TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/25 91/16/0118

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §37 Abs3;
FinStrG §37;
FinStrG §8 Abs2;
FinStrG §8;
StGB §164;
StGB §165;
StGB §5;
StGB §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. August 1991, GZ. GA 14 - 1/R-188/1/8/90, betreffend Finanzvergehen der Abgabenhehlerei, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz erkannte den Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 6. Juni 1991 (im zweiten Rechtsgang) schuldig, er habe im März 1988 im Bereich des Zollamtes Wien eine Sache, hinsichtlich welcher vom abgesondert verfolgten J.C. ein Schmuggel nach § 35 Abs. 1 FinStrG begangen worden war, nämlich ein Gemälde, unter Außerachtlassung der gebotenen und objektiv wie subjektiv zuzumutenden Sorgfalt, sohin fahrlässig, nach Kenntnisnahme der illegalen Herkunft dadurch verheimlicht, daß er es zunächst in seinem Gewahrsam belassen und sodann durch die Verbringung in ein Lager der Spedititon K. bis zu seiner Beschlagnahme dem behördlichen Zugriff entzogen habe. Er habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 FinStrG begangen; gemäß § 37 Abs. 3 FinStrG wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Dabei ging die Finanzstrafbehörde vom folgenden Sachverhalt aus:

Das geschmuggelte Bild habe C. anläßlich eines Besuches dem Beschwerdeführer am 4. März 1988 übergeben und diesen ersucht, das Gemälde für ihn bis 7. März 1988 aufzubewahren; über die Herkunft des Bildes sei anläßlich der formlosen Übergabe nichts gesprochen worden. Da C. das Gemälde nicht zum vereinbarten Termin abgeholt habe, habe der Beschwerdeführer insgesamt dreimal dessen Ehegattin kontaktiert, welche die Auskunft erteilt habe, daß ihr Mann noch in Ungarn sei. Kurz darauf habe der Beschwerdeführer einen Anruf seines Freundes L.R. erhalten, der ihm mitgeteilt habe, daß C. wegen Bilderschmuggels verhaftet worden sei. Dies habe den Beschwerdeführer zu der Überzeugung gebracht, daß auch das bei ihm verwahrte Bild, sei es infolge Diebstahls oder auch Schmuggels, illegaler Herkunft sein müsse. Er habe daher versucht, ohne eine zur Strafverfolgung berufene Behörde zu informieren, das Bild, nachdem er es noch kurze Zeit bei sich behalten habe, dadurch loszuwerden, daß er es zur Speditionsfirma K. verbrachte und dort einlagerte. Dies habe er auch der Gattin des C. mittels Schreiben vom 16. März 1988 mitgeteilt. Als Beamte der Finanzstrafbehörde, versehen mit einem entsprechenden Hausdurchsuchungsbefehl beim Beschwerdeführer erschienen waren, habe dieser das Schreiben vom 16. März 1988 vorgewiesen und die Adresse bekanntgegeben, an der sich das Gemälde befunden habe.

Diesen Sachverhalt würdigte das Zollamt dahingehend, daß dem Beschwerdeführer für den Zeitraum zwischen Übergabe des Bildes und der Information durch R. kein deliktisches Verhalten vorgeworfen werden könne. Nachdem der Beschwerdeführer von der Herkunft erfahren hatte, habe er durch Belassen des Gegenstandes in der Wohnung und sodann durch Verbringung an einen für Behörden und Gerichte nicht ohne weiteres erkennbaren Ort diesen verheimlicht und den zur Strafverfolgung berufenen Organen entzogen.

In der dagegen erhobenen Berufung wurden diese Feststellungen insoferne bekämpft, als der Beschwerdeführer aus der Information von R. nicht hätte entnehmen können, daß das bei ihm verwahrte Bild Schmuggelgut sei. Er habe keine Verheimlichungshandlung gesetzt und nichts getan, um das Bild dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Allenfalls sei ihm ein entschuldbarer Irrtum unterlaufen.

Im angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend ab, daß der Tatzeitraum mit "in der Zeit vom 15. März 1988 bis 16. März 1988" näher bestimmt wurde; im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Im Hinblick auf die Information durch R., C. sei wegen Bilderschmuggels verhaftet worden, habe der Beschwerdeführer den Unrechtsgehalt der in Betracht kommenden Deliktsart erfaßt. Das Unrechtsbewußtsein manifestiere sich geradezu durch die unmittelbar nachfolgende Begebung des Bildes. Ein Schuldausschließungsgrund liege daher nicht vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses sei entgegen § 138 Abs. 2 FinStrG nicht zu entnehmen, ob dem Beschwerdeführer die Tatbegehung nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG oder nach § 37 Abs. 1 lit. b leg. cit. angelastet werde.

