entschieden werde und eine Berufung gegen den abändernden Bescheid des LAS daher zulässig sei.

Die mP sei am 20. März 1941 als Tochter des J.B. und der T.B. geboren worden. Ihr Vater J.B. sei Mitglied der AG gewesen und am 23. Juli 1986 verstorben. Bis 1982 sei die mP in ihrem Elternhaus in L wohnhaft gewesen. Seit 1982 wohne sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihrer Familie in einem näher bezeichneten Haus in L und führe dort einen eigenen Haushalt. Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1994 habe der Verfassungsgerichtshof zum einen die Bindung der Verwaltungsbehörden und der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts an das Regelwerk von Satzungen bejaht und zum anderen den Verwaltungsbehörden und den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts die Möglichkeit eröffnet, das Regelwerk, an das die bejahte Bindung bestehe, auf seine Übereinstimmung mit dem Grundrechtskatalog, insbesondere auch hinsichtlich des Sachlichkeitsgebots, zu überprüfen und im Widerspruch zum Grundrechtskatalog befundene Teile des Regelwerks - ungeachtet der Rechtskraft des das gesamte Regelwerk genehmigenden aufsichtsbehördlichen Bescheides - von der bejahten Bindungswirkung als ausgenommen zu betrachten.

Es habe zuerst eine Prüfung des Antrags der mP unter dem Gesichtspunkt der Satzung 1977 zu erfolgen. Aus deren § 4 lit. a könne die mP einen Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste der AG ableiten. So könne sie die eheliche Abstammung von einem männlichen Mitglied der AG, ihrem Vater, der in der Mitgliederliste der AG mit Stand vom 1. Jänner 1977 geführt worden sei, nachweisen. An ihrem Mitgliedschaftsanspruch könne auch § 5 lit. d dieser Satzung nichts ändern, wonach die Mitgliedschaft bei Töchtern von Mitgliedern durch Verheiratung verloren gehe. Diese Vorschrift erweise sich als nichtig im Sinn des § 879 ABGB. Es genüge, diesbezüglich auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1994 zu verweisen. Nach dieser Satzung komme der mP somit ein Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste der AG zu.

Zwar beschränke die Satzung 1996 in § 56 die rückwirkende Eintragung in die Mitgliederliste auf Rechtsfälle ab dem Zeitpunkt 12. Dezember 1994, was bedeute, dass vor diesem Datum liegende Ansprüche auf die Mitgliedschaft nicht anerkannt werden könnten, und habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1994 die Verhinderung des Ansteigens der Anzahl der Mitglieder einer AG als rechtens denkbar zu verfolgendes Ziel erkannt. Im vorliegenden Fall sei jedoch - unter Beachtung der Aussagen des Verfassungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis - zu berücksichtigen, dass nach der Satzung 1977 ein Mitgliedschaftsanspruch bestanden habe. Die Satzung 1996 würde somit einen bereits entstandenen Mitgliedschaftsanspruch rückwirkend vernichten. Dies geschehe durch eine Stichtagsregelung (12. Dezember 1994), die jegliche Bezugnahme auf im zeitlichen Anwendungsbereich der Satzung 1977 entstandene Mitgliedschaftsansprüche vermissen lasse. Mit dem Stichtag 12. Dezember 1994 sei ein Termin gewählt worden, der keinen sachlichen Anknüpfungspunkt in der Bezugnahme auf jenes Datum erkennen lasse, mit dem die bislang in Kraft gestandene Satzung 1977 in Kraft getreten gewesen sei. Die rückwirkende Inkraftsetzung einer in eine Rechtsposition eingreifenden Regelung sei mit dem Gleichheitsgrundsatz dann nicht vereinbar, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden seien und nicht etwa besondere Umstände diese Rückwirkung verlangten. Ob und inwieweit im Ergebnis ein sachlich nicht gerechtfertigter und damit gleichheitswidriger Eingriff vorliege, hänge vom Ausmaß des Eingriffs und vom Gewicht der für die Rückwirkung sprechenden Gründe ab.

Für den gegenständlichen Fall eines bereits bestehenden Mitgliedschaftsanspruches der mP zeitige die Satzung 1996 Rechtswirkungen, die in verfassungskonformer Satzungshandhabung durch die belangte Behörde zu unterbinden seien. Die vorliegende Satzungsänderung bedeute einen Eingriff in die Rechtsposition der mP, der erhebliches Gewicht zukomme, wobei keine besonderen Umstände zu finden seien, die einen solchen rückwirkenden Eingriff verlangen würden. Die mP werde durch den vorliegenden Eingriff im berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht. § 4 der Satzung 1977 habe ihr nämlich den Erwerb der Mitgliedschaft ermöglicht. Allenfalls bestehende Verfassungswidrigkeiten hätten auf Grund der Nichtigkeit nach § 879 ABGB den Mitgliedschaftsanspruch der mP nicht beeinträchtigen können, und es habe die Satzung 1996 einen bereits bestehenden Anspruch auf Mitgliedschaft rückwirkend vernichtet. Dabei erweise sich die Stichtagsregelung in § 56 als sachlich nicht gerechtfertigt. Es werde damit nämlich kein Bezugspunkt zur Satzung 1977 hergestellt, sondern vielmehr willkürlich in bereits bestehende Mitgliedschaftsansprüche eingegriffen.

Die AG habe in ihrer Berufung an die belangte Behörde ausgeführt, dass gemäß § 4 zweitletzter Absatz der Satzung 1996 derjenige den Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft verlöre, der das Recht auf Mitgliedschaft gemäß § 27 erfüllte (Haushaltsgründung in L) und binnen fünf Jahren ab diesem Zeitpunkt keinen Antrag auf Aufnahme in die Mitgliederliste stellte. Die mP hätte am 4. September 1963 geheiratet und spätestens 1982 in L einen Hausstand gegründet. Das Ansuchen vom 14. November 1997 wäre demnach verspätet.

Diesem Berufungsvorbringen sei zu erwidern, dass diese Befristung der Antragstellung ebenfalls eine in die Rechtsposition der mitbeteiligten Partei eingreifende Regelung darstelle, die mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar sei. Die rückwirkende Vernichtung des Mitgliedschaftsanspruches der mP gründe auf eine Fristsetzung, die keinen Bezug zum zeitlichen Anwendungsbereich der Satzung 1977 aufweise und gerade in L lang ansässige Bewohner in unsachlicher Weise benachteilige. Damit werde gerade eine Bindung an die Heimatgemeinde durch eine längere Wohnsitznahme, die eigentlich anspruchsbegründend wirken müsste, in ungerechtfertigter Art und Weise in ihr Gegenteil verkehrt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der AG mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die Regelung des § 5 lit. d der Satzung 1977, wonach die Mitgliedschaft von Töchtern durch Verheiratung verloren gehe, im Sinn des § 879 ABGB nichtig sei, und bringt vor, dass es sich hiebei um eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zur Vermeidung einer unnötigen Zersplitterung der Anteile an der AG und der Verhinderung des Ansteigens der Mitgliederanzahl handle. Diesbezüglich werde darauf hingewiesen, dass § 4 lit. b der Satzung (1977) insoferne einen Ausgleich dafür geboten habe, als an und für sich nicht anspruchsberechtigte Personen weiblichen Geschlechts durch Heirat die Mitgliedschaft hätten erwerben können.

Darüber hinaus habe die mP in ihrem Antrag vom 14. November 1997 nicht auf die Satzung 1977 Bezug genommen, sondern lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen für ihren Mitgliedschaftsanspruch nach der Satzung 1996 behauptet, sodass Überlegungen zur Satzung 1977 nicht anzustellen seien. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, sei es unrichtig, dass der in der Satzung 1996 gewählte Stichtag (12. Dezember 1994) keinen sachlichen Anknüpfungspunkt böte. Mit diesem Stichtag nehme die AG auf die Anfang der 80iger Jahre in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes begonnene Gleichsetzung von Mann und Frau und die Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau (BGBl. Nr. 443/1982) sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof vom 12. Dezember 1994 Bezug. Auch wenn § 4 der Satzung 1977 der mP den Erwerb der Mitgliedschaft auf Grund ehelicher Abstammung ermöglicht hätte, habe der mP klar sein müssen, dass sie gemäß § 5 lit. d dieser Satzung eine allfällige Mitgliedschaft durch Verheiratung verliere. Selbst wenn diese Regelung als im Sinn des § 879 ABGB nichtig anzusehen wäre, wäre die mP in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage nicht erschüttert, weil sie in ihren Eingaben eine solche Nichtigkeit nie releviert habe und sich des (behaupteten) Anspruchs auf Mitgliedschaft selbst nicht bewusst gewesen sei. Die mP habe in ihrem Schreiben vom 14. November 1997 die Aufnahme nach den "gültigen Satzungsbestimmungen" beantragt und nie geltend gemacht, dass sie zuvor über Rechte verfügt hätte, sie in ihrem Vertrauen enttäuscht worden wäre bzw. (allfällige) Anwartschaftsrechte rückwirkend vernichtet worden wären. Im Übrigen wäre auch einem männlichen Bewerber unter denselben Voraussetzungen wie der mP die Aufnahme zu verweigern gewesen. Die Stichtagsregelung sei zur Limitierung der Mitgliederanzahl und damit für den weiteren Bestand der AG unumgänglich und für beide Geschlechter wirksam, sodass es sich hiebei um eine sachlich gerechtfertigte Maßnahme handle.

Schließlich könne auch keine Rede davon sein, dass lange in L ansässige Bewohner durch § 4 vorletzter Absatz iVm § 27 der Statuten (1996), wonach ein Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft verloren gehe, wenn dieses Recht nicht binnen fünf Jahren ab Haushaltsgründung geltend gemacht werde, in unsachlicher Weise benachteiligt würden. So bestehe ein berechtigtes Interesse der AG daran, einen gewissen Überblick über den Mitgliederstand zu behalten. Dass § 4 zweitletzter Absatz (der Satzung 1996) rückwirkend Gültigkeit habe, sei im Interesse der Beschränkung des Mitgliederstandes sachlich gerechtfertigt. Selbst die Verleihung rückwirkender Kraft in der Form, dass bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren von der Rückwirkung erfasst würden, würde keine unsachliche Differenzierung bedeuten, wenn die davon berührten Fälle ganz oder teilweise gleich seien. Dazu komme, dass ein "wohlerworbenes Recht" der mP gar nicht gegeben gewesen sei, sondern äußerstenfalls eine "Art von Anwartschaft".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mP hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Fällen bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die im Beschwerdefall strittige Frage eines Rechtsanspruches der mP auf Feststellung bzw. Zuerkennung ihrer Mitgliedschaft bei einer Agrargemeinschaft die Agrarbehörde vor die Aufgabe, im Sinne des § 84 Abs. 1 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes - FlVG, LGBl. Nr. 2/1979, eine Entscheidung über den Bestand von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu treffen. Daher war die belangte Behörde gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 AgrBehG zur Entscheidung zuständig (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 25. Juni 2001, Zlen. 2000/07/0021, 0022, mwN).

Ferner vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis, mwN) die Auffassung, dass Satzungen von Agrargemeinschaften Bestandteile ihres Regulierungsplanes sind und mit diesem ihre Rechtskraftwirkung entfalten und dass auch die Genehmigung einer Änderung von Verwaltungssatzungen einer Agrargemeinschaft einen Akt der Regulierung darstellt, was zur Folge hat, dass genehmigte Satzungen von Agrargemeinschaften in der Auswirkung der Rechtskraft ihres Genehmigungsbescheides nicht mehr überprüft werden können und damit auch dann beachtlich sind, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Diese in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur einhellig bejahte Bindung aller Behörden sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an rechtskräftig genehmigten Satzungen von Agrargemeinschaften hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem im nunmehr angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Erkenntnis vom 12. Dezember 1994, B 2083/93, B 1545/94, unter Hinweis auf Judikate des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis allerdings gemeint, dass die zu bejahende Bindung weder die Verwaltungsbehörden noch ihn einer Untersuchung enthebe, mit welchem Text die Satzung dem Rechtsbestand angehöre und welcher normative Satzungsinhalt sich daraus ergebe. Da sich aus der vom Vorarlberger Flurverfassungsgesetz verfügten Konstruktion der Organisation der Agrargemeinschaften und der Zuweisung öffentlicher Aufgaben an sie ergebe, dass für die sie konstituierenden Rechtsakte dieselben grundrechtlichen Schranken gälten wie sonst für generelle staatliche Normen, müssten auch solche Satzungen dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen, weshalb diesem Verfassungsgebot zuwiderlaufende Satzungsbestimmungen mangels eines besonderen Normenkontrollverfahrens als nichtig im Sinn des § 879 ABGB zu behandeln seien. Eine solche Nichtigkeit erblickte der Verfassungsgerichtshof im Fall seines zitierten Erkenntnisses in solchen Satzungsbestimmungen von Agrargemeinschaften, nach denen bei Töchtern von Mitgliedern während der Zeit ihrer Verheiratung die Mitgliedschaft ruhen sollte. Eine solche Satzungsvorschrift unterscheidet zwischen Töchtern und Söhnen und damit zwischen Männern und Frauen, ohne dass für diese Diskriminierung der Frauen ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Dass die Reduzierung oder die Verhinderung des Ansteigens der Anzahl der Mitglieder von Agrargemeinschaften erforderlich sei, möge sein, dürfe aber nicht durch die Ausgrenzung allein von Frauen erreicht werden, weil hiefür jede sachliche Rechtfertigung fehle. Mit diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof zum einen die Bindung der Verwaltungsbehörden und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an das Regelwerk von Satzungen bejaht, zum anderen aber gleichzeitig den Verwaltungsbehörden ebenso wie den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts die als Obliegenheit postulierte Möglichkeit eröffnet, das Regelwerk, an welches die bejahte Bindung besteht, auf seine Übereinstimmung mit dem Grundrechtskatalog, insbesondere auch hinsichtlich des Sachlichkeitsgebotes, zu überprüfen und im Widerspruch zum Grundrechtskatalog befundene Teile des Regelwerkes - ungeachtet der Rechtskraft des das gesamte Regelungswerk genehmigenden aufsichtsbehördlichen Bescheides - von der bejahten Bindungswirkung als ausgenommen zu betrachten.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen wohnt die 1941 geborene mP, die bis 1982 in ihrem Elternhaus in L wohnhaft war, seit 1982 mit ihrem Ehegatten und ihrer Familie in einem näher bezeichneten Haus in L und führt dort einen eigenen Haushalt. Ihr Vater J.B., der am 23. Juli 1986 verstorben ist, war Mitglied bei der AG.

Im Beschwerdeverfahren herrscht Übereinstimmung darüber, dass der mP nach dem Wortlaut der Satzung 1977, nach deren § 5 lit. d Töchter von Mitgliedern durch Verheiratung die Mitgliedschaft verlieren, im Hinblick darauf, dass sie während des Geltungsbereiches dieser Satzung verheiratet war, als Tochter eines männlichen Mitglieds der AG kein Anspruch auf Zuerkennung der Mitgliedschaft eingeräumt wurde. Die AG erachtet in ihrer Beschwerde diese Regelung jedoch als sachlich gerechtfertigt, um eine unnötige Zersplitterung der Anteile und ein Ansteigen der Mitgliederanzahl zu vermeiden.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Wie oben dargelegt wurde, sind dem Gleichheitsgrundsatz zuwiderlaufende Bestimmungen der Satzung einer Agrargemeinschaft im Sinn des § 879 ABGB als nichtig zu behandeln. Im vorliegenden Fall unterscheidet die Satzung 1977 in § 5 lit. d zwischen Männern und Frauen, ohne dass für diese Diskriminierung der Frauen ein sachlicher Grund erkennbar wäre, sodass diese Bestimmung dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Wenn auch die Reduzierung oder Verhinderung des Ansteigens der Mitgliederanzahl und der Anteilszersplitterung im Interesse der wirtschaftlichen Versorgung der Mitglieder der Agrargemeinschaft ein zulässiges Regelungsziel darstellt, so darf dieser Zweck nicht durch die Ausgrenzung allein von Frauen erreicht werden. Der Zweck der wirtschaftlichen Versorgungssicherung der Mitglieder der Agrargemeinschaft kann auch durch andere, geschlechtsneutrale Regelungen erreicht werden. Wenn die Beschwerde meint, dass § 4 lit. b der Satzung 1977 insofern einen Ausgleich für diese Diskriminierung geboten habe, als nach dieser Bestimmung Personen weiblichen Geschlechts durch Heirat mit einem männlichen Mitglied einen Anspruch auf Mitgliedschaftserwerb begründet hätten, so ändert dies nichts an der mit der genannten Regelung des § 5 lit. d verbundenen Diskriminierung von Töchtern gegenüber Söhnen von Mitgliedern. Ob die in § 4 lit. b der Satzung 1977 getroffene Regelung unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes unbedenklich ist, braucht im vorliegenden Fall indes nicht erörtert zu werden. Nach der Satzung 1977 wäre somit der mP in Anbetracht der Nichtigkeit des § 5 lit. d und im Hinblick auf ihre eheliche Abstammung von einem männlichen Mitglied ein Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste zugekommen.

Nach § 4 lit. b der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Satzung 1996 wird der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste, sofern die Voraussetzungen für die tatsächliche Ausübung von Nutzungsrechten gemäß § 27 gegeben sind - das sind der Wohnsitz und die Führung eines eigenen Haushaltes in L (§ 27 lit. a und b) -, durch direkte Abstammung von einem Mitglied (Sohn oder Tochter) gemäß § 3 begründet, wobei Mitglieder der AG die mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommenen Personen sind.

