TE OGH 1953/11/18 2Ob528/53

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.1953
beobachten
merken

Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §933

Kopf

SZ 26/282

Spruch

Bei einer (stillschweigenden) Vereinbarung einer bestimmten, erst später feststellbaren Eigenschaft des verkauften Tieres ist auch der Beginn der Gewährleistungsfrist auf diesen späteren Zeitpunkt stillschweigend hinausgeschoben.

Entscheidung vom 18. November 1953, 2 Ob 528/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die Klägerin bringt vor, daß sie am 24. November 1952 vom Beklagten einezweijährige Kalbin gekauft, übernommen und bezahlt habe. Am 7. Jänner 1953 habe diese Kalbin gekalbt und daraufhin stellte sich heraus, daß sie nur aus zwei Zitzen und aus diesen nur sehr wenig Milch gebe. Dieser Mangel, der schon vor der Übergabe bestanden habe, sei unbehebbar und mache das Tier als Nutzkuh unverwendbar, weshalb gemäß § 932 ABGB. die gänzliche Aufhebung des Kaufvertrages gefordert werde. Die Klägerin verlangt daher mit ihrer am 28. Jänner 1953 überreichten Klage die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich des Erlöses für das Kalb, gegen Rückstellung der Jungkuh, den Ersatz des tierärztlichen Honorars und den Ersatz der Fütterungskosten.

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen, da sie erst nach Ablauf der sechswöchigen Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB., die mit dem Tage derÜbergabe der Kalbin an die Klägerin begonnen habe, überreicht worden sei. Daß der behauptete Mangel wegen der Trächtigkeit des Tieres nicht vor dem 7. Jänner 1953 entdeckt werden konnte, sei belanglos, da die Gewährleistungsfrist durch die Unmöglichkeit der Entdeckung des Mangels in dieser Frist nicht verlängert wurde.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Die Gewährleistungsfrist könne durch Parteienvereinbarung verlängert werden. Eine solche Verlängerung erfolge auch durch die Zusicherung einer Eigenschaft, deren Fehlen erst nach längerer Zeit festgestellt werden könne. In diesem Falle wurde der Fristbeginn stillschweigend auf den Zeitpunkt der Möglichkeit dieser Feststellung hinausgeschoben (Klang - Pisko, Kommentar, 1. Aufl., zu § 933 ABGB., S. 581). Sei die volle Milchergiebigkeit der Kalbin nach dem Kalben vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden (§ 923 ABGB.) und der Mangel der vollen Milchergiebigkeit erst nach dem Kalben am 7. Jänner 1953 feststellbar gewesen, erscheine die Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB. eingehalten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs weist darauf hin, daß die Klägerin selbst nicht behauptet habe, daß eine bestimmte Milchleistung der Kalbin beim Kaufabschluß ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht sei daher nicht berechtigt gewesen, bei seiner Entscheidung von der Möglichkeit einer solchen Vereinbarung auszugehen. Das Gericht hat aber den Sachverhalt, auf welchen die klagende Partei ihren Anspruch grundet, von Amts wegen nach allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und gemäß § 182 ZPO. kraft seiner Prozeßleitungspflicht auf die Vervollständigung dieses Sachverhaltsvorbringens hinzuwirken (vgl. die bei Stagel - Michlmayr, a. a. O., zu § 182 ZPO. unter Nr. 2 bis 5 angeführten Entscheidungen). Wenn die Klägerin im vorliegenden Fall den Kauf einer trächtigen Kuh und mangelhafte Milchleistung dieser Kuh nach dem Kalben behauptet und daraus einen Gewährleistungsanspruch ableitet, war es Pflicht des Gerichtes, klarzustellen, ob im Sinne des § 923 ABGB. die volle Milchleistung der Kuh nach dem Kalben nach der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen war. Die Versäumung dieser Pflicht stellt - da der für die rechtliche Beurteilung der Sache nach Inhalt der Prozeßakten maßgebende Sachverhalt nicht erörtert und festgestellt wurde - einen Verfahrensmangel (einen sogenannten Feststellungsmangel) dar, der gemäß § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO. zur Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles führen mußte. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß im Falle der stillschweigenden Vereinbarung der - erst nach dem Kalben feststellbaren - vollen Milchergiebigkeit der Kuh auch eine stillschweigende Vereinbarung des Inhaltes anzunehmen ist, daß die Gewährleistungsfrist erst im Zeitpunkte des Kalbens zu laufen beginnt (SZ. XVII/89).

Anmerkung

Z26282

Schlagworte

Fristenlauf bei Gewährleistung, Gewährleistung Fristenlauf, Mängel, Fristenlauf, Sachmängel, Fristenlauf, Verjährung, Gewährleistung, Viehmängel, Fristenlauf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00528.53.1118.000

Dokumentnummer

JJT_19531118_OGH0002_0020OB00528_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten