TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/22 2001/20/0666

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Veröffentlicht am 22.07.2004
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Index

25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
StVG §10 Abs1 Z2;
StVG §10 Abs1;
StVG §134;
StVG §144;
StVG §145 Abs1;
StVG §145 Abs2;
StVG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 9. Juli 2001, Zl. 409.746/161-V.6/2001, betreffend Änderung des Strafvollzugsortes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mehrere Freiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 31 Jahren und 11 Monaten zu verbüßen. Danach wäre das voraussichtliche Strafende der 14. Jänner 2010. Der Beschwerdeführer wird seit 10. Jänner 1997 in der Justizanstalt Garsten angehalten.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 27. Juni 2000 das Ansuchen um Strafvollzugsortsänderung in die Justizanstalt Wien-Favoriten. Zur Begründung machte er (unter Bezugnahme auf die dem Antrag angeschlossenen Unterlagen) im Wesentlichen geltend, er befinde sich seit 14. August 1978 in Haft. "Trotz der letzten Verurteilung" - offenbar ist damit die im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift erwähnte Verurteilung aus dem Jahre 1999 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen der versuchten Bestimmung zu einer absichtlichen schweren Körperverletzung gemeint - erfülle der Beschwerdeführer die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung. Ihm sei in zwei dem Antrag beigelegten psychiatrischen Gutachten vom 24. August 1995 und vom 25. Juli 1998 eine positive Zukunftsprognose bescheinigt worden. Er sei seit Mitte 1991 (wieder) verheiratet und habe eine EDV-Ausbildung positiv abgeschlossen. In der Justizanstalt Wien-Favoriten könne er eine gezielte sozial- und psychotherapeutische Betreuung ("Sozialtraining" zur "Entlassungsvorbereitung") und eine optimale medizinische Behandlung erhalten, die er auf Grund seines Gesundheitszustandes nach einer Herzoperation im AKH Linz am 1. April 1998 benötige. Darüber hinaus leide er an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom und einer hochgradig degenerativen Wirbelsäulenveränderung, die seit zwei Jahren "operativ saniert" werden müsste.

Der diesen Antrag ablehnende Bescheid des Bundesministers für Justiz (der belangten Behörde) vom 5. Juli 2000 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0353, angesichts seiner Begründungsmängel wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid wurde dem Antrag des Beschwerdeführers "gemäß §§ 10, 134 Abs. 6 StVG" neuerlich nicht Folge gegeben. Zur Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die eingangs erwähnte Gesamtdauer der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafen, "unter anderem wegen Verbrechen des Mordes, des versuchten Mordes als Beteiligter, Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung und anderer Gewalt- und Suchtgiftdelikte (letztere 4 Freiheitsstrafen begangen während der Strafverbüßung in verschiedenen Justizanstalten)". Die bedingte Entlassung sei nicht "zuerkannt" worden. Der Beschwerdeführer sei für eine Anhaltung in der Justizanstalt Wien-Favoriten, die nicht nur einen niedrigeren Sicherheitsstandard als die Justizanstalt Garsten aufweise, sondern sogar als "halboffene" Justizanstalt anzusehen sei, wegen seiner Persönlichkeit und seiner Führung während der bisherigen Strafhaft nicht geeignet, zumal er auch noch während des Strafvollzuges teilweise gravierende Delikte gesetzt habe und deshalb zu weiteren, zum Teil auch hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei ("weitere 17 Jahre 11 Monate Freiheitsstrafen"). Vor allem wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafen und der Persönlichkeit des Strafgefangenen sowie der Nichteignung für den gelockerten Vollzug komme daher aus Sicherheitsgründen nur die Anhaltung in einer "großen" Strafvollzugsanstalt in Betracht, in welcher im Übrigen "ebenfalls ausreichend sozial- und psychotherapeutische Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und sogar in noch höherem Maße die medizinische Behandlung gewährleistet ist."

Außerdem sei die Justizanstalt Wien-Favoriten derzeit bereits "an der Grenze ihrer Belagskapazität".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 3. Oktober 2001, B 1233/01, ablehnte. Aufgrund eines nachträglichen Antrages wurde diese Beschwerde mit Beschluss vom 14. November 2001 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eine Änderung des Strafvollzugsortes ist nach § 10 Abs. 1 StVG vom Bundesministerium für Justiz anzuordnen,

"1. wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzuges (§ 20 StVG) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzuges zweckmäßig ist oder

2. wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzuges entgegenstehen".

Begehrt ein Strafgefangener, bei dem die Bestimmung der gemäß § 9 StVG zuständigen Anstalt im Rahmen der Klassifizierung gemäß § 134 StVG erfolgte, aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z 2 StVG eine Änderung des Vollzugsortes und somit der Klassifizierung, so macht er ein subjektives Recht geltend; über diesen Antrag hat der Bundesminister für Justiz mit Bescheid abzusprechen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2004, Zl. 2003/20/0275, in dem unter anderem auf das grundlegende Ausführungen enthaltende Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0750, verwiesen wird; vgl. auch das schon erwähnte aufhebende Erkenntnis im ersten Rechtsgang vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0353).

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers in erster Linie aus den näher begründeten Sicherheitsbedenken vorgenommen, den Beschwerdeführer aber auch darauf verwiesen, dass in einer "großen" Justizanstalt (zu ergänzen: wie etwa in der Justizanstalt Garsten) "ebenfalls ausreichend sozial- und psychotherapeutische Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und sogar in noch höherem Maße die medizinische Behandlung gewährleistet ist."

