TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/27 2000/18/0222

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2004
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1982, vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Denisgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Oktober 2000, Zl. SD 808/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Oktober 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Sierra Leone, gemäß § 36 Abs. 1 und 2

Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 9. November 1998 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. März 1999 abgewiesen worden sei. Eine dagegen eingebrachte Berufung sei am 7. März 2000 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe vom 19. November 1998 bis zum 19. Oktober 1999 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Juni 2000 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28 Abs. 2 SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden, weil er von Juni bis September 1999 große Mengen Heroin und Kokain in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht habe.

Der im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand sei verwirklicht. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien. Auf Grund des kurzen und seit 20. Oktober 1999 auch unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sowie im Hinblick auf das Fehlen familiärer oder sonstiger Bindungen im Bundesgebiet liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers nicht vor. Eine Interessenabwägung gemäß § 37 FrG sei nicht vorzunehmen. Allfällige Umstände im Heimatland des Beschwerdeführers würden Interessen im Sinn des § 37 FrG nicht begründen können. Eine auf Ermessenserwägungen beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 Z. 2 (richtig: Z. 1) FrG entsprechenden Weise verurteilt worden sei. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

1.2. Dem Beschwerdeführer liegt ein Verstoß gegen § 28 Abs. 2 SMG, also die Begehung des Delikts in Bezug auf eine "große Menge" an Suchtgift, zur Last, für das nach Meinung des Gerichtes eine unbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren schuldangemessen war. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, - auch wenn dazu an sich erforderliche Feststellungen zu der der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat fehlen - ebenfalls keinem Einwand. Auf Grund der Suchtgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr kann der Umstand, dass der Beschwerdeführer lediglich einmal verurteilt worden ist, zu keinem anderen Ergebnis führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0107).

2. Angesichts des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit dem 9. November 1998, sohin seit knapp zwei Jahren, und der daraus jedenfalls ableitbaren privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet wird die Ansicht der belangten Behörde, dass mangels Vorliegens eines relevanten Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eine Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 FrG nicht erforderlich sei, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.

Durch diese Verkennung der Rechtslage wurde der Beschwerdeführer vorliegend jedoch aus folgenden Gründen nicht in Rechten verletzt:

Unstrittig bestehen keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet sind somit nur sehr gering ausgeprägt. Umstände, die diese Interessen verstärken könnten, werden auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Dem steht die aus dem Handel mit einer großen Suchtgiftmenge resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber. Von daher ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.). Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er werde in seinem Heimatland politisch verfolgt und ihm drohe die Todesstrafe, weshalb die Interessenabwägung nach § 37 FrG zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen, so ist ihm entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0024) mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahren in Sierra Leone stellen auch keinen Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dar, weil von § 37 FrG nicht die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs gewährleistet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0052).

3. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zu Unrecht vor, von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht zu haben, denn ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens stünde bei einem Fremden, der - wie der Beschwerdeführer - wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist (§ 35 Abs. 3 Z. 1 FrG), mit dem Sinn des Gesetzes nicht im Einklang (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

4. Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die von der belangten Behörde ausgesprochene zehnjährige Befristung des Aufenthaltsverbotes. Die belangte Behörde habe "beim erstmaligen Verstoß des Höchstausmaß" verhängt.

Abgesehen davon, dass im Fall des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG das gesetzlich zulässige Höchstausmaß "unbefristet" wäre (§ 39 Abs. 1 leg. cit.), ist nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 99/18/0199) ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von zehn Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf das schwer wiegende Suchtgiftdelikt des Beschwerdeführers keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

5. Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000180222.X00

Im RIS seit

02.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten