TE OGH 1949/5/25 3Ob143/49

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Veröffentlicht am 25.05.1949
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Norm

ABGB §7
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §1348
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §1464
Ehegesetz §8
Ehegesetz §24
Ehegesetz §43
Ehegesetz §44
Ehegesetz §104
Todeserklärungsgesetz §10
Todeserklärungsgesetz §10c
Verschollenheitsgesetz §56
Verschollenheitsgesetz §57

Kopf

SZ 22/81

Spruch

Unter Todeserklärung im Sinne der §§ 43 und 104 EheG. ist auch die Beweisführung des Todes gemäß dem § 10 des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, zu verstehen.

Entscheidung vom 25. Mai 1949, 3 Ob 143/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Untergerichte wiesen das Klagebegehren der Staatsanwaltschaft, die zwischen L. und F. J. M. geschlossene Ehe gemäß § 24 EheG. für nichtig zu erklären, ab. A. K. und F. J. Ch. schlossen am 20. Juli 1940 vor dem Standesamt die Ehe. Mit Erkenntnis des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Februar 1947 wurde auf Antrag der F. J. K. nach amtlicher Untersuchung als bewiesen erkannt, daß A. K. am 5. Mai 1945 gefallen ist. Am 8. März 1947 schlossen L. M. und F. J. K., geborene Ch., vor dem Standesamt die Ehe. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 3. November 1947 wurde gemäß den §§ 10b und 10c des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, das Erkenntnis vom 11. Februar 1947 aufgehoben weil A. K. persönlich vor Gericht erschienen ist und seine Identität nachgewiesen hat. Das Klagebegehren der Staatsanwaltschaft auf Nichtigerklärung der Ehe des L. M. und der F. J. M. wurde deshalb abgewiesen, weil ein Beweis dafür, daß die Beklagten gewußt hätten, daß A. K. lebe, nicht erbracht worden ist und das Erkenntnis über den Beweis des Todes in seinen Wirkungen einer Todeserklärung gleichzuhalten ist. Mit dem Erkenntnis über die Beweisführung des Todes des A. K. ist daher dessen Ehe mit der Erstbeklagten aufgelöst (§ 43 EheG.) und der letzteren die Möglichkeit gegeben gewesen, sich wieder zu verehelichen. Es hat somit zur Zeit der mit der Klage bekämpften Eheschließung eine rechtsgültige Ehe nicht mehr bestanden.

