TE OGH 1952/4/2 1Ob296/52

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Veröffentlicht am 02.04.1952
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Norm

ABGB §974
ABGB §1098
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §S.
Wohnungsanforderungsgesetz §5
Wohnungsanforderungsgesetz §8

Kopf

SZ 25/79

Spruch

Dem Untermieter oder dem Prekaristen kommt im Anforderungsverfahren keine Parteistellung zu.

Entscheidung vom 2. April 1952, 1 Ob 296/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Nach den Behauptungen der Kläger ist die Wohnung Nr. 22 im Hause W. 2, bestehend aus Zimmer, Kabinett und Küche an Ottilie T. vermietet gewesen, die am 4. März 1951 verstorben ist. Kurz vor dem Tode der Ottilie T. wurde von ihr die Beklagte in die Wohnung aufgenommen, ohne daß ein Untermietverhältnis begrundet worden wäre. Das Hauptmietverhältnis sei durch den Tod der Ottilie T., deren Abhandlungsverfahren armutshalber abgetan wurde, erloschen und habe überdies der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 9. Mai 1951 nach § 8 Abs. 1 und 3 WAG. diese Wohnung angefordert. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen und sei weiters die gegenständliche Wohnung mit Bescheid vom 29. Mai 1951 dem Josef T. zugewiesen worden.

Die Beklagte Partei hat das Klagebegehren bestritten und behauptet, daß sie mit der Ottilie T. einen Untermietvertrag hinsichtlich eines Zimmers einschließlich der Küchenbenützung abgeschlossen habe. Dieses Untermietverhältnis sei noch aufrecht und auch das Hauptmietverhältnis nicht aufgekundigt worden. Gegen den Anforderungsbescheid vom 9. Mai 1951 habe sie im übrigen die Berufung eingebracht.

Die Echtheit und Richtigkeit der Bescheide vom 9. Mai 1951 und vom 29. Mai 1951 wurden von beiden Parteien außer Streit gestellt.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Räumung der Wohnung abgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus: Da durch den Tod des Mieters das Bestandrecht nicht erlösche, sondern auf die Verlassenschaft übergehe, könne auf diesen Umstand die Klage mit Erfolg nicht gestützt werden. Aber auch gemäß § 14 Abs. 4 WAG. sei das Bestandverhältnis mit Ottilie T. mangels Rechtskraft des Anforderungsbescheides nicht aufgelöst worden. Denn, wenn auch die klagenden Parteien die Rechtskraft des Anforderungsbescheides vom 9. Mai 1951 behaupteten, so stehe fest, daß dieser Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil die Kläger die Behauptung der beklagten Partei, daß sie gegen diesen Anforderungsbescheid Berufung ergriffen hat, nicht bestritten haben.

Im Sinne des § 267 Abs. 1 ZPO. gelte daher die Behauptung der beklagten Partei als zugestanden. Wenn aber mangels Rechtskraft des Anforderungsbescheides vom 9. Mai 1951 das Hauptmietverhältnis noch aufrecht bestehe, so sei es den Vermietern verwehrt, mit einer Räumungsklage gegen dritte vom Mieter aufgenommene Personen vorzugehen. Abgesehen davon sei den klagenden Parteien durch die Zustellung des obgenannten Anforderungsbescheides das Recht entzogen worden, Verfügungen über die gegenständliche Wohnung zu treffen.

