TE OGH 1956/2/1 1Ob716/55

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.1956
beobachten
merken

Norm

ABGB §1284
Lohnpfändungsgesetz §4
ZPO §406

Kopf

SZ 29/8

Spruch

Eine Leibrente für die Überlassung eines Unternehmens fällt nicht unter die Beschränkung des § 4 LohnpfändungsG., sofern sich nicht ausdrücklich ihr Unterhaltscharakter aus der Rentenvereinbarung ergibt.

Nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingetretene Rentenfälligkeiten sind im Urteil nicht zu berücksichtigen.

Entscheidung vom 1. Februar 1956, 1 Ob 716/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 22. Juni 1954 wurde der klagenden Partei die Exekution bewilligt, und zwar durch Pfändung der dem Karl und der Anna P. gegen den Beklagten auf Grund eines Leibrentenvertrages zustehenden Forderung von je 800 S monatlich mehr oder weniger. Es liegt nun die Drittschuldnerklage der klagenden Partei vor. Nach Einschränkung des Klagebegehrens beantragt sie, den Beklagten zur Zahlung von monatlich 530 S vom Klagstag (18. August 1954) bis April 1955 und von monatlich 600 S ab Mai 1955 zu verurteilen. Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies zunächst das gesamte (damals noch weitergehende) Begehren mit Urteil vom 17. November 1954 ab, weil die dem Karl P. vom Beklagten geschuldete Leibrente von 600 S monatlich der Exekution entzogen sei (§ 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung) und weil es sittenwidrig sei, wenn die klagende Partei einerseits die Leibrentenforderung pfände, andererseits aber den Leibrentenvertrag anfechte.

Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht Folge, hob mit Beschluß vom 16. Februar 1955 dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Mit dem nun verfahrensgegenständlichen Urteil vom 1. Juni 1955 erkannte das Erstgericht, nachdem die mündliche Verhandlung am 26. April 1955 geschlossen worden war, die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für die Zeit vom 18. August 1954 bis 30. April 1955 530 S monatlich und ab 1. Mai 1955 600 S monatlich bis zur Tilgung der beigetriebenen Forderung zu zahlen. Es stellte fest, daß der Beklagte zur Zahlung einer Leibrente von monatlich 600 S an Karl P. verpflichtet sei; der Beklagte anerkenne auch diese Verpflichtung und sei bereit, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften als Drittschuldner seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Eine Exekutionsbefreiung verneinte das Erstgericht nunmehr in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht.

Der Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil hinsichtlich des Zuspruches von 530 S für die Zeit vom 18. August 1954 bis 30. April 1955. Hingegen wies es das Begehren ab, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 1. Mai 1955 600 S monatlich zu zahlen. Zur Abweisung des Mehrbegehrens gelangte das Berufungsgericht mangels Fälligkeit (§ 406 ZPO.).

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zur Revision des Beklagten:

Vorweg muß klargestellt werden, daß bereits zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr die Lohnpfändungsverordnung 1940, sondern das Lohnpfändungsgesetz vom 16. Februar 1955, BGBl. Nr. 51, gegolten hat. Eine ausschlaggebende Bedeutung kommt diesem Umstand nicht zu, weil der hier in Betracht kommende § 4 LohnpfändungsG. mit § 4 LohnpfändungsV. im wesentlichen inhaltsgleich ist. Daß nach § 4 Abs. 1 Z. 3 LohnpfändungsV. "fortlaufende Einkünfte auf Grund eines Altenteiles oder Auszugsvertrages" unpfändbar waren, während es jetzt "fortlaufende Einkünfte auf Grund eines Ausgedingsvertrages" sind, macht keinen sachlichen Unterschied.

Die zu lösende Frage geht dahin, ob es sich bei der pfändbaren Forderung um eine Unterhaltsrente handelt, die auf gesetzlichen Vorschriften beruht. Diese Frage ist zu verneinen. Der Notariatsakt vom 16. Dezember 1952 ist nicht nur als Leibrentenvertrag bezeichnet, sondern weist auch alle Merkmale eines solchen Vertrages auf (§ 1284 ABGB.). Eine in Geld geschätzte Sache, nämlich ein Unternehmen, das nach der Bilanz 55.642 S 57 g wert ist, ist gegen eine periodische Entrichtung von 600 S monatlich auf die Lebensdauer zunächst des Karl P. überlassen worden. Davon, daß diese Entrichtung ein gesetzlicher unterhalt wäre oder auch nur teilweise den Charakter eines gesetzlichen Unterhaltes hätte, ist in dem Vertrag keine Rede. Die beklagte Partei ist auch nicht in der Lage, in dieser Beziehung sich auf irgendwelche Verfahrensergebnisse zu berufen. Wenn sie nun hinterher versucht, den Rechtsgrund ihrer Leistung von 600 S monatlich an den Verpflichteten zu verändern, so kann dies der betreibenden Gläubigerin gegenüber nicht erfolgreich sein. Es ist keineswegs, so - wie der Beklagte meint -, daß geprüft werden müßte, ob der Umstand, daß er für die Leibrente eine Gegenleistung seines Vaters in Form eines Unternehmens erhalten habe, den Charakter der Leibrente als einer Unterhaltsforderung ändert. Damit werden Leibrentenvertrag und gesetzlicher Unterhalt in unzulässiger Weise vermengt. Beide haben nichts miteinander zu tun. Eine Leibrentenforderung hat ihren Rechtsgrund in der Leibrentenvereinbarung gemäß § 1284 ABGB., wonach für das Leibrentenkapital (hier das Unternehmen) die Rente gewährt wird. Ein Unterhaltsanspruch, wie er hier vom Beklagten in Betracht gezogen wird, müßte auf dem Gesetz beruhen. Daß eine Leibrentenforderung von vorneherein "den Charakter einer Unterhaltsforderung", geschweige denn einer gesetzlichen Unterhaltsforderung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 LohnpfändungsG. habe, trifft nicht zu. Es mag manchmal sein, daß ein aus einer Vereinbarung zur Festlegung eines gesetzlichen Unterhaltes und einem Leibrentenvertrag gemischter Vertrag geschlossen wird. Tatsächliche Feststellungen in dieser Beziehung liegen aber nicht vor. Auch auf dem Umweg, den gegenständlichen Leibrentenvertrag wie einen Ausgedingsvertrag zu behandeln, kann der Charakter der Leibrente als - noch dazu gesetzlicher - Unterhalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 LohnpfändungsG. nicht abgeleitet werden, weil sie mit einem bäuerlichen Ausgedinge rechtlich nicht gleich behandelt werden kann. Die Unpfändbarkeit der gepfändeten Forderung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 LohnpfändungsG. ist daher zu verneinen.

Aber auch aus § 4 Abs. 1 Z. 3 LohnpfändungsG. kann die Unpfändbarkeit, richtiger die Pfändbarkeit bloß im Rahmen für Arbeitseinkommen, nicht abgeleitet werden, weil es sich auch nicht um ein Einkommen aus einem Ausgedingsvertrag handelt. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ. XXVI 6 ausgeführt, daß § 4 Abs. 1 Z. 3 LohnpfändungsV. (= § 4 Abs. 1 Z. 3 LohnpfändungsG.) nur die fortlaufenden Leistungen aus Ausgedingsverträgen zwischen solchen Personen exekutionsfrei stellt, unter denen solche üblicherweise abgeschlossen werden, nämlich Versorgungsansprüche des Übergebers einer Landwirtschaft oder des weichenden Erben oder des überlebenden Ehegatten gegen den Übernehmer. Diese Rechtsmeinung, die in der bezogenen Entscheidung ausführlich begrundet ist, kann der Beklagte nicht widerlegen. Dabei mag ihm zugegeben werden, daß eine wirtschaftliche Ähnlichkeit zwischen der Veräußerung eines Geschäftes in der Stadt gegen Leibrente an den Sohn und der Übergabe einer Landwirtschaft an den Sohn gegen ein Ausgedinge gefunden werden kann. Die Fälle liegen aber keineswegs so ähnlich, daß sie ohne gesetzliche Bestimmung und gegen den Sprachgebrauch gleich behandelt werden könnten. Ein etwa gerade für die Vollstreckung sehr wesentlicher Unterschied besteht schon darin, daß das ländliche Ausgedinge in der Regel ausschließlich, jedenfalls aber weit überwiegend in Sachleistungen besteht, während bei einem Leibrentenvertrag, wie er hier vorliegt, Geld geschuldet wird. Die wirtschaftlichen Verschiedenheiten wie etwa jene, daß ein Bauer im Gegensatz zu einem gewerblichen Unternehmer keineswegs auf gewerbsmäßigen Umsatz und Kredit eingestellt ist, so daß bei ihm Fragen der Haftung für Schulden bei der Übergabe nicht vordringlich werden und daher die Exekutionsbeschränkung die Kreditsicherheit kaum beeinträchtigt, brauchen hier nur angedeutet zu werden.

