TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/24 2003/01/0017

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Veröffentlicht am 24.02.2004
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des M in M, geboren 1975, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2002 mündlich verkündeten und am 2. Dezember 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 211.361/24-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Ausspruches nach § 7 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und hinsichtlich seines Ausspruches nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste am 21. Juni 1999 in das Bundesgebiet ein. Er ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Mit am 11. Juli 2001 verkündetem und am 16. Oktober 2001 schriftlich ausgefertigtem Berufungsbescheid wies die belangte Behörde den am 22. Juni 1999 gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters sprach sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die BR Jugoslawien" nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.) und dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15 AsylG bis zum 10. Juli 2002 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt werde (Spruchpunkt III.). In der Begründung dieses Berufungsbescheides stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Bruder fünf Jahre lang für eine staatliche serbische Firma tätig gewesen sei. Die dort außerdem beschäftigten Kosovo-Albaner, die sich nicht dem serbischen Regime hätten unterwerfen wollen, habe man im Zuge der Repressionsmaßnahmen dieses Regimes nach und nach entlassen, zuletzt seien der Beschwerdeführer und sein Bruder die einzigen Kosovo-Albaner gewesen, die noch in dieser Firma gearbeitet hätten. Von der eigenen Volksgruppe sei der Beschwerdeführer wegen der Zusammenarbeit mit den Serben schlecht behandelt und unzählige Male - durch Mitglieder der LDK - aufgefordert worden, die Arbeit aufzugeben. In der direkten Nachbarschaft des Beschwerdeführers hätten alle gewusst, dass er für eine serbische Firma gearbeitet habe; für diese Nachbarschaft sei er wie ein Serbe gewesen, er habe (daher) damit zu rechnen, als Kollaborateur der Serben behandelt zu werden. Im Hinblick auf die Situation im Kosovo nach dem 20. Juni 1999 sei dem Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihren seinerzeitigen rechtlichen Erwägungen - zwar nicht Asyl zu gewähren, auf Grund seiner individuellen konkreten Lebensumstände sei ihm jedoch eine Rückkehr unzumutbar. Er gehöre nämlich einer in der "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, März 2001" besonders erwähnten Personengruppe an, für die "nach zutreffender Auffassung verschiedener internationaler Organisationen der Refoulementschutz geboten erschiene". Dabei berief sich die belangte Behörde erkennbar auf folgende, in ihrem Bescheid zitierte Passage aus dem besagten Positionspapier des UNHCR vom März 2001:

"Personen, die mit dem serbischen Regime nach 1990 in Verbindung gebracht werden, benötigen besondere Aufmerksamkeit. Es muss gebührend beachtet werden, dass die Gründe, warum eine Person der Kollaboration mit dem früheren Regime beschuldigt wird, nicht notwendigerweise den Tatsachen entsprechen. Für die Verdächtigung einer Person kann es ausreichen, dass ihr Haus nicht von serbischen oder jugoslawischen Truppen niedergebrannt oder geplündert wurde. Substantiellen Hinweisen darauf, dass ein Asylwerber mit den serbischen Behörden nach 1990 in Verbindung gebracht oder als Kollaborateur eingestuft werden könnte, sollte in gebührendem Maße Rechnung getragen werden. Beispielsweise dürften Kosovo-Albaner, die ein Amt in der serbisch dominierten Verwaltung, Justiz oder Polizei bekleideten, nach der Rückkehr einem hohen Risiko ausgesetzt sein, das im Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sorgfältig berücksichtigt werden sollte."

Mit Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2001/01/0527, hob der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid vom 11. Juli/16. Oktober 2001 im Umfang seiner Anfechtung (Entscheidung nach § 7 AsylG; Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil ausgehend von der Richtigkeit der behördlichen Überlegungen zum Refoulementschutz (Spruchpunkt II. des Bescheides) Asyl hätte zuerkannt werden müssen.

Seitens des Bundesasylamtes wurde in der Folge (Bescheid vom 21. Juni 2002) die dem Beschwerdeführer zu Spruchpunkt III. des mehrfach erwähnten Berufungsbescheides erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 3 AsylG bis zum 10. Juli 2003 verlängert. Das Bundesasylamt führte dazu aus, dass sich die Verhältnisse in Bezug auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers in seinem Heimatland nicht geändert hätten und verwies diesbezüglich auf das Positionspapier des UNHCR vom April 2002, in dem die im Positionspapier vom März 2001 genannten Risikogruppen weiterhin als schutzbedürftig angesehen würden.

Mit Note vom 5. Juli 2002 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im wieder offenen Berufungsverfahren "(Vorläufige) Feststellungen zur Situation im Kosovo (Stand: 3. Mai 2002)" zur Kenntnis. Diese "Feststellungen" halten in zwölf Abschnitten die Verhältnisse im Kosovo fest und schließen im Wesentlichen mit der vorläufigen Folgerung, dass die Bedrohungssituation für albanische Volkszugehörige im Kosovo nach der tatsächlichen und nachhaltigen Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK und KFOR infolge des gänzlichen Abzuges der serbischen Sicherheitskräfte, sohin auf Grund zur Gänze geänderter Verhältnisse, weggefallen sei, sodass für den Beschwerdeführer nunmehr die Möglichkeit bestehe, ohne Risiko in den Kosovo zurückzukehren.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, zu der der Beschwerdeführer nicht erschienen war, erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Darin sprach sie aus, dass die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes "gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen" werde. "Zur Person" des Beschwerdeführers traf die belangte Behörde die schon im Bescheid vom 11. Juli/16. Oktober 2001 enthaltenen Feststellungen über seine Beschäftigung in einem serbischen Unternehmen (siehe oben). Insbesondere wurde wie im Vorbescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen dieser Tätigkeit für seine Nachbarschaft "wie ein Serbe" gewesen sei. Daran anknüpfend führte die belangte Behörde allerdings anders als im besagten Vorbescheid aus, dass "im Hinblick auf das in den unten stehenden Sachverhaltsfeststellungen verwendete Dokumentationsmaterial" der Beschwerdeführer "eine völlig untergeordnete Rolle im Bezug auf seine vorgebrachte Kollaboration mit der serbischen Firma", bei der er beschäftigt gewesen sei, eingenommen hätte. Eine konventionsrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers durch Angehörige der Gruppe der Kosovo-Albaner sei daher unwahrscheinlich. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass alle Kosovo-Albaner, die jemals für serbische Firmen gearbeitet hätten, nunmehr von ihrer eigenen Volksgruppe bedroht wären. Bedrohungslagen seien nur für herausragende Funktionen und hervorstechende Persönlichkeiten gegeben. Eine solche Situation liege aber nicht vor. Selbst wenn man eine Bedrohungssituation unterstellen wollte, wäre davon auszugehen, dass UNMIK und KFOR jederzeit in der Lage wären, den Beschwerdeführer vor Übergriffen aus der eigenen Volksgruppe nachhaltig zu schützen.

Im Übrigen erklärte die belangte Behörde, den Inhalt der Mitteilung vom 5. Juli 2002 (Vorläufige Feststellungen zur Situation im Kosovo) zum festgestellten Sachverhalt zu erheben. Rechtlich ergäbe sich zusammenfassend, dass eine Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo durch der Bundesrepublik Jugoslawien zurechenbare Personen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Sollte es tatsächlich im Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und serbischem Gebiet zum fallweisen Einsickern serbischer Kräfte kommen, so hätte der Beschwerdeführer durchaus die Möglichkeit, in einem anderen Teil des Kosovo, etwa im Norden, Süden oder Westen, Zuflucht zu finden. Soweit der Beschwerdeführer Befürchtungen hege, er sei von Angehörigen seiner eigenen Volksgruppe bedroht, sei auf seine untergeordnete Rolle im Rahmen einer allfälligen Kollaboration für die Serben hinzuweisen. Es bestehe für ihn die Möglichkeit, sich an die internationalen Kräfte im Kosovo um Schutz zu wenden, weil diese jedenfalls willens und grundsätzlich auch in der Lage seien, ethnischen Albanern Schutz zu gewähren. Auf Grund des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative in einem anderen Teil der autonomen Provinz Kosovo und der Schutzfähigkeit und -willigkeit der internationalen Kräfte im Kosovo sei der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abzuweisen gewesen. Außerdem sei die Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien, autonome Provinz Kosovo", angesichts des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative in einem anderen Teil des Kosovo als dem Grenzgebiet im Osten gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 für zulässig zu erklären, weil Angehörige der albanischen Volksgruppe in einem anderen Teil als dem Grenzgebiet zu "Serbien" (Grenzgebiet im Osten) real nicht mehr der Gefahr ausgesetzt seien, Opfer von Übergriffen der serbischen Polizei oder der jugoslawischen Führung zurechenbaren Truppen zu werden. Dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Heimat einer sonstigen Gefährdungssituation oder einer auswegslosen Situation ausgesetzt wäre, fänden sich keine Anhaltspunkte. Wenn er dessen ungeachtet subjektiv Befürchtungen in diese Richtung hege, bestehe für ihn die Möglichkeit, sich an die internationalen Kräfte um Schutz zu wenden, weil diese jedenfalls willens und grundsätzlich auch in der Lage seien, ethnischen Albanern Schutz zu gewähren.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Zur Entscheidung nach § 7 AsylG:

