TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/27 2002/05/1371

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Veröffentlicht am 27.01.2004
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
BauO NÖ 1996 §22 Abs2 idF 8200-3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 idF 8200-3;
BauONov NÖ 01te 1999 8200-3;
BauRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2002/05/1516

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. des Dr. Norbert Artaker in Perchtoldsdorf, vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 2/7 (hg. Zl. 2002/05/1371), und 2. der Irmgard Slanar in Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7 (hg. Zl. 2002/05/1516), gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. Oktober 2002, Zl. RU1-V-02061/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Perchtoldsdorf, diese vertreten im Verfahren Zl. 2002/05/1371 durch Dr. Manfred Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, 2. Dr. Georg Semler in Wien, dieser vertreten im Verfahren Zl. 2002/05/1516 durch Hoffmann-Ostenhof Rechtsanwalts Gesellschaft m. b. H. in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 zeigte der Zweitmitbeteiligte beim Bürgermeister der erstmitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde die Änderung der Grundstücksgrenzen seines im Bauland-Wohngebiet liegenden Grundstückes Nr. 2426/1, KG Perchtoldsdorf, gemäß dem Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl. Ing. Karl K. vom 13. Oktober 2000 an. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde bestätigte am 23. November 2000 auf diesem Teilungsplan die Nichtuntersagung der Teilungsanzeige. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 29. Jänner 2001, TZ 895/01, wurde auf Grund dieses Teilungsplanes u. a. die Teilung des Grundstückes Nr. 2426/1 in dieses und in die neuen Grundstücke Nr. 2426/3, 2426/4, 2426/5, 2426/6, 2426/7 und 2426/8 bewilligt.

Mit sechs Schreiben je vom 6. Dezember 2000 beantragte der Zweitmitbeteiligte die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern auf den Grundstücken Nr. 2426/3 bis 2426/8.

Mit Schreiben je vom 31. Mai 2001 bzw. 25. Juni 2001 bezüglich Grundstück Nr. 2426/8 wurden die beschwerdeführenden Nachbarn gemäß § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 - insoweit ihnen in den Baubewilligungsverfahren Parteistellung als Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 1, § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 zukam und zwar in drei Fällen der Erstbeschwerdeführer und in drei Fällen die Zweitbeschwerdeführerin - hievon verständigt und aufgefordert, eventuelle Einwendungen gegen die Bauvorhaben bei der Baubehörde binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigungen einzubringen.

Die Verständigungen enthalten den Hinweis: "Werden innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben, so entfällt die Bauverhandlung."

Die Beschwerdeführer wendeten in der Folge fristgerecht ein, dass die Bauvorhaben dem geltenden Bebauungsplan widersprächen. Es sei rechtswidrig, wenn auf Grund einer rechtswidrigen Grundabteilung bzw. auf Grund rechtswidriger Bauplatzerklärungen, in Verfahren ohne Beteiligung der Nachbarn, Baubewilligungen erteilt würden. Die neu geschaffenen Baugrundstücke lägen in einem Baulandbereich, für den der Bebauungsplan eine Verbauung mit einem Hauptgebäude nicht erlaube.

Mit Bescheiden je vom 6. September 2001 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Zweitmitbeteiligten die beantragten Baubewilligungen auf den genannten neu geschaffenen Grundstücken. Die Baubewilligungsbescheide wurden den Beschwerdeführern nicht zugestellt.

Mit Schreiben je vom 14. September 2001 teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführern mit, dass sie mit ihren Einwänden gegen die nunmehr bewilligten Bauvorhaben des Zweitmitbeteiligten keine Einwendungen im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 erhoben hätten; ihr Vorbringen habe sich lediglich auf die Grundabteilung, nicht jedoch auf die verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben bezogen. Auf Grund dieses "rechtsunwirksamen" Vorbringens hätten die Beschwerdeführer in den Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung erlangt.

Mit Schreiben je vom 24. Oktober 2001 beantragten die Beschwerdeführer die Zuerkennung der Parteistellung in denjenigen Baubewilligungsverfahren, in welchen ihnen gemäß § 6 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 als Nachbarn eine solche gewährt wird, und führten aus, dass eine Bauverhandlung auch dann abzuhalten sei, wenn die erhobenen Einwände der Nachbarn nicht als Einwendungen im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 zu qualifizieren seien. Die Ansicht der Baubehörde, sie hätten keine Einwendungen erhoben, die sich auf subjektiv-öffentliche Nachbarrechte beziehen, sei im Übrigen falsch.

Mit Bescheiden je vom 9. Jänner 2001 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde diese Anträge der Beschwerdeführer gemäß §§ 6 und 22 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 ab. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde je vom 20. März 2002 abgewiesen und die erstinstanzlichen Bescheide mit der Maßgabe bestätigt, dass die Anträge der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der Parteistellung in den genannten Baubewilligungsverfahren zurückgewiesen wurden.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Vorstellungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, Nachbarn verlören ihre Parteistellung, wenn sie gemäß § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 nicht spätestens vor Ablauf der in dieser Bestimmung enthaltenen Frist Einwendungen erhoben haben. Eine Einwendung im Sinne dieser Gesetzesstelle sei nur eine zulässige Einwendung im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996. Ein Nachbar verliere daher im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 auch dann seine Parteistellung, wenn er nicht fristgerecht die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten geltend mache. Die Beschwerdeführer hätten in ihren Einwendungen nicht konkret dargetan, welche Beeinträchtigungen oder Rechtsverletzungen aus der Realisierung der Bauvorhaben für sie entstehen könnten. Mangels Konkretisierung ließen ihre Einwendungen nicht erkennen, dass sie damit Rechte geltend gemacht hätten, die in § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 angeführt seien. Es lägen daher keine rechtswirksamen Einwendungen vor. Die Beschwerdeführer hätten daher in den gegenständlichen Baubewilligungsverfahren ihre Parteistellung als Nachbarn verloren.

Gegen den sie betreffenden Vorstellungsbescheid richtet sich die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die Zweitbeschwerdeführerin erhob gegen den ihre Vorstellung abweisenden Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 25. November 2002, B 1660/02-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Verfassungsgerichtshof führte in der Begründung des Ablehnungsbeschlusses u. a. aus:

"Soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen, das übersieht, dass

gegen den Katalog an subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten in § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestehen (vgl. VfSlg. 8279/1978, 10.844/1986 zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Parteienrechte unter Beachtung des Gleichheitsgebots), und dass

bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind und erst, wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz die Verwaltungsbehörde ermächtigt, die Regelung die in Art. 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse verletzt (vgl. VfSlg. 4139/1962, 5923/1969, 5993/1969, 7163/1973, 7521/1975, 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996)

vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Zweitbeschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die erstmitbeteiligte Partei erstattete in beiden Verfahren Zlen. 2002/05/1371 und 2002/05/1516, die zweitmitbeteiligte Partei nur im Verfahren Zl. 2002/05/1516 eine Gegenschrift.

Die Beschwerdeführer replizierten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den infolge des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerdesachen erwogen:

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass den Beschwerdeführern in den jeweiligen, mit Antrag des Zweitmitbeteiligten vom 6. Dezember 2000 eingeleiteten Baubewilligungsverfahren Parteistellung als Nachbarn gemäß § 6 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 zukam. Strittig ist jedoch die Frage, ob die Beschwerdeführer trotz fristgerechter Erhebung von Einwendungen gegen die beantragten Bauvorhaben ihre Parteistellung in diesen Baubewilligungsverfahren verloren haben.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung der hier maßgeblichen Baubewilligungsverfahren sind in den Beschwerdefällen folgende Regelungen der NÖ Bauordnung 1996 in der Fassung der Novelle LGBl 8200-3 anzuwenden:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) …

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

§ 21

Bauverhandlung

(1) Führt die Vorprüfung (§ 20) zu keiner Abweisung des Antrages hat die Baubehörde eine Bauverhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein an Ort und Stelle vorzunehmen ist.

(2) Zur Bauverhandlung sind zu laden:

1. die Parteien und Nachbarn nach § 6 Abs. 1 Z. 1 bis 4,

§ 22

Entfall der Bauverhandlung

(1) Ergibt die Vorprüfung (§ 20), dass das geplante Vorhaben keine Rechte nach § 6 Abs. 2 und 3 berührt, dann entfällt die Bauverhandlung.

Die Baubehörde hat diese Feststellung 14 Tage vor Erteilung der Baubewilligung den Nachbarn (§  Abs. 3 und 4) und dem Straßenerhalter (§ 6 Abs. 3) mitzuteilen. Durch die Mitteilung werden keine Nachbarrechte begründet.

Erfolgt diese Feststellung zu Unrecht, erlischt die Parteistellung, wenn keines der genannten Rechte innerhalb von 4 Wochen nach Baubeginn geltend gemacht wird.

(2) Zur Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens darf die Bauverhandlung entfallen, wenn

die Baubehörde die Parteien nach § 6 Abs. 1 Z. 3 und 4 (Nachbarn) und § 6 Abs. 3 (Straßenerhalter) von dem Einlangen eines Antrages nach § 14 unter Angabe von Zeit und Ort für die Einsichtnahme in den Antrag und seine Beilagen nachweislich verständigt, und

gleichzeitig die Parteien aufgefordert werden, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen, und

innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben wurden. Werden keine Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung.

