TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/24 2004/01/0286

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Veröffentlicht am 24.08.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §7;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AVG §67d idF 2001/I/137;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des B in P, geboren 1980, vertreten durch Dr. Michael Hofbauer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. März 2004, Zl. 247.822/0- V/13/04, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Gemäß seinen Angaben reiste er am 5. Februar 2004 in das Bundesgebiet ein, wo er in der Folge einen Asylantrag stellte. Diesen begründete er bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17. Februar 2004 im Wesentlichen damit, dass er der Partei LDK angehöre. Er führte weiter aus:

"In meinem Stadtbezirk in Prizren wohnen viele Angehörige der Parteien mit der Bezeichnung AAK und PDK. Seit Mitte des Jahres 2000 wurde ich, von Männern, die diesen Parteien angehörten, oftmals, auf Straßen oder anderen öffentlichen Orten in Prizren, angehalten, angegriffen und aufgefordert, den Kosovo zu verlassen. Ich habe über diese Begebenheiten Anzeigen bei der Polizei erstattet. Die Anzeigen wurden zwar entgegen genommen. Die Polizei blieb aber untätig. Die erwähnten Männer drohten mir, bei erwähnten Anlässen, mit Ermordung, für den Fall, dass ich den Kosovo nicht verlassen sollte. Die genannten Männer forderten mich bei erwähnten Anlässen stets auf, von der Partei mit der Bezeichnung LDK auszutreten, widrigenfalls ich umgebracht würde.

Ich begab mich wegen genannter Angelegenheiten zum Bürgermeister von Prizren und erzählte diesem von den Ereignissen. Der Bürgermeister sagte zu mir, dass ich nur eine Möglichkeit hätte, nämlich, den Kosovo zu verlassen. Ich hatte auch bei der KFOR Anzeige erstattet. Auch die KFOR hat mir nicht geholfen. Ich hatte dem Bürgermeister auch gesagt, dass mir weder von der Polizei noch von der KFOR geholfen worden ist. Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo befürchte ich, aus erwähnten Gründen, abermals, von den genannten Männern, im erwähnten Sinne, aufgefordert, angegriffen und bedroht zu werden. Ich befürchte, eines Tages, von diesen Männern verletzt oder umgebracht zu werden."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. März 2004 wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab. Überdies stellte sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der unter internationaler Verwaltung stehenden, vormalig autonomen Provinz Kosovo/Serbien und Montenegro, nicht Republik Serbien und Montenegro ieS. zulässig ist."

Die belangte Behörde stellte fest, dass der zwischen 1992 und 1995 in der Bundesrepublik Deutschland aufhältige Beschwerdeführer seit Mitte des Jahres 2000 des öfteren von ihm unbekannten Privatpersonen - nach den Vermutungen des Beschwerdeführers Anhänger der mit der Partei LDK rivalisierenden Gruppierungen AAK und PDK - auf offener Straße angehalten und aufgefordert worden sei, den Kosovo zu verlassen. Hingegen könne nicht festgestellt werden, dass er im Gefolge der von ihm behaupteten und dem Sachverhalt als gegeben zugrunde gelegten Bedrohungen tätlich angegriffen oder misshandelt worden wäre oder dass die offenbar seit dem Jahr 2000 bis zur Ausreise des Beschwerdeführers bestanden habenden Bedrohungen sich in irgendeiner Weise manifestiert bzw. vom Ausmaß her gesteigert hätten. Notorisch sei - so die belangte Behörde wörtlich weiter -, "dass Angehörige der ethnischen Gruppe der Albaner im Gebiet der früheren autonomen Provinz Kosovo massiven planmäßigen dem Staat zurechenbaren Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind." Weiters sei notorisch, dass der seitens der internationalen Völkergemeinschaft aufgebaute Sicherheitsapparat im Zusammenwirken mit mittlerweile aufgebauten lokalen Sicherheitsstrukturen grundsätzlich effizient sei, was sich erst jüngst im effektiven Vorgehen örtlicher und internationaler Sicherheitskräfte zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit im Gefolge der am 19. und 20. März 2004 stattgefundenen Unruhen bzw. ethnischen Spannungen zwischen Angehörigen der albanischen Mehrheitsbevölkerung sowie der slawischen Minderheit gezeigt habe.

Rechtlich betrachtet ergebe sich, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit zwar - offenbar im Zusammenhang mit seiner politischen Gesinnung - Anfeindungen bzw. Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei. Die Tatsache jedoch, dass sich die namhaft gemachten Ereignisse weder verdichtet, gehäuft oder auch von der Intensität her verstärkt hätten und dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit keinen "physischen Insultationen" ausgesetzt gewesen sei und dass es regelmäßig bei verbalen Angriffen geblieben sei, zeige, dass dem Beschwerdeführer keine nachvollziehbare wohlbegründete Furcht vor ihm pro futuro drohender massiverer bzw. eingriffsintensiver Verfolgung zugebilligt werden könne. Des weiteren sei festzuhalten, dass im Kosovo ein effektiv agierender Sicherheitsapparat existiere, welcher gegebenenfalls von jedermann um Schutzleistung angerufen werden könne; es sei nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei Bedarf ein solches Schutzersuchen etwa verweigert werden würde bzw. dass sich die Hilfeleistung "seitens der Sicherheitsstrukturen" grundsätzlich als ineffizient erweisen würde. Im Hinblick darauf komme weder die Zuerkennung von Asyl noch die Gewährung von Abschiebungsschutz in Betracht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde, die ungeachtet des darauf gerichteten Antrags - offenkundig deshalb, weil der Beschwerdeführer (so der bekämpfte Bescheid) in seiner Berufung "keine individuell - konkreten neuen Fakten" aufgezeigt habe -  von der Durchführung einer Berufungsverhandlung abgesehen hatte, erachtete die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt ausdrücklich als glaubhaft. Sie verstand diese Angaben so, dass der Beschwerdeführer - offenbar im Zusammenhang mit seiner politischen Gesinnung - einige Male Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei, dass es dabei jedoch keine "physischen Insultationen" gegeben habe bzw. dass es regelmäßig bei "verbalen Angriffen" geblieben sei.

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt (siehe oben) angegeben, er sei angehalten, angegriffen und aufgefordert worden, den Kosovo zu verlassen; man habe ihm angedroht, ihn zu ermorden, wenn er den Kosovo nicht verlasse bzw. aus der LDK nicht austrete. Wie sich die behaupteten Angriffe im Einzelnen abgespielt haben, ist diesem Vorbringen - der Beschwerdeführer wurde nach der Aktenlage dazu nicht näher befragt - nicht zu entnehmen. Zwar hat der Beschwerdeführer keine Verletzungen erwähnt, doch schließt seine Darstellung im erstinstanzlichen Verfahren entgegen der Auffassung der belangten Behörde "physische Insultationen" bzw. Handgreiflichkeiten keineswegs aus. Ohne nähere Erörterung mit dem Beschwerdeführer durfte daher nicht davon ausgegangen werden, er sei bloß bedroht und beschimpft worden, woran auch die nicht näher präzisierte Behauptung in der Berufung, der Beschwerdeführer sei mehrmals von unbekannten Männern bedroht und aufgefordert worden, aus der LDK auszutreten (iVm dem Hinweis, dass zahlreiche Aktivisten der LDK seit Ende des Kosovo-Krieges ermordet worden seien) nichts zu ändern vermag. Dies macht im Ergebnis auch die Beschwerde geltend, wenn sie darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer an zahlreichen Körperstellen von Misshandlungen resultierende Narben aufweise, die vom Bundesasylamt trotz der Hinweise des Beschwerdeführers nicht "vermerkt" worden seien.

Ihre weiteren den bekämpften Bescheid tragenden Erwägungen, es existiere im Kosovo ein effektiv agierender Sicherheitsapparat, welcher gegebenenfalls von jedermann um Schutzleistung angerufen werden könne, begründete die belangte Behörde letztlich mit dem effektiven Vorgehen örtlicher und internationaler Sicherheitskräfte zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit im Gefolge der Unruhen vom 19. und 20. März 2004. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen nicht näher dargestellt wird, bedeutet die Bezugnahme darauf, dass eine im erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Februar 2004 noch nicht enthaltene Tatsachengrundlage einbezogen wurde, weshalb sich auch von daher die Durchführung der beantragten Berufungsverhandlung als geboten erwiesen hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533, iVm dem hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 99/01/0355).

Da die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, näher auf die - mit dem gesamten Kontext des bekämpften Bescheides nicht in Einklang stehende - Feststellung einzugehen, dass Angehörige der ethnischen Gruppe der Albaner im Gebiet der früheren autonomen Provinz Kosovo massiven planmäßigen, dem Staat zurechenbaren Verfolgungshandlungen ausgesetzt seien.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das über den in der genannten Verordnung festgelegten Schriftsatzaufwand hinausgehende Begehren war abzuweisen, weil neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 24. August 2004

Schlagworte

Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004010286.X00

Im RIS seit

15.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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