Der Berufung der klagenden Parteien hat das Berufungsgericht Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß der Räumungsklage stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht verneinte zunächst die Frage, ob mangels einer Bestreitung der klagenden Parteien der Umstand, daß der Anforderungsbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, als zugestanden gelte, da beiderseits verschiedene Behauptungen hinsichtlich der Rechtskraft dieses Bescheides aufgestellt worden seien und es daher einer neuerlichen Bestreitung durch die klagenden Parteien nicht bedurft habe. Unter Zugrundelegung der beigeschafften Entscheidung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Jänner 1952, wonach die Berufung der beklagten Partei gegen den oberwähnten Anforderungsbescheid vom 9. Mai 1951 gemäß § 66 Abs. 4 AVG. 1950 als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil der beklagten Partei im Anforderungsverfahren nicht Parteistellung zukomme und die Berufung nicht auf einen der im § 21 Abs. 1 WAG. angeführten Berufungsgrunde gestützt wurde, führte das Berufungsgericht aus, daß durch diese unzulässige Berufung der beklagten Partei der Eintritt der Rechtskraft des Anforderungsbescheides nicht gehemmt worden sei. Dieser Bescheid sei schon im Mai 1951, also noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen. Hiedurch sei aber gemäß § 14 Abs. 4 WAG. das Hauptmietverhältnis zwischen den Klägern und der Verlassenschaft nach Ottilie T. zur Auflösung gekommen. Mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses habe aber die Beklagte keine Möglichkeit mehr, ihre aus diesen nicht mehr bestehenden Mietverhältnis abgeleiteten Rechte, mag die Beklagte nun Untermieterin oder nur Prekaristin gewesen sein, weiterhin geltend zu machen. Die Beklagte benütze daher tatsächlich die Wohnung ohne Rechtsgrund. Im übrigen könne auch der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht beigetreten werden, daß mit Zustellung des Anforderungsbescheides den Klägern das Recht entzogen worden sei, eine Räumungsklage einzubringen. Denn mit der Bestimmung des § 14 Abs. 4 WAG. sollten nur solche Verfügungen des Bestandgebers unterbunden werden, welche dem Zweck dieses Gesetzes zuwiderlaufen. Davon könne aber bei der einer Räumungsklage gegen einen rechtswidrigen Benützer keine Rede sein.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der Beklagten nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem am 4. März 1951 erfolgten Tode der Ottilie T. wurde die gegenständliche Wohnung mit Bescheid vom 9. Mai 1951 gemäß § 8 Abs. 1 und 3 WAG. angefordert. Gegen diese Entscheidung haben die Hauseigentümer keine Berufung erhoben, wohl aber die beklagte Partei, die behauptete, mit der verstorbenen Hauptmieterin einen Untermietvertrag abgeschlossen zu haben, während dies von den klagenden Parteien bestritten wurde.

Was nun den Umstand anlangt, ob der beklagten Partei als Untermieterin oder Prekaristin im Anforderungsverfahren Parteistellung gemäß § 8 AVG. 1950 zukommt, so wird diese Frage in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1950, Zl. 278/49, JBl. 1950 S. 298, vom Obersten Gerichtshof verneint, da sich dieses Feststellungsverfahren nur gegen den Hauseigentümer richtet; denn nur gegenüber dem Hauseigentümer hat die Gemeinde den Eintritt der allgemeinen Anforderung mit Bescheid bei sonstigem Verlust ihres Verfügungsrechtes festzustellen.

Kommt aber der Beklagten im Anforderungsverfahren keine Parteistellung zu, so steht ihr auch kein Recht zu, gegen den Anforderungsbescheid ein Rechtsmittel zu ergreifen, so daß das tatsächlich eingebrachte Rechtsmittel der beklagten Partei jedenfalls unzulässig war.

Wenn nun auch im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkungen haben, so setzt diese Bestimmung voraus, daß das Rechtsmittel von einer am Verfahren beteiligten Partei eingebracht wird. Nur die Berufung einer Partei hat die Hemmung des Eintrittes der Rechtskraft zur Folge. Eine von einer dritten Person, der aber Parteistellung nicht zukommt, überreichte Berufung hemmt daher den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides nicht, wenn dieser Bescheid nur gegenüber den im Anforderungsverfahren beteiligten Personen rechtskräftig geworden ist. Denn die Einbringung eines nach dem Gesetz unzulässigen Rechtsmittels vermag weder den Eintritt der Rechtskraft noch der Vollstreckbarkeit hinauszuschieben.

Mit Recht ging daher das Berufungsgericht bei der Entscheidung der vorliegenden Rechtssache von der Tatsache aus, daß der Anforderungsbescheid vom 9. Mai 1951 gegenüber den Hauseigentümern bereits vor der mündlichen Streitverhandlung am 16. Juni 1951 in Rechtskraft erwachsen und somit gemäß § 14 Abs. 4 WAG. der mit der verstorbenen Ottilie T. abgeschlossene Mietvertrag bereits aufgelöst war.

War aber der Bestandvertrag des Hauptmieters erloschen, so konnte sich die beklagte Partei nicht mehr auf ihre aus diesem Hauptmietvertrag abgeleiteten Rechte berufen, weshalb mit Recht das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hat, daß die Beklagte ohne Rechtsgrund die Wohnung benützt.

Anmerkung

Z25079

Schlagworte

Anforderung einer Wohnung, keine Parteistellung eines Untermieters oder, Prekaristen, Prekarist, keine Parteistellung im Anforderungsverfahren, Untermieter keine Parteistellung im Anforderungsverfahren, Wohnungsanforderung, keine Parteistellung des Untermieters oder, Prekaristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00296.52.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19520402_OGH0002_0010OB00296_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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