TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/17 2001/20/0142

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Birgit Roessler-Thaler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 3-4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. November 2000, Zl. 219.406/0-III/09/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, stellte am 23. Juli 1999 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. August 1999 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone für zulässig erklärt.

Laut einem in den vorgelegten Verwaltungsakten liegenden Bericht des Gendarmeriepostens Traiskirchen vom 11. August 1999 ist der Beschwerdeführer am 10. August 1999 aus der Betreuungsstelle Traiskirchen entlassen worden. In einem Aktenvermerk vom 16. August 1999 hielt das Bundesasylamt fest:

"Da der im Betreff Genannte (Beschwerdeführer) die bisherige Abgabestelle verlassen und dies der Behörde nicht unverzüglich mitgeteilt hat, und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, ordnet die erkennende Behörde die Zustellung des Bescheides (§ 7 Asylgesetz 1997) durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Absatz 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Zustellgesetz an. Die hinterlegte Sendung gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.

1. Tag der Hinterlegung: 16.8.99; Ende der Abholfrist: 30.8.99; Letzter Tag zur Einbringung eines Rechtsmittels: 30.8.99."

Weiters enthalten die Akten die Kopie eines Meldezettels des Beschwerdeführers - vom Beschwerdeführer am 6. Oktober 1999 dem Bundesasylamt persönlich übergeben -, wonach er sich am 13. August 1999 in 1170 Wien, R.gasse 82/6/1, mit Hauptwohnsitz angemeldet habe.

Mit Schreiben vom 17. November 1999 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, verbunden mit einer Berufung gegen den Bescheid vom 16. August 1999, bei der erstinstanzlichen Behörde ein.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag erhobene Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. August 1999 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens betreffend den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers. Im Übrigen habe durch die mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 16. August 1999) in Gang gesetzte Einbringungsfrist für die Berufung mit Ablauf des 30. August 1999 geendet, sodass die Erhebung der Berufung am 17. November 1999 verspätet gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist dann, wenn diese Mitteilung unterlassen wird und die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die Ermächtigung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" - versucht zu haben, die neue Abgabestelle auszuforschen, darf von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz kein Gebrauch gemacht werden. Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist somit nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue) andere Abgabestelle festzustellen. Daran ändert es auch nichts, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die der Behörde zumutbar gewesenen Ausforschungsversuche ergebnislos verlaufen wären (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2002/01/0315, mwN).

Dem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerk vom 16. August 1999 ist nur zu entnehmen, dass eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können. Damit entzieht sich jedoch die Vorgangsweise der Erstbehörde (in der die belangte Behörde implizit die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz erfüllt sah, ohne jedoch ihrerseits nähere Feststellungen über die Art der von der Erstbehörde "durchgeführten Ermittlungen" zu treffen) und letztlich auch der angefochtene Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0514, mwN).

Da die belangte Behörde nähere Feststellungen über die der Zustellung des Bescheides vom 26. Mai 1999 vorangegangenen Bemühungen zur Eruierung einer Abgabestelle des Beschwerdeführers unterließ und der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt nicht ausreichend geklärt ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200142.X00

Im RIS seit

20.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten