TE OGH 1953/6/17 2Ob378/53

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Veröffentlicht am 17.06.1953
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Norm

Zivilprozeßordnung §595 Z3

Kopf

SZ 26/159

Spruch

Eine Durchschrift des Schiedsspruches, die von einem von mehreren Schiedsrichtern nicht unterfertigt ist, stellt eine im Sinn des § 595 Z. 3 ZPO. unwirksame Ausfertigung dar.

Mit deren Zustellung beginnt die dreimonatige Anfechtungsfrist nach § 596 Abs. 2 ZPO.

Entscheidung vom 17. Juni 1953, 2 Ob 378/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht hat das Begehren der Klage auf Aufhebung des Schiedsspruches des aus dem Vorsitzenden Johann P., den Beisitzern Alois M. und Hermann W. bestehenden Schiedsgerichtes in D., mit dem der Ersatzanspruch des Klägers für Wildschaden in der Höhe von 22.900 S gegenüber dem Beklagten als Jagdberechtigten abgewiesen und Kläger zur Zahlung der Verfahrenskosten verurteilt worden ist, abgewiesen.

Infolge Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz abgeändert und dem Klagebegehren stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht begrundet.

Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die den Parteienvertretern am 10. Mai 1952 vom Vorsitzenden (Obmann) des Schiedsgerichtes zugestellten Durchschriften der Niederschrift vom 18. April 1952 keine Ausfertigungen des in dieser Niederschrift beurkundetenSchiedsspruches im Sinne des § 90 des steiermärkischen Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 50/1950, sind. Es verwies zur Begründung dieser Ansicht auf den Inhalt der Niederschrift, die eine Darstellung des Abstimmungsergebnisses der Schiedsrichter, die Beurkundung eines gemäß § 85 des Jagdgesetzes gefällten, nur vom Vorsitzenden und einem Schiedsrichter unterfertigten Schiedsspruches und auf der Rückseite den Vermerk enthält, daß sich der Schiedsrichter W. weigert, sowohl das Verhandlungsprotokoll als auch den Schiedsspruch zu unterfertigen, daß deshalb eine Ausfertigung des Schiedsspruches unterbleibt, da eine solche von allen drei Schiedsrichtern unterfertigt sein müsse, und daß eine Verständigung der Parteien durch Zustellung einer Durchschrift dieser Niederschrift erfolgt. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes wollte der Vorsitzende die Parteienvertreter mit der Zustellung einer Durchschrift der Niederschrift vom 18. April 1952 lediglich von den Vorgängen nach der Schiedsgerichtsverhandlung vom 16. April 1952 verständigen. Den Durchschriften dieser Niederschrift, wenn sie auch einen Schiedsspruch enthalte, könne daher nicht die Bedeutung von Ausfertigungen des Schiedsspruches zukommen, weil dies in Widerspruch mit dem Vermerk des Vorsitzenden stunde. Das Berufungsgericht lehnte aber die weitere Rechtsansicht des Erstgerichtes ab, daß der Mangel der Unterfertigung durch sämtliche Schiedsrichter den Schiedsspruch nur dannwirkungslos mache, wenn die Urschrift und die Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterschrieben seien und Ausfertigungen überhaupt nicht erteilt worden seien. Ein Schiedsspruch sei vielmehr auch dann unwirksam, wenn entweder die Urschrift oder die Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterfertigt seien. Dies ergebe sich aus der Bestimmung des § 592 Abs. 2 ZPO., derzufolge die Ausfertigungen sowie die Urschrift bei sonstiger Unwirksamkeit des Schiedsspruches von sämtlichen Schiedsrichtern zu fertigen seien. Dies sei auch der Sinn des § 595 Z. 3 ZPO., wenn es dort heiße, daß der Schiedsspruch wirkungslos sei, sofern die Urschrift und die Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterschrieben worden seien. Daß schon die Urschrift die erforderlichen Unterschriften nicht aufweise, stehe aber unstreitig fest. Es komme im vorliegenden Falle nur darauf an, ob die Klage auf Aufhebung des Schiedsspruches schon vor der Zustellung von Ausfertigungen des Schiedsspruches an die Parteien eingebracht werden könne. Gemäß § 596 Abs. 2 ZPO., der nach § 91 Abs. 2 des steiermärkischen Jagdgesetzes anzuwenden sei, beginne die dreimonatige Frist zur Erhebung der Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruches mit dem Tage seiner Zustellung, womit die Zustellung der Ausfertigungen des Schiedsspruches gemeint sei. Damit solle nicht gesagt sein, daß die Klage nicht schon vor der Zustellung der Ausfertigung erhoben werden könne, wenn auch anzunehmen sei, daß ein Schiedsspruch, der dieselbe Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 594 ZPO.) habe, erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung den Parteien gegenüber wirksam werde (§ 416 Abs. 1 ZPO.). Werde mit der herrschenden Rechtsprechung (SZ. XXI/2) davon ausgegangen, daß eine anfechtbare Entscheidung schon dann vorliege wenn das Gericht an die Entscheidung bereits gebunden sei, möge auch die Rechtswirksamkeit den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung eintreten, so könne es dem Beschwerten nicht verwehrt werden, noch vor der Zustellung dieser bereits vorliegenden Entscheidung ein Rechtsmitteleinzubringen. Dieser Grundsatz müsse auch für das schiedsgerichtliche Verfahren anerkannt werden, zumal gegen einen seine Verpflichtung nicht erfüllenden Schiedsrichter im allgemeinen nur ein Schadenersatzanspruch zustehe (§ 584 Abs. 2 ZPO., § 90 Abs. 3 Stmk. Jagdgesetz). Deshalb könnten die Parteien nicht gezwungen sein, mit der Aufhebungsklage gegen einen mangels Formvorschriften unwirksamen Schiedsspruch bis zu dessen Ausfertigung zuzuwarten. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Aufhebungsklage vom Kläger bereits habe erhoben werden können, komme es darauf an, ob ein Schiedsspruch gefällt worden sei, von dem das Schiedsgericht nicht mehr habe abgehen können. Da weder das steiermärkische Jagdgesetz noch die Zivilprozeßordnung Bestimmungen enthalte, wann und in welcher Form ein Schiedsspruch zu verkunden sei, müsse es genügen, wenn der Vorsitzende des Schiedsgerichtes die Parteien nach der Schiedsgerichtsverhandlung von der Fällung des Schiedspruches nachweisbar in Kenntnis setzt. Das sei aber im vorliegenden Falle durch die Zustellung einer Durchschrift der Niederschrift vom 18. April 1952 an die Parteienvertreter geschehen. Da sich an die Verkundung des Schiedsspruches die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit knüpfe, habe der Schiedsspruch auch vor Zustellung einer Ausfertigung mit Aufhebungsklage bekämpft werden können. Die Aufhebungsklage sei daher zulässig, sie sei aber auch berechtigt, da die Urschrift des Schiedsspruches nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterfertigt und die fehlende Unterschrift auch nicht bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nachgeholt worden sei (SZ. XI/213).

Der Revisionswerber ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes der Auffassung, daß der Auslegung der Bestimmung des § 595 Z. 3 ZPO. der Gesetzestext ("Urschrift und die Ausfertigungen") und nicht ein in "Urschrift oder die Ausfertigungen" geänderter zugrunde zu legen sei. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß der Schiedsspruch wirkungslos ist, wenn die Urschrift allein nicht die Unterschriften aller Schiedsrichter trägt, so hätte er im Gesetzestext nach dem Wort Urschrift nur "oder" statt "und" zu setzen brauchen. Der Gesetzgeber habe das Wort "und" mit Absicht gewählt, weil er damit sagen wollte, daß der Schiedsspruch nur dann wirkungslos sei, wenn eine Urschrift und Ausfertigungen vorhanden und eines der beiden Schriftstücke nicht die Unterschrift aller Schiedsrichter trage. Die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, daß der Schiedsspruch auch dann unwirksam sei, wenn die Urschrift oder die Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterschrieben seien, sei zwar richtig, decke aber nicht das, was der Gesetzgeber ausgesprochen habe, sondern stelle ein Minus gegenüber dem Gesetzestexte dar; denn danach müßten beide Schriftstücke vorhanden sein. Bei richtiger Auslegung des Gesetzes sei die Einbringung der Klage nicht zulässig, wenn die Parteien noch keine Ausfertigung erhalten haben. Eine offizielle, mit Rechtsfolgen verbundene Verständigung von der Fällung des Schiedsspruches könne aber mangels Verkundung in Gegenwart der Parteien nur durch die im Gesetze vorgesehene Verfassung und Zufertigung von Ausfertigungen erfolgen. Da dies noch nicht geschehen sei, sei eine Anfechtung des Schiedsspruches derzeit unzulässig.

Abgesehen davon, daß der Revisionswerber selbst eine Unwirksamkeit des Schiedsspruches dann zugibt, wenn die Urschrift "oder" die Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterschrieben sind, kommt im vorliegenden Fall der in der Revision aufgeworfenen Frage der Auslegung des § 595 Z. 3 ZPO. eine entscheidende Bedeutung nicht zu, weil das Revisionsgericht im Gegensatz zu den Untergerichten der Auffassung ist, daß mit der Zustellung der Durchschrift der Niederschrift vom 18. April 1952, die den Schiedsspruch enthält und vom Vorsitzenden und dem einen Schiedsrichter unterschrieben ist, der Schiedsspruch ungeachtet des auf der Rückseite befindlichen Vermerks ausgefertigt worden ist. Was unter Ausfertigung zu verstehen ist, besagen die einschlägigen Vorschriften der ZPO. (§ 417) und GeO, (§§ 144 ff.), deren sinngemäße Anwendung sich wohl auch für die Ausfertigung von Schiedssprüchen nahelegt. Ausfertigungen im Sinne der GeO. sind nichts anderes als eine meist wörtliche Abschrift der Urschrift, wozu gleichzeitig mit der Urschrift hergestellte Durchschläge verwendet werden können (§ 144 GeO.), die zu unterfertigen sind (§ 149 GeO.). Nach § 90 Abs. 1 des steiermärkischen Jagdgesetzes und § 592 Abs. 1 ZPO. sind den Parteien Ausfertigungen des Schiedsspruches zuzustellen. Richtig ist nun allerdings, daß eine formgerechte Ausfertigung des Schiedsspruches die Unterschriften sämtlicher Schiedsrichter tragen muß, ebenso ist aber nicht zu bezweifeln, daß das Gesetz selbst auch Ausfertigungen, die nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterschrieben sind als solche gelten läßt. Dies deshalb, weil gerade dieser Fall als Anfechtungsgrund gesetzlich (§ 595 Z. 3 ZPO.) vorgesehen ist. Der Vermerk auf der Rückseite der den Parteien zugestellten Durchschrift der Niederschrift vom 18. April 1952 kann also nur in dem Sinne verstanden werden, daß infolge Weigerung des dritten Schiedsrichters eine formgerechte Ausfertigung, d. h. eine solche, die die Unterschrift aller Schiedsrichter trägt, nicht erfolgen konnte. Die Zustellung des von zwei Schiedsrichtern unterfertigten Schiedsspruches erfüllte demnach nicht nur den Zweck der Bekanntmachung des Schiedsspruches an die Parteien. Da die Durchschriften des Spruches samt Belehrung mit Unterschriften versehen sind, steht nichts entgegen, sie als im Sinne des § 595 Z. 3 ZPO. unwirksame Ausfertigungen zu behandeln. Wenn in dem Vermerk auf der Rückseite der Durchschrift unter Punkt 2 angegeben ist, daß eine Ausfertigung des Schiedsspruches unterbleibt, weil eine solche von allen drei Schiedsrichtern unterfertigt sein müßte, so ist hiebei der Verfasser des Vermerks von der an sich richtigen Vorstellung ausgegangen, daß eine formgerechte Ausfertigung mit den Unterschriften aller drei Schiedsrichter versehen sein muß. Angesichts dieser rechtlichen Würdigung der vorhandenen Dokumente beantwortet sich auch die Frage nach dem Beginn der dreimonatigen Anfechtungsfrist klar und einfach, d. h. er fällt mit der Zustellung der Durchschrift der Niederschrift an die anfechtende Partei zusammen.

Mangels Unterfertigung sowohl der Urschrift wie auch der Ausfertigung durch sämtliche Schiedsrichter erweist sich selbst bei der vom Revisionswerber vertretenen wörtlichen Auslegung des § 595 Z. 3 ZPO. die Anfechtungsklage als berechtigt, sodaß das Urteil des Berufungsgerichtes, wenn auch mit anderer Begründung, zu bestätigen war.

Anmerkung

Z26159

Schlagworte

Anfechtungsfrist, Schiedsspruch, Ausfertigung des Schiedsspruches, Schiedsspruch, Unterfertigung, Unterfertigung des Schiedsspruches, Zustellung des Schiedsspruches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00378.53.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19530617_OGH0002_0020OB00378_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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