TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/29 2002/11/0237

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Veröffentlicht am 29.04.2003
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §1 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs3;
FSG 1997 §32 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. August 2002, Zl. FA13B - 39 - 30/98 - 5, betreffend Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen sowie Anordnung einer begleitenden Maßnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, E, F und G wegen Verkehrsunzuverlässigkeit entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. eine Zeit von 33 Monaten, gerechnet ab 4. Juli 1995, festgesetzt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 23. Mai 2002 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 30 FSG das Recht aberkannt, von dem (am 23. Mai 1989 in den Niederlanden ausgestellten) ausländischen Führerschein für die Klassen A, B, C und E für die Dauer von 24 Monaten (gerechnet ab Zustellung des Bescheides) in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 32 FSG wurde dem Beschwerdeführer für diese Zeit das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten. Weiters wurde die Absolvierung einer Nachschulung angeordnet. In der Begründung stützte sich die Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer trotz Entziehung der Lenkberechtigung Kraftfahrzeuge gelenkt habe, mehrmals gemäß § 1 Abs. 3 FSG zur Anzeige gebracht und unter anderem zu einer bestimmten Geschäftszahl mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Steiermark bestraft worden sei. Nach der Rechtsmittelbelehrung findet sich unter anderem der Hinweis, dass der Führerschein der Ausstellungsbehörde zurückgestellt werde, weil der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz im Inland habe.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab und führte begründend aus, das oben bezeichnete Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 sei rechtskräftig abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer weise eine Reihe von Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbarer Handlungen auf. Aus dem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 29. November 2001 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer bei einer Kontrolle am 16. März 2001 einen am 23. Mai 1989 in den Niederlanden ausgestellten Führerschein vorgewiesen habe, der jedoch nur bis 23. Mai 1999 gültig gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe also auch am 16. März 2001 wiederum ohne Lenkberechtigung ein Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt. Ein weiteres gleichartiges Delikt enthalte die Anzeige des Gendarmeriepostens S. vom 10. Juni 2002, doch sei das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die vom Beschwerdeführer gezeigten Verhaltensweisen seien als "grob verkehrswidrig" anzusehen, zumal das Lenken von Kraftfahrzeugen ohne entsprechende Lenkberechtigung zu den schwerstwiegenden Übertretungen kraftfahrrechtlicher Bestimmungen zähle. Aus diesen Gründen sowie wegen der angeführten Vorstrafen sei auf die mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu schließen und anzunehmen, dass er erst nach Ablauf von 24 Monaten die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung vor der 5. FSG-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002) maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

7. ein Kraftfahrzeug lenkt

a)

ohne gültige Lenkberechtigung,

b)

trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines, oder

c)

wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse.

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer ausländischer

Lenkberechtigungen

§ 30. (1) Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen kann das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs. 2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.

...

(3) Betrifft das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, so hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung und Ausfolgung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 zu stellen, oder, falls die Entziehungsdauer 18 Monate oder mehr war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

Der Beschwerdeführer hat nach den (mit der Aktenlage im Einklang stehenden) Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde seit 23. Mai 1999 keine niederländische Lenkberechtigung. Für die auf § 30 Abs. 1 FSG gestützte Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, bestand für die Behörden des Verwaltungsverfahrens schon deshalb kein Grund, weil eine solche Maßnahme voraussetzt, dass der Betreffende eine ausländische Lenkberechtigung besitzt. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, weshalb die belangte Behörde - wäre der Beschwerdeführer im Besitz einer ausländischen Lenkberechtigung - bei Vorliegen von Gründen für eine Entziehung der Lenkberechtigung nach § 30 Abs. 3 FSG hätte vorgehen müssen. Die auf § 30 Abs. 1 FSG gestützte Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, erweist sich aus den dargelegten Gründen als rechtswidrig. Es kann auch nicht gesagt werden, dass diese Maßnahme den Beschwerdeführer in Rechten nicht verletzen kann, weil durch die in diesem Zusammenhang festgesetzte Frist von zwei Jahren zum Ausdruck gebracht wird, dass der Beschwerdeführer bis 27. Mai 2004 als verkehrsunzuverlässig anzusehen ist.

Das auf § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG gestützte Lenkverbot gründet sich auf die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bis 27. Mai 2004 als verkehrsunzuverlässig anzusehen. Die belangte Behörde stützt sich in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbarer Handlungen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass dem Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 1998 die Auffassung zugrunde liegt, der Beschwerdeführer werde - ungeachtet zahlreicher Bestrafungen - am 4. April 1998 wieder verkehrszuverlässig sein. Die belangte Behörde hatte in diesem Zusammenhang alle bis zur Erlassung des Bescheides vom 27. Februar 1998 begangenen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Den im angefochtenen Bescheid aufgelisteten Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbarer Handlungen ist nicht konkret zu entnehmen, wann der Beschwerdeführer die betreffenden Delikte begangen haben soll. Die angeführten Aktenzahlen sprechen dafür, dass die gerichtlich strafbaren Handlungen zur Gänze und die Verwaltungsübertretungen jedenfalls zum Großteil bereits vor der Erlassung des Bescheides vom 27. Februar 1998 begangen wurden. Konkret stellt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich fest, dass der Beschwerdeführer am 16. März 2001 ohne gültige Lenkberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt hat und deshalb mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 29. November 2001 wegen der Übertretung des § 1 Abs. 3 FSG rechtskräftig bestraft wurde. Hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid bezeichneten Anzeige des Gendarmeriepostens S. vom 10. Juni 2002 kann sich die belangte Behörde nicht auf eine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers stützen. Sie hat auch keine eigenen Feststellungen betreffend eine diesbezügliche Übertretung des Beschwerdeführers getroffen, sodass sie auch nicht davon ausgehen konnte, der Beschwerdeführer habe im Juni 2002 eine weitere Übertretung nach § 1 Abs. 3 FSG begangen.

Die am 16. März 2001 begangene Übertretung nach § 1 Abs. 3 FSG stellt eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 7 leg. cit. dar, die die Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 leg. cit. indiziert. Die Wertung dieser bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 5 leg. cit. führt aber - selbst unter Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid genannten Vorstrafen des Beschwerdeführers -

nicht zu dem Ergebnis, mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers sei nicht vor dem 27. Mai 2004 zu rechnen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die letzte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 offenbar im Jahr 1998 erfolgt ist, wobei auf Grund der Aktenlage nicht zu erkennen ist, wann die dieser Bestrafung zugrunde liegende Übertretung begangen wurde. Im Hinblick auf die Unrichtigkeit der dem gemäß § 32 Abs. 1 FSG ausgesprochenen Lenkverbot für die Dauer von zwei Jahren zugrunde liegenden Prognose betreffend die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit erweist sich auch das von der belangten Behörde verfügte Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen als inhaltlich rechtswidrig.

Die Anordnung der Nachschulung ist deshalb rechtswidrig, weil eine solche Maßnahme gemäß § 24 Abs. 3 FSG die (rechtmäßige) Entziehung der Lenkberechtigung voraussetzt und eine solche hier nicht verfügt wurde. Im Zusammenhang mit einem Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 FSG kommt die Anordnung einer Nachschulung von vornherein nicht in Betracht, weil § 24 Abs. 3 FSG in der Aufzählung der nach § 32 Abs. 1 leg. cit. anzuwendenden Bestimmungen nicht genannt ist.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110237.X00

Im RIS seit

24.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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