Daß nach der in den Leibrentenvertrag aufgenommenen Bilanz der Verpflichtete gegenüber dem Beklagten eine Schuld von 46.800 S hatte, ändert an der Sachlage nichts, weil diese Schuld ohnedies bei Ermittlung des Firmenvermögens abgesetzt ist.

Von einer Sittenwidrigkeit des Klagebegehrens deswegen, weil die Klägerin den Leibrentenvertrag auch angefochten hat, kann keine Rede sein. Der Beklagte erkennt selbst, daß ein etwa im Anfechtungsprozeß zugunsten der Klägerin ergehendes Urteil "rechtsgestaltender Natur ist und, solange die Unwirksamkeit nicht vom Gericht ausgesprochen wird, der Vertrag seine Gültigkeit besitzt". Es bestehen daher unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die guten Sitten - in Betracht käme Schikane im Sinne des § 1295 Abs. 2 ABGB. - keine Bedenken, wenn die Klägerin die Leistungen des Beklagten, die dieser dem Verpflichteten aus einem nach seiner eigenen Auffassung jedenfalls zur Zeit gültigen Vertrag schuldet, zur Befriedigung ihrer Forderung in Exekution zieht. Der betreibende Gläubiger ist grundsätzlich nicht in den Mitteln beschränkt, seine Forderung aus dem Vermögen des Schuldners beizutreiben, und kann alle Vermögensstücke zu seiner Befriedigung heranziehen. Um die Klageführung als schikanös erkennen zu können, fehlen alle Voraussetzungen.

II. Zur Revision der Klägerin:

Die Meinung, daß wegen des zeitlichen Zwischenraumes zwischen dem Schluß der Verhandlung (§ 193 ZPO.) am 26. April 1955 und dem Datum der Urteilsausfertigung (1. Juni 1955) auch die während dieser Zeit fällig gewordenen Leibrentenbeträge zu berücksichtigen gewesen wären, kann nicht geteilt werden. Gemäß § 414 ZPO. ist das Urteil auf Grund der mündlichen Verhandlung zu fällen (vgl. etwa auch § 390 ZPO.). Dadurch ist ausgeschlossen, daß eine erst nach Schluß der Verhandlung eingetretene Forderungsfälligkeit bei der Urteilsfällung berücksichtigt werden darf.

Bei ihrem Versuch, die Leibrentenleistungen wie Alimente zu behandeln, um die Verurteilung zu den künftig fällig werdenden Beträgen zu erreichen (§ 406 2. Satz ZPO.), wird sich die Klägerin anscheinend des Umstandes gar nicht bewußt, daß bei Richtigkeit ihrer Auffassung die Exekutionsfreiheit gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 LohnpfändungsG. gegeben wäre. Diese Meinung ist aber bereits oben abgelehnt worden. Ein folgerichtiges Festhalten an dieser Lösung führt dazu, daß der gegenständlichen Leibrente auch nicht der Charakter von Alimenten gemäß § 406 2. Satz ZPO. zuzuerkennen ist. Daß dies für Geldrenten im Rahmen bäuerlicher Ausgedingsleistungen in SZ. XXIV 225 geschehen ist, widerspricht dem nicht, sondern ist in dem bereits oben herausgestellten rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschied zwischen einem bäuerlichen Ausgedingsvertrag und der Veräußerung eines gewerblichen Unternehmens gegen Leibrente begrundet.

Anmerkung

Z29008

Schlagworte

Exekution, Leibrente, Fälligkeit von Rentenleistungen, Verurteilung, Leibrente, Pfändungsschutz, Unterhaltscharakter, Lohnpfändung Pfändungsschutz bei Leibrenten, Rentenleistungen, Verurteilung vor Fälligkeit, Unterhaltscharakter einer Leibrente, Pfändungsschutz, Verurteilung vor Fälligkeit bei Rentenleistungen, Zwangsvollstreckung Leibrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00716.55.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19560201_OGH0002_0010OB00716_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten