TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/4 2002/08/0118

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Veröffentlicht am 04.08.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Mag. G in W, vertreten durch DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in 4014 Linz, Kroatengasse 7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. März 2002, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-7833, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das Vorerkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, zu verweisen. Zusammenfassend ist daraus das Folgende hervorzuheben:

Der Beschwerdeführerin wurde antragsgemäß ab 21. Juli 1997 für die Dauer von 364 Tagen Notstandshilfe zuerkannt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 1998 wurde der Bezug der Notstandshilfe ab 1. März 1998 eingestellt, weil die Beschwerdeführerin laut Anmeldung zur NÖ Gebietskrankenkasse vom 18. März 1998 ab 3. März 1998 im Rahmen eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG für den Verein Psychosoziales Zentrum tätig gewesen war. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Honorarnoten hatten für März 1998 ein Einkommen von S 6.400,-- und für die Monate April, Mai und Juni 1998 jeweils ein Einkommen von S 5.440,-

- ausgewiesen. Da dieses Einkommen nach Auffassung der belangten Behörde die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG überschritten hatte, bestand kein Anspruch auf die Notstandshilfe.

Dieser Bescheid wurde mit dem genannten Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Liege der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG kein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG zu Grunde, so seien unter dem Erwerbseinkommen die aus dieser Beschäftigung erzielten (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG fiktiven) Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verstehen. Die Auffassung der belangten Behörde, die in den Honorarnoten ausgewiesenen Beträge stellten bereits Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit dar, lasse die davon abzuziehenden Aufwendungen der Beschwerdeführerin (Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben) außer Betracht und sei deshalb verfehlt.

Auch habe die belangte Behörde nach der Begründung ihres Bescheides nicht näher bezeichnete Fassungen der §§ 36a und 36b AlVG angewendet, wobei es sich ersichtlich um jene Fassungen gehandelt habe, die der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. März 1998, VfSlg. 15.117, teilweise aufgehoben habe. Diese Aufhebung sei im BGBl. I Nr. 56/1998 vom 7. April 1998 kundgemacht worden. Mit Ablauf dieses Tages sei nach dem Spruch des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses § 12 Abs. 9 sowie der zweite Satz des § 12 Abs. 10 AlVG in der Fassung des Art. 1 Z. 6 und 7 der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 wieder in Wirksamkeit gesetzt worden. Erst am 1. Oktober 1998 seien gemäß § 79 Abs. 46 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 148/1998 die mit dieser Novelle vorgenommenen Änderungen der Bestimmungen der §§ 36a und 36b AlVG in Kraft getreten. Da der Beschwerdefall kein Anlassfall für das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gewesen sei, hätte die belangte Behörde im maßgeblichen Zeitraum vom 1. März bis 20. Juli 1998 somit zwei unterschiedliche Rechtslagen, nämlich jene vor der Kundmachung des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses bis 7. März 1998, und die vom Verfassungsgerichtshof wieder hergestellte Rechtslage ab 8. April 1998, anzuwenden gehabt. Durch Verkennung dieses Umstandes habe die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde zunächst mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 die Aussetzung des Berufungsverfahrens gemäß § 38 AVG mit der Begründung verfügt, sie habe bei der NÖ Gebietskrankenkasse ein Verfahren zur Feststellung der "Versicherungspflicht bzw. -höhe" beantragt. Hiebei handle es sich um eine Vorfrage für das gegenständliche Berufungsverfahren.

Die Beschwerdeführerin hat gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Daraufhin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. Jänner 2001 einerseits den Bescheid betreffend Aussetzung des Verfahrens über die Berufung gemäß § 68 Abs. 2 AVG und andererseits den erstinstanzlichen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Einstellung der Notstandshilfe ab 1. März 1998 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben. Zu letzterem Abspruch wurde in der Begründung ausgeführt, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe es verabsäumt, Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von Arbeitslosigkeit zu treffen, sodass es der belangten Behörde nicht möglich sei, den Sachverhalt nachzuvollziehen und einer berufungsbehördlichen Entscheidung zuzuführen.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde betreffend Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG ist in der Folge mit Beschluss vom 14. März 2001 eingestellt worden.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 12. Dezember 2001 wurde der Bezug der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin mangels Arbeitslosigkeit nunmehr ab dem 3. März 1998 eingestellt. In der Begründung wurde hiezu nach Gesetzeszitaten ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei ab dem 3. März 1998 als "Clubbetreuerin" für den Verein Psychosoziales Zentrum als freie Dienstnehmerin über der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigt gewesen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid keine Folge gegeben. In der Begründung wird nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die NÖ Gebietskrankenkasse habe mit Bescheid vom 4. Dezember 2001 "eindeutig" festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Tätigkeit als "Clubbetreuerin" für den Verein Psychosoziales Zentrum in der Zeit vom 3. März 1998 bis 29. Februar 2000 der Vollversicherungspflicht als freie Dienstnehmerin unterlegen sei. Dieser Bescheid sei unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stünden unselbständig erwerbstätige Dienstnehmer jenen Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt bezögen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbrächten und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügten. Nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG sei nicht arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis stehe. Auf Grund der erwähnten Gleichstellung sei diese Bestimmung auch auf freie Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG anzuwenden. Eine Ausnahme davon bestimme § 12 Abs. 6 AlVG, der Arbeitslosigkeit dann als gegeben ansehe, wenn jemand ein Entgelt erziele, das unter der Geringfügigkeitsgrenze liege. Die Frage der Versicherungspflicht stelle eine Vorfrage dar und sei durch die zuständige Gebietskrankenkasse eindeutig abgeklärt worden, nämlich dass die Beschwerdeführerin als vollversicherungspflichtige freie Dienstnehmerin im Streitzeitraum zu gelten habe. Der bekämpfte Bescheid sei daher zu bestätigen gewesen.