Der Vorwurf ist unberechtigt: Durch die Tatbeschreibung, der Beschwerdeführer habe verheimlicht (und nicht etwa: er habe den Täter des Finanzvergehens dabei unterstützt, die Sache zu verheimlichen), wurde eine eindeutige Zuordnung im Spruch vorgenommen. Es konnte daher auch ohne gesonderte Paragraphenangabe kein Zweifel darüber bestehen, wofür der Täter bestraft worden ist.

Gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhehlerei schuldig, wer vorsätzlich eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern (Branntweinaufschlag) oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde, oder Erzeugnisse aus Branntwein, hinsichtlich dessen ein solches Finanzvergehen begangen worden ist, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt. § 37 Abs. 3 FinStrG pönalisiert die fahrlässige Begehungsform. Das Wesen der Abgabenhehlerei besteht in der Aufrechterhaltung des durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen und somit verpönten Zustandes durch verschiedene, rechtlich aber gleichwertige Verfügungen über eine Sache; die Strafwürdigkeit der Abgabenhehlerei beruht auf dem Umstand, daß durch die Aufrechterhaltung des durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Zustandes die Feststellung der dem Zollverfahren entzogenen eingangsabgabenpflichtigen Waren immer schwieriger wird (siehe die bei Fellner, Finanzstrafgesetz, 4. Auflage, Ergänzung Z November 1991, RZ 1a und 1b zu § 37 FinStrG wiedergegebene hg. Judikatur). Allerdings hatte der Verwaltungsgerichtshof bisher - soweit überblickbar - nur Fälle fahrlässiger Abgabenhehlerei zu beurteilen, bei denen der Täter VON ANFANG AN schlechtgläubig war.

Dieselben Tathandlungen (kaufen, zum Pfand nehmen oder sonst an sich bringen, verheimlichen oder verhandeln) kennt auch § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB; auch die Motivation des Gesetzgebers erscheint ähnlich: Grund für die Kriminalisierung des Erwerbes solcher Sachen ist es (auch), daß durch die Tätigkeit des Hehlers die Wiedererlangung der durch die Verübung der Straftat gegen fremdes Vermögen entzogenen Sache also die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes erschwert wird (Liebscher, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, RZ 1 zu § 164 StGB). Im vorliegenden Fall wußte der Beschwerdeführer nichts von der Herkunft des ihm am 4. März 1988 übergebenen Gegenstandes, und zwar bis zur Information durch R. (am 15. März, siehe Niederschrift vom 18. März 1988). Die Finanzstrafbehörden gingen davon aus, daß der Beschwerdeführer während dieses Zeitraumes auch nichts von der Herkunft des Bildes wissen mußte. Der erhobene Schuldvorwurf trifft ihn nun dahingehend, daß er am 15. März 1988 das Bild trotz der Information, C. sei "wegen Bilderschmuggel verhaftet worden", wodurch der Beschwerdeführer "auch den spezifischen Unrechtsgehalt des in Betracht kommenden Deliktsart erfaßt" habe, bei sich beließ und daß er am 16. März 1988 das Bild bei einem dazu befugten Lagerhalter einlagerte.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz erkannte bereits im Belassen des Bildes in der Wohnung bzw. in der Unterlassung einer Mitteilung an die Behörde ein "Verheimlichen".

Eine ausdrückliche Regelung über die Behehung durch Unterlassung, wie dies im § 2 StGB der Fall ist, kennt das Finanzstrafgesetz nicht. Vielmehr wird in § 1 auf die in den §§ 33 bis 52 FinStrG mit Strafe bedrohten Taten, d.s. Handlungen und Unterlassungen, verwiesen.

Der oberste Gerichtshof hat in seinem Urteil eines verstärkten Senates vom 16. Oktober 1990, 15 Os 71/90, veröffentlicht in JBl 1991, 461 ff. ausgeführt, daß von einem Verheimlichen im Sinne des § 164 (§ 165) StGB erst dann gesprochen werden könne, wenn dem betreffenden Tatverhalten ein vom Täter vorsätzlich (oder fahrlässig) zum Einsatz gebrachter Verschleierungseffekt innewohnt. Das Wesen eines solchen Effektes äußere sich darin, daß er dem Auffinden der verhehlten Sache durch daran Interessierte über das mit der bestimmungsgemäß normalen Dispositon des Täters darüber verbundene Maß hinaus hinderlich ist, sei es durch eine Täuschung des Nachforschenden oder sei es durch das Unkenntlichmachen, Verbergen oder Entfernen des Tatobjektes aus dem konkret aktuellen Nachforschungsbereich (wie etwa eines PKW"s aus dem Inland). Der OGH gelangte zum Ergebnis, daß dann, wenn der Täter den Gewahrsam in Ansehung der Herkunft der Sache gutgläubig (sowie unbedenklich) erlangt und sie in der Folge nicht den Kriterien des Verheimlichens entsprechend verwendet oder verwahrt hat, das Aufrechterhalten eines derartigen Gewahrsames NICHT tatbestandsmäßig ist, und zwar auch dann nicht, wenn er inzwischen schlechtgläubig (oder nachlässig) geworden ist. Nur im Fall eines späteren (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verheimlichens hat er (ausschließlich) dafür einzustehen. Gerade die letzteren Ausführungen fanden die nachdrückliche Zustimmung in der Entscheidungsbesprechung durch Kienapfel (Dauerdelikt und Dauerstraftat am Beispiel der Begehungsform der Hehlerei, JBl. 1991, 435, insbesondere 437). Allein durch die nachträgliche Kenntnis der makelbehafteten Herkunft des Gegenstandes könne sich das bis dahin unbedenkliche Verwahrthalten nicht begrifflich in ein Versteckthalten im Sinne eines Verheimlichens umwandeln.