Soweit die belangte Behörde abschließend allerdings auch noch mit fehlender "Belagskapazität" argumentiert, ist das in dieser Form nicht tragfähig (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 24. Juni 2004, Zl. 2003/20/0275, mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerde hält den ersten beiden Begründungselementen entgegen, die Justizanstalt Wien-Favoriten sei die einzige Justizanstalt, die eine eigene "Vollzugsabteilung für Langzeitgefangene mit einer gezielten psychotherapeutischen Entlassungsvorbereitung" besitze. Unter anderem würden "Einzel- und Gruppentherapien, Beschäftigungstherapien, Freigang (Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten), Wohngruppenvollzug (angepasst an die Freiheit) und Vollzugslockerungen im Sinne der §§ 24, 144 StVG" angeboten. Die Antragsabweisung komme einer Ablehnung der "Entlassungsvorbereitung" gleich. In diesem Zusammenhang sei auf die für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände - Attestierung einer positiven Persönlichkeitsentwicklung in den im Antrag erwähnten psychiatrischen Gutachten, Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung, seinen Gesundheitszustand - "in keiner Weise Rücksicht genommen" worden. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch ins Treffen führt, die Leiterin der Vollzugsabteilung der Justizanstalt Wien-Favoriten und ein (ehemals) dort tätiger Arzt hätten das Ansuchen "befürwortet", ist schon an dieser Stelle anzumerken, dass sich das weder aus dem Antrag und dessen Beilagen noch sonst aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die Förderung der Resozialisierung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 2 StVG für eine Strafvollzugsortsänderung sprechen kann. Der Zweck, die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft zu fördern, ist während des gesamten Vollzuges zu verfolgen. Eine besondere Intensivierung soll die Vorbereitung auf das Leben in Freiheit bei längeren Freiheitsstrafen während des Entlassungsvollzuges im Sinne der §§ 144 ff StVG erfahren, der je nach dem Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe gemäß § 145 Abs. 1 und  2 StVG (erst) drei bis zwölf Monate vor der voraussichtlichen Entlassung zu beginnen hat (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 24. Juni 2004, Zl. 2003/20/0275).

Die Beschwerde ist der Feststellung im angefochtenen Bescheid, eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers sei abgelehnt worden, nicht entgegengetreten. Aus der Erfüllung bloß der "zeitlichen" Voraussetzungen für eine vorzeitige Entlassung ist daher in diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen. Mangels anderer Anhaltspunkte ist somit von einem voraussichtlichen Strafende am 14. Jänner 2010 auszugehen. Eine Änderung des Vollzugsortes zur "Entlassungsvorbereitung" des Beschwerdeführers im Sinne einer Überstellung in den Entlassungsvollzug nach den §§ 144 ff StVG kam daher (zum maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt) jedenfalls nicht in Betracht.

Der vorliegende Antrag ließe sich in tragfähiger Weise daher nur auf Gründe stützen, aus denen sich - losgelöst von Gesichtspunkten der Entlassungsvorbereitung im engeren Sinn - unter dem Blickwinkel der Resozialisierung trotz des noch sehr großen zeitlichen Abstandes zum urteilsmäßigen Strafende die Notwendigkeit einer weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers gerade in der Justizanstalt Wien-Favoriten ergäbe. Derartige Gründe von solchem Gewicht, dass sie die von der belangten Behörde angenommenen Sicherheitsbedenken überwiegen könnten, liegen in Ansehung der im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "gezielten sozial- und psychotherapeutischen Betreuung" ("Sozialtraining") und "optimalen" medizinischen Behandlung aber nicht vor.

Letzterem ist zunächst die unbekämpft gebliebene Feststellung entgegenzuhalten, wonach in "großen" Strafvollzugsanstalten die medizinische Behandlung "in noch höherem Maße" (als in der Justizanstalt Wien-Favoriten) gewährleistet sei. Dass dem Beschwerdeführer in dieser Justizanstalt allenfalls ein besseres therapeutisches Angebot zur Verfügung stünde, fällt für sich allein aber nicht entscheidend ins Gewicht. Einerseits hat die belangte Behörde die diesbezüglichen Betreuungsmöglichkeiten in der Justizanstalt Garsten - in der Beschwerde unbestritten - auch als "ausreichend" bezeichnet. Andererseits durfte die belangte Behörde aber nach § 10 Abs. 1 Z 2 StVG auch auf die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Anstalten Bedacht nehmen. Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer 1979 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Jahren und in der Folge wegen mehrerer während der Strafhaft begangener Delikte verurteilt, unter anderem 1984 wegen der versuchten Bestimmung zu einem Mord zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, 1989 wegen eines Suchtgiftdeliktes zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe und zuletzt 1999 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen versuchter Bestimmung zu einer absichtlichen schweren Körperverletzung. Angesichts der durch diese Straftaten zum Ausdruck kommenden Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Beschwerdeführer für die Anhaltung in einer "halboffenen" Justizanstalt mit einem niedrigeren Sicherheitsstandard für nicht geeignet hielt. Auf die in der Beschwerde auch relevierte Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand im "gelockerten Vollzug" angehalten werden müsste, weil der "Normalvollzug" wegen der "hohen psychischen bzw. psychosomatischen Belastung" für ihn unzumutbar sei, kommt es dabei nicht an. Aber auch aus den erwähnten psychiatrischen Gutachten ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil jenes vom 24. August 1995 noch in Unkenntnis der weiteren Straftat, die zur Verurteilung im Jahre 1999 geführt hat, ergangen ist und das vom 25. Juli 1998 im Zuge dieses Strafverfahrens (nur) zu der Frage erstattet wurde, ob die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter ("vom psychiatrischen Standpunkt aus") angezeigt gewesen wäre.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der belangten Behörde unter den gegebenen Umständen nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Änderung des Vollzugsortes nicht Folge gegeben hat (vgl. zum Ganzen auch das Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/20/0390).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Juli 2004

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001200666.X00

Im RIS seit

25.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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