TE OGH 1954/10/20 1Ob621/54

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Veröffentlicht am 20.10.1954
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Norm

ABGB §403
ABGB §914
ABGB §1293
ABGB §1295
ABGB §1323
ABGB §1324

Kopf

SZ 27/262

Spruch

Auslegung der Erklärung des Schädigers, die bei der Schadensgutmachung "entstehenden Kosten" zu ersetzen.

Einen Bergelohn nach den §§ 333, 403 ABGB. kann nur der redlich Handelnde verlangen.

Entscheidung vom 20. Oktober 1954, 1 Ob 621/54.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht gab der auf Bezahlung eines Schadenersatzbetrages von 6285 S gerichteten Klage statt und sprach aus, daß die vom Beklagten aus dem Rechtstitel des Bergelohnes geltend gemachte Gegenforderung von 2000 S nicht zu Recht bestehe. Unter Mitwirkung des Beklagten habe sich Norbert H. im Jahre 1945 einen in ordentlichem Zustand befindlichen Möbelwagen der Klägerin zugeeignet und daraus eine Behelfswohnung gemacht. Es habe sich um einträchtiges gemeinsames Zusammenwirken der beiden gehandelt, das jeden einzelnen gemäß § 1302 ABGB. zur solidarischen Wiedergutmachung des Schadens verpflichte. Der Beklagte habe sich am 8. April 1946 schriftlich verpflichtet, den Möbelwagen der Klägerin innerhalb eines Monates in benützbarem, straßenfahrbarem Zustand wieder zur Verfügung zu stellen. Falls die Klägerin die Wiederinstandsetzung selbst übernehme, hafte der Beklagte für alle entstehenden Kosten einschließlich des Abschleppens. Diese Verpflichtungserklärung sei ohne ungerechte Furcht zustande gekommen. Der Beklagte, der den Schaden bis zur Abholung des Möbelwagens durch die Klägerin am 17. Juli 1946 nicht behoben habe, besitze keinen Anspruch, den Schadenersatz in natura zu leisten. Denn nach der schriftlichen Abmachung stehe das Wahlrecht nicht ihm, sondern der Klägerin zu. Die Wiederherstellung des Wagens würde nach den Gutachten der Sachverständigen rund 12.000 S kosten. Da die Klägerin hievon unter Berücksichtigung der Abnützung nur rund 55%, nämlich 6285 S verlange, und dieser Betrag nach § 273 ZPO. als angemessen anzusehen sei, müsse ihn der Beklagte bezahlen. Seine Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil er bei der Ansichnahme des Wagens nicht gutgläubig gewesen sei (§§ 333, 403 ABGB.).