Ausgehend von diesen auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Erwägungen erscheint für den vorliegenden Fall der anfänglichen Gutgläubigkeit die Erfüllung des Tatbestandes des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG allein durch das Belassen in der Gewahrsame am 15. März 1988 nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer war allerdings am 16. März 1988 insoferne aktiv tätig, als er, nach Auffassung der belangten Behörde nun schlechtgläubig, das Bild bei einem Lagerhalter einlagerte. Dieser Tathandlung kann objektiv ein vom Täter zum Einsatz gebrachter Verschleierungseffekt nicht abgesprochen werden, weil sie jedenfalls geeignet war, das Auffinden durch daran interessierte Behörden zu erschweren; sie geht über eine bestimmungsgemäß normale Disposition des Täters (im mehrfach zitierten Urteil wird als Beispiel das KURZZEITIGE Abstellen eines PKW"s in einer Garage genannt) weit hinaus. Daher bedarf es eines Eingehens auf die in der Beschwerde gerügten Feststellungsmängel hinsichtlich der subjektiven Tatseite.

Ein Täter handelt in bezug auf die kriminelle Herkunft des Tatobjektes objektiv sorgfaltswidrig, insoweit er nicht jenes Maß an Sorgfalt angewendet hat, das bei der Herkunftsprüfung in der konkreten Tatsituation von einem sich seiner Pflichten gegen die Mitwelt bewußten, dem Verkehrskreis des Täters angehörigen Menschen, objektiv betrachtet, billigerweise verlangt werden kann. Die bloß theoretische Möglichkeit, daß die (angebotene) Ware aus einer hehlereibegründenden Vortat stammen könnte, genügt zur Begründung einer dem Ankaufenden unterlaufenen objektiven Sorgfaltswidrigkeit nicht; es muß vielmehr aufgrund konkreter Gegebenheiten aus der Sicht einer mit den rechtlichen Werten angemessen verbundenen, besonnenen und einsichtigen Maßfigur in der Lage des Täters der REALE VERDACHT einer derartigen Sachherkunft bestehen (Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, Anmerkungen 8 und 10 zu § 165 StGB). Ob der Beschwerdeführer einen solchen realen Verdacht hatte, steht noch nicht fest. Die Feststellung, der Beschwerdeführer sei überzeugt gewesen, das Bild sei "illegaler Herkunft" genügt keineswegs. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang vermeint, allein der Gedanke an ein gestohlenes Gut reiche zur Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit aus, verkennt sie, daß § 37 FinStrG nicht irgendeine Rechtswidrigkeit pönalisiert, sondern (in diesem Zusammenhang) nur die Verheimlichung von geschmuggelten Gegenständen. Es ist somit eine exakte Feststellung des Wissensstandes des Beschwerdeführers über die Herkunft des Bildes im Zeitpunkt der Weitergabe erforderlich.

Außer Betracht bleiben muß unter Umständen die Tatsache, daß der Beschwerdeführer ohne Umschweife die Fahndungsbeamten über den Verwahrungsort des Bildes aufgeklärt und damit die Beschlagnahme noch am selben Tag ermöglicht hat. Sollten alle Voraussetzungen vorliegen, dann wäre die Tat zu diesem Zeitpunkt längst vollendet gewesen; ob eine Sorgfaltsverletzung vorliegt, ist ja strikt ex ante zu prüfen (Leukauf-Steininger a. a.O. RZ 8). Jedenfalls kam die belangte Behörde durch den bloßen Hinweis auf die Kenntnis "illegaler Herkunft" ihrer Begründungspflicht nicht im erforderlichen Umfang nach, sodaß sie hinsichtlich dieser Tat den Bescheid mit Rechtswidrigkeit zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Sollte sich tatsächlich eine Sorgfaltsverletzung ergeben, so wird sich die belangte Behörde auch mit der Frage zu befassen haben, ob die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 FinStrG vorliegen.

Somit muß in Stattgebung der Beschwerde der Bescheid wegen der - vorrangig heranzuziehenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden. Von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991160118.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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