TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/14 2002/01/0315

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Veröffentlicht am 14.01.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
ZustG §23;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des N in L, geboren 1983 alias 1983, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. April 2002, Zl. 225.585/0-III/07/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, gelangte am 25. April 2001 in das Bundesgebiet und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Nachdem er vorerst in einem Sonderquartier in Wien untergebracht worden war, wurde er im Rahmen der Bundesbetreuung nach Bad Kreuzen, Bezirk Perg, überstellt.

Laut einer in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Auskunft des Bundesministeriums für Inneres vom 10. Oktober 2001 befand sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom 29. September bis 2. Oktober 2001 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Haft. Weiters ist den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen, dass das Bundesasylamt (die Erstbehörde) am selben Tag eine Meldeanfrage über den Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Linz richtete, die am darauf folgenden Tag mitteilte, es lägen keine Daten für eine Meldeauskunft über den Beschwerdeführer vor.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 wies die Erstbehörde den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Laut einer in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden "Beurkundung der Hinterlegung im Akt gem. § 23 Abs. 2 ZustellG" vom 11. Oktober 2001 sei der Beschwerdeführer an der "angegebenen" Zustelladresse nicht mehr aufhältig. Eine Abgabestelle habe nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können. Mit Wirksamkeit vom selben Tag werde gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 des Zustellgesetzes ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

Ende November 2001 gab der Beschwerdeführer der Erstbehörde seine neue Anschrift (in Wien) bekannt und ersuchte um Zustellung einer Kopie seines "am 26.10.01 rechtskräftig gewordenen Bescheides". Hierauf veranlasste die Erstbehörde die Zustellung einer "Bescheidkopie" an den Beschwerdeführer, die am 11. Dezember 2001 im Wege der Hinterlegung erfolgte.

Mit dem mit 17. Dezember 2001 datierten und an diesem Tag zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines Asylantrages "in offener Frist das Rechtsmittel der Berufung", ohne hierin weiteres Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der Berufung zu erstatten.

Mit Bescheid vom 24. April 2002 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Bescheid vom 11. Oktober 2001 sei dem Beschwerdeführer am selben Tag gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden, weil er von seiner bisherigen Abgabestelle "nach unbekannt wohin" verzogen gewesen sei und eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können "(vgl. die eingeholte negative Meldeauskunft vom 11.10.2001 ...)". Die Frist zur Einbringung der Berufung nach § 63 Abs. 5 AVG habe daher mit Ablauf des 25. Oktober 2001 geendet, weshalb die Berufung vom 17. Dezember 2001 verspätet gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt. Er erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass die Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 in Verbindung mit § 23 Zustellgesetz unzulässig und rechtswidrig gewesen sei.

Die Beschwerde ist aus folgendem Grund berechtigt:

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist dann, wenn diese Mitteilung unterlassen wird und die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die Ermächtigung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" - versucht zu haben, die neue Abgabestelle auszuforschen, darf von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 leg. cit. erlaubte einfache Zustellung durch Hinterlegung darf die Behörde somit nicht veranlassen, gar nicht erst zu versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen. Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist somit nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue) andere Abgabestelle festzustellen. Daran ändert auch nichts, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die der Behörde zumutbar gewesenen Ausforschungsversuche ergebnislos verlaufen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2002, Zl. 2000/01/0373 mwN; vgl. auch die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 31 zu § 8 ZustG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine Anfrage bei der Meldebehörde der letzten Abgabestelle stellt ein der Behörde zur Verfügung stehendes Mittel dar, um auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0514, mwN).

Der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen "Beurkundung der Hinterlegung im Akt gem. § 23 Abs. 2 ZustellG" ist nur zu entnehmen, dass eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können. Abgesehen davon, dass die in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegende Anfrage bei der Bundespolizeidirektion Linz betreffend eine Meldung des Beschwerdeführers keine Anfrage bei der Meldebehörde der letzten Abgabestelle und somit kein (bei einem negativen Ergebnis) allein ausreichendes Mittel darstellt, um auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen, entzieht sich die weder in der genannten Beurkundung noch im angefochtenen Bescheid im Übrigen näher dargestellte Vorgangsweise der Erstbehörde, in der die belangte Behörde implizit die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz erfüllt sah, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Da die belangte Behörde die Verletzung der der Erstbehörde nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz obliegenden Verpflichtung zur Vornahme der gebotenen Ermittlungen nicht erkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 14. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010315.X00

Im RIS seit

28.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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