TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/30 99/01/0355

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Veröffentlicht am 30.01.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des JS (alias PO) in G, geboren am 2. Februar 1974 (oder am 2. Februar 1971), vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. März 1999, Zl. 200.561/0-V/13/98, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 7. Mai 1997 unter dem Namen J.S. einen Asylantrag. Er gab an, Staatsangehöriger des Sudan zu sein und Verfolgung "von den Moslems", die seinen Vater, einen christlichen Priester, getötet hätten, befürchten zu müssen.

Mit Bescheid vom 9. Juli 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, dessen Angaben es keine Glaubwürdigkeit zubilligte, gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) ein Telefax des Bundesministeriums für Inneres vom 3. September 1998 übermittelt, wonach gemäß Mitteilung von Interpol Bern bezüglich des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Polizeiwesen Bern identische Fingerabdrücke vorlägen, aufgenommen am 4. März 1997 von der Polizei Chur wegen Verdachtes eines Suchtgiftvergehens unter den Personaldaten O.P., geboren am 2. Februar 1971 in Mbieri/Nigeria.

Mit Bescheid vom 11. März 1999 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab. Sie begründete dies damit, dass den gesamten Aussagen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei, sodass die "behauptete Nämlichkeit und Staatszugehörigkeit sowie die relevierten Umstände bzw. Ereignisse" nicht als Sachverhalt hätten festgestellt werden können. Er sei unzweifelhaft - die belangte Behörde stützt sich dabei erkennbar auf die erwähnte Mitteilung von Interpol Bern - vor den österreichischen Behörden einerseits und vor den Strafverfolgungsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits mit unterschiedlichem Nationale (einmal als sudanesischer Staatsangehöriger, das andere Mal als nigerianischer Staatsangehöriger) aufgetreten. Hiefür habe er auf Vorhalt seitens der österreichischen Behörden keine nachvollziehbare Erklärung abgeben können, sodass es der belangten Behörde jedenfalls verwehrt gewesen sei, "insbesondere die Staatszugehörigkeit als auch die Identität" des Beschwerdeführers mit hinlänglicher Gewissheit festzustellen. Die Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit spiele im Asylverfahren eine zentrale Rolle; dies insbesondere, um einen Anknüpfungspunkt für die Einordnung "des korrespondierenden Vorbringens des Antragstellers" zu haben. Sei es dem Asylwerber nicht möglich, seine Staatsangehörigkeit mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, so könne seinem Antrag auch bei fundierter Begründung kein Erfolg beschieden sein.

Da der Beschwerdeführer vor den Behörden zweier europäischer Staaten nachweislich unter zwei verschiedenen Identitäten sowie zwei behaupteten Staatsangehörigkeiten aufgetreten sei, müsse davon ausgegangen werden, dass er versuche, seine wahre Identität zu verschleiern bzw. die österreichischen Behörden betreffend seine Nämlichkeit und Staatsangehörigkeit zu täuschen; im Hinblick darauf sei ihm jegliche persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen, sodass auch seine Flüchtlingseigenschaft nicht habe festgestellt werden können. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Angaben des Beschwerdeführers sowie der damit einher gehenden gebotenen Einschätzung seiner Persönlichkeit seien letztlich auch die rechtskräftigen Verurteilungen wegen in Österreich seit seiner Einreise begangener strafbarer Handlungen miteinzubeziehen - gemäß einer der belangten Behörde mit dem schon erwähnten Fax vom 3. September 1998 übermittelten Strafregisterauskunft und einer Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien war der Beschwerdeführer insgesamt dreimal rechtskräftig verurteilt worden -, was angesichts der dem Beschwerdeführer offenbar innewohnenden sozialschädlichen Neigung die "Erkenntnis" bestärke, dass er die von ihm ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse tatsächlich konstruiert habe, um seine Chancen auf Asyl zu steigern.

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage unter zentraler Berücksichtigung des niederschriftlichen Vorbringens in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen sowie unter Berücksichtigung eines objektiven kriminaltechnischen Untersuchungsergebnisses jedenfalls geklärt gewesen sei, habe gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die belangte Behörde ist bei ihrer Entscheidung wesentlich davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer nachweislich unter "zwei verschiedenen Identitäten sowie zwei behaupteten Staatsangehörigkeiten" aufgetreten sei. Dabei handelt es sich um eine Sachverhaltsfeststellung, die über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hinausgeht, weshalb die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0304, u.a.). Dies hat sie unterlassen; sie hat es überdies verabsäumt, dem Beschwerdeführer zu jenen Unterlagen, auf die sie die besagte Sachverhaltsfeststellung gründete (insbesondere Telefax des Bundesministeriums für Inneres vom 3. September 1998 über die Mitteilung der Interpol Bern bezüglich der "doppelten Identität" des Beschwerdeführers), Gehör einzuräumen.

In der Beschwerde werden diese Verfahrensfehler geltend gemacht. Jedenfalls bezüglich des Unterbleibens der mündlichen Verhandlung wird auch dargetan, inwiefern die belangte Behörde bei gesetzeskonformem Vorgehen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er den Sachverhalt aufgeklärt und dargelegt hätte, dass er tatsächlich nicht die nigerianische oder eine sonstige Staatsangehörigkeit habe, sondern der sudanesische Staatsbürger J.S. sei.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999010355.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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