Mit dem genannten Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 4. Dezember 2001 ist gemäß § 410 Abs. 1 unter Bedachtnahme auf die §§ 4, 5, 44 und 49 ASVG ausgesprochen worden, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Tätigkeit als "Clubbetreuerin" für den Verein Psychosoziales Zentrum in der Zeit vom 3. März 1998 bis 29. Februar 2000 der Voll- (Kranken-, Unfall- , Pensions-)versicherungspflicht als freie Dienstnehmerin unterlegen sei. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe aus ihrer Tätigkeit beim genannten Verein im strittigen Zeitraum beitragspflichtige Entgelte erzielt, die über der im Jahr 1998 geltenden Geringfügigkeitsgrenze gelegen seien, nämlich im März 1998 S 6.400,-- und in den Monaten April bis Juli 1998 jeweils S 5.440,-

-. Diese Entgelte bildeten auch die allgemeine Beitragsgrundlage. Beitragsfreie Entgeltbestandteile wie z.B. Kilometergeld seien an die Beschwerdeführerin nicht ausbezahlt worden.

In der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Bezug von Notstandshilfe verletzt, weil ihr Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten habe. In Ausführung des so umschriebenen Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin geltend, die von der belangten Behörde angesprochene Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil diese Bestimmung lediglich für unselbständig erwerbstätige Personen gelte. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, betont, dass ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG nur vorliege, wenn ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG gegeben sei, also nicht dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 4 ASVG bestehe. Dass die belangte Behörde trotz Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich die abzuziehenden Aufwendungen der Beschwerdeführerin nicht festgestellt habe, sei als willkürliche Missachtung dieses Erkenntnisses zu bewerten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, die Verwaltungsbehörden verpflichtet, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich herzustellen. Damit wird eine Bindung der Verwaltungsbehörde an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen, soweit sich nach Erlassung des aufgehobenen Bescheides die maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht ändert. Ein Verstoß gegen diese Bindungswirkung stellt eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes (des Ersatzbescheides) dar.

Die belangte Behörde ist in dem mit Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, aufgehobenen Bescheid vom 6. November 1998 ebenso wie in dem nunmehr angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum in einem dem § 4 Abs. 4 ASVG unterliegenden freien Dienstverhältnis stand und darüber Honorarnoten in die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Beträgen gelegt habe. Damit ist die belangte Behörde aber von einem unveränderten Sachverhalt ausgegangen und war daher mangels Änderung der Rechtslage an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden. Der Verwaltungsgerichtshof hat im aufhebenden Erkenntnis ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin, die einer Tätigkeit auf Grund eines freien Dienstvertrages nach § 4 Abs. 4 ASVG nachgeht, in keinem Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gestanden ist. Dadurch, dass die belangte Behörde nunmehr davon ausgegangen ist, dass die Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG auch auf freie Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG anzuwenden ist, hat sie gegen die Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG verstoßen und damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Abgesehen davon kann der in der Gegenschrift näher erörterten Rechtsauffassung der belangten Behörde keinesfalls gefolgt werden. Die belangte Behörde geht zwar zutreffend davon aus, dass sie bei Vorliegen eines die Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 i. V.m. § 4 Abs. 2 ASVG feststellenden Bescheides ohne eigene Ermittlungen diese Hauptfragenentscheidung bei Beurteilung der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a bzw. § 12 Abs. 6 lit. a AlVG zu Grunde zu legen hat. Der von ihr daraus gezogene Schluss, diese Vorgangsweise sei "analog" auch auf freie Dienstverträge anzuwenden, ist rechtsirrig. § 4 Abs. 4 ASVG ordnet in seinem ersten Satz ausdrücklich an, dass den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleichstehen, die sich auf Grund freier Dienstverträge zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten. Diese Gleichstellung bezieht sich sohin ausschließlich auf das ASVG. Das im Beschwerdefall anzuwendende AlVG kennt keine solche Anordnung. Für eine "analoge" Anwendung der Gleichstellungsanordnung des § 4 Abs. 4 ASVG für den Bereich des AlVG ist kein Raum. Es gibt aber darüber hinaus auch Unterschiede zwischen der Beitragsgrundlage nach dem ASVG, die bei freien Dienstnehmern i.S.d. § 4 Abs. 4 ASVG auf Grund der angeordneten Gleichstellung mit den Dienstnehmern unmittelbar aus dem "Arbeitsverdienst" gebildet wird (vgl. § 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 8 ASVG) und dem für freie Dienstnehmer im Leistungsrecht des AlVG anzuwendenden (steuerlichen) Einkommensbegriff. Wird in einem Bescheid der Gebietskrankenkasse daher festgestellt, dass Vollversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG besteht, dann steht dies auf Grund der dargestellten unterschiedlichen Anknüpfungen der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht von vornherein entgegen (anders als bei Dienstverhältnissen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG - vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 1998, 98/08/0129).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer dem bereits mehrfach zitierten Vorerkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, etwa die Erkenntnisse vom 29. November 1984, 83/08/0083, und vom 13. August 2003, 2001/08/0078) ist unter Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 1, Abs. 3 lit. a und Abs. 6 lit. a AlVG nur ein solches nach § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG zu verstehen. Damit ist jenes Beschäftigungsverhältnis des § 1 Abs. 1 lit. a AlVG gemeint, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anschließt. Freie Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG unterliegen aber nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG, weil diese Bestimmung von Dienstnehmern, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt (und krankenversichert) sind, spricht. Freie Dienstnehmer sind daher nicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG versichert.

Für den Bereich des Leistungsrechtes der Arbeitslosenversicherung stellt eine Beschäftigung auf Grund eines freien Dienstvertrages, wie schon im Vorerkenntnis gesagt wurde, eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 lit. c ("auf andere Art selbständig erwerbstätig") dar:

Gemäß § 12 Abs. 3 AlVG gilt u.a. nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b). Als arbeitslos gilt jedoch u. a. gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit., "wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt, oder im Zeitpunkt der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes, die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt".

Der verwiesene § 36a (in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995) bestimmte in seinem Abs. 5 Z. 1, dass das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr nachzuweisen ist. Diese Regelung wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 411/1996 um eine Vorschrift für den Fall ergänzt, dass "noch kein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid" vorliege. In diesem Fall sollte das Einkommen "auf Grund einer Erklärung der selbständigen Erwerbstätigkeit und geeigneter Nachweise festzustellen" sein.

Nach dem verwiesenen § 36b AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 war der Umsatz im Sinne dieses Bundesgesetzes auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr vor dem Jahr, in dem eine Leistung nach diesem Bundesgesetz beantragt wird, festzustellen.

Mit Erkenntnis vom 5. März 1998, G 284/97, Slg. Nr. 15.117, hat der Verfassungsgerichtshof die Worte "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" im ersten Halbsatz der Z. 1 des § 36a Abs. 5 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 411/1996, sowie § 36b Abs. 1 und den letzten Satz des § 36b Abs. 2 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 297/1995, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass § 12 Abs. 9 sowie der zweite Satz des § 12 Abs. 10 AlVG i.d.F.

BGBl. Nr. 817/1993 wieder in Wirksamkeit treten. Dies wurde im BGBl. I Nr. 56/1998 vom 7. April 1998 kundgemacht.

Gemäß § 12 Abs. 9 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993 war der Umsatz auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem das Arbeitslosengeld bezogen wurde, festzustellen. Der Leistungsbezieher war nach § 12 Abs. 10 AlVG verpflichtet, den Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr, in dem das Arbeitslosengeld bezogen wurde, innerhalb bestimmter Frist nach dessen Erlassung der zuständigen Behörde vorzulegen. Bis zur Vorlage eines solchen Bescheides war die Frage der Arbeitslosigkeit bzw. der Einkommenshöhe insbesondere auf Grund einer eidesstattlichen Erklärung des Arbeitslosen über die Höhe seines Umsatzes bzw. seiner Einkünfte, einer allenfalls bereits erfolgten Einkommensteuererklärung bzw. eines Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheides aus einem früheren Jahr zu beantworten.

Die belangte Behörde hat trotz der Ausführungen im aufhebenden Vorerkenntnis nicht diese Bestimmungen für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit angewendet. Damit hat sie neuerlich die Rechtslage verkannt, weil sie die in den §§ 36a ff AlVG angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Steuerrecht nicht beachtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, 97/08/0602, 0603). Demnach ist Einkommen gemäß § 36a Abs. 2 AlVG das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (das ist das positive oder negative Ergebnis bei den einzelnen Einkunftsarten nach Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten, und nach Ausgleich mit den Verlusten aus den einzelnen Einkunftsarten, nach Abzug der Sonderausgaben und nach Abzug der außergewöhnlichen Belastungen) zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3. Dem so zu ermittelnden Einkommen sind nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG die Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten abgezogen wurden, hinzuzurechnen.

Aus den besagten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. August 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080118.X00

Im RIS seit

06.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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