RS OGH 2004/8/24 11Os77/04, 13Os70/06b; 13Os1/10m

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 24.08.2004
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Norm

StPO §202
RDG §57
StGB §302

Rechtssatz

Eine Absprache zwischen Richter und Verteidiger über zahlenmäßig determinierte Auswirkungen des Aussageverhaltens des Angeklagten auf die über diesen zu verhängende Strafe, die sich bereits vom Ansatz her mit den auf eine mögliche Diversion gerichteten, gesetzlich determinierten Verfahrensschritten nicht vergleichen lässt, ist schon wegen des ersichtlichen Verstoßes gegen § 202 erster und zweiter Fall StPO, vor allem aber wegen des eklatanten Widerspruches zu den tragenden Grundprinzipien des österreichischen Strafverfahrensrechtes, namentlich jenem zur - ein Kontrahieren des Gerichtes mit (mutmaßlichen) Rechtsbrechern ausschließenden - Erforschung der materiellen Wahrheit, prinzipiell abzulehnen und kann die Beteiligten disziplinärer (§ 57 RDG) und strafrechtlicher Verantwortlichkeit (§ 302 StGB) aussetzen.

Entscheidungstexte

  • 11 Os 77/04
    Entscheidungstext OGH 24.08.2004 11 Os 77/04
  • 13 Os 70/06b
    Entscheidungstext OGH 12.07.2006 13 Os 70/06b
    Vgl
  • 13 Os 1/10m
    Entscheidungstext OGH 04.03.2010 13 Os 1/10m
    Auch; Beisatz: Verfahrensbeendende Prozessabsprachen widerstreiten dem Gebot der materiellen Wahrheitsfindung und sind daher unzulässig. Sie können zu disziplinärer und strafrechtlicher Verfolgung führen. Unterlässt ein Richter die nach der Sachlage gebotene Beweisaufnahme pflichtwidrig, um eine solche Absprache zu realisieren, kommt Strafbarkeit wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB in Betracht. (T1); Beisatz: Eine vom Richter eingehaltene Prozessabsprache dieser Art - die mit dem System des liberalen Strafprozesses auch deshalb nicht vereinbar ist, weil sie sich auch im Fall von Rechtsprechung oder Gesetzgeber verlangter Dokumentation einer Kontrolle entzieht - stellt demnach einen Wiederaufnahmegrund dar (§ 353 Z 1 StPO). Ein darauf bezogener Antrag ist nach der Strafprozessordnung bei dem Gericht zu stellen, das für das Hauptverfahren zuständig war (§ 357 Abs 1 StPO; zur Ausschließung der vorbefassten Richter § 43 Abs 4 StPO). Ein Antragsrecht an den Obersten Gerichtshof ist dementsprechend für solche Fälle nicht vorgesehen (vgl § 362 Abs 3 StPO). (T2)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:RS0119311

Im RIS seit

23.09.2004

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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