Infolge Berufung des Beklagten gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteils änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß die Klage abgewiesen wurde. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, die uneingeschränkt zu übernehmen seien, könne nicht angenommen werden, daß der Beklagte an der Beschädigung des Möbelwagens mitgewirkt hätte. Der Rechtsgrund des gesetzlichen Schadenersatzes versage daher. Aus der schriftlichen Haftungserklärung vom 8. April 1946 sei der Beklagte allerdings grundsätzlich zum Ersatz verpflichtet, da Nichtigkeit der Abmachung wegen ungerechter Furcht nicht angenommen werden könne. Darin habe sich aber der Beklagte nur verbunden, für alle entstehenden, also diejenigen Kosten aufzukommen, die der Klägerin bei der Wiederherstellung des Möbelwagens entstehen würden. Da die Instandsetzung bisher noch nicht in Angriff genommen worden sei und nicht feststehe, wie hoch sich die Kosten belaufen würden, könne die Klägerin den Ersatz noch nicht verlangen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht legt dem Wort "entstehenden" (Kosten) in der erwähnten Verpflichtungserklärung eine Bedeutung bei, die ihm nach Ansicht des Revisionsgerichtes nicht zukommt. Der Beklagte hat sich nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes freiwillig und ohne Zwang verpflichtet, den von Norbert H. zur Wohnung des Beklagten gebrachten und dort beschädigten Möbelwagen innerhalb eines Monats in benützbaren und straßenfahrbaren Zustand zu versetzen und der Klägerin in diesem Zustand wieder zur Verfügung zu stellen. Damit hat der Beklagte den Ersatz des vollen Schadens, der der Klägerin durch den Umbau des Wagens zu einem Behelfsheim zugefügt worden war, übernommen. Der Beklagte ist aber seiner primären Wiederherstellungspflicht nicht nachgekommen und die klagende Partei hat den Wagen drei Monate nach dem Abschluß der Vereinbarung beim Beklagten abgeholt. Damit und durch ihr Schreiben vom 19. August 1946 hat die Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie auf die Wiederherstellung durch den Beklagten verzichte. Für diesen Fall hatte sich der Beklagte verpflichtet, alle entstehenden Kosten in Geld zu ersetzen. Der Sinn dieser Zusage liegt darin, daß der Beklagte ohne Rücksicht darauf, ob und wann die Klägerin die Wiederherstellung des Wagens tatsächlich vornehmen würde, für den Ersatz des der Klägerin zugefügten Schadens aufkommen würde. Soweit der Ausdruck "entstehenden" nicht nur ein Füllwort ist und überhaupt einen Sinn wiedergeben soll, kann ihm höchstens die Bedeutung beigemessen werden, daß die Berechnung der Kosten sich nach den mit der Wiederinstandsetzung normalerweise verbundenen Auslagen zu richten habe. Daß damit nicht gemeint gewesen sein kann, es sollten die Auslagen erst nach Durchführung der Arbeiten auf Kosten der Klägerin vom Beklagten ersetzt werden, ergibt sich aus der primären eigenen Wiederherstellungsverpflichtung des Beklagten. Genau so, wie er diese Arbeiten mit eigenem Geld finanzieren sollte, war es seine vertragliche Verpflichtung, die Klägerin durch Bezahlung der voraussichtlich auflaufenden Kosten in Geld in die Lage zu versetzen, den Schaden, den sie durch die Beschädigung des Wagens erlitten hatte, ohne Aufwendung eigener Mittel zu beheben. Der Zweck des Schadenersatzes besteht seiner Natur nach darin, die Folgen von Schädigungen auf Kosten des Schädigers gutzumachen, nicht aber dem Beschädigten weitere Nachteile dadurch zuzufügen, daß ihm die Flüssigmachung von Geldmitteln aufgelastet wird.

Der Beklagte ist daher verbunden, die Klägerin gemäß der Vereinbarung vom 8. April 1946 in die Lage zu versetzen, die Reparaturen vorzunehmen, gleichgültig, ob sie sie wirklich vornehmen wird. Maßgeblich kann nur sein, daß der der Klägerin zugefügte Schaden, nämlich die Vermögensminderung, behoben wird. Dies kann auch dadurch geschehen, daß aus dem Gründe der Unwirtschaftlichkeit oder Untunlichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 1323 ABGB.) der Schadenersatzbetrag in anderer Weise zur Wiederherstellung des Vermögens der Klägerin herangezogen wird. Wenngleich § 1332 ABGB. die Höhe des Schadens auf den Zeitpunkt der Beschädigung abstellt, ist nach dem Inhalt der Abmachung vom 8. April 1946 dennoch maßgebend, daß die Klägerin in der Lage sein muß, die Herstellung selbst vorzunehmen. Dies ist aber erst dann der Fall, wenn der Ersatzbetrag bezahlt worden ist. Es kann daher der jetzige Wert der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden, wie es das Erstgericht getan hat. Nach den Gutachten der Sachverständigen ist unter Anwendung des § 273 ZPO. der eingeklagte Betrag von 6.285 S als angemessen anzusehen, da darin die normale, dem Beklagten nicht zur Last zu legende Abnützung ausreichend berücksichtigt ist.

Das Revisionsgericht billigt auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß nur derjenige einen Bergelohn nach § 333, 403 ABGB. verlangen kann, der redlich gehandelt hat. Wer wie Norbert H. der angebliche Zedent des Beklagten, sich eine fremde Sache aneignet, hat das Wohl des Eigentümers nicht im Auge und kann daher für die angebliche Rettung des Wagens vor der sicheren Vernichtung keine Belohnung verlangen.

Anmerkung

Z27262

Schlagworte

Bergelohn Redlichkeit, Redlichkeit, Bergelohn, Schadensgutmachung, Vorleistungspflicht, Schädiger, Ersatzpflicht, Vorleistungspflicht des Schädigers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00621.54.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19541020_OGH0002_0010OB00621_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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