Die Frage, ob ein Erkenntnis über die Beweisführung des Todes einer Todeserklärung gleichgestellt werden kann, haben die Untergerichte auf Grund folgender rechtlicher Erwägungen bejaht: Wenn auch im Ehegesetz (§§ 43 und 104) nur von der Todeserklärung gesprochen wird, durch die das Recht zur Wiederverehelichung ermöglicht werden sollte, kann, abgesehen von der gleichartigen Verfahrensmethode bezüglich der Todeserklärung und der Beweisführung über den Tod, auf eine gleiche Wirkung bei Rückkehr des Toterklärten, dessen Tod nach § 10 des Gesetzes vom 16. Februar 1883 als erwiesen angenommen worden ist, geschlossen werden. Eine Beweisführung über den Tod ist dem deutschen Recht fremd. Daraus erklärt sich, daß die §§ 43 und 104 EheG. nur von einer Todeserklärung sprechen und daß die amtliche Begründung zum Ehegesetz nur die Todeserklärung anführt, nicht aber auch das Erkenntnis des Beweises des Todes. Dieser Umstand zwingt jedoch keineswegs zu dem Schluß, daß ein Erkenntnis über den Beweis des Todes im Falle des § 43 EheG. nicht die gleichen Wirkungen auslöse wie eine Todeserklärung. Es darf nicht übersehen werden, daß nach den Bestimmungen des Verschollenheitsgesetzes (§§ 56, 57) die Vorschriften über das Verfahren zur Beweisführung des Todes (§§ 10 und 10c des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20) für Österreich aufrechterhalten blieben. Eine Todeserklärung schafft die Vermutung, daß der Verschollene in einem im Beschluß festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Durch sie sollen die Rechtsfolgen der Ungewißheit darüber beseitigt werden, ob der Verschollene noch lebt oder bereits tot ist. Bei der Beweisführung des Todes ist der Tod eines Menschen gewiß; sie schafft keine Vermutung, sondern rechtliche Gewißheit über den Tod wie eine Sterbeurkunde. Es ist nun nicht einzusehen, warum bei einer Todeserklärung, die bloß eine Vermutung über den Tod des Verschollenen darstellt, die neue Ehe gültig bleibt, selbst wenn der Toterklärte nachträglich erscheint, bei einem Erkenntnis über die Beweisführung des Todes aber, das gleich einer Sterbeurkunde Gewißheit über den Tod schafft, die nachfolgende Ehe nichtig sein soll, wenn derjenige, dessen Tod als erwiesen angenommen wurde, zurückkehrt. In Anbetracht des Umstandes, daß die Beweisführung des Todes dem deutschen Rechte fremd ist, die bezüglichen Bestimmungen des österreichischen Rechtes aber aufrecht geblieben sind, haben gemäß § 7 ABGB. die Bestimmungen der §§ 43 und 104 EheG. auch dann Anwendung zu finden, wenn ein Erkenntnis über den Beweis des Todes vorliegt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der vom Berufungsgericht dargelegten Rechtsansicht, daß unter Todeserklärung im Sinne der §§ 43 und 104 EheG. auch das Erkenntnis über den Beweis des Todes zu verstehen ist, vollinhaltlich an. Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen, insbesondere auch nicht die Heranziehung der amtlichen Begründung zum Ehegesetz, Deutsche Justiz 1938, S. 1107, wonach der Gesetzgeber im Falle des § 43 EheG. es bei der Regelung des § 1348 DBGB. belassen wollte, der nur eine Todeserklärung kannte, der Motive zum Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band IV, S. 640 ff., zu § 1464, wonach die Sonderregelung über die Auflösung der Ehe im Falle der Wiederverheiratung bei unrichtiger Todeserklärung nur für die Todeserklärung und nicht auch bei Wiederverheiratung auf Grund einer unrichtigen Sterbeurkunde gelten, und schließlich der Kommissionsprotokolle für die zweite Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band IV, S. 452 ff., zu § 1464 des Entwurfes, wonach nach Ansicht des Gesetzgebers die Fälle der Wiederverheiratung auf Grund irrtümlicher Todeserklärung und unrichtiger Sterbeurkunde nicht ähnlich liegen. Hieraus kann nämlich nicht der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber habe bewußt das Erkenntnis über den Beweis des Todes in die §§ 43 und 104 EheG. nicht aufgenommen. Denn es ist einerseits die Tatsache in Betracht zu ziehen, daß eine "Beweisführung über den Tod" dem deutschen Rechte fremd ist, anderseits, daß die Beweisführung des Todes im Sinne des Gesetzes vom 16. Februar 1883 im Wesen auch eine Todeserklärung beinhaltet. Für letztere Ansicht sprechen auch die ganz ähnlich geregelten Verfahren, insbesondere der § 10c des genannten Gesetzes, wonach die Bestimmungen der §§ 10a und 10b über die Aufhebung und Berichtigung der Todeserklärung sinngemäß anzuwenden sind, wenn ein Abwesender nach der Entscheidung, mittels der der Beweis seines Todes als hergestellt erkannt worden ist, noch am Leben ist.