Nach § 4 lit. b iVm § 3 der Satzung 1996 besteht somit für Personen, deren Vater oder Mutter zwar Mitglieder der AG im Geltungsbereich der Satzung 1977 waren, aber - weil diese bereits verstorben sind - mit dem Tag des Inkrafttretens der Satzung 1996 nicht mehr in der Mitgliederliste aufgenommen waren (vgl. § 5 Abs. 2 lit. a dieser Satzung, wonach der Verlust der Mitgliedschaft durch Tod des Mitglieds bewirkt wird), kein Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft, und zwar auch dann, wenn sie nach der Satzung 1977 einen solchen Anspruch gehabt haben, aber nicht in der Mitgliederliste aufgenommen waren. § 56 der Satzung 1996 bestimmt allerdings, dass derjenige/diejenige, der/die sich auf Grund der Satzungsänderung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz in seiner/ihrer möglichen Mitgliedschaft betroffen fühlt, weil er/sie nicht (oder nicht mehr) als Mitglied in der Mitgliederliste geführt wird, bis spätestens 31. Dezember 1997 schriftlich einen Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste an die AG stellen konnte, wobei allerdings die rückwirkende Eintragung in diese Liste auf Rechtsfälle ab dem Zeitpunkt 12. Dezember 1994 beschränkt wurde, was laut dieser Satzungsbestimmung bedeute, dass vor diesem Datum liegende Ansprüche auf die Mitgliedschaft nicht anerkannt werden könnten. Dieser Regelung kann bei verständiger Würdigung nur der Sinn beigelegt werden, dass Ansprüche auf Aufnahme in die Mitgliederliste der AG, die vor dem 12. Dezember 1994 entstanden sind und bisher zu keiner Aufnahme in die Mitgliederliste geführt haben, mit dem Inkrafttreten der Satzung 1996 erlöschen.

