TE OGH 1951/9/22 1Ob632/51

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Veröffentlicht am 22.09.1951
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Norm

ABGB §1320
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs1
ZPO §477 Abs1 Z3

Kopf

SZ 24/239

Spruch

Die Arbeitsgerichte sind für Rechtsstreitigkeiten aus allen mit dem Arbeitsverhältnis wenigstens mittelbar im Zusammenhang stehenden Schädigungen zuständig, sofern nicht der Zusammenhang ein rein äußerlicher und zufälliger ist, so unter Umständen auch für Schadenersatzansprüche nach § 1320 ABGB.

Entscheidung vom 22. September 1951, 1 Ob 632/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Gloggnitz; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Das Erstgericht hat der Schadenersatzklage mit Urteil vom 19. Mai 1951 stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung der beklagten Partei Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben, die Klage wegen Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurückgewiesen und in der Begründung ausgeführt, der Kläger sei zur kritischen Zeit bei der beklagten Partei noch beschäftigt gewesen und während seiner Dienstleistung vom Hund der beklagten Partei, der Wachhund im Fabrikhofe sei, gebissen worden; der Kläger stützte sein Begehren auf Leistung eines Schadenersatzes auf § 1320 ABGB.; zwischen dem Dienstverhältnis und dem Tierschaden bestehe ein Zusammenhang und sei daher das Arbeitsgericht gemäß § 1 ArbGerG. unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte zuständig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. sind die Arbeitsgerichte unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes unter anderem für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeits- oder Lohnverhältnisse im Zusammenhang stehen, zuständig. Diese Vorschrift wurde nach dem Vorbild der gleichlautenden Bestimmung des § 2 Z. 1 des deutschen Arbeitsgerichtsgesetzes in das österreichische Gesetz übernommen (vgl. Kapfer, "Arbeitsgerichtsgesetz", S. 15 f.). Wenn nun auch im § 1 Abs. 1 Z. 1 des österreichischen Arbeitsgerichtsgesetzes ebenso wie im § 2 Z. 1 des deutschen Gesetzes von unerlaubten Handlungen gesprochen wird, so sollten damit die Ansprüche aus rechtswidrigen Unterlassungen sicherlich nicht ausgeschlossen werden; vielmehr bedeutet diese Bestimmung, daß die Arbeitsgerichte die Rechtsstreitigkeiten aus allen mit dem Arbeitsverhältnisse unmittelbar oder wenigstens mittelbar im Zusammenhang stehenden Schädigungen zuständig sind, sofern nicht der Zusammenhang ein rein äußerlicher und zufälliger ist (vgl. Kapfer, "Arbeitsgerichtsgesetz", S. 21, Anm. 22, Baumbach, "Deutsches Arbeitsgerichtsgesetz", 3. Auflage, S. 22). Demnach ist es gleichgültig, ob der Eintritt des Schadens durch unerlaubte Handlungen oder solche Unterlassungen herbeigeführt worden ist (vgl. Baumbach a. a. O., S. 23 unter Anm. 12: Schadenersatzanspruch wegen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht nach § 1157 ABGB.). Wie Baumbach (a. a. O., S. 22 f.) ausführt, gehören jedoch Ansprüche aus bloßer Gefährdungshaftung (Haftpflicht), die nicht auf unerlaubter Handlung (Unterlassung) beruhen, nicht vor die Arbeitsgerichte. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch um die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB., die nach ständiger Rechtsprechung eine Verschuldenshaftung ist (vgl. die in Kapfer, ABGB., 24. Auflage, S. 730 zu § 1320, Nr. 1, angeführte Judikatur, ferner Ehrenzweig, System Obligationenrecht, 1928, S. 675, Wolff in Klangs Kommentar, 2. Aufl. zu § 1320 ABGB.). Der Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis ist hier nicht ein rein äußerer und zufälliger, wie z. B. bei der Beraubung des Dienstgebers durch den Dienstnehmer bei einem zufälligen Zusammentreffen auf einsamen Waldwege. Der Kläger war ja nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluß bei der beklagten Partei beschäftigt und befand sich zur Zeit des Vorfalles gerade im Dienst, wurde dabei von dem Hunde der beklagten Partei, der immer bei Schichtwechsel und Schichtschluß freigelassen wurde, gebissen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Hund gerade als Wachhund verwendet wurde, denn dies ist zur Lösung der Zuständigkeitsfrage nicht entscheidend. Vielmehr kommt es hier, wie schon erwähnt, nach § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. auf den Zusammenhang mit dem Dienstverhältnisse an, der nicht bloß ein äußerer und zufälliger sein darf. Diese Voraussetzung ist jedoch hier erfüllt, da feststeht, daß der Kläger zufolge der Leistung von Überstunden bis zur Zeit des Vorfalles noch im Dienst war und eben bei dieser Gelegenheit vom Hund der beklagten Partei, der wie immer bei Schichtwechsel bzw. Schichtschluß freigelassen wurde, gebissen worden ist. Das Zusammentreffen des Klägers mit dem Hund der beklagten Partei war somit nicht ein bloß zufälliges, sondern ist auf die Ausübung des Dienstes zurückzuführen. Es liegt somit zwar nicht ein unmittelbarer, wohl aber ein mittelbarer Zusammenhang der behaupteten Schädigung mit dem Dienstverhältnis vor und ist daher die ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. gegeben. Das Urteil wurde demnach von einem Gerichte gefällt, das auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarungen der Parteien zuständig gemacht werden konnte und ist deshalb zusammen mit dem vorangegangenen Verfahren nach § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO. nichtig.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist somit zutreffend, und es war deshalb dem Rekurse ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z24239

Schlagworte

Arbeitsgericht Zuständigkeit für Schadenersatz nach § 1320 ABGB., Arbeitsrecht Schädigung im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnis, Arbeitsverhältnis, Schadenerersatzforderung im Zusammenhang mit -, Arbeitsvertrag Schädigung im Zusammenhang mit -, Dienstnehmer Schadenersatzansprüche des -, Dienstvertrag Schädigungen im Zusammenhang mit -, Haftung des Tierhalters, Schadenersatzprozeß allenfalls vor, Arbeitsgericht, Rechtsweg Schädigungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnis, Sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, Schadenersatz nach § 1320 ABGB., mögliche Zuständigkeit des, Arbeitsgerichtes, Schadenersatz Zusammenhang mit Arbeitsverhältnis, Schadenersatz Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, Tierschaden, mögliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für Klagen, wegen -, Zulässigkeit des Rechtsweges, Schädigung im Zusammenhang mit, Arbeitsverhältnis, Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für Schadenersatzklagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00632.51.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19510922_OGH0002_0010OB00632_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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