TE OGH 1952/12/3 1Ob965/52

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Veröffentlicht am 03.12.1952
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Norm

ABGB §1295 (1)
ABGB §1299
ABGB §1304
ABGB §1310
ABGB §1315

Kopf

SZ 25/318

Spruch

Schadenersatzanspruch eines 6jährigen Kindes wegen Verletzung durch einen umgefallenen Grabstein. Mitverschulden des Kindes, seiner Eltern oder der Aufsichtsperson.

Entscheidung vom 3. Dezember 1952, 1 Ob 965/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Untergerichte haben folgenden Sachverhalt festgestellt.

Auf dem Friedhof in L. hat der Beklagte Mitte 1950 einen Grabstein errichtet, der aus einem viereckigen Kunststein als Sockel, auf den ein anderer Stein, der die Grabplatte trägt, dadurch aufgesetzt ist, daß er am Sockel mit einem Eisenhaken befestigt und außerdem "anzementiert" war. Aus Anlaß einer Beisetzung im Frühjahr 1951 war eine neue Beschriftung des Grabsteines notwendig, weshalb der Beklagte den Aufsatzstein abmontiert und nach Anbringung der neuen Grabinschrift am 16. Mai 1951 wieder auf den Sockel aufgesetzt hat. Am 19. September 1951 hat der Vater der damals sechsdreiviertel Jahre alten Klägerin festgestellt, daß der aufgesetzte Stein "wackelt". Am nächsten Tage haben die Großeltern der Klägerin, die die Benützungsberechtigten dieser Grabstelle sind, die damals 61jährige Frau auf den Friedhof geschickt, damit sie das Grab vom Unkraut reinige. Sie nahm mit Zustimmung der Mutter der Klägerin diese und deren zweijährigen Bruder auf den Friedhof mit. D. hat eine Wirbelsäulenverkrümmung und kann den Oberkörper nicht aufrecht, sondern muß ihn beinahe waagrecht zum Erdboden halten. Während sie mit der Arbeit beschäftigt war, stieg die Klägerin auf den Sockel des Grabsteines, rüttelte an dem Aufsatzstein und zog sich an ihm hoch. Der zufällig anwesende Karl M. bemerkte dies und mahnte die Klägerin ab.

Der Grabstein stürzte um und die Klägerin erlitt einen Drehbruch des linken Oberschenkels. Sie wurde operiert und hatte durch 32 Tage Schmerzen. Ein Dauerschaden ist nicht eingetreten. Die Großeltern des Kindes und auch D. hatten von der vom Vater der Klägerin gemachten Wahrnehmung keine Kenntnis.

Die Klägerin verlangt die Aufenthaltskosten im Krankenhaus in W., ferner die Auslagen für die Überführung in das Unfallkrankenhaus in G., die Operationskosten, die Aufenthaltskosten im Unfallkrankenhaus, ferner die Auslagen für zehn Fahrten der Mutter zum Besuche der Klägerin, schließlich 500 S Schmerzengeld und 80 S außergerichtliche Kosten und Zinsen vom Tage des Unfalles an.

Das Erstgericht verurteilte den beklagten Steinmetzmeister zur Zahlung der begehrten Beträge mit Ausnahme von 80 S außergerichtlicher Kosten und der Zinsen vor dem Klagstage.

Es billigte nicht die zweite, sondern nur die dritte Verpflegsklasse der Klägerin zu; es sprach an Schmerzengeld nur den Betrag von 4500 S zu und nahm außerdem gemäß § 1304 ABGB. eine Schadensteilung in der Form vor, daß die Klägerin ein Viertel des Schadens selbst zu tragen habe, sodaß schließlich das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von 7180.92 S samt 4% Zinsen seit 13. Dezember 1951 sowie zur Hälfte der Prozeßkosten verurteilt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wohl aber der Berufung der klagenden Partei.

Es bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens von 80 S und die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens, sprach im übrigen ein Schmerzengeld von 5000 S zu; es nahm eine Schadensteilung nicht vor, billigte aber den Ersatz der Auslagen für die zweite Verpflegsklasse zu und verurteilte somit den Beklagten in Abänderung des erstrichterlichen Urteils zur Zahlung von 10.266.55 S samt 4% Zinsen von 9063.30 S seit 13. Dezember 1951 und von 1203.25 S seit 23. Feber 1952 und ferner zur Zahlung der Kosten des Verfahrens erster Instanz und der Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Urteile der Untergerichte grunden sich auf die Bestimmungen der §§ 1295 und 1315 ABGB.

Der Oberste Gerichtshof hat die Revision des Beklagten und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß den Berufungen beider Parteien nicht Folge gegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsansicht des Revisionswerbers geht dahin, daß nur die Haftung im Sinne des § 1319 ABGB. in Frage komme; hiefür seien die Besitzer des Werkes, also die Besitzer der Grabstätte, das sind im konkreten Falle die Ehegatten B., die Großeltern der Klägerin, verantwortlich, allenfalls auch die Friedhofsverwaltung (SZ. XIV/251). Eine Haftung gemäß § 1295 ABGB. bestehe nicht, da vom Beklagten nicht "jedermann" Ersatz des Schadens verlangen könne, sondern nur der Vertragspartner. Es müsse sich daher die Klägerin an ihre Großeltern B. halten und diese könnten allenfalls den Beklagten auf Schadenersatz klagen, keinesfalls aber könne die Klägerin den Ersatz unmittel ar vom Beklagten verlangen.

Es ist richtig, daß schon die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. März 1953, JBl. 1935 S. 324, ausgesprochen hat, das Wort "jedermann" beziehe sich nur auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten. Die Entscheidung SZ. XXIII/23 hat gleichfalls ausgeführt, daß entgegen der Meinung Wolffs bei Klang,

2. Aufl., § 1295, S. 40, der Begriff "jedermann" zu weit gefaßt sei. Krasnopolski III, S. 212, und Mayr, Lehrbuch III, S. 129, erklären nur den Gläubiger als berechtigt, Schadenersatz wegen Verletzung einer bestehenden Verbindlichkeit zu begehren, nicht aber den Dritten, selbst wenn dieser aus der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einen Schaden erlitten hat. Hiezu meint Krasnopolski ebendort, daß das Wort "jedermann" nicht genau sei. Auch die vor der Entscheidung SZ. XXIII/23 ergangene Rechtsprechung 2 Ob 841/32 = ZBl. 1933 Nr. 52 und 1 Ob 665/34 = Rsp. 1935 Nr. 62 hält an dieser Rechtsansicht fest. Ebenso führt Klang in der Festschrift zur Hundertjahrfeier des Österreichischen Obersten Gerichtshofes, S. 133, aus, das Wort "jedermann„ sei einschränkend dahin auszulegen, daß es sich bei Schuldverletzungen nur auf einen der beiden Vertragsteile beziehe. Hiebei beruft sich Klang noch auf die Entscheidung GlUNF. 2613; auch die Entscheidung SZ. XI/151 kommt zum gleichen Ergebnis durch die Überlegung, daß im Vertrage nur die durch ihn gebundenen Vertragsteile stehen, sodaß von einer widerrechtlichen Handlung gegen den Vertrag immer nur bei einem daraus Verpflichteten gesprochen werden kann und nicht bei einem Dritten.

Die Entscheidung GlUNF. 3541, die sich mit der Beschränkung der deliktischen Haftung für jeden Schaden desjenigen befaßt, gegen den das Delikt begangen wird, übernimmt zwar für Vertragsverletzungen die herkömmliche Begründung der Beschränkung der Haftung auf die Vertragsteile, versucht aber die Beschränkung der deliktischen Haftung mit dem Hinweis zu begrunden, daß die Kette des Kausalzusammenhanges nicht beim verletzten Vertragspartner ende, sondern daß der Schädiger demjenigen ersatzpflichtig sei, dessen Schutz die übertretene Norm bezwecke, daß aber auch nur jenes Rechtsgut zu schützen sei, dessen Verletzung durch die übertretene Norm hintangehalten werden soll. Klang meint, daß es bei Beurteilung der Frage der Haftung für den Drittschaden, die eine Grundlage des österreichischen Schadenersatzrechtes bilde, "rechtspolitisch richtig sei, die Anerkennung des Anspruches auf Ersatz des Drittschadens in der Weise zu begrenzen, die dem Gedankengang der erwähnten Entscheidung GlUNF. 3541 entspreche. Die Kausalität dürfe sich nicht unbegrenzt auswirken und dem Gläubiger des getöteten Schuldners nicht gegen den Schuldtragenden den Anspruch auf Zahlung der Schuld einräumen, wie dies Wolff bei Klang, 2. Aufl., zu § 1325, S. 152, annimmt. Denn eine derartige Ausdehnung scheint wirtschaftlich unerträglich". Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Beschränkung der deliktischen Haftung in den Grenzen des Kausalzusammenhanges zu suchen ist. Nur der Revisionsausführungen wegen, die einen Kausalzusammenhang ausdrücklich verneinen und damit die Abweisung der Klage begrunden wollen, sei erwidert, daß im vorliegenden Falle die Annahme des Kausalzusammenhanges "keineswegs der praktischen Vernunft und auch nicht den Anforderungen des Lebens und der Praxis widerspricht" (GlUNF. 3541). Gewiß ist ein Grabstein nicht dazu da, damit Kinder auf ihm herumsteigen und an ihm herumturnen. Es kann aber nicht gesagt werden, daß eine solche Handlung, wie sie die Klägerin setzte, derart ungewöhnlich war, daß mit ihr überhaupt nicht gerechnet werden konnte, zumal der Friedhofsbesuch durch Kinder etwas Typisches ist, sodaß es auch vorkommen kann, daß ein Kind einen Grabstein besteigt. Es muß aber von einem Steinmetzmeister, der erst vor vier Monaten einen Grabstein aufgestellt hat, erwartet werden können, daß dieser so fest und sicher aufgestellt ist, daß er nach so kurzer Zeit nicht "wackelt". Es ist etwas ganz anderes, wenn ein Grabstein, der schon jahrzehntelang gestanden ist und vielleicht noch ein Jahrzehnt stehen würde, durch Rütteln umgeworfen wird. Auf Grund des Sachverständigengutachtens ist festgestellt, daß ein fachmännisch "anzementierter" Stein weder durch Herumklettern eines Kindes noch durch Witterungseinflüsse vier Monate später zum Umstürzen gebracht werden kann. Die Norm, die der Beklagte verletzt hat, ist allgemeiner Natur. Im Sinne der §§ 335, 431 StG. ist auch ein Grabsteinsetzer jedem gegenüber, der mit dem Grabstein nach verhältnismäßig kurzer Zeit in Berührung kommt, verpflichtet, den Grabstein derart aufzustellen, daß dieser nicht umfällt und Personenschaden nicht eintritt. Der Beklagte war nach seinem Gewerbe verpflichtet, den Stein mit besonderer Sachkenntnis aufzustellen. Dazu gehört, daß er ihn derart durch Zement verankert, daß er nach vier Monaten nach Beendigung der Arbeit nicht bereits durch ein Kind zum Umfallen gebracht werden kann.

Die Untergerichte haben auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellt, daß der am 16. Mai 1951 wieder aufgestellte Grabsteinoberteil fachmännisch derart schlecht aufgestellt war, daß es nur des Rüttelns der mj. Klägerin bedurfte, um ihn umfallen zu machen. Die Untergerichte haben den Zeugenaussagen der Arbeiter, die am 16. Mai 1951 den Stein aufgestellt haben, sie seien hiebei sachgemäß vorgegangen, den Glauben versagt, ebenso dem Beklagten, der als Partei aussagte, er habe sich nach dem 16. Mai 1951 von der ordnungsgemäßen Aufstellung des Grabsteines überzeugt; die Untergerichte haben im Sinne des Sachverständigengutachtens ausgeführt, daß eine weitere Überprüfung nach der Ursache des Umfallens des Steines schon deshalb unmöglich gewesen sei, weil der Beklagte unmittelbar nach dem Umfallen des Steines sofort den Stein wieder aufgestellt hat, sodaß nicht mehr festgestellt werden könne, ob das "Anzementieren" des aufgesetzten Steines auf dem Sockel am 16. Mai 1951 erfolgt ist oder nicht. Es war daher auch die Berufung der Klage auf § 1299 ABGB. berechtigt. Denn soweit im vorliegenden Falle der Beklagte oder seine Arbeiter die nötige Sachkenntnis vermissen ließen, kann er im Sinne des § 1295 ABGB. belangt werden, soll nicht die Nachlässigkeit geradezu begünstigt werden. Es ist also die Revision im Unrecht, wenn sie unter Hinweis auf die mehrfach erwähnte Beschränkung des § 1295 ABGB. die Klagsabweisung anstrebt.

Wenn die Revision ferner bemängelt, daß sich die Urteile der Untergerichte sowohl auf die Bestimmung des § 1325 ABGB. als auch auf die der §§ 1295 und 1315 ABGB. berufen haben, so übersieht sie hiebei, daß § 1325 ABGB. den Schadenersatz an sich betrifft, wogegen die §§ 1295 bis 1322 ABGB. die Haftungsgrunde aufzählen.

Der Beklagte kann jedoch für die Arbeit seiner Gehilfen nur dann haftbar gemacht werden, wenn er als Geschäftsherr, für die Untüchtigkeit dieser Besorgungsgehilfen, das sind die Hilfsarbeiter X. und Y., deren er sich bei Wiederaufstellung des Grabsteines im Mai 1951 bediente, haftet. Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof in der grundlegenden Entscheidung 1 Ob 119/52 vom 19. März 1952 = EvBl. 1952 Nr. 211, die Ansicht vertreten, daß der Unternehmer für die Untüchtigkeit seines Besorgungsgehilfen nur dann hafte, wenn es sich bei dem Versagen des Gehilfen um einen habituellen Zustand handelt, wie dies schon in der Entscheidung SZ. XX/99 dargelegt worden ist. Denn die Haftung, so führt die Entscheidung aus, wäre sonst unerträglich, wenn der Unternehmer für jedes grobe Versehen eines an sich tüchtigen Beauftragten haften müsse; auch die sorgfältigste Auswahl schützt niemals dagegen, daß ein sonst tüchtiger Beauftragter einmal grob fahrlässig handelt, was zu einer unabsehbaren Haftung für den Auftraggeber führen müßte. Diese Entscheidung hat aber zur Voraussetzung, daß der Unternehmer an sich habituell tüchtige Besorgungsgehilfen für die Arbeit bestellt hat und daß diese einmal gefehlt haben. Der Sachverständige hat im konkreten Falle sein Gutachten dahin abgegeben, daß es zur Pflicht des Unternehmers gehöre, sich selbst von der Durchführung der Arbeit zu überzeugen. Wenn sich daher der Beklagte, wie die Untergerichte als erwiesen angenommen haben, von der fachmännischen Arbeit seiner Besorgungsgehilfen nicht überzeugt hat, so haftet er schon aus diesem Gründe für den Schaden, den die Klägerin erlitten hat. Der Beklagte kann sich aber im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, daß er diese Überprüfung nicht vorgenommen hat, weil er das Gegenteil davon bei seiner Parteienaussage angegeben hat. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Untergerichte dem Beklagten gerade diese Angabe nicht geglaubt haben.

Durch diese Ausführungen ist auch die Frage erledigt, ob die Klägerin berechtigt ist, den Beklagten unmittelbar zu klagen.

Die Revision bekämpft ferner die Rechtsansicht, daß die Klägerin berechtigt sei, die Aufenthalts- und Operationskosten direkt vom Beklagten zu beanspruchen; denn sie seien vom Vater und gesetzlichen Vertreter der Klägerin aus eigenem Gelde aufgewendet worden, sodaß dieser seine Ansprüche gegen den Beklagten zwar geltend machen könnte, in welchem Falle aber dem Beklagten Gegenforderungen wegen ungenügender Beaufsichtigung des Kindes zustunden. Diese Rechtsansicht der Revision ist verfehlt. Denn "die Heilungskosten sind dem zu ersetzen, der sie bestritten hat, nicht nur dem Verletzten, also z. B. auch den Eltern, die die Heilungskosten für das verletzte Kind getragen haben" (Klang, 2. Aufl., zu § 1325, S. 130, und die dort angegebene Rechtsprechung).

Die Revision ist insofern im Rechte, als bei Ersatz der Heilungskosten der Beschädigte "nicht auf Kosten des Beschädigers den reichen Mann spielen darf, der er bis dahin nicht war". Dieser Satz gilt insbesondere bezüglich der Verpflegskosten, die der Verletzte in der Heilanstalt in Anspruch nimmt. Es besteht tatsächlich kein Grund, daß die Klägerin den Ersatz der zweiten Verpflegsklasse verlangt, auch wenn der Unterschied gegenüber der nächst niederen Klasse täglich nur insgesamt 6 S beträgt, deren Bezahlung der Versicherer des Beklagten angeblich ablehnt. Es wurde nicht behauptet, daß die Eltern dem Assistenten und den Hilfsärzten kein Vertrauen schenkten, sondern nur dem Abteilungsleiter. Es bedurfte daher nicht der Prüfung der Frage, ob der Abteilungsleiter nur Patienten der höheren Verpflegsklasse selbst behandelt. Der Grund, warum es nach ständiger Rechtsprechung auf die Lebenshaltung des Verletzten ankommt, ist der, daß einerseits der Beschädiger nicht übermäßig herangezogen werden soll, anderseits aber der Beschädigte zu seiner Verletzung nicht auch noch den Schaden erleiden soll, daß er als Kranker unter schlechteren Verhältnissen leben soll denn als Gesunder.

Der Oberste Gerichtshof ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes der Rechtsmeinung, daß im konkreten Falle eine Schadensteilung gemäß § 1304 ABGB. anzunehmen ist, jedoch nur unter Heranziehung des § 1310 ABGB. Kinder unter sieben Jahren - die Klägerin war zur Zeit des Unfalles ungefähr 6 3/4 Jahre - sind nicht unter allen Umständen deliktsunfähig. Ihre Verantwortlichkeit ist unter Berücksichtigung des Maßes an Einsicht, das bei ihnen zur Zeit des Unfalles vorhanden war, und der Art ihres für den Unfall ursächlichen Verhaltens in jedem einzelnen Falle zu prüfen (ZBl. 1933 Nr. 51). Das Reichsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. April 1944 = EvBl. 1944 Nr. 205, ausgesprochen, daß bei Feststellung des Verschuldens zu berücksichtigen sei, ob und inwieweit dem Unmundigen nach seinem Alter und seiner geistigen Entwicklung sein Verhalten als Verschulden anzurechnen ist. Es kann ein Verschulden, das bei einem Erwachsenen vielleicht als so groß angesehen werden müßte„ daß ihm trotz des Verschuldens des Beklagten ein Ersatzanspruch zu versagen wäre, nicht als so gering behandelt werden, daß es überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Darum ist das vom Erstgericht ausgesprochene, mit einem Viertel des Schadens von der Klägerin selbst zu tragende Mitverschulden als angemessen zu bezeichnen.

Es ist nicht einzusehen, warum das Berufungsgericht ohne nähere Begründung ein solches Mitverschulden der Klägerin, die nach den Feststellungen der Untergerichte unmittelbar vor dem Umstürzen des Grabsteines, noch von dem Zeugen Karl M. gewarnt wurde, nicht angenommen hat. Das Berufungsgericht ist aber - im Gegensatz zum Erstgerichte - durchaus im Recht, wenn es sich hier um ein deliktisches Verhalten handelt. Der Oberste Gerichtshof hat schon in der Entscheidung SZ. XX/246 ausgesprochen, daß selbst bei zusammentreffendem Mitverschulden der Mutter des Kindes keine Schadensteilung angenommen werden dürfe. (Die folgenden Ausführungen über das Schmerzengeld sind hier nicht wesentlich.) Es erwies sich somit die Revision als teilweise berechtigt, was zur Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes führte.

Anmerkung

Z25318

Schlagworte

Kind Schadenersatz für Verletzung durch umstürzenden Grabstein, Mitverschulden der Eltern, der Aufsichtsperson und des Kindes bei, dessen Verletzung, Schadenersatz Umstürzen eines Grabsteines, Schadenersatz für sechsjähriges Kind, Mitverschulden der Eltern, des, Kindes und der Aufsichtsperson

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00965.52.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19521203_OGH0002_0010OB00965_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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