Unter dem Blickwinkel der oben dargestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen widerspricht die in § 56 der Satzung 1996 getroffene Stichtagsregelung dann dem Gleichheitsgrundsatz, wenn damit der Zweck verfolgt wird, das - zulässige - Anliegen, das Ansteigen der Mitgliederanzahl zu verhindern, durch den Ausschluss von Mitgliedschaftsansprüchen von Personen allein wegen deren weiblichen Geschlechts zu erreichen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Stichtagsregelungen in Satzungen von Agrargemeinschaften unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes befasst. So wurde von ihm etwa im Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/07/0056, ausgeführt, dass die Wahl des 1. Jänner jenes Jahres, in dem die Konvention für die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau durch BGBl. Nr. 443/1982 kundgemacht worden war (1982), als Stichtag mit der vorgenommenen Anknüpfung an die kundgemachte Konvention nicht als unsachlich anzusehen ist. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/07/0148, dargelegt, dass die Feststellung eines Stichtages mit 1. Juli 1979 in einer im Jahr 1997 aufsichtsbehördlich genehmigten Satzung einen sachlichen Anknüpfungspunkt in der Bezugnahme auf jenes Datum erkennen lässt, mit dem die bislang in Kraft gestandene Satzung in Kraft getreten ist, und deshalb in verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich ist. In dem dem hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/07/0004, zu Grunde liegenden Beschwerdefall wurde in einer im Jahr 1996 aufsichtsbehördlich genehmigten Satzung einer Agrargemeinschaft eine in der davor in Geltung gestandenen Satzung enthaltene, in Bezug auf die Ungleichbehandlung von Mann und Frau diskriminierende Regelung eliminiert und eine Stichtagsregelung mit 12. Dezember 1994 getroffen. Ein mit dieser Stichtagsregelung verbundener Grundrechtsverstoß wurde deshalb verneint, weil selbst bei Festsetzung eines in den Jahren 1979 oder 1982 gelegenen - vom Verwaltungsgerichtshof bereits als zulässig erkannten - Stichtages für den Erwerb der Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft der im Jahr 1997 gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei nicht erfolgreich gewesen wäre.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die AG im Verwaltungsverfahren (vgl. deren Berufung an die belangten Behörde) zur Begründung für die Festlegung des Stichtages mit 12. Dezember 1994 in § 56 der Satzung 1996 im Wesentlichen vorgebracht, dass die in dieser Bestimmung getroffene Stichtagsregelung für weibliche und männliche Bewerber gleiche Gültigkeit habe, wenn sämtliche die Mitgliedschaft begründenden Umstände bereits vor dem 12. Dezember 1994 gegeben gewesen seien, und eine unumgängliche Maßnahme zur Verhinderung der Reduzierung und des Ansteigens der Mitgliederanzahl und für den Weiterbestand des AG darstelle, sodass sie nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich aus § 56 der Satzung 1996, dass die AG mit dieser Regelung die Absicht verfolgte, verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes entgegenzuwirken, wobei durch die Festlegung des 12. Dezember 1994 als Stichtag die zeitliche Anknüpfung an das obzitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes offenkundig ist. Erst ab dieser höchstgerichtlichen Entscheidung konnten verheiratete Töchter von Mitgliedern, wie etwa die mP, davon ausgehen, dass eine sie wegen ihres Geschlechts diskriminierende Satzungsbestimmung trotz des diese Satzung genehmigenden rechtskräftigen Bescheides der Aufsichtsbehörde im Sinn des § 879 ABGB nichtig und auf sie nicht anzuwenden sei, und so einen Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft mit Aussicht auf Erfolg geltend machen. Mit der Festlegung dieses Stichtags in der geänderten Satzung 1996 wird nun solchen Personen weiblichen Geschlechts von der AG weiterhin die Möglichkeit genommen, bis zu dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entstandene Ansprüche auf Aufnahme in die Mitgliederliste geltend zu machen. Die in § 56 der Satzung 1996 getroffene Regelung, dass vor dem 12. Dezember 1994 liegende Ansprüche auf die Mitgliedschaft nicht anerkannt werden könnten, legt daher den Schluss nahe, dass diese Bestimmung nicht dazu dient, dem Gleichheitsgrundsatz Geltung zu verschaffen, sondern vielmehr das Ziel verfolgt, verheiratete Kinder eines Mitgliedes, die vor dem 12. Dezember 1994 nur wegen ihres weiblichen Geschlechts auf Grund der sie deswegen diskriminierenden Bestimmung des § 5 lit. d der Satzung 1977 nicht als Mitglieder anerkannt wurden oder worden wären, wegen ihres Geschlechts weiterhin von einer Mitgliedschaft bei der AG auszuschließen. Von daher erweist sich die in § 56 der Satzung 1996 getroffene Stichtagsregelung im Sinn des § 879 ABGB als nichtig. Aus denselben Erwägungen kann auch die in § 4 vorletzter Absatz der Satzung 1996 getroffene Regelung, wonach den Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft verliert, wer nach Haushaltsgründung in L nicht binnen fünf Jahren einen Antrag um Aufnahme in die Mitgliederliste stellt - dass bereits die Satzung 1977 eine solche Regelung enthalten habe, ergibt sich weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten (in denen die Satzung 1977 nicht enthalten ist) - , einen nach der Satzung 1977 begründeten Anspruch auf Eintragung in die Mitgliederliste nicht zum Erlöschen bringen.

Wenn die Beschwerde meint, die mP habe in ihrem Antrag nicht auf die Satzung 1977 Bezug genommen, so übersieht sie, dass die mP in ihrer Berufung gegen den obzitierten Bescheid der ABB unmissverständlich (u.a.) zum Ausdruck gebracht hat, dass es ihr auf Grund der bis zu der am 19. April 1996 beschlossenen Satzungsänderung geltenden und insoweit nichtigen Satzungsbestimmungen verwehrt gewesen sei, erfolgreich einen Antrag an die AG auf Eintragung in die Mitgliederliste zu stellen, sie dadurch in verfassungswidriger Weise als Frau diskriminiert worden sei und die Ungleichbehandlung von vor dem 12. Dezember 1994 entstandenen Ansprüchen, die bisher zu keiner Eintragung geführt hätten, sachlich nicht gerechtfertigt sei.

Mit ihrem weiteren Vorbringen, dass der mP habe klar sein müssen, dass sie durch Verheiratung eine allfällige Mitgliedschaft verliere, sie sich eines Anspruches auf Mitgliedschaft (früher) nicht bewusst gewesen sei und sie in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage nicht erschüttert sei, verkennt die Beschwerde, dass die Nichtigkeit des § 5 lit. d der Satzung 1977 und der in § 56 der Satzung 1996 getroffenen Stichtagsregelung im Sinn des § 879 ABGB nicht aus der Verletzung des Grundsatzes auf Vertrauensschutz, sondern aus der Ungleichbehandlung von Kindern von Mitgliedern auf Grund ihres Geschlechts resultiert.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. April 2003

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000070068.X00

Im RIS seit

26.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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