TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2002/01/0359

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §44 Abs1 litc;
KFG 1967 §44 Abs4;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StGB §125;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig u.a., Rechtsanwälte in 9500 Villach, Moritschstraße 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. Juni 2002, Zl. 1W-PERS-3801/3- 2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit März 1991 im Bundesgebiet und sei hier als Spengler beschäftigt. Laut Erhebungsbericht der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten existierten nachfolgende verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

"1. Cst-199/91

wegen Übertretung gem.

§ 103 Abs. 2 KFG

S 1.000,--

2. St-444/99

-"-

§ 44/4 KFG

S 1.000,--

3. St-4569/99

-"-

§ 103 Abs. 2 KFG

S 1.500,--"

Darüber hinaus liege eine Vormerkung wegen des Verdachts der schweren Nötigung, der gefährlichen Drohung und des unbefugten Waffenbesitzes aus dem Jahr 1991 vor; das Verfahren sei gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Außerdem sei der Beschwerdeführer am 27. März 1995 vom Bezirksgericht Villach nach § 125 StGB zu einer - bedingt nachgesehenen - Geldstrafe im Ausmaß von 30 Tagessätzen verurteilt worden.

Zu den Verwaltungsübertretungen nach § 103 Abs. 2 KFG sei zu bemerken, dass es sich hiebei um Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht unerheblichen Ausmaßes (zwischen 20 und 30 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) gehandelt habe.

Geschwindigkeitsbeschränkungen zielten auf die Beschränkung des dem Straßenverkehr inhärenten Risikos ab. Eine Verletzung dieser im Interesse sämtlicher Verkehrsteilnehmer liegenden Schutzvorschriften vergrößere die Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit. Eine wiederholte Missachtung dieser Vorschriften lasse den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer nicht willens und auch nicht in der Lage sei, zum Schutz des Gemeinwesens erlassene Vorschriften zu beachten. Dass zwischen den beiden einschlägigen Verwaltungsstrafen ein Zeitraum von rund acht Jahren liege, ändere daran nichts. Im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG komme erschwerend die gerichtliche Verurteilung wegen Sachbeschädigung aus dem Jahr 1995 hinzu. Wenn der Beschwerdeführer selbst darstelle, dass er aus Rache einen Reifen am PKW seiner Exfreundin beschädigt habe, so lasse dies erkennen, dass er in kritischen Situationen Gefahr laufe, in einer von der Rechtsordnung verpönten Art und Weise zu reagieren. Da nach der Lebenserfahrung kritische Situationen auch in Zukunft nicht auszuschließen seien, werde der Beschwerdeführer durch einen längeren Zeitraum beweisen müssen, sich rechtskonform verhalten zu können. Es existiere nämlich noch die weitere Vormerkung aus dem Jahr 1999 wegen Übertretung des § 44 Abs. 4 KFG, die ebenfalls eine auffallende Sorglosigkeit bei der Beachtung der Rechtsordnung erkennen lasse; der Beschwerdeführer habe es unterlassen, die Versicherungsprämie für "das Kraftfahrzeug" rechtzeitig zu bezahlen, weshalb ihm habe aufgetragen werden müssen, seinen Zulassungsschein zurückzustellen. Insgesamt ergebe sich, dass der Beschwerdeführer nicht die von § 10 Abs. 1 Z 6 StbG geforderte Verlässlichkeit im Sinne einer positiven Verhaltensprognose für die Zukunft erfülle, weil er insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung kraftfahrgesetzlicher Vorschriften eine auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich (auch) durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber - anders als nach § 10 Abs. 1 Z 2 StbG - nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0032).

