TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/7 2000/16/0627

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Veröffentlicht am 07.08.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §37 Abs1 lita;
FinStrG §37;
FinStrG §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des J in Wien, vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 9/I/6, gegen den Bescheid des Berufungssenates II der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 8. Juni 2000, Zl. 800/92079/8/98, betreffend Finanzvergehen der vorsätzlichen Abgabenhehlerei, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 1983 als Einzelunternehmer im Import-Export-Geschäft tätig. Ihm wurden am 21. September 1992 von U., dem Geschäftsführer einer in Bratislava etablierten Handelsgesellschaft, 7 Flaschen übergeben, als deren Inhalt "Scandium kristallin" angegeben worden war. Er lagerte diese 7 Flaschen bei der Spedition W ein, wobei er für Versicherungszwecke einen Wert von S 2,500.000,-- angab. Nachdem Versuche, diese Ware zu verkaufen, gescheitert waren, lagerte der Beschwerdeführer die Flaschen am 11. März 1993 wieder aus und gab sie am selben Tag an U. zurück.

Vom Zollamt Innsbruck wurden Erhebungen bezüglich dieser Waren gepflogen und der Beschwerdeführer am 10. Mai, 23. Juni und 6. Juli 1993 einvernommen, nachdem das Zollamt im Zusammenhang mit der Verfolgung einer anderen Person von dieser Einlagerung erfahren hatte.

Mit Urteil vom 13. Juni 1997 sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht den Beschwerdeführer von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Herbst 1992 2328,8 g Scandium kristallin, welches von dem abgesondert Verfolgten U. nach Österreich geschmuggelt worden sei, an sich gebracht und in der Zeit vom 21. September 1992 bis 11. März 1993 bei der Spedition W als Inlandsgut eingelagert, gemäß § 259 Z. 3 StPO frei, weil nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit und Bestimmtheit habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass es sich um unverzollte russische Laborchemikalien gehandelt habe.

Einer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 9. Dezember 1997 Folge und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Der OGH verwies darauf, dass zur Erfüllung des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG bedingter Vorsatz genüge, ein Wissen um diese Tatsache hingegen nicht verlangt sei. Nach den Verfahrensergebnissen seien Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Beschwerdeführer die Herkunft des Scandium kristallin aus einem Schmuggel für nahe liegend angesehen, aber dennoch gehandelt habe, weil er den nachteiligen Ereignisablauf hinzunehmen gewillt gewesen sei.

Daraufhin fällte das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 10. März 1999 einen Freispruch gemäß § 214 FinStrG, weil nach den getroffenen Feststellungen der Anteil an technisch reinem Scandium nicht mehr als 50 % betragen habe, sodass ausgehend vom so ermittelten Zollwert der Zollsatz maximal ATS 104.492,-- und die Einfuhrumsatzsteuer maximal ATS 375.108,88 betragen habe und somit die Wertgrenze nach § 53 Abs. 2 lit. b FinStrG nicht überschritten worden sei. Das Gericht stellte in diesem Urteil auch fest, dass die Flaschen von U. zollunredlich nach Österreich gebracht worden seien, dass es der Beschwerdeführer bei Übernahme der Flaschen ohne Zollpapiere ernsthaft für möglich gehalten habe, dass die Flaschen zollunredlich nach Österreich gebracht worden seien, und dass er die Flaschen wieder an U. zurück gegeben habe, der sie aus Österreich verbracht habe, sodass diese von den Zollbehörden nicht hätten sicher gestellt werden können.

Mit Erkenntnis vom 17. Jänner 2000 sprach der Spruchsenat des Hauptzollamtes Innsbruck nach Durchführung einer Verhandlung den Beschwerdeführer schuldig, er habe im Herbst 1992 am Flughafen Wien Schwechat 2328,8 g Scandium kristallin im Wert von ATS 1,771.002,40, welches von U. nach Österreich geschmuggelt worden war, in Kenntnis der zollunredlichen Einbringung zum Zwecke des Verkaufes unter Einschaltung bestimmter Geschäftspartner vorsätzlich handelnd an sich gebracht und in der Zeit vom 21. September 1992 bis 11. März 1993 bei der Spedition Walter als Inlandsgut eingelagert. Im Straferkenntnis wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Ware am 21. September 1992 von U. übernommen habe und anlässlich der Übernahme gewusst habe, dass U. aus Bratislava mit der Ware gekommen sei, wobei der Beschwerdeführer keine Zollpapiere verlangt habe und ihm auch keine Zollpapiere übergeben worden seien.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es stehe gar nicht fest, ob eine strafbare Vortat (Schmuggel) begangen worden sei. Insbesondere stehe nicht fest, ob sich in den Flaschen überhaupt Scandium befunden habe, zumal U. trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Beschwerdeführer kein westliches Gutachten und Prüfzertifikat habe erstellen lassen, was erforderlich sei, um Scandium im Westen zu verkaufen. Es sei zwar richtig, dass keine Zolldokumente übergeben worden seien, es sei aber unrichtig, dass U. bestätigt habe, dass er die Ware nicht einem Zollverfahren zugeführt habe. Die Zollbehörde habe weder einen Schmuggler "festgestellt" noch die Waren in den Händen gehabt. Die Vortat sei daher nicht beweisbar. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die Ware ordnungsgemäß verzollt sei. Das habe U. immer gesagt. Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Berufung schließlich auch den ermittelten Wert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde wiederholte im Wesentlichen die Feststellungen des Spruchsenates. Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass U. aus Bratislava mit der Ware gekommen sei und dem Beschwerdeführer keine Zollpapiere übergeben habe, die der Beschwerdeführer auch nicht verlangt habe. U. habe zwar nicht vernommen werden können, er habe aber fernmündlich erklärt, dass er mit den Behörden in Österreich nichts zu tun haben wolle, der Beschwerdeführer für die Zollangelegenheiten verantwortlich sei und dass die gegenständliche Ware nicht verzollt sei. Der Beschwerdeführer habe schon berufsbedingt um die Notwendigkeit von zollrechtlichen Stellungsverpflichtungen gewusst. Er hätte sich auf allfällige Beteuerungen des U. nicht verlassen dürfen, sondern habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass die Ware zollunredlich nach Österreich gebracht worden sei. Er habe auch gewusst, dass es sich bei Scandium um ein nur in geringen Mengen und in Westeuropa überhaupt nicht vorkommendes Erdmetall handle. Ohne im Besitz von Zollpapieren oder sonstigen Nachweisen zu sein, habe er die Ware als Inlandsgut eingelagert. Unüblich sei auch der Ort der Übernahme gewesen, nämlich eine nicht näher bekannte Tankstelle nahe des Flughafens sowie die Übernahme der im Kofferraum eines Audi 100 transportierten Ware ohne jegliche Empfangsbestätigung, Frachtbrief oder Rechnung trotz des ungewöhnlichen Wertes. Außerdem habe U. dem Beschwerdeführer Originalzertifikate einer Firma aus der ehemaligen DDR überlassen, worin wiederum unzweifelhaft dokumentiert worden sei, dass das Scandium im Zollausland gewesen sei. Damit sei dem Beschwerdeführer klar gewesen, dass die Ware in Österreich nicht verzollt worden sei. Die Berufungsbehörde nahm daher den im § 37 Abs. 1 FinStrG geforderten bedingten Vorsatz an.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. 335/1975 macht sich der Abgabenhehlerei schuldig, wer vorsätzlich eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern (Branntweinaufschlag) oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde, oder Erzeugnisse aus Branntwein, hinsichtlich deren ein solches Finanzvergehen begangen worden ist, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt.

Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass zum Tatbestand der Abgabenhehlerei eine vollendete Vortat in Gestalt eines der erschöpfend aufgezählten Finanzvergehen gehört (siehe die Nachweise bei Fellner, Finanzstrafgesetz-Kommentar I6, Rz. 2a zu § 37 FinStrG). Es kommt also darauf an, ob im vorliegenden Fall U. eingangsabgabenpflichtige Ware vorsätzlich dem Zollverfahren entzogen hat. Diesbezüglich wurde festgestellt, dass U. die Ware aus Bratislava gebracht und dem Beschwerdeführer übergeben hat, ohne sie vorher einem Zollverfahren zu unterziehen. Diese Feststellung konnte die belangte Behörde auf Grund unstrittiger Beweisergebnisse, insbesondere auf Grund der schon im Jahr 1993 durchgeführten Vernehmungen treffen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Beschwerdeführers vom 6. Juli 1993, wonach U. in der Slowakei ein Prüfinstitut betreibe und "anscheinend auch Scandium aus Onyx herstellen kann". Jedenfalls sind im Verfahren nicht die geringsten Hinweise dafür hervor gekommen, dass die Ware einem Zollverfahren unterzogen worden wäre, sodass am Begehen der Vortat durch U. kein Zweifel besteht.

Nach Abschluss der gerichtlichen Strafverfahren und nach der Verhandlung vor dem Spruchsenat hat der Beschwerdeführer in seiner Administrativbeschwerde seine Verteidigung um das Argument erweitert, es stehe gar nicht fest, ob in den Flaschen überhaupt Scandium gewesen sei. Auch in der vorliegenden Beschwerde wird dieser Frage breiter Raum gewidmet und die Feststellung, es sei Scandium geliefert worden, als unbewiesene Behauptung dargestellt, wobei vom Beschwerdeführer nicht gefordert werden könne, sich frei zu beweisen.

Die zuletzt genannte Tatsachenfeststellung kann der vom Verwaltungsgerichtshof im Tatsachenbereich vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung ohne Weiteres standhalten. Abgesehen davon, dass diese Frage während der jahrelangen Verfahrensdauer nie strittig war, hat stets der Beschwerdeführer selbst die Ware als Scandium bezeichnet; hervorzuheben ist der schriftliche Kundenauftrag an den Lagerhalter vom 21. September 1992. Eine Änderung der Verteidigungsstrategie vermag, zumal diese Ware nicht mehr vorhanden ist und nicht überprüfbar ist, die Richtigkeit der von der Behörde auf Grund der durch jahrelang gleich lautende Verantwortung des Beschwerdeführers vorgenommenen Würdigung keinesfalls zu erschüttern.

Unstrittig hat der Beschwerdeführer das geschmuggelte Scandium an sich gebracht, sodass der objektive Tatbestand des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG jedenfalls erfüllt ist.

Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (Eventualvorsatz). Voraussetzung für die Annahme des bedingten Vorsatzes ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafür sprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit. Unter Möglichkeit ist im Falle der Abgabenhehlerei allerdings nicht das Bestehen eines abstrakten, in Anbetracht der allgemeinen Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis zumeist möglichen letzten Zweifels an der Richtigkeit auch gründlich geprüfter Angaben des Verkäufers zu verstehen, sondern die Möglichkeit in einem konkreteren Sinn, wie sie etwa einem durch Bedenken erweckten Zweifel entspricht (vgl. hierzu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 97/16/0404).

Die Argumente des Beschwerdeführers, wonach er nicht mit einer zollunredlichen Herkunft gerechnet habe, überzeugen nicht. Im Wesentlichen ging es darum, dass sich der Beschwerdeführer ebenso wie U. selbst um Käufer umschauen sollte; ein Verkaufsversuch durch den Beschwerdeführer scheiterte an den zu hohen Preisvorstellungen des U., sodass U. auch nicht bereit war, Prüfzertifikate und andere Unterlagen vorzulegen. Für den Beschwerdeführer musste schon auf Grund seiner Erfahrung als Import/Export-Kaufmann klar gewesen sein, dass für derartige Geschäftsvorgänge der Vormerkverkehr - allerdings verbunden mit einer entsprechenden Sicherheitsleistung - vorgesehen ist; offenkundig wollte man dies vermeiden und erst bei einem konkreten Verkauf die Ware einer dann unerlässlichen Verzollung zuführen. Wenn der Beschwerdeführer, was feststeht, die Ware unter den gegebenen Umständen ohne gleichzeitigen Nachweis der Verzollung an sich genommen hat, hat er jedenfalls mit der Möglichkeit gerechnet, dass diese Ware dem Zollverfahren entzogen worden war.

Die vorgenommene Einlagerung spricht keineswegs für einen guten Glauben des Beschwerdeführers. Im Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 91/16/0118, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Einlagerung der Sache bei einem Lagerhalter einen Verschleierungseffekt beinhaltet, weil sie jedenfalls geeignet ist, das Auffinden durch daran interessierte Behörden zu erschweren. Auch die anlässlich der Einlagerung für Versicherungszwecke vorgenommene Bewertung erlaubt keine Rückschlüsse zur subjektiven Tatseite. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, die Versicherung wäre bei einer zollunredlichen Herkunft leistungsfrei, muss ihm, da entsprechende Vereinbarungen und Bedingungen nie vorgelegt wurden, das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entgegen gehalten werden.

Zusammenfassend lassen die Beschwerdeausführungen weder eine unzureichende Tatsachenfeststellung, noch vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Mängel der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde erkennen. Frei von Rechtsirrtum war das festgestellte Verhalten dem vorgeworfenen Tatbestand unterzuordnen, sodass die Beschwerde insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 7. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000160627.X00

Im RIS seit

29.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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