TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2003/01/0651

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs4;
SPG 1991 §77 Abs2;
SPG 1991 §77;
StGB §127;
StPO 1975 §90a Abs1;
StPO 1975 §90c Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der K in V, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 5. November 2003, Zl. 1f-SPG7- 1124, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. November 2003 verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 65 Abs. 1 und 4 iVm § 77 Abs. 2 SPG, sich binnen einer Woche ab Bescheidzustellung am Gendarmerieposten K einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin seit Anfang Juni 2003 immer wieder Waren aus einem näher genannten Geschäft (als Angestellte zum Nachteil ihres Dienstgebers) gestohlen und sich somit mehrfach des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig gemacht habe. Sie sei deshalb vom zuständigen Bezirksanwalt gemäß § 90c Abs. 5 StPO "zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichtet" worden. Die erkennungsdienstliche Behandlung der Beschwerdeführerin sei notwendig, weil sie sich erst geständig gezeigt habe, als sie vom Berufsdetektiv "diesbezüglich angesprochen" worden sei; ohne die Ermittlungen des Detektivs wären die Diebstähle nicht aufgeklärt worden. Zudem habe die Beschwerdeführerin, das Vertrauen ihres damaligen Dienstgebers ausnützend, mehrfach Waren mitgenommen und dadurch mehrere zusammenhängende Diebstähle begangen. Im Hinblick auf diese fortgesetzte Begehung mehrerer Diebstähle müsse sie die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass derartige Taten auch in Zukunft vorkommen würden und dass sie sich dann ebenfalls erst unter Druck geständig zeigen werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint (zum Verständnis dieser Bestimmung grundlegend das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0592, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben. Das weitere hier in Betracht kommende Erfordernis für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung, diese scheine zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe der Beschwerdeführerin erforderlich, erachtete die belangte Behörde allein deshalb als erfüllt, weil die Beschwerdeführerin vor Ablegung ihres Geständnisses vom Kaufhausdetektiv auf die Diebstähle habe angesprochen werden müssen und weil sie mehrere Tathandlungen gesetzt habe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Auffassung nicht beizutreten, und zwar schon deshalb nicht, weil die belangte Behörde nicht berücksichtigt hat, dass die Beschwerdeführerin vor Begehung der hier in Frage stehenden Taten unbescholten war. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht I gemäß § 90c Abs. 5 StPO von der Verfolgung der strafbaren Handlung(en) der Beschwerdeführerin zurückgetreten ist, was - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig zum Ausdruck bringt - gemäß § 90c Abs. 1 iVm § 90a Abs. 1 StPO ua. voraussetzte, dass eine Bestrafung nicht geboten erschien, um die Beschwerdeführerin von strafbaren Handlungen abzuhalten. Zwar schließen diversionelle Maßnahmen für sich betrachtet eine erkennungsdienstliche Behandlung nach dem SPG nicht aus, eine entsprechende Vorgangsweise der staatsanwaltschaftlichen Behörden wird jedoch regelmäßig eine besondere Begründung erfordern, weshalb es dieser erkennungsdienstlichen Behandlung bedarf. Eine "Verlagerung der Entscheidungskompetenz" auf den Staatsanwalt - wie in der Gegenschrift befürchtet - ist damit nicht verbunden.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. Mai 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010651.X00

Im RIS seit

28.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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