TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/15 2004/18/0155

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Veröffentlicht am 15.06.2004
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StGB §127;
StGB §128 Abs1;
StGB §129 Z1;
StGB §130 vierter Fall;
StGB §229 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1987, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Februar 2004, Zl. St 146/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Februar 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, laut seinen Behauptungen ein moldawischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Bundespolizeidirektion Linz (die Erstbehörde) habe (in ihrem Bescheid vom 26. Mai 2003) folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die Identität des Beschwerdeführers stehe mangels vorliegender Dokumente in keiner Weise fest. Laut seinen Angaben sei er am 12. November 2002 aus der Slowakei unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt.

Am 28. März 2002 (offensichtlich gemeint: 2003( sei er wegen Verdachts des Raufhandels bei der Staatsanwaltschaft Linz angezeigt worden. Ihm sei vorgeworfen worden, gemeinsam mit seinem Bruder am 25. Dezember 2002 mit einem anderen Heimbewohner Streit gehabt zu haben, der dann in Tätlichkeiten ausgeartet sei.

Am 12. April 2003 sei der Beschwerdeführer nach einer Verfolgungsjagd, im Zug deren er zweimal ein Haltezeichen eines Gendarmeriebeamten missachtet habe, in Spittal an der Drau festgenommen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, in Linz einen PKW aufgebrochen und diesen unbefugt in Betrieb genommen zu haben. Gemeinsam mit seinem Bruder hätte er weitere PKW aufgebrochen und daraus verschiedene Gegenstände gestohlen. Wegen dieser Straftaten sei der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Linz angezeigt und über ihn die Untersuchungshaft verhängt worden.

Die Erstbehörde habe gegen den Beschwerdeführer mit ihrem Bescheid vom 26. Mai 2003 gemäß § 36 Abs. 1 iVm §§ 37 und 39 FrG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In seiner dagegen erhobenen Berufung vom 13. Juni 2003 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er bisher nicht rechtskräftig verurteilt worden wäre und § 36 Abs. 1 leg. cit. daher nicht angewendet werden könnte.

Am 2. Juli 2003 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 4 (offensichtlich gemeint: Abs. 1) Z. 4, § 129 Z. 1, § 130 vierter Fall und § 15 StGB und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung seien insgesamt 25 Eigentumsdelikte (gewerbsmäßiger Diebstahl durch Einbruch) und das Vergehen der Urkundenunterdrückung zu Grunde gelegen. Der Beschwerdeführer habe die Delikte im Zeitraum von Februar 2003 bis April 2003, also innerhalb von ca. zwei Monaten, gesetzt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. November 2003 sei ihm eine Kopie des Urteils übermittelt und die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu dieser Verurteilung eingeräumt worden. Mit Schreiben vom 12. November 2003 habe sein Rechtsvertreter neuerlich darauf hingewiesen, dass das (erstinstanzliche) Aufenthaltsverbot zu einem Zeitpunkt erlassen worden wäre, in dem die Hauptverhandlung noch nicht stattgefunden hätte, und infolgedessen das Aufenthaltsverbot nicht erlassen hätte werden dürfen.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass sich der Beschwerdeführer erst seit ca. einem Jahr nach illegaler Einreise in Österreich mit seinem Bruder aufhalte und sich während seines erst sehr kurzen Aufenthalts bereits eine Vielzahl an strafbaren Handlungen, so zahlreiche Einbruchsdiebstähle, in einem Zeitraum von ca. zwei Monaten habe zu Schulden kommen lassen, wobei es sich um qualifizierte Delikte gehandelt habe. Dem Beschwerdeführer sei auch als erschwerend anzulasten, dass er ein Haltezeichen eines Gendarmeriebeamten missachtet habe und erst nach einer Verfolgungsjagd habe gestoppt und festgenommen werden können. Auf Grund dieser Tatsachen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei sein Gesamtfehlverhalten "doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen" habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 leg. cit. habe Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere die Tatsache, dass er sich binnen kürzester Zeit eine Vielzahl an Straftaten habe zu Schulden kommen lassen und sich erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhalte, mache die Anwendung der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 leg. cit. dringend notwendig.

An dieser Beurteilung könne auch sein Hinweis auf die (bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) noch nicht durchgeführte Hauptverhandlung nichts ändern, zumal die Erstbehörde das Aufenthaltsverbot lediglich auf den Generaltatbestand des § 36 Abs. 1 leg. cit. gestützt habe.

Durch das Aufenthaltsverbot erfolge kein Eingriff in die persönlichen oder familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers, weil die Dauer seines inländischen Aufenthaltes dazu einfach zu kurz sei. Es könne nicht einmal ansatzweise von einer Integration im Bundesgebiet ausgegangen werden. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. zulässig sei.

Da in Anbetracht der Schwere und Vielzahl der Straftaten des Beschwerdeführers und seines erst sehr kurzen Aufenthalts nicht abgesehen werden könne, wann die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führenden Gründe weggefallen sein würden, habe diese Maßnahme nur auf unbefristete Dauer erlassen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Juli 2003 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und des Vergehens der Urkundenunterdrückung eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren (rechtskräftig) verhängt wurde, sie bringt jedoch vor, dass diese Verurteilung erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgt sei, die belangte Behörde daher den erstinstanzlichen Bescheid nicht hätte bestätigen dürfen und ihr Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

1.2. Entgegen der Beschwerdeansicht war es der belangten Behörde nicht verwehrt, die erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

"Sache" des Berufungsverfahrens (§ 66 Abs. 4 AVG) ist der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde, im vorliegenden Fall also die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer. Im Rahmen dieser Sache ist die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Dies bedeutet, dass die Berufungsbehörde eine neuerliche selbstständige Prüfung des Sachverhaltes vorzunehmen hat, ohne irgendwie an die Ergebnisse des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens und deren Beurteilung durch die Unterbehörde gebunden zu sein. Durch eine zulässige Berufung verlagert sich die Zuständigkeit zur Sachentscheidung in Ansehung aller hiefür maßgeblichen Vorschriften auf die Berufungsinstanz. Auch eine Änderung zu Lasten des Beschwerdeführers ist dabei zulässig. Im Aufenthaltsverbotsverfahren kann die Berufungsbehörde - unter Wahrung des Parteiengehörs - daher von der Vorinstanz nicht herangezogene Aufenthaltsverbotsgründe aufgreifen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0287, mwN.)

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom 3. November 2003 Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu seiner Verurteilung eingeräumt. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides der Beschwerdeführer noch nicht (rechtskräftig) verurteilt war und die Erstbehörde ihren Bescheid daher - anders als die belangte Behörde - nicht auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, sondern (insoweit lediglich) auf § 36 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, bewirkte daher keine Rechtswidrigkeit des vorliegend angefochtenen Bescheides.

2. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid lagen der Verurteilung des Beschwerdeführers insgesamt 25 Eigentumsdelikte (Diebstähle durch Einbruch) und das Vergehen der Urkundenunterdrückung zu Grunde, wobei die Delikte im Zeitraum von Februar 2003 bis April 2003, also innerhalb von ca. zwei Monaten, gesetzt wurden und der Beschwerdeführer gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vorging. Der Beschwerdeführer missachtete auch das Haltezeichen eines Gendarmeriebeamten und konnte erst nach einer Verfolgungsjagd gestoppt und festgenommen werden.

Bei Würdigung dieses Gesamtfehlverhaltens begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2003, Zl. 2003/18/0188, mwN).

3. Wenn auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zuerst einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verneint hat - dies obwohl er bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits seit rund eineinviertel Jahren in Österreich gemeinsam mit seinem Bruder aufhältig war -, so hat sie in weiterer Folge dennoch - insoweit zutreffend - eine Prüfung im Licht des § 37 Abs. 1 und 2 FrG vorgenommen und die Auffassung vertreten, dass diese Gesetzesbestimmung in Anbetracht des genannten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellenden negativen Verhaltensprognose der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe. Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, ist doch der am 12. November 2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereiste Beschwerdeführer während seines verhältnismäßig kurzen inländischen Aufenthaltes, der überdies unrechtmäßig ist, in massiver Weise straffällig geworden. An dieser Beurteilung kann auch der Beschwerdehinweis auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder - nach den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen der Erstbehörde handelt es sich bei diesem um einen Mittäter bei der Verübung der Einbruchsdiebstähle -

nichts ändern.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, gehen doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. Juni 2004

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis DiversesBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180155.X00

Im RIS seit

08.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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