Überdies muß auf den Zweck der gesetzlichen Bestimmungen des § 43 EheG. Bedacht genommen werden. Das Gesetz läßt im Falle der Todeserklärung eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 8 zu, wonach niemand eine Ehe eingehen darf, bevor seine frühere Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Dieser Grundsatz behält nur dann seine Kraft, wenn beide Ehegatten der neuen Ehe bei Eingehung ihrer Ehe wissen, daß der für tot erklärte Ehegatte noch lebt. In allen anderen Fällen verliert der Grundsatz des § 8 seine Kraft; die neue Ehe ist nicht Doppelehe und führt sogar mit ihrer Eingehung die endgültige, bisher nur vermutete Auflösung der früheren Ehe herbei. Die neue Ehe wird nunmehr auch dann nicht mehr von der Gefahr der Vernichtung bedroht, wenn der für tot erklärte Ehegatte später wieder auftaucht. Diese Regelung beruht in erster Linie auf der Erwägung, daß der Ehegatte des für tot Erklärten mit der Eingehung seiner neuen Ehe eine verpflichtende Wahl getroffen hat und daß daher die Gültigkeit der von ihm begrundeten neuen Ehe nicht dadurch in Frage gestellt worden soll, daß der Ehegatte der früheren Ehe noch lebt (Kommentar zum Eherecht von Volkmar - Antoni, S. 155 bis 156). Es wäre deshalb nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber zwar an die Todeserklärung, die nur eine Vermutung des Todes begrundet, die Wirkung geknüpft hat, daß die frühere Ehe aufgelöst werde, falls der Ehegatte eine neue Ehe eingeht, diese Rechtsfolge aber nicht eintreten sollte, wenn die Beweisführung des Todes erfolgt ist, die doch die Gewißheit des Todes schaffen soll, d. h. warum, wenn der vermeintlich tote Ehegatte wieder zurückkehrt, im ersten Falle die zweite Ehe aufrecht erhalten wird, im zweiten Falle aber die Ehe nichtig sein solle. Wenn auch die §§ 43 und 104 EheG. nur von der Todeserklärung sprechen, müssen sie doch auch auf die Beweisführung des Todes Anwendung finden, weil die für diese Regelung maßgebenden Gründe im gleichen Maße auch für die Fälle zutreffen, in denen der Tod nicht bloß vermutet wird, sondern nach der Überzeugung des Gerichtes feststeht. Die Ansicht der Revision, die Beweisführung des Todes jenen Fällen gleichzustellen, bei denen auf Grund einer unrichtigen Sterbeurkunde eine zweite Ehe geschlossen wurde, ist daher verfehlt.

Wenn auch Wolff in Klangs "Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch", 2. Aufl., I. Band, S. 159 ff. und S. 180, die im übrigen nicht näher begrundete Meinung vertritt, daß § 43 EheG. nur für die Todeserklärung, nicht aber für den Beweis des Todes nach § 10 TodeserklärungsG. gilt, so daß die Wirkung der Todeserklärung eine stärkere wäre, als die der Entscheidung, wonach der Beweis des Todes als hergestellt erkannt wird, ist der Oberste Gerichtshof, wie oben ausgeführt, in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Wien der Meinung, daß sich die Bestimmungen der §§ 43 und 104 EheG. nicht nur auf die Todeserklärung im engeren Sinne, sondern auch auf die Beweisführung des Todes im Sinne des Gesetzes vom 16. Februar 1883 beziehen.

Schließlich darf im vorliegenden Falle nicht außer Acht gelassen werden, daß für die Nichtigerklärung der zweiten Ehe keinerlei privatrechtliches Interesse gegeben ist, da die Ehegattin von ihrem Recht, gemäß § 44 Abs. 1 EheG. die Aufhebung der neuen Ehe zu begehren, keinen Gebrauch gemacht hat und der zurückgekehrte Ehemann als Zeuge erklärt hat, er habe an der Aufrechterhaltung seiner Ehe mit F. J., geborenen Ch., kein Interesse und er werde, falls die Ehe für nichtig erklärt werden sollte, die Scheidungsklage gegen seine Frau einbringen.

Der Revision mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z22081

Schlagworte

Auflösung der Ehe durch Todeserklärung, Beweisführung des Todes, unrichtige, Wiederverehelichung, Bigamie, nach unrichtigem Todesbeweis, Doppelehe, nach unrichtigem Todesbeweis, Ehenichtigkeitsklage bei Wiederverehelichung nach unrichtigem, Todesbeweis, Nichtigkeit der Ehe, Wiederverehelichung nach unrichtigem Todesbeweis, Staatsanwalt Ehenichtigkeitsklage wegen Wiederverehelichung nach, unrichtigem Todesbeweis, Todesbeweis, unrichtiger, Wiederverehelichung, Todeserklärung unrichtige Wiederverehelichung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0030OB00143.49.0525.000

Dokumentnummer

JJT_19490525_OGH0002_0030OB00143_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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