TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/15 2002/01/0069

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Veröffentlicht am 15.05.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/01/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde 1. der S, geboren 1971, und 2. des mj. S, geboren 1998, beide in V, beide vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 1, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 10. Oktober 2001, Zl. 224.159/0-V/15/01 (ad 1), und Zl. 224.161/0-V/15/01 (ad 2), betreffend §§ 6 und 8 Asylgesetz 1997 (ad 1) bzw. betreffend Erstreckung von Asyl (ad 2), (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer (die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers), der albanischen Volksgruppe zugehörige Staatsangehörige der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, reisten am 12. Juni 2001 in das Bundesgebiet ein. Die Erstbeschwerdeführerin stellte einen Asylantrag und beantragte namens des Zweitbeschwerdeführers (unter Bezugnahme auf ihren Asylantrag) die Erstreckung von Asyl. Sie gab an, keine Schule besucht und keine Ausbildung erhalten zu haben; sie sei Analphabetin. Befragt zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, dass ihr Ehegatte, vermutlich 1999, als Taxifahrer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei; seither habe sie keine Möglichkeit zu arbeiten, nichts zu essen und auch kein Geld; "die Situation ist sehr schlecht. Ich habe zwei Kinder. Wie soll ich 'unten' (die Beschwerdeführer stammen konkret aus Presevo/Südserbien) leben". Weitere Gründe für ihren Asylantrag habe sie nicht.

Mit Bescheid vom 5. September 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 6 Z 1 Asylgesetz 1997 als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin "nach BR Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin seien glaubhaft, bei ihren Befürchtungen handle es sich (jedoch) um solche wirtschaftlicher Natur, die "durch keinerlei Anhaltspunkte für konkret gegen Sie gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen abzielen."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde u.a. vorgebracht, dass der erstinstanzliche Bescheid weder auf die politische noch auf die sozio-ökonomische Situation in Südserbien eingehe. Aus - nicht näher genannten - Dokumenten über die Situation in Südserbien sei herauszulesen, dass eine Verfolgungsgefahr auch für die Erstbeschwerdeführerin auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit nicht absolut auszuschließen sei.

Die belangte Behörde wies die erhobene Berufung gemäß § 6 Z 1 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Die erstinstanzliche Behörde habe - so die Begründung des Berufungsbescheides - die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die belangte Behörde schließe sich den bezughabenden Ausführungen des Bundesasylamtes zu beiden Spruchpunkten vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt ihres Bescheides. Von der Durchführung einer Berufungsverhandlung habe Abstand genommen werden können; in ihrer Berufung habe die Erstbeschwerdeführerin keine neuen Tatsachenbehauptungen aufgestellt und keine ihr konkret drohende Verfolgungsgefahr geltend gemacht.

Mit einem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylerstreckungsantrag des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 10 iVm § 11 AsylG ab.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Zum die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid:

Der belangten Behörde (bzw. dem Bundesasylamt, dessen Bescheid die belangte Behörde vollinhaltlich übernommen hat) mag zuzustimmen sein, dass sich dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen ließ, dass ihr im Herkunftsstaat (Bundesrepublik Jugoslawien) Verfolgung drohe, und dass insoweit der Tatbestand des § 6 Z 1 AsylG erfüllt sei. Allein das rechtfertigte jedoch noch nicht die Abweisung des Asylantrages der Erstbeschwerdeführerin als offensichtlich unbegründet. Zu jedem der Tatbestände des § 6 AsylG kommt nämlich noch als weiteres Tatbestandsmerkmal hinzu, dass es keinen sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat geben darf. Nur wenn auch diese Voraussetzung vorliegt, kommt demnach die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet in Betracht.

Unter diesem Gesichtspunkt wären das Bundesasylamt und angesichts der oben wiedergegebenen Ausführungen in der Berufung der Erstbeschwerdeführerin insbesondere die belangte Behörde verpflichtet gewesen, auf die Lage der albanischen Volksgruppe in Südserbien einzugehen. Das greift die Beschwerde zutreffend auf, wenn sie auf die bis ins Jahr 2001 hineinreichenden Kämpfe zwischen der UCPMB und der serbischen Staatsmacht in Presevo (dem Heimatort der Beschwerdeführer) bzw. in dessen Umgebung hinweist (vgl. zum Ganzen auch das - allerdings den Kosovo betreffenden - hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 98/01/0253). Die belangte Behörde hat sich demgegenüber wie schon das Bundesasylamt mit der Situation in Südserbien nicht einmal ansatzweise auseinander gesetzt - in diesem Zusammenhang hätte es im Übrigen auch der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurft -, weshalb ihr die Berufung der Erstbeschwerdeführerin abweisender Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2. Zum den Zweitbeschwerdeführer betreffenden Bescheid:

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte. Für den Zweitbeschwerdeführer folgt daraus, dass der seinen Asylerstreckungsantrag rechtskräftig abweisende Bescheid insofern vor rechtskräftiger Entscheidung über den Hauptantrag (den Asylantrag seiner Mutter) ergangen ist, weshalb er ebenfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0402).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 15. Mai 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010069.X00

Im RIS seit

20.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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