TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/20 2000/18/0107

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Veröffentlicht am 20.02.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des I M in Linz, geboren am 15. Oktober 1979, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lessingstraße 40, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Jänner 2000, Zl. St 151-2/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. Jänner 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, der sich als Staatsangehöriger von Sierra Leone bezeichne, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer dessen Identität nicht feststehe, sei am 13. Jänner 1998 in eine Lkw versteckt in das Bundesgebiet gelangt. Am 15. Jänner 1998 habe er einen Asylantrag gestellt. Der rechtskräftige Bescheid vom 4. März 1998, mit dem dieser Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei, sei am 18. Februar 1999 vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Aufhebung einer gesetzlichen Bestimmung des Asylgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden.

Am 15. Jänner 1999 sei der Beschwerdeführer wegen der versuchten Begehung des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von sieben Monaten bedingt nachgesehen worden sei.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG sei somit erfüllt. Da der Tatbestand des § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG die gewerbsmäßige Begehung von Delikten nach § 27 Abs. 1 leg. cit. oder die Begehung solcher Delikte als Mitglied einer Bande umfasse, sei im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer halte sich erst seit knapp zwei Jahren im Bundesgebiet auf. Er sei ledig und bringe sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Seine Eltern seien bereits verstorben, er habe keine Angehörigen mehr. In der Berufung habe er ausgeführt, in Österreich einen Freundeskreis, der sich sowohl aus Flüchtlingen als auch aus österreichischen Staatsbürgern zusammensetze, gefunden zu haben.

Ein in Österreich geführtes Familienleben liege nicht vor. Der Umstand dass sich der Beschwerdeführer in Österreich einen Freundeskreis geschaffen habe, sei nicht ausreichend, einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK erkennen zu lassen. Eine Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zulässig sei, sei daher nicht erforderlich.

Selbst wenn diese Auffassung nicht zuträfe, wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität auch unter Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen aus den im Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (Verhinderung von strafbaren Handlungen und Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG betreffe, sei zu bedenken, dass auf Grund der großen Sozialschädlichkeit der Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration des Fremden einem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet - auch wenn dazu an sich erforderliche Feststellungen zu der der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat fehlen - im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität ebenfalls keinem Einwand, zumal dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG, also die Begehung eines Delikts gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. entweder in der Form der Gewerbsmäßigkeit oder als Mitglied einer Bande, zur Last liegt, für das nach Meinung des Gerichtes eine zum Teil bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monat schuldangemessen war. Auf Grund der Suchgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 98/18/0255) kann der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer lediglich eine Straftat begangen hat, zu keinem anderen Ergebnis führen.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Tat kurz nach Vollendung seines 19. Lebensjahres (also Ende 1998) aus "jugendlichem Leichtsinn" begangen und sich seither wohlverhalten zu haben, ist ihm zu entgegnen, dass der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr zu kurz ist, um aus dem Wohlverhalten während dieses Zeitraumes auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.

2. Der Beschwerdeführer befindet sich unstrittig seit 13. Jänner 1998, somit seit etwa zwei Jahren im Bundesgebiet. Die belangte Behörde hat ihm zu Gute gehalten, dass er sich in Österreich einen Freundeskreis geschaffen habe. Schon auf Grund dieser Umstände vermag der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde, mit dem Aufenthaltsverbot sei kein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden, nicht beizupflichten.

Dessen ungeachtet kann jedoch die zusätzliche, hypothetisch formulierte Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach § 37 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht hinderlich wäre, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer hat keine familiären Bindungen in Österreich. Sein Beschwerdevorbringen, er habe eine "österreichische Lebensgefährtin", stellt ebenso wie das Vorbringen, er "trainiere und spiele ... regelmäßig bei einem Fußballverein", eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Unstrittig geht der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keiner geregelten Beschäftigung nach. Auch wenn er, wie er bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, Anschluss an die "Neuapostolische Kirche" gefunden haben sollte, käme seinen privaten Bindungen im Bundesgebiet, insbesondere auf Grund der Kürze des Aufenthaltes, kein großes Gewicht zu.

Dem steht die große Gefährdung öffentlicher Interessen durch die vom Beschwerdeführer begangene Straftat gegenüber. Da es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG).

3. Die Beschwerde führt auch ins Treffen, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat keine Verwandten oder Freunde habe. Überdies werde er in diesem Land politisch verfolgt. Eine Rückkehr dorthin hätte "katastrophale Folgen".

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt wird und mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0309).

4. Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180107.X00

Im RIS seit

08.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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