TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/3 2002/01/0291

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Veröffentlicht am 03.12.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §68 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §20;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des C in L, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in 4040 Linz-Urfahr, Flussgasse 15, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. März 2002, Zl. Gem(Stb)-407347/17-2002- Gru/Ha, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die oberösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) das Ansuchen des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/1998" (StbG) ab.

Der Beschwerdeführer habe im Mai 1999 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt. Am 5. Dezember 2000 sei ihm die Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Bescheid (gemäß § 20 StbG) zugesichert worden. Nach Einlangen der Genehmigung des türkischen Innenministeriums zum Ausscheiden des Beschwerdeführers aus dem türkischen Staatsverband sei der belangten Behörde bekannt geworden, dass der Antragsteller am 27. November 2001 vom Landesgericht Eisenstadt rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr (davon vier Monate unbedingt) verurteilt worden sei. Mit diesem Urteil sei der Beschwerdeführer der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) schuldig erkannt worden, weil er am 26. Oktober 2001 in Nickelsdorf und anderen Orten die rechtswidrige Einreise Fremder nach Österreich mit dem Vorsatz gefördert habe, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn geschehe, indem er gegen einen Schlepperlohn von DM 3000,-- "fünf türkische illegale Grenzgänger in Ungarn in den Kofferraum des PKW ... steigen ließ, mit welchem AC. samt den illegalen Grenzgängern über die ungarischösterreichische Grenze fahren wollte". Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer am 15. Februar 2002 von der aus diesem Grund beabsichtigten Abweisung seines Ansuchens in Kenntnis gesetzt. Er habe die Unterfertigung der hierüber aufgenommenen Niederschrift verweigert und angegeben, dass er sich einen Anwalt nehmen werde. Sonstige Angaben habe er nicht gemacht.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Verleihungsansuchens damit, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG auf Grund der Verurteilung zu einer einjährigen Freiheitsstrafe nicht gegeben sei, woran auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, nichts ändern könne.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 726/02, ab und trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 124/1998, lautet, soweit entscheidungsrelevant:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. ..."

Ein Fremder, dessen Ehegatte österreichischer Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt, hat unter den Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 StbG einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft; dieser Rechtsanspruch besteht jedoch nur "unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3", sodass eine Verurteilung zu einer in § 10 Abs. 1 Z 2 StbG genannten Freiheitsstrafe auch in diesem Fall ein Verleihungshindernis darstellt.

Für das Vorliegen des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 2 StbG ist es nicht von Belang, ob die Freiheitsstrafe (von mehr als drei Monaten) bedingt nachgesehen wurde; nur solche Verurteilungen, die infolge Zeitablaufs getilgt wurden, stehen einer Einbürgerung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle nicht im Wege (vgl. dazu die noch zu dem bis 31. Dezember 1998 geltenden § 10 Abs. 1 Z 2 lit. a StbG ergangenen - auch für die nunmehr nach Z 2 leg. cit. geltende Rechtslage relevanten - Erkenntnisse vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0449, und vom 6. Juli 1999, Zl. 98/01/0603).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er mit dem rechtskräftigen Urteil vom 27. November 2001 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Er behauptet jedoch, dass diese Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und legte mit seiner Beschwerde zwei als "Geständnis" bezeichnete Erklärungen vor, die belegen sollen, dass er "auf Grund einer falschen Zeugenaussage verurteilt" worden sei. Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass ihm nicht "in ordentlicher Weise" die Gelegenheit gegeben worden sei, sich "zur Verurteilung zu verantworten".

Das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft bietet keinen Raum, ein rechtskräftig abgeschlossenes gerichtliches Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. das Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0968). Die belangte Behörde hat - wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt - dem Beschwerdeführer am 15. Februar 2002 die erwähnte Verurteilung nach § 104 Abs. 1 FrG vorgehalten und ihm Gelegenheit gegeben, zu diesem Verleihungshindernis Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat laut der nach § 14 AVG abgefassten Niederschrift angegeben, dass er mit einem Anwalt reden möchte, den Anwalt noch bekannt geben werde, und dass er unschuldig sei. Eine weitere Stellungsnahme wurde vom Beschwerdeführer bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht abgegeben. Ihm wurde somit im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, sodass die von ihm behauptete Verletzung des Parteiengehörs nicht erfolgt ist. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde aber selbst dann, wenn ihr die nunmehr mit der Beschwerde vorgelegten Erklärungen bereits im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides vorgelegen wären, zu keinem anderen Bescheid kommen können. Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG stellt lediglich auf die entsprechende rechtskräftige Verurteilung ab, sodass die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht gehalten war, sich mit der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei unschuldig bzw. zu Unrecht verurteilt worden, auseinander zu setzen.

Schließlich ändert auch das Vorliegen des Zusicherungsbescheides vom 5. Dezember 2000 nichts daran, dass die belangte Behörde das Verleihungsansuchen zurecht abgewiesen hat. Bei der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 20 StbG handelt es sich um einen der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgelagerten Verwaltungsakt, der für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründet; dies allerdings unter der Voraussetzung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft auch die sonstigen Verleihungsvoraussetzungen (insbesondere des § 10 Abs. 1 StbG) gegeben sind. Da der Beschwerdeführer zwischen der Zusicherung der Verleihung und der Entscheidung über das Verleihungsansuchen wegen einer Vorsatztat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, war die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt unzweifelhaft nicht mehr gegeben. Durch die - auf diesem nachträglich eingetretenen Umstand basierende - Abweisung des Verleihungsansuchens mit dem angefochtenen Bescheid ist der Beschwerdeführer nicht in seinen aus dem Zusicherungsbescheid folgenden Rechten verletzt; dieser Bescheid ist im Fall der (zutreffenden) Abweisung des Verleihungsansuchens vielmehr auch ohne ausdrücklichen Widerruf gegenstandslos geworden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0773, vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0523, und vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0243).

Da die belangte Behörde somit, ausgehend von der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 104 Abs. 1 FrG, das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft im Grunde des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG zutreffend abgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 3. Dezember 2003

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010291.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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