Im bekämpften Bescheid wird zunächst - vor allem im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - der Frage einer möglichen Verfolgung des Beschwerdeführers durch "serbische Behörden/serbische Kräfte" breiter Raum gewidmet. Der belangten Behörde ist darin zu folgen, dass eine solche Verfolgung des Beschwerdeführers im Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten ist. Das wird auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Dort wird vielmehr, in Anknüpfung an das schon erwähnte hg. Vorerkenntnis vom 11. Juni 2002, der Standpunkt vertreten, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine ehemalige Tätigkeit in einem serbischen Unternehmen asylrechtliche Verfolgung durch "extreme nationalistische albanische Kreise" zu gewärtigen habe.

     Auch die belangte Behörde geht offenkundig davon aus, dass

für Kosovo-Albaner, die in serbischen Unternehmen tätig gewesen

sind, eine (asylrelevante) Bedrohungslage bestehen kann. Solche

Bedrohungslagen seien aber nur für "herausragende Funktionen und

hervorstechende Persönlichkeiten" gegeben. Bezüglich des

Beschwerdeführers sei jedoch - so die belangte Behörde weiter -

festzuhalten, dass er "im Hinblick auf das ... verwendete

Dokumentationsmaterial ... eine völlig untergeordnete Rolle im

Bezug auf seine vorgebrachte Kollaboration mit der serbischen

Firma ... eingenommen" habe, weshalb eine konventionsrelevante

Bedrohung durch Angehörige der Gruppe der Kosovo-Albaner unwahrscheinlich sei.

Zunächst ist - auch unter Bedachtnahme auf die dem Beschwerdeführer mit Note vom 5. Juli 2002 zur Kenntnis gebrachten "(Vorläufigen) Feststellungen zur Situation im Kosovo" - nicht erkennbar, auf welches konkrete Dokumentationsmaterial sich die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang bezieht. Im Übrigen mag es zutreffen, dass der Beschwerdeführer in dem Unternehmen, in dem er beschäftigt gewesen war, bloß eine untergeordnete Rolle inne hatte. Gegenständlich kommt es allerdings, unabhängig von der tatsächlich eingenommenen Position, darauf an, welche Schlussfolgerungen aus der Beschäftigung des Beschwerdeführers durch den als Verfolger in Betracht kommenden Personenkreis gezogen werden. Dafür scheint es nicht unmaßgeblich, dass der Beschwerdeführer gemäß den behördlichen Feststellungen für seine Nachbarschaft "wie eine Serbe" gewesen sei. Bezeichnenderweise gelangte die belangte Behörde erkennbar im Hinblick darauf in ihrer (ersten) Entscheidung vom 11. Juli/16. Oktober 2001 zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer damit zu rechnen habe, als Kollaborateur der Serben behandelt zu werden. Im nunmehr bekämpften Bescheid wird die gegenteilige Auffassung vertreten. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Begründung, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass alle Kosovo-Albaner, die jemals für serbische Firmen gearbeitet hätten, nunmehr von ihrer eigenen Volksgruppe bedroht wären, übersieht indes, dass der Beschwerdeführer nicht bloß irgendwann ("jemals") für eine serbische Firma gearbeitet hat, sondern dass er gemäß den behördlichen Feststellungen nach Kündigung aller albanischstämmigen Mitarbeiter, die sich nicht dem serbischen Regime hätten unterwerfen wollen, gemeinsam mit seinem Bruder letztlich als einziger Kosovo-Albaner weiter im Unternehmen verblieben und daher laufend Anfeindungen seitens seiner Volksgruppe ausgesetzt gewesen ist. Mit diesem spezifischen Gesichtspunkt hätte sich die belangte Behörde näher auseinander setzen müssen. Ihre Beurteilung, der Beschwerdeführer habe wegen seiner bloß "untergeordneten Rolle" nichts zu befürchten, greift dagegen zu kurz und entbehrt mangels der gebotenen Auseinandersetzung einer tragfähigen Grundlage.