(3) Eine Partei nach Abs. 2, die glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, innerhalb der Frist nach Abs. 2 Einwendungen zu erheben, darf binnen 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Baubehörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Baubehörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist."

Im Motivenbericht wird zur Novellierung des § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 festgehalten:

"Durch die Novelle des AVG, BGBl. I Nr. 158/1998, und ihres § 82 Abs. 7 ist auch § 22 NÖ BO 96 durch seine Abweichung von § 42 Abs. 2 AVG mit 31. 12. 1998 außer Kraft getreten. Es müssen daher die Bestimmungen über den En(t)fall der Bauverhandlung neu beschlossen werden.

Im Abs. 2 wird der Begriff "Nachbarn" durch "Parteien" (Nachbarn und Straßenerhalter) aus dem bereits zu Abs. 1 1. Satz genannten Grund ersetzt.

Ebenso soll im Abs. 2 letzter Satz und im Abs. 3 eine Sonderregelung über das Erlöschen der Parteistellung unter Anlehnung an die Bestimmungen des § 42 Abs. 2 und 3 AVG in der Fassung der Novelle 1998 für jene Fälle geschaffen werden, in denen die Bauverhandlung entfallen darf."

Der letzte Satz des § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 hatte vor der oben zitierten, hier maßgeblichen Novelle folgenden Wortlaut:

"Werden Einwendungen nach § 6 Abs. 2 und 4 erhoben, ist eine Bauverhandlung durchzuführen."

Warum (nunmehr) in der novellierten Fassung nach dem Wort Einwendungen der Satzteil "nach § 6 Abs. 2 und 4" (in der novellierten Fassung wäre dies Abs. 3) fehlt, wird weder im angeführten Motivenbericht noch im Bericht des Bau-Ausschusses erläutert.

Ausgehend von den Erwägungen im zitierten Motivenbericht zur 3. Novelle der NÖ Bauordnung 1996 ist bei der Auslegung der im § 22 Abs. 2 letzter Satz NÖ Bauordnung 1996 getroffenen Anordnung des Verlustes der Parteistellung mangels Erhebung von Einwendungen die geltende Regelung des § 42 Abs. 2 AVG heranzuziehen, welche die Rechtsfolgen der Präklusion des § 42 Abs. 1 AVG (auch hier: Verlust der Parteistellung) im Falle der Nichteinhaltung der dort vorgeschriebenen Kundmachungserfordernisse gegenüber jenen Beteiligten eintreten lässt, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 13. Auflage, Anm. 3 zu § 42 AVG, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen). Diese Präklusionswirkungen treten jedoch nur dann ein, wenn in der Verständigung (Kundmachung) der Parteien gemäß § 41 Abs. 2 AVG der Hinweis auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen enthalten war (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0076). Da - wie oben ausgeführt - die Präklusionsregelung des § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 diejenige des § 42 AVG zum Vorbild hat, kann daher auch die im letzten Satz der erstgenannten Gesetzesstelle vorgesehene Rechtsfolge des Verlustes der Parteistellung nur dann eintreten, wenn die betroffene Partei bei der nachweislichen Verständigung vom Einlangen des Baubewilligungsantrages auf diese Rechtsfolge bei nicht fristgerechter Erhebung von Einwendungen hingewiesen wurde.

Ein solcher Hinweis fehlt jedoch in den auf § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 gestützten Verständigungen der Beschwerdeführer vom 31. Mai 2001 durch die Baubehörde, weil dort nur auf den Entfall der Bauverhandlung, nicht aber auf den Verlust der Parteistellung als Rechtsfolge hingewiesen wurde. Schon aus diesem Grund haben daher die Beschwerdeführer ihre Parteistellung als Nachbarn gemäß § 6 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 in den gegenständlichen Baubewilligungsverfahren behalten. Daraus folgt, dass die Beschwerdeführer die Möglichkeit der Berufung gegen die Baubewilligungsbescheide haben, in welchen sie nicht gehindert sind, gegen die Bauvorhaben ihre Einwendungen zu erheben. Die Feststellung auf Nichtzuerkennung der Parteistellung in den Berufungsbescheiden vom 20. März 2002 ist daher rechtswidrig. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grund mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher, weil trotz unvollständiger Verständigung gemäß § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 die Parteistellung der Beschwerdeführer in den gegenständlichen Bauverfahren verweigert wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs.  2 Z. 6 VwGG entfallen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 27. Jänner 2004

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002051371.X00

Im RIS seit

01.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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