TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/14 2002/05/0209

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Veröffentlicht am 14.12.2004
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs2;
BauRallg;
HGB §49;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Jänner 2002, Zl. UVS-04/A/17/6628/2001-9, betreffend eine Übertretung nach der Wiener Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom 4. Mai 2000 dem Eigentümer der Baulichkeiten auf der Liegenschaft ... Wien, B-Gasse 30-32, den Auftrag,

1. sämtliche lockere Verputzteile der Straßenfassade abschlagen zu lassen und

2. den Verputz der Straßenfassade ordnungsgemäß in Stand setzen zu lassen.

Die erstgenannte Maßnahme wurde mit einem Monat, die zweitgenannte mit drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides befristet. Der Bescheid erging offenbar an eine frühere Eigentümerin; im Akt erliegt ein Grundbuchsauszug vom 10. April 2001, wonach der T-GesmbH & Co. KG auf Grund eines Kaufvertrages vom 13. April 1999 zur Tagebuchzahl x das Eigentumsrecht einverleibt wurde. Nach Aktenvermerken der Magistratsabteilung 37 vom 14. Februar 2001 und vom 9. April 2001 wurde dem Bauauftrag nicht entsprochen.

Der Beschwerdeführer ist seit 31. Oktober 1972 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-GesmbH, die A-GesmbH ist seit September 1999 persönlich haftende Gesellschafterin der Hauseigentümerin T-GesmbH & Co. KG; M.W. und C.H. sind seit November 2000 deren Prokuristen.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. Mai 2001 hielt der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

16. Bezirk (MBA 16), dem Beschwerdeführer vor, dass ihm folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt werde:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der A-GesmbH, welche persönlich haftende Gesellschafterin der T-GesmbH & Co. KG ist, zu verantworten, dass die T-GesmbH & Co. KG als Eigentümerin des Hauses in Wien ..., B-Gasse 30-32/1 ..., in der Zeit vom 14. Juni 2000 bis 9. April 2001 insoferne nicht dafür gesorgt hat, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand erhalten wurden, als sie es unterließ, sämtliche lockere Verputzteile der Straßenfassade abzuschlagen und den Verputz der Straßenfassade ordnungsgemäß in Stand setzen zu lassen."

Im Schreiben vom 18. Mai 2001 stellte der Beschwerdeführer die Eigentümerschaft der T-GesmbH & Co. KG und seine Geschäftsführereigenschaft außer Streit. Der beschriebene bauliche Zustand habe bereits zum Zeitpunkt des Liegenschaftsüberganges von der Adressatin des Bauauftrages an die T-GesmbH & Co. KG bestanden. Seine "Mandantin" habe jedoch bereits Maßnahmen getroffen, um eine entsprechende Sanierung noch in diesem Jahr durchführen zu können. Insbesondere seien zahlreiche Angebote eingeholt worden. Eine Auftragsvergabe für die Fassadensanierung werde in Kürze erfolgen. Für die gegenständliche Liegenschaft sei der Prokurist M.B. ausschließlich zuständig. Der Beschwerdeführer habe vom vorliegenden Sachverhalt diesen Prokuristen unterrichtet, sodass er als Geschäftsführer die notwendige Vorsorge für die Einhaltung der behördlichen Vorschriften getroffen habe.

Mit der Rechtfertigung vorgelegt wurden verschiedene Kostenvoranschläge, betreffend sowohl den Fensteraustausch als auch die Fassadensanierung beim gegenständlichen Gebäude. Ein Anbot zur Fassadensanierung stammt vom 2. September 2000; alle anderen diesbezüglichen Anbote wurden nach dem vorgehaltenen Tatzeitraum gelegt.

Mit Straferkenntnis des MBA 16 vom 28. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer der vorgeworfenen Tathandlung schuldig erkannt. Er habe eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der BauO für Wien begangen, weshalb über ihn gemäß § 135 Abs. 1 BauO für Wien eine Geldstrafe von ATS 60.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Monat verhängt wurde. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass es sich hier um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handle, weshalb zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge. Dem zur Last gelegten Sachverhalt sei seitens des Beschwerdeführers kein wesentliches, die Verwaltungsübertretung entschuldigendes Vorbringen entgegen gesetzt worden. Der Beschwerdeführer sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, schon aus seinen Angaben in seiner Rechtfertigung hätte sich ergeben, dass diese Sanierung der Außenfassade nicht "von heute auf morgen" durchgeführt werden könne, sondern dass zahlreiche Schritte in baubehördlicher, sicherheitstechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu beachten seien und dass die Sanierungskosten den Betrag von S 1,000.000,-- bei weitem übersteigen würden, sodass auch aus wirtschaftlichen Überlegungen die Notwendigkeit bestanden habe, zahlreiche Angebote einzuholen. Dies habe mehrere Monate in Anspruch genommen. Seine Ankündigung, dass die Auftragsvergabe in Kürze erfolgen werde, habe die Behörde zu Unrecht unbeachtet gelassen. Zwischenzeitig sei dem Punkt 1 des Bauauftrages entsprochen worden, Punkt 2 werde in der Folge auch erfüllt werden. Im Übrigen sei für dieses Objekt ausschließlich der Prokurist M.W. verantwortlich, sodass den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe.