Die belangte Behörde hat für ihre Beurteilung, die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG sei nicht erfüllt, zunächst die beiden Verwaltungsübertretungen nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 ins Treffen geführt und hiezu ausgeführt, dass es sich dabei um Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht unerheblichen Ausmaßes gehandelt habe. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass § 103 Abs. 2 KFG 1967 das Institut der Lenkerauskunft regelt, sodass die zweimaligen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen in Bezug auf diese Bestimmung nur zum Ausdruck bringen, dass der Beschwerdeführer seine kraftfahrrechtlichen Auskunftspflichten verletzt habe. Zwar mag es sein, dass die beiden behördlichen Auskunftsverlangen im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberschreitungen gestellt worden sein mögen, jedoch durfte die belangte Behörde ohne nähere Ermittlungen nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer als auskunftspflichtiger Zulassungsbesitzer im Sinn des § 103 Abs. 2 KFG 1967 selbst die den Lenkeranfragen zu Grunde liegenden Verkehrsdelikte begangen habe. Von da her hätte sich die belangte Behörde über den im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, die zweite Lenkeranfrage habe auf einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den das Fahrzeug des Beschwerdeführers benutzenden Bruder beruht, nicht hinwegsetzen dürfen. Davon abgesehen ist anzumerken, dass die (hypothetischen) Geschwindigkeitsüberschreitungen weder datumsmäßig noch den näheren Umständen nach präzisiert wurden. Die bloße Feststellung, es habe sich um Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht unerheblichen Ausmaßes, zwischen 20 und 30 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, gehandelt, lässt keine für eine Prognose im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ausreichende Bewertung des konkreten verwaltungsrechtlichen Fehlverhaltens zu.

Im Hinblick auf die festgestellte Übertretung nach § 44 Abs. 4 KFG 1967 wirft die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, dass er es unterlassen habe, die Versicherungsprämie für sein Kraftfahrzeug rechtzeitig zu bezahlen, weshalb ihm die Rückstellung seines Zulassungsscheines habe aufgetragen werden müssen. Wenn die belangte Behörde die Nichtbezahlung der Versicherungsprämie ins Treffen führt, so bezieht sie sich freilich bloß auf eine zivilrechtliche Verpflichtung des Beschwerdeführers, deren Verletzung für sich betrachtet im gegebenen Zusammenhang nicht von Relevanz sein kann. Vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG käme allenfalls dem Umstand Bedeutung zu, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug nach Aufhebung der Zulassung im Grunde des § 44 Abs. 1 lit. c KFG 1967 weiter verwendet hätte. In diese Richtung hat die belangte Behörde jedoch keine Feststellungen getätigt. Aus der bloßen Verletzung der Vorschrift des § 44 Abs. 4 leg. cit. (nicht unverzügliche Ablieferung des Zulassungsscheins und der Kennzeichentafeln an die Behörde nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Bescheides über die Aufhebung der Zulassung) lässt sich in Bezug auf § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nichts ableiten.

Damit bleibt abschließend auf die Sachbeschädigung aus dem Jahr 1995 - aus der nicht zu einer Verurteilung führenden "Vormerkung" 1991 hat die belangte Behörde zu Recht keine Schlussfolgerungen gezogen - einzugehen. Auch diesbezüglich hat die belangte Behörde nur sehr knapp die Umstände der Tat festgestellt. Aus der Verurteilung zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 30 Tagessätzen, die zudem bedingt nachgesehen worden ist, lässt sich jedoch erkennen, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers im unteren Bereich der Strafbarkeit angesiedelt war. Angesichts dessen und in Anbetracht des seit Begehung der Tat verstrichenen Zeitraumes von rund - den exakten Tatzeitpunkt hat die belangte Behörde nicht festgestellt - sieben Jahren kann auch daraus, zumal es sich um einen einmaligen Vorfall handelte, das Vorliegen des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht abgeleitet werden (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation etwa das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 99/01/0415).

Nach dem Gesagten rechtfertigen die getroffenen Feststellungen nicht die Annahme, der Beschwerdeführer biete nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür, weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darzustellen noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen zu gefährden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010359.X00

Im RIS seit

28.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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