TE Vwgh Beschluss 2004/1/26 2003/17/0216

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Veröffentlicht am 26.01.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs4;
AVG §68 Abs2;
B-VG Art103 Abs4 idF 1974/444;
B-VG Art103 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §47 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, in der Beschwerdesache der N Gesellschaft mbH in Graz, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. Mai 2003, Zl. FA8A-60 M 4/33-2003, betreffend Berichtigung eines Berufungsbescheides i.A. Fleischuntersuchungsgebühren, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 923,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 2002 wurden der Beschwerdeführerin Fleischuntersuchungsgebühren für die für das Fleischuntersuchungsorgan KH (im Folgenden H) im August 2002 durchgeführten Fleischuntersuchungen vorgeschrieben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. April 2003 wurde u.a. die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. September 2002 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., die erstinstanzliche Behörde habe mit dem erwähnten Bescheid vom 17. September 2002 Gebühren in der Höhe von EUR 1.121,60 festgesetzt.

Dieser Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. April 2003 ist Gegenstand der zur Zl. 2003/17/0203 protokollierten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche noch anhängig ist.

Am 28. Mai 2003 erließ der Landeshauptmann von Steiermark den nunmehr angefochtenen Bescheid. Nach dem Spruch dieses Bescheides wurde gemäß § 62 Abs. 4 AVG der "Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark" vom 11. April 2003 mit der Geschäftszahl des eben zitierten Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass die für im August 2002 von H durchgeführte Trichinenuntersuchungen vorgeschriebene Gebühr statt mit EUR 1.121,60 richtigerweise mit EUR 2.121,60 festgesetzt werde.

In der Begründung dieses Bescheides erachtete die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AVG für eine Bescheidberichtigung als gegeben. Der Übertragungsfehler resultiere aus einem "Zahlenirrtum" im (erstinstanzlichen) Bescheid vom 17. September 2002, wo im Spruch eine falsche Summe aufscheine, wogegen die im Gebührenausweis klar ersichtliche Summe EUR 2.121,60 betragen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, über welche mit Verfügung vom 21. Oktober 2003 das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde eingeräumt wurde, innerhalb der Vorlagefrist auch zur Frage ihrer Zuständigkeit zur Berichtigung des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. April 2003 Stellung zu nehmen.

Am 25. November 2003 erstattete die belangte Behörde eine "Gegenschrift", in welcher sie mitteilte, sie habe den angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 2003 mit einem Bescheid vom 25. November 2003 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufgehoben. Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde vorgelegt.

In einem Telefonat mit dem Berichter bestätigte der Beschwerdevertreter den Erhalt dieses Bescheides und trat der Auffassung, die vorliegende Beschwerde sei gegenstandslos geworden, nicht entgegen. In einer Eingabe vom 8. Jänner 2004 vertrat er (demgegenüber) die Auffassung, die Beschwerde sei gegenstandslos geworden, wenn die vorgenommene Bescheidaufhebung zulässig gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten

Senat erwogen:

I. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:

§ 3 Abs. 2 und § 6 des Steiermärkischen Fleischuntersuchungsgebührengesetzes - FUGG, LGBl. Nr. 22/1995 (im Folgenden: Stmk FlUGebG), lauten:

"§ 3

Einhebung der Gebühren

...

(2) Bestreitet der Verfügungsberechtigte die Gebühr dem Grunde oder der Höhe nach oder weigert er sich, die Gebühr zu entrichten, so ist dies vom Fleischuntersuchungsorgan unter Vorlage der Aufzeichnungen gemäß Abs. 1 der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Gebiet die Untersuchung erfolgt ist, zu melden. Diese hat in diesem Fall die zu leistende Gebühr mit Bescheid vorzuschreiben. Gegen diesen Bescheid ist die Berufung an die Landesregierung zulässig. Die durch Bescheid festgesetzten Gebühren sind von der Bezirksverwaltungsbehörde einzuheben.

...

§ 6

Verfahren

Bei der Bemessung, Einhebung und der zwangsweisen Einbringung der Gebühren ist die Landesabgabenordnung - LAO, LGBl. Nr. 158/1963, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden."

Gemäß § 216 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 (im Folgenden: Stmk LAO), kann die Abgabenbehörde in ihren Bescheiden unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten berichtigen.

Gemäß § 215 Stmk LAO ist gegen Berufungsentscheidungen oder gegen sonstige Bescheide der Abgabenbehörden zweiter Instanz ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Art. 103 Abs. 4 B-VG in der Fassung nach der Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 1/1930 lautete:

"Artikel 103. ...

...

(4) Der administrative Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung geht, wenn nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich anderes bestimmt ist, bis zu den zuständigen Bundesministern."

Durch die Novelle BGBl. Nr. 444/1974 erhielt Art. 103 Abs. 4 B-VG folgende Fassung:

"(4) In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung endet der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundesgesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann; steht die Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zu, so geht der Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen Bundesminister."

Der angefochtene Bescheid ist dem Landeshauptmann zuzurechnen. Im Hinblick auf die Fertigungsklausel "Für den Landeshauptmann" kommt eine Umdeutung als Bescheid der Landesregierung nicht in Betracht.

Der angefochtene Bescheid vom 28. Mai 2003 berichtigte seinem Wortlaut nach einen "Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark" vom 11. April 2003, wobei die Geschäftszahl des an diesem Tag ergangenen, oben erwähnten Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung angegeben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass der angefochtene Bescheid nicht etwa ins Leere ging, sondern dahingehend zu verstehen ist, dass damit der nach Datum und Geschäftszahl korrekt angegebene Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. April 2003 berichtigt werden sollte, wenngleich die belangte Behörde von der irrigen Vorstellung geleitet war, dieser Bescheid stamme von ihr.

Aus dem Grunde des gemäß § 6 Stmk FlUGebG Anwendung findenden § 216 Stmk LAO wäre aber zur Berichtigung des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. April 2003 nicht der Landeshauptmann von Steiermark, sondern die Steiermärkische Landesregierung zuständig gewesen. Der Landeshauptmann von Steiermark hat den in Rede stehenden Berichtigungsbescheid daher unzuständigerweise erlassen.

In Ansehung der Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges gegen den Berichtigungsbescheid war Folgendes zu erwägen:

Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Novellierung des Art. 103 Abs. 4 B-VG durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 444/1974 hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges gegen einen unzuständigerweise vom Landeshauptmann erlassenen Bescheid in einer Angelegenheit, die rechtens als solche der Landesverwaltung zu behandeln gewesen wäre, in seinem Beschluss vom 30. November 1951, Zlen. 729, 730/51 (Slg. Nr. 2351/A), Folgendes ausgeführt:

"Voraussetzung der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach Art. 131 Abs. 1 B-VG. die Erschöpfung des Instanzenzuges. Mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides war aber der Instanzenzug noch nicht erschöpft, weil der angefochtene Bescheid ein Bescheid des Landeshauptmannes als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung ist und in solchen Angelegenheiten der administrative Instanzenzug grundsätzlich bis zum zuständigen Bundesminister geht (Art. 103 Abs. 4 B-VG.). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass zur Entscheidung in der vorliegenden Sache nicht der Landeshauptmann, sondern die Landesregierung zuständig gewesen wäre, weil es sich um eine Angelegenheit der Landesvollziehung handelte. Maßgeblich ist nur, dass der Landeshauptmann den Bescheid erlassen hat, weswegen auch der Instanzenzug noch nicht erschöpft war."

Vergleichbare Aussagen zu dieser Rechtslage enthalten auch der hg. Beschluss vom 7. April 1964, Zl. 77/64 (Slg. Nr. 6289/A), und das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1965, Zl. 1302/65.

Für die Rechtslage nach Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. Nr. 444/1974 ist der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung von der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen Berufungsbescheide, welche in Angelegenheiten, die in den Bereich der Landesvollziehung fielen, unzuständigerweise vom Landeshauptmann erlassen wurden, ausgegangen, wobei er mit Aufhebung dieser Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde unter Auferlegung der Kosten an den Bund vorgegangen ist (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1999, Zl. 98/02/0048, vom 9. November 1999, Zl. 99/05/0181, und vom 23. Mai 2002, Zl. 2002/03/0028).

Diesen Erkenntnissen lag offenbar zunächst die (auch der Judikatur zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 444/1974 entsprechende) Rechtsauffassung zu Grunde, wonach vom Landeshauptmann unzuständigerweise erlassene Berufungsentscheidungen in Angelegenheiten, die richtigerweise als solche der Landesverwaltung zu behandeln gewesen wären, für die Frage des Bestehens eines weiteren Instanzenzuges entsprechend der Intention der bescheiderlassenden Behörde als solche in "Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung" im Verständnis des Art. 103 Abs. 4 B-VG idF BGBl. Nr. 444/1974 zu gelten haben. Weiters ging der Verwaltungsgerichthof offenbar implizit davon aus, dass derartige Bescheide - schon auf Grund der Absicht des Landeshauptmannes, als Berufungsbehörde einzuschreiten - jenen in Art. 103 Abs. 4 B-VG idF BGBl. Nr. 444/1974 geregelten Angelegenheiten gleichzuhalten sind, in denen der Landeshauptmann "als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat". Auf Grund des Umstandes also, dass der Landeshauptmann, wenngleich unzuständigerweise, seiner Intention nach funktionell als Rechtsmittelbehörde im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig wurde, erachtete die eben zitierte Rechtsprechung offenbar die Voraussetzungen des ersten Falles des Art. 103 Abs. 4 B-VG idF BGBl. Nr. 444/1974 gegeben, sodass in Ermangelung einer ausdrücklichen gegenteiligen einfachgesetzlichen Regelung der administrative Instanzenzug auch im Falle einer unzuständigerweise getroffenen Berufungsentscheidung des Landeshauptmannes bei diesem endete.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenen Fällen, die der eben zitierten Vorjudikatur zu Grunde lagen, allerdings dadurch, dass hier der Landeshauptmann von Steiermark nicht unzuständigerweise eine Berufungsentscheidung erlassen, sondern unzuständigerweise die Berichtigung einer Berufungsentscheidung vorgenommen hat, wobei er von der irrigen Vorstellung geleitet war, die zu berichtigende Berufungsentscheidung stamme von ihm. Die belangte Behörde ist auch im vorliegenden Fall ihrer Intention nach in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Rechtsmittelbehörde im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung tätig geworden, wobei sie - wenn auch irrtümlich - eine ihr ihres Erachtens zustehende Zuständigkeit gemäß § 62 Abs. 4 AVG, nämlich als Rechtsmittelbehörde einen von ihr erlassenen Berufungsbescheid zu berichtigen, in Anspruch genommen hat. In Ermangelung einer gegenteiligen Regelung gilt daher auch hier, dass gegen einen solchen Bescheid der Instanzenzug beim Landeshauptmann endet (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2001/11/0031, wo eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde in einem Fall für zulässig angesehen wurde, in welchem ein Landeshauptmann in der rechtsirrigen Vorstellung, für die Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei er als Berufungsbehörde zuständig, inhaltlich über einen solchen Antrag entschieden hat).

Da sohin der administrative Instanzenzug erschöpft ist und im Zeitpunkt der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorlagen, war die Beschwerde zulässig.

II. Zur Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Beschwerde:

Die Beschwerdeführerin wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 2003, Zl. FA8A-60 M 4/51 - 2003, klaglos gestellt. Auf die Frage, ob die Erlassung dieses Bescheides zulässig war, kommt es dabei nicht an. Das Verfahren war daher aus dem Grunde des § 33 Abs. 1 VwGG nach Anhörung der Beschwerdeführerin einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 56 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 26. Jänner 2004

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003170216.X00

Im RIS seit

01.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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