Ein anderes Thema ist, ob der Beschwerdeführer vor allfälligen Bedrohungen durch Angehörige seiner eigenen Volksgruppe ausreichenden Schutz von den im Kosovo stationierten internationalen Kräften (UNMIK und KFOR) erwarten kann, wobei fallbezogen wohl nur die Frage der Schutzfähigkeit dieser internationalen Kräfte zur Debatte steht (zur Schutzfähigkeit allgemein vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0056). Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass UNMIK und KFOR jederzeit in der Lage wären, den Beschwerdeführer vor Übergriffen aus der eigenen Volksgruppe nachhaltig zu schützen. Die dafür maßgeblichen Überlegungen hat sie freilich nicht näher offen gelegt. In den schon erwähnten "(Vorläufigen) Feststellungen zur Situation im Kosovo" findet sich zwar ein Abschnitt zur "Allgemeinen Sicherheitslage", indem ua. Folgendes festgehalten wird:

"Im Kosovo herrscht weiterhin eine Atmosphäre der (teilweisen) Gesetzlosigkeit und Gewaltbereitschaft, aber keine systematische Gewalt. Die Gewalt ist gemäß UNMIK-Polizei zurückgegangen. Wurden im Zeitraum Juni 1999 bis Dezember 1999 454 Morde und 190 Entführungen verübt, waren es im Jahr 2000 246 Morde und 189 Entführungen ... . Im Jahr 2001 wurden 118 Morde verzeichnet ... . Für das erste Quartal 2002 weist die Statistik 37 Morde und 42 Entführungen auf ... . Die Sicherheitslage stellt sich im Allgemeinen, abgesehen von ethnischen Spannungen und kriminell motivierten Taten als stabil dar (UN Security Council, Monthly report to the United Nations on Kosovo Force (KFOR) operations, Reporting period 1 to 31 December 2001). Per 26. April 2002 hob die KFOR die allgemeine, seit Sommer 1999 bestehende nächtliche Ausgangssperre auf, da sich die Sicherheitslage kontinuierlich verbessert habe. Auch die Zahl der Straftaten, bei denen Schusswaffen oder Sprengstoff eingesetzt werden, habe kontinuierlich abgenommen. ...".

Des Weiteren wird aber (auf Seite 8 dieser Feststellungen) auf die schon erwähnten Positionspapiere des UNHCR vom März 2001 und vom April 2002 Bezug genommen, die einerseits die belangte Behörde im ersten Rechtsgang veranlassten, dem Beschwerdeführer Refoulementschutz zu gewähren und andererseits (weil sich per April 2002 keine Änderung gegenüber März 2001 ergeben habe) für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 21. Juni 2002 maßgeblich waren. Wie sich aus all dem zusammenfassend der Schluss ableiten lässt, UNMIK und KFOR seien jederzeit in der Lage, den Beschwerdeführer vor Übergriffen aus der eigenen Volksgruppe nachhaltig zu schützen, wird im bekämpften Bescheid nicht expliziert, weshalb auch insoweit ein Verfahrensmangel vorliegt. Die Ausführungen der belangten Behörde über das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative lassen dessen Relevanz unberührt, weil sich die Ausführungen betreffend die Möglichkeit, etwa im Norden, Süden oder Westen des Kosovo Zuflucht zu finden, auf das von der belangten Behörde in den Raum gestellte "fallweise Einsickern serbischer Kräfte" in das Grenzgebiet im Osten des Kosovo und auf eine von diesen Kräften ausgehende Bedrohung beziehen. Insgesamt ist der bekämpfte Bescheid daher hinsichtlich seines Ausspruchs nach § 7 AsylG mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er insoweit - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen betreffend die Asylfrage eingegangen werden müsste - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

2. Zum Abspruch nach § 8 AsylG:

Wie die Beschwerde richtig aufzeigt, wurde der im ersten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli/16. Oktober 2001 mit dem hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2001/01/0527, nur in seinem Spruchpunkt I. (Entscheidung nach § 7 AsylG) aufgehoben. Nur in diesem Umfang war die belangte Behörde zur Erlassung eines Ersatzbescheides verpflichtet und berechtigt, während Spruchpunkt II. des seinerzeitigen Bescheides, mit dem die Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausspruch nach § 8 AsylG rechtskräftig erledigt worden war und der von dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht berührt wurde, einer neuerlichen Berufungsentscheidung im § 8-Teil entgegengestanden wäre. Dies hat die belangte Behörde nicht beachtet, weshalb ihr Bescheid insoweit, als er auch über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausspruch nach § 8 AsylG abspricht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010017.X00

Im RIS seit

30.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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