In einem Schriftsatz vom 13. November 2001 an die belangte Behörde wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, dass der Prokurist M.W. für dieses Objekt zuständig gewesen sei. Behauptet wurde, dass der Beschwerdeführer selbst von allfälligen losen Verputzteilen bzw. vom Sanierungsbedarf der Liegenschaft keine Kenntnis gehabt habe. M.W. sei in seinem alleinigen Wirkungsbereich für Immobilienprojekte dieser Größenordnung zuständig.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. Die Baumängel im Tatzeitraum seien unbestritten, zu prüfen sei lediglich das Verschulden des Beschwerdeführers. Nach § 9 Abs. 1 VStG sei aber strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist; die mögliche Überwälzung auf einen verantwortlichen Beauftragten sei nicht erfolgt; M.W. sei nicht ordnungsgemäß zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Dem Beschwerdeführer sei das Vorhandensein der Mängel im Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft bewusst gewesen; er habe das Projekt M.W. übertragen, ohne sich in der Folge um die Liegenschaft zu kümmern. Eine Überwachung des Prokuristen habe er nicht einmal behauptet. Es sei zwar richtig, dass eine Auftragsvergabe für eine Sanierung, deren Kosten S 1,000.000,-- bei weitem übersteige, eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nehme. Dies ändere jedoch nichts an der Verpflichtung, die Mängel auch zu beheben. Aus der Aussage des Zeugen M.W. habe sich ergeben, dass andere Projekte vorrangig behandelt worden seien. Wenn man erst im Juni oder Juli 2001 mit dem Abschlagen der lockeren Verputzteile begonnen habe, sei ein Bemühen, innerhalb des Tatzeitraumes die Mängel so rasch wie möglich zu beseitigen, nicht erkennbar. Jedenfalls liege auf Seiten des Beschwerdeführers ein fahrlässiges Verhalten mangels gehöriger und zumutbarer Aufsicht des mit der Sanierung beauftragten Prokuristen M.W. vor.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, wegen des Vorhandenseins eines Prokuristen nicht bestraft zu werden. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 135 der Bauordnung für Wien idF LGBl Nr 48/1992 (BO) werden Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu 300 000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft. Bei der Übertretung der BO, die dem Beschwerdeführer angelastet wird und auf die die Blankettstrafnorm des § 135 Abs 1 BO verweist, handelt es sich um § 129 Abs 2 BO. Diese Bestimmung lautet:

"§ 129 (2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Eigentümergesellschaft während des Tatzeitraumes dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er zur Vertretung nach außen berufen ist. Er macht aber geltend, dass zur Vertretung nach außen nicht nur der Geschäftsführer, sondern auch der Prokurist berufen sei, wobei er die Rechtsstellung des Prokuristen nach dem Handelsrecht und auf Grund der Vorschriften über die Bevollmächtigung im ABGB darlegt. Bei richtiger rechtlicher Würdigung würde der Prokurist gleich wie der Geschäftsführer den Bestimmungen des § 9 VStG unterliegen und verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sein.

Damit verkennt der Beschwerdeführer die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Prokurist zwar nach den §§ 48 ff HGB eine umfangreiche Vertretungsbefugnis besitzt, ihm jedoch Organstellung nicht zukommt, weshalb er nicht zu den zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zählt (siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1992, Zl. 90/19/0352, vom 24. März 1994, Zl. 92/18/0176, und vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0274). Im Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0206, wurde unter Hinweis auf die Vorjudikatur auch wiederholt, dass die Erteilung der Prokura nicht gleichbedeutend sei mit der in § 9 Abs. 2 und Abs. 4 VStG geregelten Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten.

Allein der Umstand, dass es in der Eigentümergesellschaft einen Prokuristen gibt, befreit den Beschwerdeführer somit nicht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Dass dieser Prokurist im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wäre, wird nicht behauptet.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 BO um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG handelt und schon das bloße Nichterfüllen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, als eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht eine Strafe nach sich zieht, wenn der Eigentümer nicht aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen; siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 99/05/0078.

Dieser Verpflichtung ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen: In seiner Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren hat er angegeben, dass bereits im Zeitpunkt des Kaufes der Liegenschaft der im Bauauftrag festgestellte Bauzustand bestanden habe; in der Berufungsverhandlung gab er diesen Zeitpunkt mit "Frühjahr 1999" an. Das strafbare Verhalten gemäß § 129 Abs. 2 BO liegt aber nicht in der Nichterfüllung eines auf die Beseitigung des Baugebrechens gerichteten baupolizeilichen Auftrages, sondern in der Verletzung der dem Eigentümer kraft Gesetzes obliegenden Instandhaltungspflicht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2002/05/0033). Ausgehend davon, dass bis zum Ende des Tatzeitraumes 9. April 2001 nicht einmal mit dem Abschlagen des Verputzes begonnen worden war, kann sich der Beschwerdeführer nach dem genannten Maßstab nicht darauf berufen, dass ein derartiges Sanierungsvorhaben nicht "von heute auf morgen" fertig gestellt werden könne. Auch wenn unternehmensintern der Prokurist für diese Liegenschaft "ausschließlich zuständig" war, hat der Beschwerdeführer die ihn jedenfalls treffende Aufsichtspflicht verletzt, wenn außer einer Angebotseinholung während des Tatzeitraumes nichts zur Behebung des Gebrechens getan wurde.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor: Wann nach dem Tatzeitraum mit dem Abschlagen des schadhaften Verputzes begonnen wurde, ist ohne Belang; im zitierten Erkenntnis vom 9. Oktober 2001 hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen ausgesprochen, dass allein mit dem Abschlagen des Verputzes die Verpflichtung nach § 129 Abs. 2 BO noch nicht erfüllt ist. Auch wenn die belangte Behörde festgestellt hätte (was der Beschwerdeführer rügt), dass mit den Angebotseinholungen "bereits im Jahr 2000" begonnen wurde, hätte dies, wie schon oben ausgeführt, in Anbetracht des jedenfalls seit Frühjahr 1999 bestehenden Gebrechens zu keiner anderen Beurteilung führen können.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 14. Dezember 2004

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002050209.X00

Im RIS seit

11.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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